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George, Manfred

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The Project Gutenberg EBook of Der Rebell, by Manfred GeorgThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Der Rebell       NovelleAuthor: Manfred GeorgRelease Date: March 13, 2012 [EBook #39126]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER REBELL ***Produced by Jens Sadowski

Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.

Die Neue Reihe Band 24

Manfred GeorgDer Rebell Novelle

1921

München Roland-Verlag Dr. Albert Mundt

Geschrieben im Winter 1917 für H. S.

Als Robert Boor aus Lazarett und Waffendienst endlich entlassen sich wieder in den Fluß seiner Studienjahre schmiegen wollte, merkte er, daß er, wie auch viele andere, mit vergangener Zeit keinen Zusammenhang fand. Seine Erinnerungen schienen ihm verstaubt. Die Liebschaften junger Scholarensemester in Frankreich und in der Schweiz, einst die Quelle von friedlich lebenden Kameraden bewundernd gehörter Abenteuer, kamen ihm wie in süßlichrosa gebundene Dumasprosa vor. Die Debatten in Weinstuben und Klublokalen hallten ein leeres Echo. Halb von Begeisterungszunder verkohlte Taten ragten als verkrüppelte Wegweiser auf durchschrittenem Pfad. So hatte er nichts, was ihm wert genug schien, daß er es fortsetzte. Kurz entschlossen verkaufte er seine schöne Bibliothek, zu der er oft des Nachts in der Qual seiner Gedanken geflohen war, und trat in ein Bankgeschäft ein.

*    *

Ruhig saß es sich hinter den großen, blanken Scheiben. Untergeordnete Arbeit verlangte nur Sorgfalt und Geduld. Es war ihm Ärgstes, wenn, hatte er schon einen Listenbogen vollendet, am Schlusse das Lineal abrutschte und der unregelmäßige Strich die Seite verdarb. Herr Stollweg hörte mißbilligend Roberts Seufzer. Sagte aber nichts, sondern bog sogar manchmal begütigend den Kopf zur Seite, als suche er dort etwas.

*    *

Des Morgens lagen die Mappen, in denen er An- und Verkäufe von Wertpapieren zu registrieren hatte, auf seinem Platz. Wenn er abends gegangen war, holte sie ein Bote und brachte sie in die Buchhalterei. Alles ging in der weiten Halle, die von einer breiten Straßenfront helles Licht erhielt, gemessen und abgetönt zu. Die Kunden kamen und sprachen leise, mit vornehmen Gesten; selbst die erst kürzlich in diese Gesellschaftsklassen Arrivierten dämpften Stimme und eckige Gebärde, wenn sich die Prokuristen mit leisem Klingeln echt goldenen Armbands verbindlich zu ihnen neigten. Der Schallfänger an der Tür verschluckte in seinem Filz andrängendes Geräusch des Fahrdammes. Einmal, erinnerte sich Robert, war ein Postbote auf der Schwelle stehen geblieben. Da war das Weinen eines Kindes, dünn und spitz, hereingeflattert, hatte sich in die vernickelten Deckenbirnen gehängt und war dann in trostlosem Trillern über die erstaunten Beamten gestürzt. Alle hatten gelauscht. Sogar die Schreibmaschinendamen hatten hilflos schon zum Druck gebogene Finger entspannt. Dann war’s vorbei. Und schwer strömte die Stille weiter über Blätterrascheln und unterdrückten Husten.

*    *

Robert mußte manchmal lachen, wenn er daran dachte, er habe einst Vasaristudien getrieben oder als Schüler berühmter Gelehrter heißen Kopfes über platonischen Dialogen gesessen. „Canadian Pacific 120 Prozent.“ Wie wundervoll nichtssagend war ihm dieses Papieres Name. Höchstens daß er dabei an Lederstrumpf und Büffel dachte. Seine Erinnerung verwirrte sich wieder und er riß sich zusammen. Geriet er in die falsche Zeile, war die Mühe einer Stunde vergebens.

*    *

Gleichgültig aß er um zwölf Uhr sein Frühstück. Ohne Sehnsucht dachte er dann an Vergangenes. Wie schien ihm alles in flacher Linie zu liegen, winzig, nicht des Gedenkens würdig zu sein. Seine literarischen Versuche, sein erstes, nicht erfolgloses Auftreten in der Öffentlichkeit, sein heißes Werben um Sinn und Erfassung der unsterblichen Meisterwerke, — Robert grinste häßlich über die geläufige Folge dieser Phrasen, die in seinem Kopfe automatisch abrollte. Nur ganz fern, weit in der Traumzeit seiner Gymnasiastenjahre leuchtete der Freundin Cornelia ernstglatte Kinderstirn leicht und weiß auf.

*    *

„South India Railway“. Herrlich schrieb sich das Wort. Er verstand gar nichts davon. Unbestimmt wogte Ahnung in ihm von braunen, schwitzenden Arbeitern, die in Sonne getaucht für die Besitzer der Aktien frohnten. Dann ballte sich Roberts Faust. Aber scheu und ängstlich löste er sie sofort wieder, so daß das Blut aus der rissigen Daumennarbe gleichmäßig in die Handfläche strömte. Nicht zornig werden. Nicht die Fäuste krampfen. Sonst kommt es wieder; kommt das entsetzliche Wirrsal wieder. Die Buchstaben „Depositenkasse“ spazierten im Halbkreis rund und goldig auf der matten Glasscheibe. Hinten in einer Ecke diktierte der Filialvorsteher heiser und mürrisch einen Mahnbrief. Die Worte fielen ihm trocken, versengt aus dem Mund.

*    *

Nachtsturm zerwühlte die Bäume auf dem Kirchhof von Messines. Von der Höhe entlud er sich schwarz und abfallend auf die Landstraße. Robert hielt mitten in seiner Schwadron hinter einem Wäldchen. Der Rittmeister klopfte nervös auf das Sattelleder und sah immerfort hastig nach der Uhr am Gelenk. Die Infanterie, zu spät aus ihrem Standort in Werwick abmarschiert, kam nicht. „Absteigen!“ flüsterte Befehl von Kolonne zu Kolonne. Die Dragoner glitten zur Erde. Aus unnatürlich geweiteten Augen schrie es wie Bitten zu den Leutnants. Robert tastete nach seinem Spielkameraden Peter, der neben ihm hockte und Unverständliches murmelte. Die Karabiner, geprüft, knackten wie scharf zertretenes Holz. Langsam verlor sich das Schnauben der zurückgeführten Pferde. Die Menschen, letztes Leben in der Brust, blind gebetet in verquollenen, verschluckten Seufzern, hüllten sich in die dunkle Stille. Da schnitt ein Signal sie entzwei, sie riß und zerkrachte in einem kollernden Gebrüll der Aufstürmenden. Sie schrieen vor Angst, Wut und Verzweiflung. Robert und Peter bebten Seite an Seite den Hang hinauf, willens, den niederzustechen, der nicht in gleicher Richtung rannte wie sie. Wie ein Rudel entfesselter Tiere sprangen rings von Grabenscheit und Brottasche umflogene Schatten mit ihnen. Da, als ihr Keuchen schon fast schaumig um die schartenzerlockerte Kirchhofsmauer brandete, setzten sich die dahinter zur Wehr. Peter tat einen seltsam hohen Sprung nach vorn und klumpte schief zusammengestoßen auf einen Haufen. Einen anfeuernden Feldwebel, dem Schweiß und Blut unter zerbeultem Kuppenhelm über das entstellte Gesicht troffen, mit dem Fuß zurückstoßend, beugte sich Robert über den Freund. Der schrie, wild, hoch und haltlos, grotesk die Hände auf den Unterleib krampfend. Dann riß er sich die Kleider auf. Gräßlich lag die von zackigem Geschoß gerissene Wunde bloß. Robert stand, die Hände steif, unfähig sich zu bewegen. Flau kroch ihm ein Ekel über Gaumen und Schlund. „Hilf mir!“ brüllte Peter und sucht entrinnendes Gedärm in den Leib zurückzustopfen. Kasernenparaden, Abschiedsjubel heldisch aufgeblasener Backfische, die salbungsgeschminkte Miene des Oberlehrers Drews bei Erläuterung des dulce et decorum hetzten sich bunt in Roberts schwindelnden Sinnen. Er röchelte, als er des fetten Pensionswirtes schmatzenden „Endlich“ gedachte, da die Depeschen der Kriegserklärung über den Kaffeetisch flogen. „Hilf mir!“ Peters Heulen brach an den schmerzgepreßten Zähnen zusammen. Da mußte Robert grinsen vor Leid. In ihm schwoll Tränensturm tobend hoch. Ein schreckliches Lachen floß ihm breit heraus, als er die Reiterpistole vom Gurt riß und dem sich in Todeswehen bäumenden Freund mitten zwischen die entsetzten Augen schoß. Dann stürzte er um, mit dem verzerrten Gesicht tief in eine zertrampelte Kotlache schlagend.

*    *