Der reichste Mann von Babylon - George - E-Book

Der reichste Mann von Babylon E-Book

George

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Beschreibung

In zehn unterhaltsamen Kapiteln erzählt Clason vordergründig betrachtet Erfolgsgeschichten aus der Antike, aus Babylon, dem Finanzzentrum der Welt zu Beginn der Geschichtsschreibung. Bald entdeckt der faszinierte Leser, die faszinierte Leserin, dass sich die Gleichnisse, die er oder sie liest, nahtlos auf die heutige Welt und das eigene Leben übertragen lassen. Die einfachen Grundsätze, die damals entwickelt wurden, haben nichts an Gültigkeit verloren.

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George S. Clason

Der reichste Mannvon Babylon

Die Erfolgsgeheimnisse der AntikeDer erste Schrittin die finanzielle Freiheit

Aus dem Amerikanischen vonAntoinette Gittinger

First published in the United States under the title

The Richest Man in Babylon

by George S. Clason

Copyright © 1926–1957 by George S. Clason. Published by arrangement with Dutton Signet, a division of Penguin Putnam Inc.

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck in jeder Form sowie die Wiedergabe durch Fernsehen, Rundfunk, Film, Bild- und Tonträger, die Speicherung und Verbreitung in elektronischen Medien oder Benutzung für Vorträge, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags

© 2022, E-Book-Version nach der 11. Auflage 2020 der deutschsprachigen Ausgabe by Oesch Verlag, Zürich, in Kooperation mit MoneyMuseum Zürich

Abbildung Umschlag: Kurt Wyprächtiger

Gestaltung Umschlag: Caro Krieger

ISBN E-Book 978-3-0350-4018-0

Oesch Verlag, Sunflower Foundation, Zürich

E-Mail: [email protected]

Unser Programm finden Sie im Internet unter:

www.oeschverlag.ch

www.conzettverlag.ch

Inhalt

Vorwort

Der Mann, der von Gold träumte

Der reichste Mann von Babylon

Sieben Methoden, eine leere Geldbörse zu füllen

Begegnung mit der Glücksgöttin

Die fünf Gesetzmäßigkeiten des Goldes

Der Goldverleiher von Babylon

Die Mauern von Babylon

Der Kamelhändler von Babylon

Die Tontafeln von Babylon

Der glücklichste Mann von Babylon

Eine kurze Darstellung der Geschichte Babylons

Der Autor und sein Buch

Vorwort

Unser Wohlstand als Nation hängt von unserem finanziellen Wohlstand als Einzelpersonen ab. Das vorliegende Buch handelt von den persönlichen Erfolgen jedes einzelnen von uns. Erfolg bedeutet das Erreichen bestimmter Ziele als Ergebnis unserer Anstrengungen und Fähigkeiten. Eine gründliche Vorbereitung ist der Schlüssel zu unserem Erfolg. Unsere Handlungen können nicht mehr Klugheit beweisen als unsere Gedanken. Und unser Denken kann nicht klüger sein als unser Verstand.

Das vorliegende Buch, das Wege aufzeigt, eine leere Geldbörse zu füllen, wurde als Ratgeber zum Verständnis finanzieller Zusammenhänge bezeichnet. Und genau das ist seine Absicht: Es will jenen, die nach finanziellem Erfolg streben, Einsichten vermitteln, die ihnen beim Erwerb von Geld, beim Sparen und bei der Vermehrung von Überschüssen hilfreich sein werden.

Auf den folgenden Seiten werden wir zurück nach Babylon geführt, der Wiege jener finanziellen Grundprinzipien, die heute allgemein anerkannt sind und auf der ganzen Welt angewandt werden.

Der Autor wünscht neuen Lesern, daß dieses Buch sie in gleicher Weise zur Erhöhung ihres Kontostands, zu größeren finanziellen Erfolgen und zur Lösung schwieriger persönlicher Geldprobleme anregen möge wie die früheren Leser, bei denen es begeisterte Aufnahme fand.

Der Verfasser möchte bei dieser Gelegenheit auch den Unternehmern und Geschäftsführern seinen Dank aussprechen, die diese Geschichten so großzügig an Freunde, Verwandte, Angestellte und Geschäftspartner verteilt haben. Keine Bestätigung könnte ermutigender sein als die der Männer der Praxis, die die Lehren des vorliegenden Buches schätzen, da sie selbst durch Anwendung der hier dargebotenen Grundregeln beachtliche Erfolge erzielt haben.

Babylon wurde zur wohlhabendsten Stadt des Altertums, weil seine Bewohner den Wert des Geldes schätzten und solide wirtschaftliche Grundregeln bei der Schaffung von Vermögen, beim Sparen und bei der Anlage zur weiteren Geldvermehrung befolgten. Sie verschafften sich das, was wir uns alle wünschen … Einkommen für die Zukunft – und wurden so zu den reichsten Menschen ihrer Zeit.

G. S. C.

Der Mann, der von Gold träumte

Geld ist das Maß, an dem sich der Erfolg auf Erden bemißt.

*

Geld ermöglicht den Genuß der schönsten Dinge des Lebens.

*

Jene Menschen wurden reich, die die einfachen Grundregeln seines Erwerbs begriffen haben.

*

Geld gehorcht noch heute den gleichen Gesetzen wie vor sechstausend Jahren, als sich wohlhabende Männer in den Straßen Babylons drängten.

Bansir, der Wagenbauer von Babylon, war völlig entmutigt. Von seinem Platz auf der niedrigen Mauer, die sein Grundstück umgab, blickte er trübsinnig auf sein einfaches Heim und die offene Werkstatt, in der ein halbfertiger Wagen stand.

Von Zeit zu Zeit erschien seine Frau in der offenen Tür. Sie warf ihm verstohlene Blicke zu, was ihn gemahnte, daß er sich, zumal sein Vesperbeutel fast leer war, wieder an die Arbeit begeben und den Wagen behämmern, behauen, polieren, bemalen und das Leder über dem Radkranz straff ziehen sollte, damit er endlich fertig wurde und die Bezahlung von seinem reichen Kunden einfordern konnte.

Trotzdem blieb er, ein beleibter, muskulöser Mann, griesgrämig auf der Mauer sitzen. Sein träger Verstand kämpfte mit einem Problem, für das er keine Lösung fand. Die heiße, für das Tal des Euphrat typische Sonne brannte erbarmungslos auf ihn nieder. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und rollten langsam über sein Gesicht und seinen Hals, bis sie schließlich im Gestrüpp seiner haarigen Brust versickerten. Hinter seinem Haus erhoben sich die hohen Mauern, die den Königspalast einfriedeten, und ganz in der Nähe befand sich der bemalte Turm des Tempels von Bel, dessen Spitze in den blauen Himmel emporragte. Im Schatten solcher Pracht lag sein bescheidenes Heim sowie eine Menge weiterer Häuser, die aber keineswegs so hübsch und so gepflegt waren wie seines. Auch die Stadt Babylon symbolisierte diesen Kontrast – eine Mischung aus Pracht und Verwahrlosung, sagenhaftem Reichtum und tiefster Armut, die sich ohne Plan oder System innerhalb der Stadtmauern vereinigten.

Hätte er den Kopf gewandt, wären ihm hinter der Mauer die lärmenden Wagen der Reichen ins Auge gefallen, denen die mit Sandalen bekleideten Händler und die barfüßigen Bettler ausweichen mußten. Sogar die Reichen waren gezwungen, in die Gosse zu treten, um den Weg für die langen Reihen von Wasserträgern frei zu machen, die im Auftrag des Königs schwere, mit Wasser gefüllte Behälter aus Ziegenfell schleppten, die für die Bewässerung der Hängenden Gärten bestimmt waren.

Bansir war zu vertieft in seine eigenen Probleme, als daß er die lärmende Geschäftigkeit der pulsierenden Stadt wahrgenommen hätte. Erst der unvermittelte, schrille Ton einer ihm vertrauten Leier riß ihn aus seinen Grübeleien. Er wandte sich um und blickte in das lächelnde Gesicht von Kobbi, dem Musikanten, seinem besten Freund.

»Mögen die Götter dich mit großer Freigebigkeit segnen, lieber Freund«, begrüßte ihn Kobbi mit blumigen Worten. »Doch anscheinend haben sie dir bereits ihre Großzügigkeit zuteil werden lassen, weil du nicht mehr zu arbeiten brauchst. Ich freue mich mit dir über dein Glück, ja, ich würde es gern mit dir teilen. Bitte, entnimm deiner Geldbörse, die ja prall gefüllt sein muß, da du andernfalls in deiner Werkstatt schuften würdest, zwei bescheidene Schekel, und leih sie mir bis nach dem Fest der Edlen heute abend. Du bekommst sie so schnell wieder, daß du gar nicht merkst, daß du sie mir geliehen hast.«

»Selbst wenn ich zwei Schekel hätte«, erwiderte Bansir düster, »könnte ich sie niemandem leihen – nicht einmal dir, meinem besten Freund, denn sie wären mein ganzes Hab und Gut, alles, was ich besäße. Niemand leiht sein gesamtes Vermögen aus, nicht einmal seinem besten Freund.«

»Wie«, rief Kobbi ehrlich überrascht, »du hast keinen halben Schekel in deiner Börse und sitzt trotzdem wie eine Statue auf der Mauer? Warum um Himmels willen machst du diesen Wagen nicht fertig? Und wie nur willst du deinen nicht gerade mäßigen Appetit stillen? Das sieht dir gar nicht ähnlich, mein Freund. Wo ist deine unerschöpfliche Energie geblieben? Quält dich etwas? Haben dir die Götter Sorgen bereitet?«

»Ja, es ist vermutlich eine Prüfung der Götter«, pflichtete ihm Bansir bei. »Alles begann mit einem Traum, einem sinnlosen Traum, in dem ich ein wohlhabender Mann war. An meinem Gürtel baumelte eine hübsche Börse voll klingender Münzen. Sie enthielt viele Schekel, die ich freigebig an die Bettler verteilte; Silberstücke, mit denen ich meiner Eheliebsten schöne Kleider kaufte und auch mir allerlei Wünsche erfüllte; Goldstücke, die meine Zukunft sicherten und mir erlaubten, die Silberstücke nach Belieben auszugeben. Ich fühlte mich rundherum zufrieden. Du hättest deinen hart arbeitenden Freund nicht wiedererkannt, ebensowenig seine Gemahlin, deren Gesicht ohne Falten war und die vor Glück strahlte. Sie war wieder so fröhlich wie in unseren Flitterwochen.«

»Ein schöner Traum«, meinte Kobbi, »aber warum verwandeln dich solch angenehme Gefühle in eine verdrossene Statue auf der Mauer?«

»Nun, warum wohl? Als ich erwachte und mir bewußt wurde, wie leer meine Geldbörse war, erfaßte mich tiefe Empörung. Wir müssen unbedingt darüber reden, denn, wie die Seeleute zu sagen pflegen: Wir sitzen im selben Boot. Als junge Burschen suchten wir die Priester auf, damit sie uns Weisheit vermittelten. Als junge Männer teilten wir unsere Vergnügungen, und auch noch als erwachsene Männer sind wir enge Freunde. Wir waren es zufrieden, viele Stunden zu arbeiten und die Früchte unserer Arbeit mit vollen Händen auszugeben. In den vergangenen Jahren haben wir nicht gerade wenig verdient, doch von den Freuden, die Reichtum beschert, können wir nur träumen. Bah! Sind wir besser als dumme Schafe? Und dabei leben wir in der reichsten Stadt auf Erden! Die Reisenden sagen, keine Stadt der Welt könne es ihr gleichtun. Wir sind umgeben von Reichtum, haben aber nichts davon. Nach einem Leben harter Arbeit hast du, mein bester Freund, eine leere Geldbörse und fragst mich: Kann ich mir bei dir zwei bescheidene Schekel bis nach dem Fest der Edlen heute abend borgen? Und was antworte ich darauf? Sage ich: Da hast du meine Börse, was mein ist, ist auch dein? Nein, ich gestehe dir, daß meine Börse genauso leer ist wie deine. Was ist los? Warum können wir nicht Silber und Gold erwerben, das für Nahrung und Kleidung mehr als ausreicht?«

»Denk auch an unsere Söhne«, fuhr Bansir fort, »treten sie nicht in die Fußstapfen ihrer Väter? Müssen nicht auch sie und ihre Familien und ihre Söhne und die Familien ihrer Söhne ihr Leben lang inmitten von Reichtum leben, wie wir, und sich mit saurer Ziegenmilch und Haferbrei begnügen?«

»In all den Jahren unserer Freundschaft hast du noch nie solche Worte gesprochen, Bansir«, bemerkte Kobbi verblüfft.

»In all den Jahren habe ich auch noch nie solche Überlegungen angestellt. Vom Morgengrauen bis in die Nacht hinein habe ich mich abgeplagt, die schönsten Wagen zu bauen, und hoffte insgeheim, daß die Götter eines Tages meine höchst ehrenwerte Arbeit würdigen und mich mit großem Wohlstand belohnen würden. Aber das haben sie nicht getan, und wie ich endlich erkannt habe, werden sie es auch nie tun. Deshalb ist mir das Herz schwer, denn ich will ein bemittelter Mann sein, will eigenes Land und Vieh besitzen, schöne Kleider und eine volle Geldbörse. Ich will gern hart dafür arbeiten, meine ganze Handfertigkeit dafür einsetzen, meine Schläue, aber dafür sollen meine Mühen auch ehrlich belohnt werden. Was ist los mit uns, frage ich dich. Warum können wir nicht auch unseren gerechten Anteil an den schönen Dingen haben, die denen, die genug Gold besitzen, in so reichem Maße zuteil werden?«

»Wenn ich nur darauf eine Antwort wüßte!« erwiderte Kobbi. »Ich bin nicht weniger unzufrieden als du. Das, was ich mit meiner Leier verdiene, ist schnell aufgebraucht. Oft muß ich alle Kniffe anwenden, um meine Familie über die Runden zu bringen. Tief in meinem Innern sehne ich mich nach einem Instrument, das groß genug ist, die Melodien, die mir durch den Kopf gehen, wirklich gut wiederzugeben. Damit könnte ich eine Musik machen, die schöner wäre als alles, was der König je gehört hat.«

»Du solltest unbedingt ein solches Instrument besitzen, denn kein Mann in ganz Babylon könnte es süßer zum Klingen bringen. Du würdest ihm solch liebliche Töne entlocken, daß selbst die Götter erfreut wären. Aber wie soll das geschehen, wenn wir beide so arm wie die Sklaven des Königs sind? Hörst du die Glocke? Dort kommen sie!« Er deutete auf die Reihen halbnackter, schweißtriefender Wasserträger, die sich mühsam den schmalen Flußweg entlangschleppten. Die Sklaven gingen zu fünft nebeneinander, und jeder einzelne war gebückt unter der Last eines schweren mit Wasser gefüllten Behälters aus Ziegenleder.

»Der Mann, der sie anführt, ist eine stattliche Erscheinung.« Kobbi deutete auf den Mann mit der Glocke, der den anderen voranging, ohne selbst eine Last zu tragen. »Gewiß war er in seinem Heimatland eine Persönlichkeit von hohem Ansehen, das sieht man gleich.«

»Viele der Wasserträger haben schöne Gesichter«, pflichtete Bansir bei. »Sie sind genauso tüchtige Männer wie wir. Große, blonde Männer aus dem Norden, lachende schwarze aus dem Süden und dort die kleinen, braungebrannten aus den benachbarten Ländern. Allesamt quälen sie sich vom Fluß zu den Gärten hinauf und wieder zurück, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Und da winkt kein Glück, auf das sie sich freuen dürften. Sie müssen auf Stroh schlafen und sich von zähem Haferbrei ernähren. Hab Mitleid mit den armen Kerlen, Kobbi!«

»Natürlich habe ich Mitleid mit ihnen. Doch gerade du öffnest mir eben die Augen, daß wir kaum besser dran sind, auch wenn wir uns freie Männer nennen.«

»Das ist wahr, Kobbi, so unerfreulich dieser Gedanke auch sein mag. Wir wollen nicht weiterhin Jahr für Jahr ein Sklavendasein fristen, bei dem wir uns placken und schinden und es doch zu nichts bringen!«

»Könnten wir nicht herausfinden, wie andere zu Gold kommen, und es ihnen dann nachmachen?« fragte Kobbi.

»Vielleicht gibt es ein Geheimnis, das wir lüften könnten, wenn wir jene befragten, die es kennen«, erwiderte Bansir.

»Gerade heute bin ich unserem alten Freund Arkad begegnet, als er in seinem goldenen Wagen vorbeifuhr«, meinte Kobbi. »Und er sah nicht über mein bescheidenes Haupt hinweg, wie viele andere in seiner Stellung es tun würden. Statt dessen winkte er mir zu, so daß alle Leute sehen konnten, wie er Kobbi, dem Musikanten, seinen Gruß entbot und ihm ein freundschaftliches Lächeln schenkte.«

»Er gilt als der reichste Mann von Babylon«, bemerkte Bansir nachdenklich.

»Er ist so reich, daß selbst der König seinen Rat sucht, wenn es um den Staatsschatz geht«, erwiderte Kobbi.

»Er ist enorm reich«, unterbrach ihn Bansir. »Ich könnte nicht die Hand ins Feuer legen, daß ich mich nicht an seiner prall gefüllten Geldbörse vergreifen würde, wenn ich ihm in dunkler Nacht begegnete.«

»Unsinn«, wies ihn Kobbi zurecht, »der Reichtum eines Menschen steckt nicht in der Börse, die er mit sich führt. Auch diese wird schnell leer, wenn sie nicht ständig mit Goldmünzen aufgefüllt wird. Arkad verfügt über ein Einkommen, das ihm stets eine volle Geldbörse sichert, auch wenn er sein Geld noch so freigebig ausgibt.«

»Ein Einkommen, das ist es!« platzte Bansir heraus. »Auch ich möchte ein Einkommen haben, das ständig meine Geldbörse füllt, ob ich nun auf der Mauer sitze oder in ferne Länder reise. Arkad müßte wissen, wie man sich ein solches Einkommen verschafft. Meinst du, er könnte dies auch einem begriffsstutzigen Menschen wie mir verständlich machen?«

»Ich glaube, er hat sein Wissen bereits seinem Sohn vermittelt«, erwiderte Kobbi. »Ist dieser nicht nach Ninive gezogen, wo er nun, wie in der Schenke geredet wird, ohne die Hilfe seines Vaters einer der reichsten Männer der Stadt geworden ist?«

»Kobbi, du bringst mich da auf einen Gedanken.« In Bansirs Augen leuchtete neue Hoffnung auf. »Es kostet doch nichts, sich einen weisen Rat bei einem guten Freund zu holen, und Arkad ist stets ein solcher gewesen. Auch wenn unsere Börsen so leer sind wie ein Falkennest vom letzten Jahr, soll uns dies nicht abhalten. Wir sind es satt, inmitten des größten Reichtums kein Gold zu besitzen! Wir wollen wohlhabende Männer werden. Laß uns zu Arkad gehen und ihn fragen, wie auch wir zu Einkommen gelangen können.«

»Deine Worte zeugen von großer Eingebung, Bansir. Du erhellst meinen Verstand mit neuem Licht und läßt mich den Grund erkennen, weshalb wir bis jetzt nicht Wohlstand gefunden haben: Wir haben nie danach gesucht. Du hast dich unermüdlich abgeplagt, die vollkommensten Wagen in Babylon zu bauen. Diesem Ziel galt dein ganzes Streben, das du deshalb auch erreicht hast. Und ich habe mich bemüht, ein guter Leierspieler zu werden, was mir auch gelungen ist.«

»Wir haben mit den Dingen Erfolg gehabt, die wir mit Fleiß angepackt haben. Die Götter waren es zufrieden, uns so weitermachen zu lassen. Jetzt aber tut sich ein Licht vor unseren Augen auf, so hell wie das der aufgehenden Sonne. Es gebietet uns, mehr Wissen zu erwerben, um endlich Wohlstand zu erlangen. Mit neuem Verständnis werden wir auf redliche Weise Möglichkeiten finden, uns unsere Wünsche zu erfüllen.«

»Laß uns noch heute zu Arkad gehen«, drängte Bansir. »Und laß uns auch unsere Freunde aus Kindheitstagen mitnehmen, denen es nicht besser ergeht als uns, damit auch sie aus seinem Wissen Nutzen ziehen können.«

»Du hast stets an deine Freunde gedacht, Bansir. Deshalb hast du auch so viele. Es soll so geschehen, wie du sagst. Noch heute machen wir uns auf den Weg und nehmen sie mit.«

Der reichste Mann von Babylon

Im alten Babylon lebte einst ein gewisser Arkad, ein unermeßlich reicher Mann. Er war weit und breit seines Reichtums, aber auch seiner Freigebigkeit wegen berühmt. Seine Mildtätigkeit war sprichwörtlich. Gegenüber seiner Familie zeigte er sich großzügig, und auch für sich selber gab er das Geld mit vollen Händen aus. Und trotzdem vermehrte sich sein Reichtum schneller, als daß er ihn aufbrauchte.

Eines Tages kamen einige Jugendfreunde zu ihm und sagten: »Du, Arkad, hast mehr Glück als wir. Du bist der reichste Mann von Babylon, während wir ums Überleben kämpfen müssen. Du kannst die schönsten Kleider tragen und die erlesensten Speisen genießen, wir dagegen müssen froh sein, wenn wir unsere Familien halbwegs anständig kleiden und so gut wie möglich satt bekommen können.

Aber einst waren wir alle gleich, haben beim gleichen Lehrer gelernt, an den gleichen Spielen teilgenommen. Du hast uns weder bei den Studien noch bei den Spielen übertroffen. Und in den darauffolgenden Jahren warst du auch kein ehrenhafterer Bürger als wir.

Soweit wir es beurteilen können, hast du auch nicht härter oder gewissenhafter gearbeitet als wir. Warum also hat das launische Schicksal dich ausgewählt, alle schönen Dinge des Lebens zu genießen, und uns übersehen, obwohl wir es genauso verdienten?«

Hierauf hielt Arkad ihnen vor: »Wenn ihr seit unseren Jugendtagen nicht mehr als den bloßen Lebensunterhalt erworben habt, dann deshalb, weil ihr es entweder versäumt habt, die Gesetze, die das Entstehen des Reichtums ermöglichen, zu erkennen, oder weil ihr sie nicht beachtet habt.«

»Das ›launische Schicksal‹ ist eine boshafte Göttin, die niemandem auf die Dauer Gutes beschert. Dagegen bewirkt sie den Untergang fast jedes Menschen, den sie mit unverdientem Gold überschüttet. Sie macht die Verschwender übermütig, so daß sie bald wieder alles verpraßt haben, was sie empfangen haben. Diese werden dann von unmäßigem Appetit und Wünschen gequält, die sie wegen ihrer Geldknappheit nicht mehr befriedigen können. Andere wiederum, die es begünstigt, werden zu Geizhälsen und horten ihren Reichtum, haben Angst, das, was sie besitzen, auszugeben, da sie wissen, daß sie keine Möglichkeit haben, es zu ersetzen. Außerdem leben sie in schrecklicher Angst vor Dieben und verdammen sich selbst zu einem Leben ohne Inhalt und voller Trübsal.

Es mag auch solche geben, die unverdient Gold empfingen, es vermehrten und weiterhin als glückliche und zufriedene Bürger leben. Aber sie sind derart in der Minderzahl, daß ich nur vom Hörensagen von ihrer Existenz weiß. Stellt euch die Männer vor, die plötzlich zu Reichtum gekommen sind, und überlegt, ob es nicht so ist.«

Seine Freunde pflichteten ihm bei, daß dies bei den Männern, von denen sie wußten, daß sie Reichtümer geerbt hatten, der Fall war. Sie bestürmten ihn, er solle ihnen erklären, wie er zu solch großem Wohlstand gekommen sei. Also fuhr Arkad fort: »In meiner Jugend blickte ich mich um und entdeckte all die schönen Dinge, die Glück und Zufriedenheit bereiten. Und ich erkannte, daß sie durch Reichtum besser erlangt werden können.

Reichtum ist eine Macht, die vieles ermöglicht.

Man kann sein Heim mit den kostbarsten Möbeln ausstatten.

Man kann über ferne Meere segeln.

Man kann die Leckerbissen fremder Länder genießen.

Man kann die Schmuckstücke der Goldschmiede und Steinschleifer kaufen.

Man kann sogar erhabene Tempel für die Götter errichten.

All dies kann man tun und vieles mehr, was die Sinne und die Seele erfreut. Und als ich all dies erkannte, beschloß ich, daß ich meinen Teil an den schönen Dingen des Lebens beanspruchen und nicht zu denen gehören würde, die abseits stehen und voller Neid beobachten, wie sich die anderen ein schönes Leben machen. Ich würde mich nicht damit begnügen, die billigsten Kleider zu tragen, würde mich nicht mit dem Los des armen Mannes abfinden. Im Gegenteil, ich würde an diesem Bankett teilnehmen.

Da ich, wie ihr ja wißt, Sohn eines einfachen Kaufmanns bin, aus einer großen Familie stamme ohne jede Hoffnung auf ein Erbe und zudem, wie ihr so freimütig bemerkt habt, nicht gerade mit besonderen Gaben der Weisheit ausgestattet bin, erkannte ich, daß ich viel Zeit und Studien benötigen würde, um das Gewünschte zu erreichen.

Was die Zeit angeht: Jeder Mensch besitzt sie im Übermaß. Jeder von euch hat genug nutzlose Zeit verstreichen lassen, um zu Wohlstand zu gelangen. Doch ihr gebt zu, daß ihr nichts anderes vorzuweisen habt als eure guten Familien, auf die ihr mit Recht stolz sein könnt.

Was die Studien anbetrifft: Hat nicht unser weiser Lehrer uns beigebracht, daß es zwei Arten des Lernens gibt: Die eine beinhaltet die Dinge, die wir gelernt haben und wissen, die andere besteht in dem Bemühen, festzustellen, was wir nicht wissen. Deshalb entschloß ich mich, herauszufinden, wie man Reichtümer anhäufen kann. Als ich es erkannt hatte, nahm ich mir vor, diese Aufgabe gut zu erfüllen. Denn ist es nicht weise, daß wir uns unseres Daseins erfreuen, solange wir uns im hellen Schein der Sonne bewegen? Denn noch genug Betrübnis wird uns umfangen, wenn wir in die Dunkelheit der Welt des Geistes eintauchen.

Ich fand eine Anstellung als Schreiber in der Schreibhalle und war viele Stunden des Tages über meine Tontafeln gebeugt. Woche für Woche und Monat um Monat schuftete ich, aber mein Verdienst war gleich Null. Nahrung, Kleidung, Opfer für die Götter und alle möglichen anderen Dinge fraßen meinen gesamten Verdienst auf. Aber mein Entschluß stand unerschütterlich fest.

Da kam eines Tages Algamish, der Geldverleiher, ins Haus des Stadtältesten und gab eine Abschrift des Neunten Gesetzes in Auftrag. Er sagte zu mir: ›Ich muß es in zwei Tagen haben, und wenn die Arbeit bis dahin fertig ist, gebe ich dir zwei Kupfermünzen.‹

Also mühte ich mich ab, aber das Gesetz war sehr lang, und als Algamish zurückkehrte, war ich noch nicht fertig. Er war verärgert, und wäre ich sein Sklave gewesen, hätte er mich geschlagen. Aber da er wußte, daß der Stadtälteste dies nicht zulassen würde, hatte ich keine Angst und sagte zu ihm: ›Algamish, Ihr seid ein sehr reicher Mann. Erklärt mir, wie ich ebenfalls reich werden kann, und ich werde die ganze Nacht durchschreiben und Euch bei Sonnenaufgang Eure Tafeln überreichen.‹

Er lächelte mich an und erwiderte: ›Du bist ein vorlauter Knabe, aber der Handel gilt.‹

Ich arbeitete die ganze Nacht an den Tontafeln, obwohl mein Rücken schmerzte und der Qualm des Dochts mir Kopfweh verursachte und ich kaum etwas sehen konnte. Aber als Algamish bei Sonnenaufgang zurückkehrte, waren die Tafel fertig.

›Nun‹, sagte ich, ›erzählt mir, was Ihr mir versprochen habt.‹

›Du hast deinen Teil des Handels erfüllt, mein Sohn‹, sagte er freundlich zu mir, ›und ich bin bereit, meinen zu erfüllen. Ich werde dir die Dinge erzählen, die du wissen willst, weil ich allmählich alt werde, und alte Männer reden gern. Und wenn ein junger Mann den Rat eines alten sucht, wird ihm die Weisheit des Alters zuteil. Aber allzuoft glaubt die Jugend, daß wir Älteren nur die Weisheit vergangener Zeiten besäßen, und profitiert deshalb nicht von uns. Aber denk daran: Die Sonne, die heute scheint, ist die gleiche, die an dem Tag schien, als dein Vater geboren wurde, und sie wird immer noch scheinen, wenn dein letzter Enkel in die Dunkelheit eingeht.

Die Gedanken der Jugend‹, fuhr er fort, ›scheinen so hell wie die Meteore, die häufig den Himmel erstrahlen lassen, aber die Weisheit des Alters gleicht den Fixsternen, deren Schein sich nicht verändert, so daß der Seemann sich auf sie verlassen kann, um seinen Kurs zu steuern.