Der Preller - Edgar Wallace - E-Book

Der Preller E-Book

Edgar Wallace

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Beschreibung

Das Werk "Der Preller" ist ein 1931 veröffentlichter Roman von Edgar Wallace. Der Originaltitel lautet "The Mixer". Richard Horatio Edgar Wallace (geboren 1. April 1875 in Greenwich, London; gestorben 10. Februar 1932 in Hollywood, Kalifornien) war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Wallace gehört zu den erfolgreichsten englischsprachigen Kriminalschriftstellern.

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Der Preller

EinleitungDie RennlotterieEine AktienspekulationDer fingierte BankraubMr. Limmerburgs ReinfallEngster Wettbewerb und seine FolgenWie ein Fuchs in die Falle gingMr. Sparkes, DetektivDer U-Boot-JägerEin merkwürdiges FilmabenteuerDas Mädchen von GibraltarEine Spielklub-RazziaDer GelegenheitskaufDer Fall der Dolly de MulleDer vierundsiebzigste DiamantFilmkurse per PostDer Zusammenbruch der Billiter-BankSchätze in SpanienImpressum

Einleitung

Seit Jahren war Pony Nelson, der Hochstapler und Falschspieler, nicht so glücklich gewesen. Sein letzter Raubzug, dessen Hergang mit dieser Geschichte nichts zu tun hat, brachte ihm mehr als fünfunddreißigtausend Pfund Sterling ein. Selbst nach reichlichen Spenden an seine Mitarbeiter blieb ihm noch genug, daß er weitreichende Pläne machen konnte. Eine Sommerreise per Auto, eine Angelkarte im mondänsten Fischparadies, eine Jagdhütte in Schottland, das waren mehr oder weniger die Freuden, die Pony Nelson sich aus den Erträgnissen seines Fischzuges zu verschaffen gesonnen war. Im letzten Augenblick vor Antritt dieser geplanten Reise erhielt er von seinem Freund, dem Kriminalinspektor Bradley von Scotland Yard, noch einen Wink, daß sein unversöhnlichster Feind, Kriminalsergeant Sennet, ihm scharf auf den Fersen sei und nur noch geringe Beweise brauche, um ihn für längere Zeit hinter schwedische Gardinen zu bringen. Ohne zu zögern, sprengte Pony das Gerücht aus, daß er seinen Paß in Ordnung habe und im Begriff sei, Südfrankreich aufzusuchen.

Das Stammlokal der Bande, die ›Sieben Federn‹, sah am selben Abend sämtliche Mitglieder der ›Nelson-Bande‹ zum Abschied vereinigt: Simmy Diamond, Colethorpe, May Blumenthal und Chris O'Heckett sprachen dem leckeren Mahl und den ausgewählten Weinen, die Pony zum Abschiedsdiner anfahren ließ, ebenso freigebig zu wie ihr Chef. Der ›Preller‹ war nicht anwesend, denn er gehörte nicht zur Bande des erfindungsreichen Pony, obwohl er über ihn und seine Pläne genauso gut unterrichtet war wie Nelson selbst.

»Du hast wirklich enormen Massel gehabt«, meinte May, die neben Pony saß. Pony kicherte.

»Ja, die Geschäfte hätten schlechter sein können«, antwortete er vergnügt, »aber ich fahre doch jetzt weg, obwohl die Saison kaum begonnen hat. Schade, daß ich so viele Lämmlein ungeschoren zurücklassen muß.«

Er schüttelte bedauernd den Kopf. Pony liebte es zu posieren – diese Eigenschaft hatte er mit vielen großen Künstlern gemeinsam.

»Ja«, fuhr er nachdenklich fort, »ihr habt es gut; ihr könnt hierbleiben und leicht Geld verdienen. Ich gönne es euch, aber der Gedanke, daß ich völlig abseits stehen soll, schmerzt mich doch.« Er unterbrach sich, und ein Funken blitzte in seinen Augen auf. »Ich fahre morgen früh«, meinte er. »Um acht. Meine Koffer sind schon aufgegeben.« Wieder ließ er eine sprechende Pause eintreten, und die anderen Teilnehmer am Abschiedsmahl harrten gespannt der Dinge, die, wie sie wußten, schnell genug kommen würden. »Die Reise wird teuer werden«, Ponys Augen blitzten vor verhaltenem Lachen, »wahrscheinlich mehr als hundert Pfund, denn Fahrt, Trinkgelder und dergleichen verschlingen eine Masse Geld.«

Diese Mitteilung löste bei seinen Kumpanen lautes Gelächter aus, denn alle wußten, daß Pony in den verschiedenen Taschen seines eleganten Abendanzuges über vierzigtausend Pfund Sterling verborgen hatte.

Als erste wurde sich May darüber klar, was der Chef eigentlich meinte.

»Sei kein Esel, Pony«, warnte sie ihn ernst. »Du hast genug und solltest dich nicht wieder in Gefahr begeben. Geh nach Hause und schlaf dich aus. Fahre ruhig los. Ja, ich weiß schon, was du im Sinn hast.«

»Nun?« forderte Pony sie heraus.

»Du willst noch eine Kiste landen, um deine Reisespesen zu verdienen. Was wirst du damit erreichen? Nichts weiter, als daß dich die Polizei noch auf dem Bahnhof festnehmen wird. Du weißt, daß Sennet scharf hinter dir her ist, und wenn du einen einzigen Fehler begehst, hat er dich unwiderruflich beim Schlawittchen.«

Der andere lachte.

»Die Polente ist seit Jahren hinter mir her, May«, sagte er, »und hat mich bisher noch nicht schnappen können, nicht wahr? Glaubst du wirklich, May, daß ich mich jetzt noch in letzter Stunde von ihr angeln lasse? Nein, Kind, wenn ich heute abend wirklich noch eine Sache drehe, dann darf es nur eine bombensichere sein. Und – ich werde schon was finden!«

Nun mischte sich auch Simmy ins Gespräch.

»Du forderst das Schicksal heraus, Pony«, erklärte er kopfschüttelnd. »Wie oft sind uns unsere besten Leute verschütt gegangen, weil sie nicht genug bekommen konnten! Du darfst dir doch nicht einbilden, Chef, daß niemand etwas von dir weiß. Jeder verdammte Plattfuß in Uniform kennt dich und weiß, was für ein Geschäft du betreibst. Wenn sie den Schatten eines Beweises gegen dich hätten, würden sie dich schon lange festgenagelt haben. Wo du hingehst, wirst du beobachtet. Seit wann bist du so leichtsinnig geworden, eine Sache ohne genügende Vorbereitungen zu drehen? Wie kannst du deine Spuren verwischen, wenn du noch nicht einmal weißt, was und wie du die Sache drehen wirst?«

Den anderen Anwesenden leuchteten die Vorhaltungen Simmys ein, und sie murmelten beifällig, aber Pony hatte schon ein wenig zuviel des guten Weines getrunken und war, in Voraussicht der kommenden guten Tage, übermütig geworden. Ja, er hatte gut verdient, trug genug Geld bei sich, um sorglos einige Jahre leben zu können, aber – sein Ruf stand auf dem Spiel! Er vertraute seinem Glück blindlings.

»Mir scheint, als täten euch Ferientage auch recht gut, Kinder«, meinte er ironisch. »Was ist denn mit euch los? Ihr glaubt doch nicht etwa, ich würde jetzt hier weggehen und das Schaufenster eines Juweliers einschlagen, wie? Oder vielleicht auf dem Piccadilly, wo die Polente herumwimmelt, jemand niederschlagen, um ihm die Brieftasche abzunehmen? Paßt auf: Ich hole mir meine hundert Pfund, um meine Reisespesen zu verdienen! Es wird wie geschmiert gehen!«

Simmy lachte verächtlich.

»Du scheinst immer noch an Wunder zu glauben«, brummte er.

Und das Wunder ereignete sich.

Die ›Sieben Federn‹ nahmen das Erdgeschoß und das erste Stockwerk eines Hauses in Soho ein. Pony hatte sich mit seiner Gesellschaft in einem Zimmer zu ebener Erde niedergelassen, weil er hier die Möglichkeit ungestörter Beobachtung aller Ein- und Ausgehenden hatte. Sein Tisch stand in einer Art Alkoven, der vom übrigen Lokal durch einen Vorhang getrennt war und nur noch zwei anderen Tischen Platz bot. Im Hauptteil des Zimmers befand sich eine Bar, deren Cocktails in Kennerkreisen den besten Ruf genossen. Vom Zimmer aus führten drei Ausgänge ins Freie, ein weiterer Grund, warum Pony gerade das Erdgeschoß als Festraum benutzte. Von seinem Platz aus konnte er durch eine kleine Öffnung im Vorhang das Hauptlokal ungestört beobachten, und während Simmy seine ironischen Bemerkungen machte, hatte Pony zwei junge Leute das Lokal betreten sehen, die sich schwankend ihren Weg zur Bar suchten. Auch wenn er sie nicht gesehen hätte, würde er sie doch gehört haben; denn einer von ihnen sorgte dafür durch lautes Grölen. Gespannt erhob sich Pony und blickte durch die Öffnung des Vorhangs ins Nebengemach. Er wußte, daß das Wunder, von dem Simmy so ironisch gesprochen hatte, eingetreten war. Stille heischend, hob er die Rechte, aber seine Warnung war überflüssig, denn die Teilnehmer am Festmahl hatten den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Führers schon richtig gedeutet.

Der Gröler an der Bar war mit dem Mixer anscheinend in Streit geraten. Er und sein Begleiter gehörten unstreitig der Jeunesse dorée an, die infolge der wundervollen Cocktails der ›Sieben Federn‹ öfters einmal das Lokal beglückte. Die jungen Leute befanden sich in tadellosen Abendanzügen; jeder hielt einen Spazierstock mit Goldgriff unter den Arm geklemmt, und aus der Westentasche des einen baumelte eine schwergoldene Uhrkette. Der jüngere der beiden hielt eine reich mit Edelsteinen besetzte Uhr in der Hand und schwenkte sie vor dem Gesicht des protestierenden Barkeepers aufgeregt hin und her. Der andere war ruhiger, anscheinend aber ebenso betrunken wie sein Begleiter.

»Wartet!« flüsterte Pony seinen Gästen zu und schlich sich hinaus. Er war, wie seine Gäste, im Frack und trug ihn so gut, daß niemand ihn für einen der zahlreichen Kellner gehalten hätte. Er schlenderte der Bar zu, die Hände tief in die Hosentaschen vergraben, eine Zigarre im Mund, und nahm neben den beiden Angeheiterten Platz. Kaum hatte er sich gesetzt, als der jüngere ihm leutselig eine Hand auf die Schulter legte.

»Kommen Sie – hick – alter Freund – hick – und trinken Sie einen mit uns«, lud er Pony ein. »Wir – hick – haben viel Geld – hick -, und ›die Nacht ist ja so jung‹«, fügte er singend hinzu.

Pony lächelte.

»Im allgemeinen pflege ich mit Fremden nicht zu trinken«, machte er den anderen aufmerksam.

»Quatsch, alter Genosse«, meinte der Betrunkene, »ich habe Geburtstag.«

»Ja, so ist es«, mischte sich sein Freund ein. »Man muß die Feste feiern, wie sie fallen.«

Pony schien noch ein wenig zu zögern, nahm dann jedoch die Einladung an. Nach gegenseitigem Zutrinken griff das Geburtstagskind in die Tasche, zog eine dicke Rolle Banknoten hervor und warf sie nachlässig auf den Tisch. Mit einem raschen Blick versicherte sich Pony, daß es lauter Zwanzig-Pfund-Noten waren. Sein Plan war fertig und rollte programmgemäß ab. Die Unterhaltung wurde lebhaft, und als nun der eine der beiden jungen Leute ein gemütliches Spielchen vorschlug, herrschte bei den drei Zechern bald eitel Gemütlichkeit. Man spielte ›Gerade oder Ungerade‹. Eine Banknote wurde so gefaltet auf den Tisch gelegt, daß man die Nummer nicht sehen konnte. Der Mitspieler hatte zu raten, ob die Endziffer der laufenden Seriennummer gerade oder ungerade war. Pony ließ die beiden bei ihrer interessanten Beschäftigung und begab sich zu seinen Gästen zurück.

»Das Wunder ist geschehen, Simmy«, verkündete er seinem pessimistischen Freund. Dann wandte er sich dem jungen Mädchen zu: »Dich brauche ich heute abend noch, May«, teilte er ihr lächelnd mit. »Ist deine Wohnung in der Albany Street bereit, Gäste aufzunehmen?«

Sie schien von dieser Frage wenig entzückt.

»Du willst die beiden doch nicht etwa in meine Wohnung schleppen, Pony?« – Der Chef nickte.

»Mein Anteil aus der Kiste wird genau hundert Pfund betragen«, gab er zurück. »Die beiden haben aber mindestens tausend bei sich.«

Diese Aussicht überzeugte auch die Zögernde.

»Das ändert natürlich die Sache«, sagte sie. »Was soll ich tun?«

In kurzen Worten teilte ihr Pony seinen Plan mit und ging dann zu den noch immer Spielenden zurück.

»Ich muß weg, Kinder«, sagte er zu ihnen, und das Bedauern drückte sich unmißverständlich in seiner Stimme aus. »Ich muß zu einer Dame, die mich zum Essen eingeladen hat. Sie ist eine richtige Spielratte, und wenn sie wüßte, daß ihr euch hier so gut amüsiert, ließe sie euch überhaupt nicht mehr aus den Händen.«

»Das ist die richtige Sorte«, gab der Schreier zurück, aber Pony schüttelte abwehrend den Kopf. Er schwieg einen Augenblick und schlug dann beiden Angeheiterten leutselig auf die Schulter.

»Ich will euch einen Vorschlag machen«, sagte er, »ich werde sie euch vorstellen, und wir fahren mit ihr in ihre Wohnung. Sie ist eine Schönheit.«

Der Vorschlag wurde enthusiastisch angenommen. Pony verschwand und kam nach wenigen Augenblicken mit May wieder, die scheinbar keinen anderen Wunsch hegte, als so schnell wie möglich nach Hause zu fahren.

Die beiden jungen Leute hatten sich Pony bisher nicht vorgestellt, und er trug auch gar kein Verlangen, ihre Namen kennenzulernen. Er rief ein Taxi und fuhr mit May und den neu hinzugekommenen Gästen in die Albany Street.

»Pony ist leichtsinnig geworden, Kinder«, meinte Simmy bedeutsam. »Wer weiß, ob die beiden nicht zur Polente gehören.«

»Unsinn«, entgegnete ein anderer. »Ich weiß, wie die von der Polente aussehen. Die beiden sind ganz gewöhnliche Hühnchen, die nur darauf warten, gerupft zu werden.«

Die Fahrt in die Albany Street verlief programmäßig. Als das Taxi sich der Wohnung Mays näherte, ließ sie es halten.

»Wir wollen noch ein Stück zu Fuß laufen«, bat sie die anderen. Es war besser, die beiden ›Opfer‹ wußten am Morgen nicht, in welchem Haus sie die Federn hatten lassen müssen. Sie würden wegen ihres Rausches wohl kaum wissen, wo sie hingebracht worden waren, aber der Chauffeur könnte es, wenn Nachforschungen einsetzten, verraten. Die beiden jungen Leute hatten gegen einen kurzen Spaziergang nichts einzuwenden, und so schritten die vier nebeneinander der Wohnung Mays zu. Die Besucher sahen sich in einem elegant möblierten Empfangszimmer, schienen aber in der wirklichen Eleganz der Einrichtung nichts Außergewöhnliches zu finden. Pony nahm May beiseite und flüsterte ihr einige Verhaltensmaßregeln zu. Dann wandte er sich an die Angeheiterten.

»Miss Johnston bittet Sie, erst ein Glas zu trinken, ehe Sie wieder aufbrechen«, teilte er ihnen mit, »aber ich glaube, Sie werden beide genug haben, meine Herren, nicht wahr?«

»Nichts zu machen«, gab der eine der beiden zurück. »Wir nehmen an.«

Immer noch zögerte Pony.

»Spielen Sie Bakkarat?« fragte er. »Miss Johnston liebt das Spiel. Ich möchte Ihnen aber davon abraten, denn sie hat unverschämtes Glück mit den Karten.«

»Bakkarat?« Der Gefragte ließ einen Jauchzer los. »Mein Lieblingsspiel!« Er schlug Pony auf den Rücken, daß es klatschte. »Los, die Karten her! Aber ein bißchen rasch!«

»Ich spiele ungern!« warf der also Aufgeforderte ein.

Endlich mußte er den Bemühungen der beiden jungen Leute nachgeben. May brachte die Karten, und das Spiel begann.

Erst wendete sich das Spiel zugunsten der Gäste, bald aber kehrte ihnen Fortuna den Rücken. Ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlten sie die immer größer werdenden Verluste, und der Banknotenhaufen, den May vor sich liegen hatte, wurde höher und höher. Sie mußte, wie Pony in Gedanken kalkulierte, bereits zweitausend Pfund gewonnen haben.

Endlich kam der erwartete Augenblick.

»Mein Geld ist alle«, verkündete der ältere der beiden Gäste. »Borg mir fünfzig, Anthony.«

Sein Freund schüttelte den Kopf. »Nee, mein Lieber. Ich habe auch nur noch zwanzig, und die werde ich noch setzen.«

Er tat es und verlor. Eine tiefe Stille herrschte im Zimmer, die nur von dem Knistern der Banknoten unterbrochen wurde. Langsam und mit geübten Fingern zählte das Mädchen ihren Gewinn.

»Pech!« meinte Pony lächelnd zu den beiden Gerupften. »Jetzt wollen wir noch einen auf den Schrecken genießen, Kinder. Habt ihr wirklich kein Geld mehr? Ich kann euch fünfzig borgen, wenn ihr weiterspielen wollt.«

Aber die Opfer winkten ab. Während May die Getränke vorbereitete, stand der schweigsamere der beiden jungen Leute auf und begab sich zur Tür. Sein Freund nahm das Glas, das vor ihm stand, in die Hand und roch daran.

»Laudanum?« sagte er dann ruhig. Pony starrte ihn an. Seine Augen wurden noch größer, als ihm der andere das Glas anbot.

»Trinken Sie!«

»Was soll das heißen?« rief Pony verwundert.

»Trinken Sie!« wiederholte der andere. Im gleichen Augenblick verriegelte sein Freund die Tür. Pony wandte sich blitzschnell um und konnte gerade noch sehen, wie der zweite der Gerupften den Schlüssel in die Tasche steckte.

»Was, zum Teufel, habt ihr denn vor?«

»Eine große Sache, Freund Pony«, unterrichtete ihn der andere, der ein Monokel in das rechte Auge geklemmt hatte. »Trinken Sie das Glas aus, sonst schieße ich Sie nieder.«

Das Mädchen sprang auf ihn zu, aber der junge Mann, der die Tür verschlossen hatte, fing den auf seinen Freund gerichteten Angriff auf. Muskulöse Arme umfingen das Mädchen.

»Lassen Sie mich los«, schrie sie hysterisch. »Ich brülle so lange, bis die Polizei kommt. Pony, warum stehst du dort und ...?«

»Nur ruhig, schönes Kind«, murmelte der Mann mit dem Einglas, ohne seine Umarmung zu lockern.

»Ja, nur ruhig«, ließ sich auch sein Freund vernehmen. »Ich würde Ihnen abraten, die Polizei zu rufen. Pony wird Ihnen sagen, warum.«

»Was wollt ihr von uns?« erkundigte sich jetzt Pony.

»Zuerst möchte ich Sie um das Geld erleichtern, das Sie uns in so ungastlicher Weise abgenommen haben. Mit gezeichneten Karten soll man nicht spielen.« Der Fremde nahm May die Geldpäckchen aus der Hand und steckte sie in seine Tasche. Dann fuhr er fort:

»Sie können sich dieses Glas ansehen, Pony«, sagte er. »Der Wein hätte uns wahrscheinlich schlafen geschickt. Nun möchte ich mir gestatten, euch einen Umriß des Planes zu geben, den ihr ausführen wolltet. Nachdem wir unser Geld verloren hatten, sollten wir ein kleines Schlafmittelchen eingeflößt bekommen und in irgendeiner Seitenstraße ausgesetzt werden. Ihre Freunde haben Ihren Anruf schon erwartet, um Ihnen dabei zu helfen. Morgen wollten Sie, geehrter Freund Pony, nach Frankreich abrutschen, um dort die Ergebnisse Ihrer Raubzüge durchzubringen. Sie haben jedenfalls Ihren Paß schon in der Tasche, aber, was uns mehr interessiert, auch das Geld, mit dem Sie sich in Frankreich die notwendigen Zerstreuungen verschaffen wollen.«

»Nun, und?« fragte Pony.

»Nun?« wiederholte der andere höhnisch. »Ehe ich meine Forderungen an euch stelle, möchte ich mich wenigstens vorstellen. Meinen Familiennamen werde ich euch nicht nennen, er tut nichts zur Sache. Man nennt mich Anthony oder häufiger noch: den Preller! Dieser junge Mann hier ist Paul, während der dritte Angehörige meiner Gesellschaft draußen vor der Tür auf uns wartet.«

»Ihr wollt uns wohl bluffen?« erkundigte sich Pony.

»Nein, ganz und gar nicht«, näselte sein Gegner. »Der draußen Wartende heißt Sandy, und er hat uns vor kurzer Zeit von den ›Sieben Federn‹ aus hierhergefahren. Er war im Feld mein Bursche und ist – ich kann es, da er nicht hier ist, ruhig sagen ein vortrefflicher Kerl. Er hat es vorgezogen, nach Kriegsende bei mir zu bleiben, anstatt seinen alten Posten als Lagerhausarbeiter wieder anzutreten. Ich habe ihm außerdem versprochen, daß er eines Tages genug Geld haben wird, um sich aufs Land zurückziehen zu können, und ich gedenke, mein Versprechen zu halten. Was meinen Freund hier und mich selbst anbetrifft, Mr. Nelson, so kann ich Ihnen verraten, daß Sie Helden aus dem Kriege vor sich haben, die nach der Demobilisierung von der undankbaren Nation nicht so behandelt wurden, wie es sich nach den Opfern, die sie brachten, gehört hätte. Mein Freund Paul ist Offizier der Ehrenlegion. Nicht wahr, Paulchen?« wandte er sich an seinen Begleiter. Paul nickte, und Anthony, der sich selbst den ›Preller‹ nannte, fuhr in seinen Aufklärungen fort:

»Unser Vaterland scheint unser nicht mehr zu bedürfen und will von uns, die wir das Heer unter für uns ungünstigen Verhältnissen etwas vorschnell verlassen mußten, nichts mehr wissen. Paul mußte abgehen, weil er seinen Urlaub um sieben Tage überschritten hatte. Ich möchte erwähnen, daß er vor dem Kriegsgericht keineswegs die alte Ausrede gebrauchte, er habe das Gedächtnis verloren. Ich? Ja, ich wurde schimpflich entlassen, weil ich einem jungen Mann, der das Abzeichen eines Offiziers der Feldpolizei trug, so aufs Auge schlug, daß es blau wurde.«

»Und was wollt ihr von uns?« erkundigte sich Pony, der dem anderen schweigend gelauscht hatte.

»Unser Beruf besteht darin, daß wir so leicht wie möglich unser Geld zu verdienen trachten«, gab ihm sein Gegner Auskunft. »Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, wie man es am leichtesten verdienen kann, und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß man es Leuten eures Schlages abnehmen muß. Nur dieses System würde mein Freund Paul, der eine starke moralische Ader hat, als Erwerbszweig anerkennen, sonst hätte er sich wahrscheinlich in meiner Branche schon lange selbständig gemacht. Jedenfalls steht die Sache nun so, daß er sich entschlossen hat, sein Teil mit dem meinen zusammenzuwerfen und euch Bande so zu schröpfen, daß ihr nackt und bloß dasteht, ohne zu wagen, großes Geschrei zu erheben.«

»Bei mir werdet ihr euch die Zähne ausbeißen«, warnte ihn Pony.

»Im Gegenteil.« Der höfliche Preller verbeugte sich vor seinem künftigen Opfer. »Ich werde Ihnen alles, was ich brauche, abnehmen. Wissen Sie, wieviel ich brauche? Nein? Nun, es wird jeder Pfennig sein, den Sie in der Tasche tragen, mein sehr verehrter Mr. Nelson.«

»So wahr mir Gott helfe, ihr Lumpen, ich werde mich bei euch revanchieren«, zischte Pony. Anthony lächelte ein wenig müde.

»Bedenken Sie doch, mein Freund«, erklärte er, »daß wir, um unseren Beruf erfolgreich auszuüben, ein bedeutend größeres Risiko eingehen müssen. Wir haben also vor Ihrer Rache nicht die geringste Angst. Alles, was ihr uns tun könntet, können wir euch auch verabfolgen, und vielleicht«, er drohte mit dem Finger, »tun wir es ein klein wenig schneller und besser. Auspacken, Pony, los!« Seine Stimme klang scharf und befehlend.

»Ich weigere mich«, gab Pony zurück und versuchte, ihn anzuspringen.

Seine Arme griffen in die Luft, und dem Kampf wurde ein schnelles Ende bereitet, als ihn der Kolben eines kräftig gehandhabten Revolvers zu Boden schlug. Das Mädchen, mit einem Gesicht so weiß wie Schnee, hatte dem stummen Kampf bewegungslos zugesehen. Als sich Anthony über den Körper des Bewußtlosen beugte und ihm die Taschen zu leeren begann, fand May ihre Stimme wieder.

»Ich werde euch das nicht vergessen«, flüsterte sie.

»Schade«, höhnte Paul, der sie immer noch am Arm festhielt.

»Auch mir würde es leid tun«, warf der Preller ein, »wenn Sie uns so schnell vergessen würden.«

Sie starrte ihn nachdenklich an. Dann fragte sie:

»Was werdet ihr mit mir anfangen?«

»Wir lassen Sie hier zurück. Das ist es ja gerade, was meine Methoden so erfolgreich und gefahrlos macht: Ich brauche meine Opfer nicht zu fesseln, nicht zu schlagen, nicht zu vergiften, nicht zu knebeln – sie schweigen alle, wenn ich mit ihnen fertig bin. Bitte, rufen Sie ruhig die Polizei. Ich glaube nicht, daß Sie das tun werden, denn sie hat die merkwürdige und tadelnswerte Gewohnheit, sich nach dem Hergang einer Sache sehr eingehend zu erkundigen.«

»Und Sie wollen ein Mann sein?« fragte sie ihn mit beißender Ironie.

»Jawohl. Ich halte mich sogar für einen Gentleman«, gab Anthony feierlich zurück.

Das Durchsuchen der Taschen Ponys währte nicht lange, war jedoch um so einträglicher. Der Preller hatte den Taschen des Bewußtlosen sechs dicke Banknotenrollen entnommen, die er, eine nach der anderen, in die Taschen seines Frackes schob.

»Ich glaube, Paul«, wandte er sich an den Freund, »wir sind fertig und können nun gehen. Sandy wird sich wundern, wo wir bleiben.«

Mit kurzem Nicken verabschiedete er sich von dem Mädchen, das ihm, ohne eine Bewegung zu machen, nachstarrte. Dann schritt er mit seinem Begleiter über die Treppen nach unten. Er öffnete die Haustür, um im nächsten Augenblick rasch zurückzutreten. Auf der Schwelle standen drei Herren, während am unteren Ende der zur Straße führenden kurzen Treppe ein Polizist in Uniform lehnte.

Nur eine Sekunde zögerte der Preller, dann trat er hinaus und wollte bei den wartenden Männern vorbeigehen. Einer von ihnen hielt ihn am Arm fest, und eine elektrische Lampe leuchtete ihm ins Gesicht.

»Wer sind Sie?« fragte eine Stimme.

»Was geht Sie das an?« gab Anthony schlagfertig zurück. »Was wollen Sie von mir?«

Eine befehlende Stimme unterbrach die Unterhaltung voller Ungeduld:

»Das ist nicht unser Mann. Wer ist der andere, der bei ihm ist?«

Der Strahl der Taschenlampe fiel auf Paul.

»Der geht uns auch nichts an«, fuhr der Unsichtbare fort. »Was hatten die Herren hier im Haus zu suchen?«

Anthony stellte sich trunken.

»Ihr – hick – fragt – viel zuviel. Seit wann – hick – dürfen wir nicht mehr – hick – aus Häusern herauskommen?«

Der Unsichtbare, es war Sennet, der Sergeant der Kriminalpolizei, zögerte einen Augenblick. Dann sagte er:

»Laßt die beiden gehen; sie wohnen wahrscheinlich hier im Haus. Wissen Sie bestimmt, daß dies das richtige Haus ist?«

»Jawohl, Sir«, gab jener zurück. »Ich weiß, daß May zu Hause ist, denn ich sah in ihrer Wohnung Licht aufflammen.«

»Gut.« Dann wandte er sich an Anthony: »Ist das Ihr Wagen, Sir?« Er wies auf das wartende Taxi mit Sandy am Steuer.

»Ja«, gab der Preller kurz zurück.

»Dann gute Nacht«, grüßte Sennet und trat ins Haus.

Wenige Minuten später kam er bereits wieder über die Treppen heruntergerast, um nach dem Taxi Ausschau zu halten, aber es war mit seinen Insassen und dem sehnlichst gesuchten Preller spurlos verschwunden.

Die Rennlotterie

Der Eigentümer von Gut Graeside, einem der nettesten Landhäuser in der Nähe der nordenglischen Großstadt, pflegte den größten Teil des Jahres in den Hochalpen zu verbringen, um dort sein chronisches Brustleiden auszuheilen. Herrlich eingerichtet und gelegen, war das englische Landhaus gleichwohl für den kranken Besitzer eine Quelle fortwährender Sorgen, weil es ihm bisher nicht gelungen war, es für mehr als sieben Pfund wöchentlich zu vermieten. Gegenwärtig stand es wieder leer, und er beichtete bei der Nachtischzigarre im Hotel Bellevue in Interlaken, wie gern er es sehen würde, wenn es ihm gelänge, einen Dauermieter für Graeside zu finden. Mr. Burnstid, ein zufällig gefundener Freund Mr. Fergusons, des Kranken, hörte dem Lamento nur mit geringem Interesse zu, erwachte aber zu voller Aufmerksamkeit, als Ferguson ihm die Vorzüge seines unvermietbaren Landhauses zu schildern begann.

Mr. Burnstid war ziemlich beleibt, und sein sanft gerötetes Gesicht mit gleichfarbiger Nase bewies deutlicher, als Worte es vermögen, daß er kein Verächter eines guten Tropfens war. Was Kleidung anbetrifft, so konnte es seine Eleganz gut und gern mit dem übrigen Publikum des vornehmen Hotels aufnehmen.

»So, so?« meinte er. »Gut eingerichtet, wie? Und die Nachbarschaft auch angenehm?«

»Darüber können Sie beruhigt sein«, versicherte ihm der unglückliche Besitzer dieser Perle unter allen Landhäusern.

»Das Haus steht allein, sagten Sie, nicht wahr?« fragte Burnstid, worauf ihm Ferguson erneut darlegte, daß es völlig allein stehe und von niemand eingesehen werden könne.

»Hm!« unterbrach ihn der nunmehr höchlichst Interessierte. »Vermieten Sie das Haus selbst, oder haben Sie einen Grundstücksagenten damit beauftragt, Mr. Ferguson? Ich würde derartige Geschäfte nur durch Agenten machen lassen.«

»Ich habe die Vermietung einem Agenten übertragen«, beruhigte ihn der andere und nannte Burnstid den Namen und die Adresse seines englischen Vertreters.

Kurze Zeit darauf verabschiedete sich Burnstid von Ferguson und begab sich auf sein Zimmer. Sofort vertraute er die Adresse, die ihm Ferguson gegeben hatte, seinem Notizbuch an. Damit war Graeside für die Gespräche der beiden Herren erledigt, aber der Besitzer des Landhauses wurde acht Tage später angenehm durch die Mitteilung seines Grundstücksverwalters überrascht, daß Graeside endlich einen gut zahlenden Mieter gefunden habe. Er ahnte nicht, daß es Burnstid gewesen war, der ihm die Sorge um das unvermietete Graeside abgenommen hatte, denn er sah den Landsmann in Interlaken nicht wieder.

Burnstid hatte den Fall seinen Teilhabern vorgetragen, ebenfalls zwei wohlbeleibten Herren, die sich nur durch das Rauchen sehr teurer Zigarren von ihrem Berichterstatter unterschieden. Das Rendezvous hatte auf Veranlassung Burnstids in einem Hotel am Genfer See stattgefunden. Mr. Epstein und Mr. Cowan blickten ihren Teilhaber fragend an.

»Nun?« hatte ihn Epstein begrüßt. »Wie sind die Aussichten?«

»Gut«, erwiderte Burnstid. »Ich werde über siebenhunderttausend Rundschreiben hinausgehen lassen, und zwar nicht von hier, sondern von England aus. Ich rechne bestimmt damit, daß wir zum mindesten zweihunderttausend Anträge bekommen werden, genauso wie bei der Cäsarewitsch-Rennlotterie. Ihr seht, daß ich die Wintermonate über nicht untätig war.«

»Schön», nickte ihm Epstein beifällig zu. »Du glaubst also, daß diese Lincoln-Rennlotterie uns Erfolg bringen wird?«

»Glauben?!« wiederholte Burnstid lachend. »Da gibt es nichts zu glauben. Ich bin mir des Erfolges sicher! Es wird leichter sein als Schoten auspellen; hunderttausend schöne runde Pfündchen springen für uns dabei bestimmt heraus.«

»Welche Prämien hast du denn angeboten?« erkundigte sich nun auch Cowan höchlichst interessiert.

Burnstid entnahm seiner Brieftasche einen eng bedruckten Bogen Papier und legte ihn vor sich auf den Tisch.

»Hier steht alles haargenau«, sagte er. »Hauptgewinn: Zwanzigtausend Pfund, zweiter Hauptgewinn zehntausend, dritter fünftausend, vierter eintausend. Dann kommen noch zehn Trostpreise zu je sechshundert Pfund und weitere fünfhundert für jedes Pferd, das auf der Starterliste steht.«

Cowan schien befriedigt. Er nickte beifällig.

»Diese Köder sollten eigentlich genügen, uns eine Menge Vögel ins Garn zu locken«, meinte er. »Würde es nicht noch mehr ziehen, wenn wir den Hauptgewinn auf das gewinnende Pferd auf vierzigtausend erhöhten?«

Burnstid schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

»Nee, mein Junge, dann bekämen die Idioten es mit der Angst zu tun. Zwanzigtausend genügt als erster Preis. Du mußt bedenken, daß das Publikum von einem anderen Standpunkt ausgeht als wir. Man weiß, oder glaubt zu wissen, daß wir bei Veranstaltung dieser Pferderennlotterie auch etwas verdienen werden. Böten wir als Hauptgewinn vierzigtausend an, dann würden die meisten unserer Vögelchen Lunte riechen. Das Lincoln-Rennen ist nicht so wichtig, um einen so hohen Hauptgewinn, wie du ihn vorschlägst, zu rechtfertigen. Nein, unsere Gewinnchancen müssen Hand und Fuß haben, dürfen nicht zu niedrig, aber auch nicht zu hoch sein. Ich glaube, mein Vorschlag hält den goldenen Mittelweg.«

»Gut«, stimmte auch Epstein bei. »Wer soll denn das Geld für die anfänglichen Spesen aufbringen?«

»Der Spaß wird uns etwa zehntausend kosten«, erklärte Burnstid nach kurzem Nachdenken. »Natürlich sind darin nicht meine persönlichen Ausgaben einbegriffen. Ich für mein Teil will zweitausend Pfund aufbringen, während ihr jeder viertausend aufblättern müßt. Der Reingewinn würde jedoch in drei gleiche Teile gehen.«

Nach kurzem Handeln, das aber vergeblich blieb, stimmten die beiden Teilhaber dem von Burnstid aufgestellten Verteilungsplan der Spesen und des Reingewinns zu.

»Wo willst du denn das notwendige Personal herbekommen?« fragte Epstein endlich.

»Das ist schon alles in Ordnung«, beruhigte ihn Burnstid. »Ich habe auch hierin Glück gehabt; die Räume, die ich brauche, habe ich billig bekommen; es sind einige Zimmer, die während des Krieges vom Kriegsministerium belegt waren. Mein neuer Direktor ist ein intelligenter junger Mensch, auf den wir uns verlassen können.«

Diese Bemerkung schien das Mißtrauen Epsteins zu erregen.

»Ein junger, intelligenter Mensch?« fragte er. »Woher hast du ihn?«

»Er ist ein ehemaliger englischer Feldoffizier aus bester Familie«, gab Burnstid Auskunft. »Er spricht Deutsch und Französisch und macht den Eindruck, als würde er für Geld alles tun, was man von ihm verlangt. Zu den Behörden scheint er die besten Verbindungen zu haben. Ich werde schon die ganze Sache so arrangieren, daß er der Geleimte ist, wenn irgend etwas schiefgehen sollte.«

Epstein lächelte verhalten, Cowan grinste, und Burnstid belachte laut seine eigene Schlauheit.

»Glaubst du, daß er ehrlich ist?« erkundigte sich der vorsichtige Epstein. »Wir können in diesem Geschäftchen keine Ganoven brauchen. Das weißt du doch, Burnie, nicht wahr? Was glaubst du, was er tun wird, wenn er ausfindig macht, daß wir gar nicht die Absicht haben, irgendwelche großen Gewinne auszuzahlen?«

»Die Sorge kannst du ruhig mir überlassen«, erklärte Burnstid mit sichtbarem Selbstvertrauen. »Ich weiß, daß er für tausend Pfund, für uns durchs Feuer gehen wird. Und wegen der Ziehung selbst? Na, du wirst mir doch genug Talent zutrauen, daß ich sie so handhaben kann, daß er nichts merkt. Ich habe schon Vorsorge getroffen, um den künftigen Gewinner des Haupttreffers ausfindig zu machen.«

Seine Teilhaber im edlen Spiel glaubten ihm diese Versicherung, auch ohne daß er ihnen nähere Erklärungen gab. Am selben Abend reisten Epstein und Cowan nach Paris und überließen die weitere Ausführung ihrer Pläne dem zurückbleibenden Burnstid. Jener hatte wirklich die vorzüglichen Eigenschaften seines Geschäftsführers nicht übertrieben. Die Bekanntschaft der beiden ging auf eine zufällige Begegnung auf der Dampferfahrt nach Ouchy zurück, und Burnstid, der ein ausgezeichneter Psychologe war, hatte den jungen, intelligent aussehenden Menschen bald als das erkannt, was er wirklich war: als skrupellosen, etwas gesprächigen Glücksritter.

Nachdem er seine Freunde zum Bahnhof begleitet und sich von ihnen verabschiedet hatte, fuhr Burnstid ins Café du Planet zurück, wo er sich mit seinem künftigen Geschäftsführer treffen wollte. Er fand ihn gelangweilt vor einer kaltgewordenen Tasse Kaffee. Beim Anblick seines künftigen Chefs blickte er auf.

»Alles in Butter, Stevens«, beruhigte ihn Burnstid leutselig. »Meine Teilhaber sind mit Ihrem Engagement einverstanden.«

»Das ist wirklich zu nett von Ihnen, Mr. Burnstid«, rief der dankbare junge Mann aus. »Was sind Sie doch für ein prächtiger alter Mann.«

»Na, na, so alt bin ich eigentlich noch gar nicht«, wehrte Burnstid ab, denn in Altersfragen war er ziemlich empfindlich. »Kurz und gut: Sie verstehen doch, daß ich meinen Teilhabern gegenüber mit Ihrem Engagement eine große Verantwortung übernommen habe, nicht wahr? Das Geschäft, das wir in Aussicht haben, ist nämlich nicht ... hm ... was man ein ... hm ... regelmäßiges Geschäft nennen würde.«

»Ich verstehe, ich verstehe«, kam ihm Stevens zu Hilfe. »Ich halte Sie für einen guten Sportsmann, und Sie brauchen sich nicht unnötig den Kopf zu zerbrechen, denn ich bin ziemlich unbelastet von dem, was man als Gewissen bezeichnet.«

In kurzen Worten machte ihn Burnstid mit seinen Pflichten bekannt. Sie schienen darin zu bestehen, daß Stevens den ganzen Tag in einem elegant möblierten Büro zu sitzen und seine scharfen Augen auf die Arbeit vieler junger Männer und Mädchen zu richten hatte, die damit beschäftigt waren, Briefumschläge zu öffnen, die Geld enthielten.

Diese Gelder würden aus England, Schottland und Irland eingesandt werden, von Leuten, die ihr Scherflein zu der großen Rennlotterie, veranstaltet von Burnstid, Epstein und Cowan, beizutragen wünschten.

»Sie werden alle diese Gelder an sich nehmen, Stevens«, instruierte ihn der Vertreter der Firma, »und im allgemeinen der ›Chef vons Janze‹ sein. Wenn jemand kommt und von Ihnen wissen will, wer die Veranstalter der Rennlotterie sind, werden Sie ihm mitteilen, daß Sie der einzige sind, der die Sache in Gang gebracht hat. Außerdem werden Sie alle Schecks – eingehende und ausgehende – unterzeichnen.«

Der mit so großem Vertrauen Beehrte lächelte geschmeichelt.

»Das heißt, die ausgehenden Schecks werden erst von mir gegengezeichnet«, verabreichte ihm Burnstid eine Dusche.

»Das finde ich ganz in Ordnung«, stimmte der junge Mann zu.

Burnstid senkte seine Stimme, bis sie einem Flüstern glich.

»Es kommt natürlich sehr oft vor«, meinte er, sich vertraulich zu seinem Geschäftsführer vorbeugend, »daß nicht genug Teilnehmer an der Lotterie vorhanden sind, um die ausgesetzten hohen Prämien zu zahlen. In diesem Falle sind natürlich, wie Sie einsehen werden, die Hauptgewinne zurückzusetzen, nicht wahr? Das ist ja nur gerecht.«

Stevens schien dies einzusehen, denn er nickte zustimmend.

»Andererseits kommt sehr oft genug Geld herein, aber die Spesen sind so hoch, daß auch hier wieder eine Reduzierung der Hauptgewinne ins Auge gefaßt werden muß, das leuchtet Ihnen doch gleichfalls ein, Stevens? Nun, wir machen es dann gewöhnlich so, daß überhaupt niemand auf den Gedanken kommen kann, wir hätten die Hauptgewinne reduziert.«

»Das ist ein verdammt schlauer Gedanke«, erklärte Stevens begeistert. »Sie wollen doch damit sagen, Mr. Burnstid, daß der arme Teufel, der den Hauptgewinn bekommen hätte, ihn überhaupt nicht zu sehen kriegt, nicht wahr? Das ist doch der Trick?«

»Nein, ganz so schlimm ist es nicht.« Burnstid rieb sich verlegen die Nase und zögerte ein wenig, ehe er fortfuhr: »Nun, da Sie jetzt doch einmal mit in der Clique sind, wird es gut sein, wenn ich Sie voll und ganz aufkläre. Sie bekommen ja doch tausend Pfund als Anteil an ...«

»... der Sore?« warf Stevens verständnisvoll ein.

»Ja, das ist die richtige Bezeichnung. Wir müssen jemand finden, der als Empfänger des Hauptgewinnes auftritt. Sie wissen doch, daß die Ziehung einen Tag vor dem Rennen stattfindet, noch ehe jemand weiß, welche Pferde laufen. Es könnte leicht passieren, daß einer unserer Mitspieler den Favoriten geraten hat und dann das Geld bekommen müßte. Wir werden also erst einen Tag nach dem Rennen die Namen der Gewinner veröffentlichen, denn dann weiß man ja schon, wer das Gewinnpferd hatte, und unter den vielen, die ausgelost werden, um die Prämien zu bekommen, wird dann keiner vom andern etwas wissen. Die Sache ist also ganz einfach« schloß Burnstid.

»Ja, wirklich, da haben Sie recht«, stimmte ihm Stevens zu. »Ich weiß jetzt schon, wie es gemacht werden soll. Wir müssen eben die Lotterie von einem rein geschäftlichen Standpunkt betreiben, und bei einem reellen Geschäft darf nichts dem Zufall überlassen werden, nicht wahr, Mr. Burnstid?«

Der andere lächelte.

»Hören Sie weiter zu, Stevens. Ich habe in Nordengland ein Landhaus – Graeside heißt es – gemietet und werde jemand dorthin setzen, dem ich vertrauen kann. Der Betreffende soll bis nach der Ziehung dort wohnen bleiben, und ich brauche wohl nicht zu betonen, daß der Hauptgewinn dem in Graeside wohnenden Mann zufallen wird. Wenn jemand glaubt, geschädigt zu sein, kann er sich ja in Graeside erkundigen. Der Gewinner existiert und wird jede Frage befriedigend beantworten können. Ich habe die Absicht, meinen Sohn Barney hinzusenden. Niemand ahnt ja, daß ich mit diesem ...«

»Schwindel?« versuchte ihm sein Geschäftsführer in der Wahl des passenden Ausdrucks behilflich zu sein.

»Nein, das ist nicht die richtige Bezeichnung«, wies ihn der Chef scharf zurück. »Nennen Sie es ›Unternehmen‹. Jedenfalls wird also mein Sohn in Graeside wohnen und der glückliche Gewinner des Haupttreffers werden. Jetzt wissen Sie über alles Bescheid, und wenn wir mit unserer Lotterie erfolgreich sind, werden Sie sogar noch mehr als nur tausend Pfund bekommen. Ich bin kein Geizhals und belohne gern treue Arbeit. Wenn wirklich Schweinereien vorkommen sollten und irgendwelche Unzuträglichkeiten entstehen, dürfen Sie nie vergessen, daß Sie stets als der Verantwortliche auftreten. Sie werden bezahlt und müssen eben die Medizin schlucken, wenn sie auch noch so bitter schmeckt.«