Der Rosengarten - Moslih ud din Saadi - E-Book

Der Rosengarten E-Book

Moslih ud din Saadi

0,0

Beschreibung

Der Rosengarten, geschrieben 1259, ist eine Sammlung von persischen Gedichten und Geschichten. Neben dem Bustn ist es das zweite allgemein bekannte Werk des persischen Dichters Saadi und zählt zu den wichtigsten Werken der persischen Literatur. Das vorwiegend in Prosa verfasste und mit Versen unterschiedlicher Form und Metren durchzogene Werk ist thematisch und formal dem Bustn angelehnt, erschien jedoch nicht in zehn, sondern in acht Kapiteln - ähnlich den acht Pforten zum Paradies. Das Werk enthält Geschichten und persönlich gefärbte Anekdoten, Aphorismen, Ratschläge und humorvolle Reflexionen. Es umfasst Kapitel zu dem Umgang mit den Königen, über die Moral der Derwische, über die Zufriedenheit und die Vorzüge des Schweigens, über Liebe und Jugend, Schwäche und Alter, die Effekte der Erziehung und Regeln über das gute Leben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 262

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Rosengarten

Moslih ud Din Saadi

Inhalt:

Moslih ud Din Saadi – Biografie und Bibliografie

Der Rosengarten

Eingangspforte

Erste Abteilung: Von den Königen und dem Hofleben

Zweite Abteilung: Von den Gesinnungen der Derwische

Dritte Abteilung: Von dem Werte der Genügsamkeit

Vierte Abteilung: Von den Vorteilen des Stillschweigens

Fünfte Abteilung: Von der Liebe und der Jugend

Sechste Abteilung: Von der Schwäche und dem Alter

Siebente Abteilung: Von dem Einflusse der Erziehung

Achte Abteilung: Von dem guten Betragen im Umgange

Schluß

Der Rosengarten, Moslih ud Din Saadi

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849634469

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Moslih ud DinSaadi – Biografie und Bibliografie

Der berühmteste didaktische Dichter der Perser, geb. 1184 oder 1189 in Schiraz (daher Schîrâsî genannt), gest. 1291, studierte auf Kosten des Atabek Sa'd b. Zengi (dem zu Ehren er sich Sa'dî nannte) in Bagdad, machte 1224–55 große Reisen, auf denen er vorübergehend in Tripolis in die Gefangenschaft fränkischer Kreuzfahrer geriet, und lebte dann in einer kleinen Zelle bei Schiraz als Sufi. Außer einem »Diwan«, aus dem Graf in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft« (Bd. 9 bis 18) und Rückert in »Aus Saadis Diwan« (hrsg. von Bayer, Leipz. 1893) sehr reizende und geschmackvolle Proben gegeben, Rückert auch die »Politischen Gedichte« (gleichfalls hrsg. von Bayer, Berl. 1894) übersetzt hat, besitzen wir von ihm: den »Gulistân« (»Rosengarten«, im Abendland öfter, im Orient weit über hundertmal gedruckt; am besten hrsg. von Sprenger, Kalkutta 1851, von Johnson, Hertford 1863, und von Platts, Lond. 1871; deutsch von Olearius, Schlesw. 1654; neue Aufl., Wittenb. 1775; von Graf, Leipz. 1846, und von Nesselmann, Berl. 1864; franz. von Defrémery, Par. 1858; engl. von Eastwick, Herfort 1852, und von Roß, Lond. o. J.), ein moralisierendes, teils erzählendes, teils reflektierendes Werk in Prosa mit zahlreichen Versen; den »Bostân« (»Baumgarten«, hrsg. mit Kommentar von Graf, Wien 1858; von Rogers, Lond. 1891; deutsch von Graf, Jena 1850, und von Rückert, Leipz. 1882, auszugsweise von Schlechta-Wssehrd, Wien 1852; engl. von Davie, Lond. 1883; franz. von Barbier de Meynard, Par. 1880), ein ähnliches, aber ganz in Versen geschriebenes Werk; das »Pend-nâme« (»Buch des Rats«, vielfach im Orient gedruckt; pers. und engl. von Gladwin im »Persian moonshee«, Kalkutta 1801, und in Rousseaus »Flowers of Persian literature«, Lond. 1801; franz. von Garcin de Tassy, Par. 1822, wieder abgedruckt in dessen »Allégories, récits poétiques et chants populaires«, 2. Ausg., das. 1876); die »Sâhibîja«, für den Wesir des Hulâgu, Schems ud Dîn Dschuweini, verfaßt (daraus: »Sa'dis Aphorismen und Sinngedichte«, hrsg. und übersetzt von Bacher, Straßb. 1879), und viele andre kleine Erzählungen, Fabeln und Abhandlungen, sämtlich in reiner, zierlicher und dabei einfacher Sprache abgefaßt. Saadis sämtliche Werke wurden von Harington (Kalkutta 1791–95, 2 Bde.) und wiederholt im Orient herausgegeben. Vgl. Bacher, S. – Studien (in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 30); Graf, Die Moral des S. (in Reuß und Cunitz' »Beiträgen zu den theologischen Wissenschaften«, Bd. 3, Jena 1851); ferner die literarhistorischen Werke von Ethé, Horn, Pizzi und die Kataloge von Rieu, Pertsch u.a. S. Persische Literatur, S. 620, 1. Spalte.

Der Rosengarten

Eingangspforte

Im Namen Gottes des Allbarmherzigen!

Dank gebührt dem Herrn, dem Mächtigen und Erhabenen für seine Wohltaten, denn der Gehorsam gegen ihn bewirkt vertrautere Verehrung, und im Danke gegen ihn liegt seiner Huldgaben Vermehrung. Ein jeder Atemzug ist, wenn er absteigt, für das Leben erneuend, und wenn er aufsteigt, für das Wesen erfreuend. Darum enthält jeder Atemzug zwei Gaben der Huld, und auf einer jeden Gabe ruht eine Dankesschuld.

Wer kann dem Herrn mit Mund und Händen Den schuld'gen Dank vollkommen spenden?

"Befleißiget euch des Dankes, Volk Davids, doch der Dankbaren sind wenige unter meinen Knechten."

Es kann der Mensch für seine Lässigkeit Verzeihung nur vor Gottes Thron erflehn; Was würdig wäre Gottes Herrlichkeit, Das kann ja doch von keinem je geschehn.

Der Segen seines unberechenbaren Erbarmens hat sich zu allen erstreckt, und der Tisch seiner rückhaltlosen Wohltätigkeit ist überall gedeckt; den Ehrenschleier seiner Knechte zerreißt er nicht wegen verwerflichen Begehens, und das tägliche Brot entzieht er ihnen nicht wegen schmählichen Vergehens.

Allgüt'ger der du aus verborg'nem Schatze Dem Parsen und dem Christen Nahrung spendest, Wie könntest deine Freunde du verlassen, Wo du auf Feinde deinen Huldblick wendest?

Seinem Kammerdiener dem Morgenwinde hat er gesagt, daß er den smaragd'nen Teppich auflege, und seiner Amme der Frühlingswolke hat er befohlen, daß sie die Mädchen der Pflanzen in der Wiege der Erde pflege; die Bäume hat er zum Feste des Neujahrskleides mit dem grünen Blättergewande überzogen, und den jungen Zweigen bei der Wiederkehr der Rosenversammlung den Blumenkopfputz angezogen; der Saft eines Rohres ist durch seine Macht als trefflicher Honigseim geflossen, und den Dattelkern ließ er durch seine Pflege zur Riesenpalme sprossen.

Wolken und Winde und Sonne und Himmel sind alle beschäftigt, Daß sie dir geben ein Brot und du's nicht unbedachtsam verzehrest. Siehe sie drehn sich im Wirbel, erfüllen für dich die Gebote, Ist es nicht recht, daß auch du das Gebot durch Gehorsam verehrest?

In der Überlieferung, welche zu uns gekommen von dem Haupte alles Seienden, dem Ruhme alles Gedeihenden, dem Erbarmen aller Erdgebornen, der Adamssöhne Auserkornen, dem Abschluß des Kreislaufes der Zeiten, Mohammed dem Auserwählten, mög' ihn Gottes Friede begleiten!

"Dem Fürsprech, Gebieter, Propheten, Vortrefflichen, Lieblichen, Herrlichen, Freundlichen, Trefflichen. Die Höh' erreichte er durch seiner Tugend Kraft, Ins Dunkel bracht' er Licht durch seine Meisterschaft, Vollkommen ist an ihm jedwede Eigenschaft, Gott sei mit ihm und seiner Hausgenossenschaft!" Die Kirche kann nicht beben, wenn ein Mann wie du die Mauer stützt; Das Schiff scheut nicht die Meeresflut, wenn an dem Steuer Noah sitzt.

Da heißt es: Wenn ein Mensch beladen mit Untat, der sein Leben nutzlos vergeudet hat, die Hand der Bekehrung, mit der Hoffnung der Erhörung zu dem Throne Gottes, des Mächtigen und Erhabenen, aufhebt, wirft Gott keinen Gnadenblick auf ihn; wiederum fleht er, wiederum wendet Gott sich ab; wiederum fleht er zu ihm mit Zerknirschung und Wehklagen; da spricht Gott, der Erhabene und Gepriesene: Meine Engel, ich schäme mich wegen meines Knechtes, er hat ja keinen andern Herrn als mich, darum verzeihe ich ihm, seine Bitte erhöre ich und sein Begehren erfülle ich, denn wegen der vielen Bitten und Wehklagen meines Knechtes bin ich beschämt.

O wer ist gütig und erbarmungsreich wie er? Gesündigt hat der Knecht, es schämet sich der Herr.

Die, welche eifrig anbeten in der Kaba seiner Majestät, gestehn die Mangelhaftigkeit ihres Gottesdienstes und sprechen: "Wir verehren dich nicht wie du verehrt werden sollst"; und die, welche die Eigenschaften seiner Schönheit beschreiben, bleiben ratlos und sprechen: "Wir erkennen dich nicht wie du erkannt werden sollst."

Vergebens fordert man von mir Ihn zu beschreiben; Was soll ich sinnlos sagen von dem Merkmallosen? Getötet sind die Liebenden von dem Geliebten: Hörst du wohl eine Stimme von den Lebenlosen?

Ein Einsichtsvoller hatte den Kopf in die Kleiderfalten der Betrachtung gesteckt und war in das Meer der Beschauung versenkt; als er aus seiner Verzückung wieder zu sich kam, sagte einer seiner Freunde scherzhafterweise: Was bringst du uns für ein Ehrengeschenk aus jenem Garten, in dem du gewesen? Er antwortete: Ich hatte im Sinne, wenn ich zum Rosenstrauch käme, einen Kleidersaum voll zu nehmen zum Geschenk für meine Freunde; als ich aber dahin kam, berauschte mich der Duft der Rosen so sehr, daß der Kleidersaum meiner Hand entfiel.

Vom Schmetterling, o Nachtigall, Kannst du was Liebe sei erfahren. Im Tode sinkt er lautlos hin, Wenn er des Brandes Schmerz erfahren. Wer sich, daß er Ihn suche, rühmt, Hat noch nicht einmal Ihn erfahren. Denn wem einmal Erfahrung ward, Nichts wird man mehr von dem erfahren. O der du höher bist als Schluß, als Meinung, Vorstellung und Wahn, Als alles was man sagt: Das ist's, wir wissen es, hier steht's geschrieben! Geschlossen ist die Sitzung schon, es kömmt des Lebens Ziel heran: Dich zu beschreiben sind wir noch gleichwohl am Anfang stehn geblieben.

Ruhm des Königs des Islam, möge Gott sein Reich dauern lassen!

Der schöne Ruhm Sadis, der durch den Mund alles Volkes erklungen, und der Ruf seiner Rede, der über die weite Erde gedrungen, das süße Rohr seiner Lehre, das man wie Zucker verzehrt, und das Blatt seiner erhabenen Schrift, das man gleich goldnen Buchstaben ehrt, kann nicht seines Talentes Vollkommenheit und seiner Wohlredenheit beigemessen werden. Sondern der Weltregierer, des Zeitenkreises Führer, der auf Salomos Throne sitzt und das Volk des Glaubens beschützt, der mächtige Schahinschah, der prächtige Atabeg, der in der Religion und der Welt Siegreiche, Abu Bekr, Sohn Saad, Sohn Sengi, "der Schatten Gottes auf seiner Erde, Herr sei zufrieden mit ihm, daß er zufrieden werde!" – dieser hat mit dem Auge der Gunst auf ihn geblickt, ihn mit kräftiger Belobung gepriesen und ihm aufrichtiges Wohlwollen erwiesen; deshalb muß alle Welt, Vornehm und Gering, sich zur Liebe gegen ihn neigen, denn "die Menschen richten sich nach ihren Königen."

Seitdem mich Armen trafen deines Huldblicks Strahlen, Sieht meinen Ruhm man heller als die Sonne strahlen, Könnt' ich auch nur mit Fehlern, nicht mit Tugend prahlen, Muß doch der Fehler, den du lobst, als Tugend strahlen. Einst reichte mir im Bade einen Lehm       Von lieblichem Geruch der Knabe dar. Bist Moschus oder Ambra? rief ich aus,       Von deinem Dufte bin ich trunken gar. "Ich wohnte bei der Rose lange Zeit,       Daher der Duft, der dir so wunderbar;Mir teilte sich der Freundin Vorzug mit:       Sonst bin ich noch die Erde, die ich war."

"O Gott, laß dem Gläubigen die Länge seines Lebens zum Heile geraten, und vervielfältige den Lohn seiner guten Werke und edlen Taten; erhöhe seine Amtleute und seine Freunde, und stürze nieder seine Hasser und seine Feinde! Bei dem, was wir lesen von des Korans heiligem Wort, o Gott, sei seines Reiches Schutz und seines Sohnes Hort!"

Gesegnet ist die Welt durch ihn, er sei gesegnet!       O Herr, sei du ihm feste Burg und Schanze! Der Palmensprößling, der aus ihm entstammt, gedeihe!       Aus edelm Samen sproßt die edle Pflanze.

Der hochheilige Gott bewahre das reine Gebiet von Schiras, durch die Würde verwaltender Gerechtigkeitsverehrer und den Hochsinn handelnder Weisheitslehrer, im Gewände der Unverletztheit, bis zur Auferstehungszeit!

Du fragst, warum so lang' in fremdem Land       Ich von der Heimat Fessel mich entbunden? Die Welt war damals kraus wie Negerhaar,       Der Türken Ingrimm schlug ihr herbe Wunden. Zwar Menschenkinder, doch nach Blut und Fraß       Und Raub nur lechzten sie gleich wilden Hunden. Ich kam zurück, in Frieden lag das Land,       Den Tigern war der Tigersinn entschwunden.Drin waren sie gleich Engeln reich an Huld,       Wie Löwen draußen in des Kampfes Stunden. So war die Welt, als ich zuerst sie sah,       Sie konnte nicht von Not und Angst gesunden; So hat sie jetzt durch Sultan Abu Bekr       Saad Sohn Sengis Glück und Heil gefunden. Die Länder Persiens trifft der Zeiten Unheil nicht,       So lang' gleich dir ein Schatten Gottes thront. Wer zeigt uns auf dem weiten Erdenrund den Ort,       Wo wie bei deinem Thron man sicher wohnt? Dein ist der Mittellosen Obhut, uns der Dank       Der Weltenschöpfer ist es, der dir lohnt. O Herr! vor Unglückswind bewahre Persiens Land,       So lang' dein Wille Land und Wind verschont.

Veranlassung zur Abfertigung dieses Buches des Rosengartens

Eine Nacht hatte ich bei mir selbst die vergangenen Tage überdacht, und das verlorne Leben hatte tiefen Kummer in mir hervorgebracht; ich durchbohrte mit dem Diamant des Augenwassers der Herzenszelle harten Stein, und mir fielen dabei diese zu meinem Zustande passenden Verse ein.

In jedem Augenblick vergeht ein Lebenshauch; Kaum hast du ihn bemerkt, dahin ist er wie Rauch. Du konntest fünfzig Jahr im Schlafe sorglos liegen, Willst um fünf Tage denn du jetzt dich noch betriegen? Dem Trägen Schande, der die Arbeit nicht berührt! Die Trommel tönt, er hat sein Bündel nicht geschnürt. Wann es zur Reise tagt, will er noch Schlaf genießen, So wird der Wandrer wohl dem Weg entsagen müssen. Ein jeder, wenn er kommt, erbaut ein neues Haus, Dem andern läßt er bald den Bau und geht hinaus; Es strebt der andre auch, sich andres zu erringen, Und so kann jenen Bau niemand zu Ende bringen. Dem Unbeständ'gen gib nicht deiner Freundschaft Hand, Zur Freundschaft passet nur, was treu und von Bestand. Ob gut sie sind, ob bös, es müssen alle sterben: Heil dem, der es verstand, den Kampfpreis zu erwerben!O schicke nur voraus den Vorrat in das Grab, Niemand bringt dir ihn nach, send' ihn zuvor hinab. Das Leben ist ein Schnee, der in des Sommers Sonne Zerschmilzt, doch Täuschung ist dem Greise selbst noch Wonne. Sind deine Hände leer, wenn du zu Markte gehst, So furcht' ich sehr, daß du kein volles Tuch erstehst. Wer seine Saat, noch eh' sie reif ist, will genießen, Wird in der Erntezeit dann Ähren stoppeln müssen.

Nachdem ich diesen Gedanken nachgehängt, hielt ich für das Geratenste, mich auf den Sitz der Einsamkeit niederzulassen und meinen Kleidersaum aus der Gesellschaft unter mich zusammenzufassen, die leichtfertigen Sprüche aus meiner Schreibtafel auszuwischen und mich fortan nicht in nutzlose Gespräche zu mischen.

Besser ist es ohne Zunge taub und stumm im Winkel sitzen, Als gedankenlos die Zunge nur zu eitler Rede spitzen.

Da trat einer meiner Freunde, der in der Kamelsänfte des Ungemachs mit mir gewesen und in der freundlichen Zelle der Liebe mit mir gesessen, nach alter Gewohnheit zur Türe herein. Er mochte mir aber noch so viel Scherz und Munterkeit vorhalten und den Teppich der Lust und Heiterkeit auseinanderfalten, ich mochte ihm keine Antwort geben und mein Haupt nicht von dem Knie der Andacht aufheben. Gekränkt schaute er mich an und sprach:

O Bruder, jetzt, wo noch zu sprechen möglich ist,       Laß dich herab, dein Schweigen liebevoll zu brechen. Wenn morgen dich vielleicht der Todesengel ruft,       Hörst du durch das Geschick gezwungen auf zu sprechen.

Einer meiner Angehörigen unterrichtete ihn von dem, was vorgefallen war. Er ist, sprach er, zum Entschlüsse gekommen und hat sich fest vorgenommen, den übrigen Teil seines Daseins auf dieser Welt sich dem Dienste Gottes hinzugeben und im Stillschweigen zu leben; du auch, wenn du es vermagst, fasse den Entschluß und setze auf den Pfad der Zurückgezogenheit deinen Fuß. Bei meiner großen Hochachtung und meiner alten Verbindung, antwortete er, ich werde kein Wörtchen anheben und keinen Fuß aufheben, bevor er geredet hat nach lieber Gewohnheit und nach früherer Gewogenheit, denn das Herz der Freunde zu kränken ist schlecht, und den unbedachten Eid zu sühnen ist recht, und es heißt auf dem unrechten Wege wandeln und der Ansicht der Verständigen zuwider handeln, wenn Alis Schwert sich nicht aus der Scheide bewegt und Sadis Zunge sich nicht im Munde regt.

Was ist die Zung' im Munde? Ist sie nicht       Der Schlüssel zu des Weisen Schatzes Türe? Ist sie verschlossen, kann man wissen, ob       Juwelen er, ob Trödel bei sich führe? Mag das Schweigen für den Weisen passend sein,       Doch zur rechten Zeit muß er die Zunge lösen. Schweigen, wo man sprechen soll, und sprechen dann,       Wo das Schweigen ziemte, beides ist vom Bösen.

Kurz, die Zunge von dem Gespräch mit ihm abzuziehn, konnte ich nicht über mich gewinnen, und das Gesicht von der Unterhaltung mit ihm abzuwenden, hielt ich nicht für menschliches Beginnen, denn er war ein treuer Freund, der es immer redlich gemeint.

Nur dann mußt du mit jemand Kampf begehren, Wenn du ihn fliehn kannst oder ihn entbehren.

Notgedrungen fing ich an, mich mit ihm im Gespräche zu letzen, und wir gingen uns im Freien zu ergötzen. Es war in der Jahreszeit des Frühlings, wo der heftige Ungestüm des Frostes zu Ende gegangen und die glückliche Herrschaft der Rose angefangen.

Grünes Kleid bedeckte Baum und Land, Prachtvoll wie der Großen Festgewand. In des Frühlingsmonats ersten Tagen,       Nachtigallen auf den Zweigen sangen, Tauesperlen auf den Rosen lagen,       Gleich den Tränen auf der Schönen Wangen.

So traf es sich, daß ich die Nacht mit meinem Freunde im Garten zubrachte, in lieblichen luftigen Räumen mit entzückenden dichtverschlungnen Bäumen, gleich als wären Stückchen von Glasguß über den Boden hingegossen und als wären die Wipfel vom Halsbande der Plejaden umflossen.

In dem Garten liebliche Gesänge,       In der Aue klarer Wasserstrahl, Diese voll von vielgefärbten Tulpen,       Jener voll von Früchten ohne Zahl. Einen Teppich breiteten die Winde       Schillernd in der schatt'gen Bäume Saal.

Am Morgen, als die Lust zurückzukehren über den Wunsch dazubleiben den Sieg davontrug, sah ich, daß er einen Kleidersaum voll Rosen und Basilien und Hyazinthen und Amaranten zusammenpflückte, und sich zur Rückkehr in die Stadt anschickte. Auf den Bestand der Rosen des Gartens, sprach ich, kann man, wie du weißt, nicht vertrauen, und auf die Verheißungen des Rosengartens nicht bauen; du kennst aber den Ausspruch der Weisen: Wo wir keinen festen Grund finden, sollen wir unser Herz nicht binden. Was ist denn zu tun? fragte er. Ich antwortete: Zur Erlustigung der Beachtenden und zur Erheiterung der Betrachtenden kann ich ein Buch des Rosengartens verfassen, dessen Blätter der Wind des Spätjahrs nicht mit gewalttätiger Hand zerreißt, und an dessen Frühlingslust der Wechsel der Zeit nicht durch den Flattersinn des Herbstes seine Unbeständigkeit beweist.

Wozu soll denn von Rosen für dich ein ganzer Strauß? Aus meinem Rosengarten nimm dir ein Blatt heraus. Nach fünf, sechs Tagen mußt du die Rosen welken sehn, Die Schönheit meines Gartens wird immerfort bestehn.

Sobald ich diese Worte gesprochen, warf er die Rosen aus seinem Saume und erfaßte meinen Saum, indem er rief: "Der Edle hält, was er verspricht." Ein oder zwei Abschnitte wurden in jenen Tagen auf das Papier hingeworfen, über die rechte Art der geselligen Verbindung und die Regeln der gefälligen Unterhaltung, in einer Einkleidung, welche den Gesprächführenden zustatten kommen und den Briefwechselnden zur Wohlredenheit frommen mochte. Kurz, von den Rosen des Gartens waren noch nicht alle verschwunden, als das Buch des Rosengartens schon seine Vollendung gefunden. Doch dann erst wird es wahrhaft vollendet sein, wenn es belobt ist und gebilligt am Hofe des Schah, dem Zufluchtsort von fern und nah, bei dem Schatten des Welterhalters, Strahl der Milde des Weltverwalters, "Schatzkammer der Zeit, Grotte der Sicherheit vom Himmel geschützt, mit Sieg unterstützt, Arm der siegreichen Herrscherpracht, Leuchte der strahlenden Glaubensmacht, der Sterblichen Augenweide, des Islams Freude, Saad Sohn des preiswürdigen Atabeg, des verehrungswürdigen Schahinschah, der auf den Nacken der Völker steht und allen Königen der Erde vorgeht, Sultan des Landes und des Meeres, Erbe des Reiches Salomos, Siegreich in Welt und Religion, Abu Bekr Sohn Saad Sohn Sengi, Gott segne beider Fortgang und führe zu allem Guten ihren Ausgang!" – und wenn er es mit dem süßen Huldblicke seiner Majestät zu lesen gewilligt.

Wie Sinas Saal ist's und wie Ersengs Schildereien,       Wird es mit gnäd'gem Blick von deiner Huld beglückt. Wohl darf ich hoffen, daß sich deine Stirn nicht runzle,       Im Rosengarten ist dem Unmut man entrückt; Insonderheit, da ja Saads erlauchter Name,       Des Sohnes Abubekrs des Werkes Eingang schmückt.

Lob des mächtigen Fürsten Fachreddin Abu Bekr Ben Abu Nasr

Doch noch einmal wagt die Braut meiner Gedanken wegen ihres Mangels an Schönheit nicht das Haupt hoch zu tragen, und das Auge der Hoffnungslosigkeit von dem Fußrücken der Scham aufzuschlagen, und in der Versammlung der Schönen kann sie nicht im Brautstaate prangen, bevor sie nicht mit dem Schmucke des Beifalls des großen Fürsten behangen, des Gelehrten, Gerechten, Beglückten, Siegreichen, Stützpunkt der Thronerhaltung, Ratgeber der Reichsverwaltung, der Armen Zuflucht, der Fremden Rettungsbucht, der Talentvollen Ernährer, der Gottesfürchtigen Verehrer, Stolz des persischen Volkes, rechte Hand des Königtums, König der Großen, Ruhm des Thrones und des Glaubens, Hilfe des Islams und der Musulmane, Stütze der Könige und der Sultane, Abu Bekr Sohn Abu Nasr, "Gott verlängere sein Leben und verherrliche sein Streben, erweitere seine Brust und verdopple seine Lust!" Denn er ist der Belobte unter den Großen aller Gegenden, und der Inbegriff der edelsten Tugenden.

Wer weilet in dem Schatten seiner Huld, Dem wird der Feind zum Freund, zur Tugend Schuld.

Einem jeden der übrigen Diener und Trabanten ist ein Dienst so bestimmt, daß, wenn sie sich in der Verrichtung desselben Nachlässigkeit oder Saumseligkeit erlauben, sie notwendig zum Verweise sich stellen und zum Vorwurfe erscheinen müssen. Davon ist nur die Klasse der Derwische ausgenommen, denen der Dank für die Wohltaten der Großen und das gute Lob und die segensreiche Fürbitte obliegt; die Verrichtung dieses Dienstes geschieht in der Verborgenheit besser als vor aller Welt, denn dieses hat den Anschein von Scheinheiligkeit und Augendienst, jenes aber ist fern von Verstellung und gewiß der Erhörung.

Gerade ward vor Freude des Himmels krummer Rücken, Als aus der Zeiten Mutter ein Sohn wie du entstand. Ein Ratschluß laut'rer Weisheit ist's, wenn des Schöpfers Güte Den Mann sich auserwählt hat zum Heile für das Land. Ein ew'ges Glück ergriff, wer mit gutem Namen lebte, Denn sein Gedächtnis nach ihm hat ewigen Bestand. Ob dich die Dichter loben, ob sie dir Lob versagen, Das schöne Antlitz braucht nicht des Lockenkräuslers Hand.

Entschuldigung wegen Saumseligkeit im Hofdienste und Beweggrund zur Wahl der Zurückgezogenheit

Der Grund der Saumseligkeit und Nachlässigkeit, die ich mir in der Beständigkeit und Beflissenheit für den Dienst des königlichen Hofes habe zuschulden kommen lassen, ist dieser: Als einst einige indische Gelehrte sich über die Vorzüge Busurdschmihrs besprachen, wußten sie keinen andern Fehler an ihm zu finden als den, daß er im Reden zu langsam sei, das heißt, daß er zu sehr zögere und der Zuhörer zu lange warten müsse, bevor er den bestimmten Inhalt seiner Rede erfahre. Busurdschmihr hörte es und sprach: Nachdenken über das, was man sprechen soll, ist besser, als Reue über das, was man gesprochen.

Ein guterzog'ner wohlberedter Greis Denkt nach zuerst und sagt dann, was er weiß. Tu' nicht den Mund auf, ohne nachzudenken; Sprich gut, ob langsam auch, kann dich nicht kränken. Erst überlegt und dann den Atemzug, Und höre auf, bevor man spricht: genug. Das Tier steht unter dir der Sprache wegen; Sprichst du nicht gut, ist es dir überlegen.

Um so viel mehr, wenn ich vor den Augen der Großen eines Fürsten, welcher der Sammelplatz der Einsichtsvollen und der Mittelpunkt der tiefforschenden Gelehrten ist, mich in der Zusammenknüpfung der Rede dreist bewiesen, hätte ich mich der Vermessenheit schuldig gemacht und geringe Ware vor den Mächtigen gebracht. Glaskorallen sind aber auf dem Markte der Juwelenhändler kein Gerstenkorn wert, und eine Kerze wirft in der Sonne keinen Schein, und ein hoher Turm erscheint niedrig am Fuße des Berges Elwend.

Die den Nacken stolz erheben, Sind von Feinden bald umgeben; Sadi ist durch Demut Sieger, Mit Gefall'nen kämpft kein Krieger. Eh' man spricht erst überlegen, Heißt den Grund zum Baue legen. Bin ein Gärtner, doch nicht in dem Garten, Kann nicht unter Schönen Lob erwarten.

Der weise Lokman wurde gefragt, von wem er die Weisheit gelernt habe. Er antwortete: Von den Blinden, deren Fuß nirgends rastet, bevor er die Stelle betastet. "Denke an das Hinausgehen vor dem Hineingehen."

Erprobe deine Männlichkeit und dann erst nimm ein Weib. Listig wohl und kampferfahren ist der Hahn, Doch was fängt er vor des Falken Krallen an? Wie ein Löwe ist die Katz' im Mäusefangen, Eine Maus nur ist sie vor des Tigers Zahn.

Doch im Vertrauen auf die edle Gesinnung der Großen, welche vor den Fehlern der Untergebenen das Auge bedecken, und nicht geschäftig sind die Blößen der Geringen aufzudecken, habe ich in möglichster Kürze einiges von Anekdoten und Überlieferungen und Gedichten und Erzählungen und Denkwürdigkeiten früherer Könige in diesem Buche zusammengereiht, und dieser Arbeit einen kleinen Teil meines teuren Lebens geweiht. Dieses war die Veranlassung zur Abfassung des Buches des Rosengartens, Gott aber gibt das Gelingen.

Nach Jahren noch wird dieses Werk bestehen,       Wenn einst von uns kein Stäubchen mehr besteht. Darin soll sich ein Bild von uns erhalten:       Wohl seh' ich wie das Leben schnell vergeht. Vielleicht daß für den Derwisch aus Erbarmen       Ein Einsichtsvoller einst zum Himmel fleht.

Durch genaue Betrachtung bei des Buches Einteilung und der Abschnitte Ausfeilung hielt ich die Bündigkeit der Rede für das Geratenste, bis endlich der Aue liebliche Räume und des Gartens schattige Bäume gleich dem Paradiese sich in acht Abteilungen geteilt fanden; und das Ganze ward darum kurz gewendet, daß es nicht mit Überdruß endet.

Erste Abteilung. Von den Königen und dem Hofleben.

Zweite Abteilung. Von den Gesinnungen der Derwische.

Dritte Abteilung. Von dem Werte der Genügsamkeit.

Vierte Abteilung. Von den Vorteilen des Stillschweigens.

Fünfte Abteilung. Von der Liebe und der Jugend.

Sechste Abteilung. Von der Schwäche und dem Alter.

Siebente Abteilung. Von dem Einflusse der Erziehung.

Achte Abteilung. Von den Regeln des Umganges.

Als angenehme Muße mir vergönnet war, Der Hidschret nach sechshundertsechsundfünfzig Jahr, Da hab' ich guten Rat gegeben unverhohlen, Drauf alles Gott befohlen und mich selbst empfohlen.

Erste Abteilung: Von den Königen und dem Hofleben

Man erzählt, daß, als einst ein König den Befehl zur Hinrichtung eines Gefangenen gegeben, dieser Unglückliche in seiner verzweifelten Lage anfing, in seiner Muttersprache Schmähreden und Lästerungen gegen ihn auszustoßen; denn das Sprichwort sagt: Wer keine Hoffnung mehr für sein Leben hegt, der sagt alles, was er auf dem Herzen trägt.

"Wenn er verzweifelt, wird des Menschen Zunge länger; So stürzt geängstigt sich die Katze auf den Hund." Bleibt aus Bedrängnis kein Entrinnen mehr, Ergreift die Hand des scharfen Schwertes Wehr.

Der König fragte, was er sage? Ein edelgesinnter unter seinen Wesiren antwortete: O Herr, er sagt: "Und die ihren Zorn unterdrücken und den Menschen verzeihen, denn Gott liebt die Gütigen." Der König hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm das Leben. Ein anderer Wesir aber, der das Gegenteil von jenem war, sagte: Für Leute unseres Standes ziemt es nicht, vor dem Könige etwas anderes als die Wahrheit zu reden; jener Mensch hat den König geschmäht und Unziemendes gesprochen. Der König runzelte die Stirn über diese Rede und sprach: Mir hat die Lüge, die er gesagt hat, besser gefallen, als diese Wahrheit, die du gesagt, denn jene beabsichtigte etwas Gutes, diese ist aus Bosheit hervorgegangen, und die Weisen haben gesagt: Eine Lüge, welche Gutes bezweckt, ist besser, als eine Wahrheit, welche Unheil versteckt.

Wenn der König handelt wie du sprichst, Unrecht ist's, so du nichts Gutes sprichst.

*

Auf der Kuppel von Feriduns Palaste war geschrieben: Nicht bei der Welt, o Bruder, kannst du die Treue finden; Nur an den Weltenschöpfer darf sich das Herz dir binden. Es sei das Gut der Erde nicht Stütze dir und Stab: Gleich dir beglückt' es viele und stürzte sie ins Grab. Wird eine reine Seele dereinst dem Tod zum Raube, Gleichviel, ob auf dem Throne sie starb, ob in dem Staube.

*

Ein König von Chorasan sah einst im Traume den Sultan Mahmud Sohn Sebuktegins hundert Jahre nach dessen Tode; sein ganzer Körper schien vermodert, bloß die Augen drehten sich in den Augenhöhlen und blickten umher. Die Weisen alle waren unfähig, dieses zu erklären, nur ein Derwisch vermochte diesen Dienst zu leisten und sagte: Er sieht noch mit Neid, wie ein anderer sich seines Besitztums erfreut.

Berühmte legt man viele in den Schoß der Erde,       Auch eine Spur von ihrem Dasein bleibt nicht mehr, Und jenen Greisenleichnam, der im Staub begraben,       Verzehrt der Staub, ein Knochen bleibt von ihm nicht mehr. Voll Ruhm und Segen lebt noch jetzt Nuschirwans Name,       Lebt auch Nuschirwan doch schon lange Zeit nicht mehr. Tu' Gutes, der du lebst, das Leben acht' als Beute,       Bevor das ernste Wort ertönt: Er ist nicht mehr.

Man erzählte mir von einem Königssohne, welcher klein und mißgestaltet war, indes seine Brüder groß waren und schön von Gestalt. Einst blickte ihn sein Vater mit Widerwillen an; der Jüngling verstand dieses mit feinem Sinne und sprach: O Vater, ein kleiner Mann voll Verstand ist besser als ein großer voll Unverstand; nicht alles, was größer ist an Gestalt, ist besser an Gehalt, denn "das Schaf ist ein reines Tier und der Elefant ist ein unreines Tier".

"Von allen Bergen ist der Sinai der kleinste, Der größte doch bei Gott an Rang und Wert." Du weißt wohl, was ein magrer Weiser       Einst sprach zu einem fetten Toren:Ein kleines edles Roß ist besser       Als hundert Esel lang von Ohren.

Der Vater lachte, die Hofleute schenkten Beifall und die Brüder ergrimmten in ihrer Seele.

So lange sich ein Mann nicht durch sein Wort entdeckt, Sind sein Verdienst und seine Fehler dir versteckt. Für leer nicht halte jed' Gebüsch, das du bemerkest, Denn möglich ist es, daß darin ein Tiger steckt.

Man erzählt, daß in jener Zeit ein gefährlicher Feind erschien; als nun die beiden Heere einander gegenüberstanden, war jener Jüngling der erste, der sein Pferd auf den Kampfplatz trieb, indem er ausrief:

Am Tag des Kampfes sieht man meinen Rücken nicht,       Als Haupt steh' ich in Staub und Blut am Weg der Ehre. Wer tapfer streitet, spielt mit seinem eignen Blut,       Wer flieht am Tag der Schlacht, der spielt mit seinem Heere.

So sprach er, stürzte sich auf die Soldaten des Feindes und warf einige krieggeübte Männer nieder. Als er wieder vor seinen Vater trat, küßte er ehrerbietig die Erde und sprach:

O du dem ich verächtlich scheine,       Ist dir die Plumpheit so viel wert?Nützt dir der fette Ochs am Tage       Der Schlacht mehr, als das magre Pferd?

Wie man erzählt, waren die Soldaten des Feindes zahlreich, diese aber wenig; einige wollten fliehen, da erhob der Jüngling seine Stimme und rief: Haltet euch wacker, ihr Streiter, sonst gibt man euch Weiberkleider. Die Kühnheit der Reiter wurde durch seine Worte angefeuert, sie stürzten mit einem Male auf den Feind, und sie sollen an diesem Tage den Sieg davongetragen haben. Der König küßte seinem Sohne Haupt und Augen und schloß ihn in seine Arme, und er schätzte ihn jeden Tag höher, bis er ihn endlich zu seinem Thronfolger ernannte. Seine Brüder wurden darüber eifersüchtig und taten Gift in sein Essen; doch seine Schwester sah es von dem Söller, sie schlug das Fenster zu, und der Jüngling verstand das Zeichen; er zog die Hand von der Speise zurück, indem er sagte: Es ist widersinnig, daß Verdienstvolle sterben, damit Verdienstlose ihre Stelle erben.

Wer ist es, der sich in der Eule Schatten stellt, Und wäre auch der Phönix nicht mehr auf der Welt?