Der Schimmelreiter: In Einfacher Sprache - Theodor Storm - E-Book

Der Schimmelreiter: In Einfacher Sprache E-Book

Theodor Storm

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Beschreibung

Dieses Buch ist in einfacher Sprache geschrieben. Bei der Übersetzung in einfache Sprache folgen wir weitgehend der Norm DIN 8581-1. Das Buch eignet sich für Leserinnen und Leser, die eine eingeschränkte Lesefähigkeit haben (LRS), Deutsch als Zweitsprache lernen, mit komplexen Texten Schwierigkeiten haben oder einfach ein Buch in kompakter, lesefreundlicher Form genießen wollen. "Der Schimmelreiter" ist eine der bekanntesten Novellen von Theodor Storm. Die Geschichte, angesiedelt in einem norddeutschen Küstendorf, thematisiert den Kampf des Menschen gegen die Naturgewalten und den Aberglauben der Dorfgemeinschaft. Die Geschichte dreht sich um Hauke Haien, einen ambitionierten und intelligenten jungen Mann, der innovative Ideen zur Verbesserung der Deiche hat. Hauke steigt durch seinen Fleiß und seine Intelligenz auf und heiratet Elke, die Tochter seines Vorgängers, was ihm den Weg ebnet, selbst Deichgraf zu werden. Nachdem er Deichgraf geworden ist, setzt Hauke seine fortschrittlichen Pläne um, einen neuen, besseren Deich zu bauen. Trotz seiner fachlichen Fähigkeiten stößt er jedoch auf Misstrauen und Widerstand in der von Aberglauben durchdrungenen Dorfgemeinschaft. Sein Kampf wird zusätzlich erschwert durch mysteriöse Vorfälle und das Misstrauen, das sein unheimlicher Schimmel bei den Dorfbewohnern weckt. "Der Schimmelreiter" ist eine tiefgründige Erzählung über Menschlichkeit, Isolation und den unerbittlichen Kampf gegen unaufhaltsame Kräfte. Storm verwebt in seiner Novelle Realismus mit Elementen der norddeutschen Sagenwelt und schafft so ein packendes, atmosphärisch dichtes Meisterwerk der deutschen Literatur.

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Theodor Storm

Der Schimmelreiter: In Einfacher Sprache

Dieses Buch ist in einfacher Sprache geschrieben. Das Buch eignet sich für Leserinnen und Leser, die eine eingeschränkte Lesefähigkeit haben (LRS), Deutsch als Zweitsprache lernen, mit komplexen Texten Schwierigkeiten haben oder einfach ein Buch in kompakter, lesefreundlicher Form genießen wollen.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

Impressum

1. Kapitel

Ich reite bei starkem Unwetter auf einem nordfriesischen Damm. Links ist das leere Schwemmland, rechts das Meer. Ich sehe nur graue Wellen, die gegen den Damm schlagen und mich und das Pferd bespritzen. Der Himmel und die Erde sind nicht zu unterscheiden. Der Mond ist meist von Wolken verdeckt. Es ist eiskalt. Meine Hände sind so kalt, dass ich die Zügel kaum halten kann. Die Krähen und Möwen lassen sich vom Sturm ins Land treiben. Es wird dunkel und ich kann kaum die Hufen meines Pferdes sehen. Keine Menschenseele ist zu sehen.

Das Wetter ist jetzt seit drei Tagen schlecht. Ich bin bei einem Verwandten auf seinem Hof gewesen. Aber heute muss ich in die Stadt, die ein paar Stunden entfernt liegt. Ich bin am Nachmittag losgeritten. „Warte, bis du ans Meer kommst“, ruft mir mein Vetter nach. „Du kehrst noch um. Dein Zimmer bleibt frei!“

Als die Sturm-Böen mich vom Damm drängen, denke ich kurz daran umzukehren. Aber der Weg zurück ist länger als der Weg in die Stadt. Also ziehe ich den Kragen meines Mantels hoch und reite weiter.

Jetzt sehe ich auf dem Damm eine dunkle Gestalt auf einem Pferd. Es ist ein Schimmel mit einem Reiter in einem flatternden dunklen Mantel. Brennende Augen schauen mich aus einem bleichen Gesicht an. Ich höre keinen Hufschlag und kein Keuchen des Pferdes. Aber der Reiter reitet direkt an mir vorbei.

Ich denke noch darüber nach, als die Gestalt plötzlich wieder an mir vorbeifliegt. Der Mantel streift mich fast. Lautlos verschwindet sie in der Ferne.

Langsam reite ich hinterher. Als ich die Stelle erreiche, sehe ich unten im Marschland das Wasser einer großen Wehle blinken. Wehle nennen sie dort die tiefen Teiche, die von Sturmfluten ins Land gerissen worden sind.

Das Wasser ist trotz des Dammes stark bewegt. Der Reiter kann es nicht aufgewühlt haben und ich sehe ihn nicht mehr. Aber ich sehe etwas anderes: Vor mir schimmern viele Lichter. Dicht vor mir auf halber Höhe des Dammes liegt ein großes, beleuchtetes Haus. Ich sehe Menschen darin und höre sie trotz des Sturmes. Mein Pferd geht von selbst den Weg zum Haus hinunter. Es führt mich vor die Türe. Ich erkenne, dass es ein Wirtshaus ist. Vor den Fenstern sehe ich die Balken mit Ringen zum Anbinden der Pferde.

Ich binde mein Pferd an und übergebe es einem Knecht, der mir entgegenkommt. „Ist hier eine Versammlung?“ frage ich, weil ich deutlich Menschenstimmen und Gläserklirren höre.

„Der Deichgraf und einige andere. Es geht um das hohe Wasser!“ antwortet der Knecht.

Als ich eintrete, sehe ich etwa ein Dutzend Männer an einem Tisch sitzen. Eine Punsch-Bowle steht darauf und ein besonders stattlicher Mann scheint das Sagen zu haben.

Ich grüße die Männer und frage, ob ich mich zu ihnen setzen darf. Sie erlauben es mir. „Sie halten hier die Wacht!“ sage ich zu einem Mann. „Es ist schlechtes Wetter draußen!“

„Ja,“ antwortet er. „Wir hier an der Ostseite glauben, dass wir jetzt sicher sind. Aber an der anderen Seite ist es nicht sicher. Die Dämme dort sind älter. Unser Hauptdamm ist schon im letzten Jahrhundert verstärkt worden. Wir müssen hier noch ein paar Stunden durchhalten. Wir haben Leute draußen, die uns berichten.“

Bevor ich etwas bestellen kann, schieben sie mir schon ein dampfendes Glas hin. Ich erfahre, dass mein freundlicher Nachbar der Deichgraf ist. Wir sprechen und ich erzähle ihm von meiner seltsamen Begegnung auf dem Damm. Er wird aufmerksam und plötzlich bemerke ich, dass alle Gespräche verstummen.

„Der Schimmelreiter!“ ruft einer aus der Gruppe und alle wirken erschrocken.

Der Deichgraf steht auf. „Sie müssen keine Angst haben,“ sagt er. „Das betrifft nicht nur uns. Im Jahr 17 hat es auch die andere Seite getroffen. Sie sollen auf alles vorbereitet sein!“

Ich bekomme Gänsehaut. „Verzeiht!“ frage ich. „Was ist mit dem Schimmelreiter?“

Abseits hinter dem Ofen sitzt ein kleiner, dünner Mann in einem schwarzen Rock. Er hat nicht an den Gesprächen teilgenommen, aber seine Augen zeigen, dass er nicht zum Schlafen hier ist.

Der Deichgraf zeigt auf den Mann. „Unser Schulmeister,“ sagt er laut, „wird Ihnen die Geschichte am besten erzählen können. Aber nicht so gut wie meine alte Wirtschafterin Antje Vollmers.“

„Sie scherzen, Deichgraf!“ sagt der Schulmeister mit schwacher Stimme hinter dem Ofen. „Sie wollen mich mit Ihrem dummen Drachen vergleichen!“

„Ja, ja, Schulmeister!“ antwortet der Deichgraf. „Aber bei den Drachen sind solche Geschichten am besten aufgehoben!“

Der Schulmeister lächelt überlegen und sagt: „Wir sind da nicht ganz einer Meinung.“

Der Deichgraf flüstert mir ins Ohr: „Er ist immer noch etwas hochmütig. Er hat früher Theologie studiert und ist wegen einer gescheiterten Verlobung hier als Schulmeister geblieben.“

Der Schulmeister kommt aus seiner Ecke und setzt sich neben mich an den Tisch. „Erzählt, erzählt nur, Schulmeister,“ rufen einige der jüngeren Männer.

„Nun gut,“ sagt der Schulmeister zu mir, „ich erzähle die Geschichte gerne. Aber es ist viel Aberglaube dabei.“

„Bitte lassen Sie den Aberglauben nicht weg,“ sage ich. „Ich werde selbst entscheiden, was ich glauben will.“

2. Kapitel

Der Alte lächelt mich verständnisvoll an. „Nun also!“ sagt er. „In der Mitte des letzten Jahrhunderts gibt es hier einen Deichgrafen. Er versteht viel von Dämmen und Schleusen. Aber er hat kaum Bücher von Fachleuten gelesen. Sein Wissen hat er sich selbst beigebracht.

Vielleicht habt ihr schon von Hans Mommsen gehört, der Bauer gewesen ist und trotzdem Kompasse, Uhren, Teleskope und Orgeln hergestellt hat. Der Vater des Deichgrafen ist ein wenig wie dieser Mann gewesen. Er hat ein paar Felder und auch eine Kuh gehabt. Im Herbst und Frühjahr hat er das Land vermessen und im Winter ist er in seiner Stube gesessen und hat gezeichnet. Der Junge ist meist dabeigesessen, hat über sein Buch hinweggeschaut und dem Vater zugesehen.

Eines Abends fragt der Junge den Vater, warum das, was er geschrieben hat, so sein muss und nicht anders. Der Vater weiß keine Antwort und sagt: „Das kann ich dir nicht sagen. Es ist so. Willst du mehr wissen, dann suche morgen auf dem Boden ein Buch. Es heißt 'Euklid'. Das Buch wird es dir erklären!“

Am nächsten Tag läuft der Junge auf den Boden und findet das Buch schnell, denn es gibt nicht viele Bücher im Haus. Der Vater lacht, als der Junge das Buch auf den Tisch legt. Es ist ein holländischer Euklid. Beide verstehen kein Holländisch. „Ja, ja,“ sagt der Vater, „das Buch ist noch von meinem Vater. Er hat es verstanden“ Der Junge, der nicht viel redet, sieht den Vater ruhig an und fragt: „Darf ich es behalten?“

Als der Vater nickt, zeigt der Junge noch ein zweites, halb zerrissenes Buch. „Auch das?“ fragt er wieder.

„Nimm beide!“ sagt Tede Haien. „Sie werden dir nicht viel nützen.“

Aber das zweite Buch ist eine kleine holländische Grammatik. Der Winter ist noch lang und als die Stachelbeeren im Garten blühen, versteht der Junge den Euklid fast vollständig.

„Ich weiß,“ sagt der Erzähler, „dass man das auch von Hans Mommsen erzählt. Aber bei uns ist die Geschichte von Hauke Haien. Denn so heißt der Junge.“

Der Vater sieht, dass der Junge weder für Kühe noch für Schafe Interesse hat und kaum merkt, wenn die Bohnen blühen. Also schickt er seinen Jungen an den Damm, wo er mit anderen Arbeitern Erde karren muss. „Das wird ihn vom Euklid heilen,“ denkt er.

Der Junge karrt Erde, aber er hat den Euklid immer in der Tasche. Wenn die Arbeiter Pause machen, sitzt er mit dem Buch auf seinem Schubkarren. Und wenn im Herbst die Fluten steigen und die Arbeit ruht, bleibt er am Damm sitzen und schaut stundenlang auf das trübe Wasser.

Erst wenn das Wasser seine Füße überspült und der Schaum ihm ins Gesicht spritzt, rückt Hauke etwas höher und bleibt wieder sitzen. Er hört weder das Klatschen des Wassers noch das Geschrei der Möwen und Strandvögel. Er sieht nur den Rand des Wassers, der immer wieder gegen dieselbe Stelle schlägt und den Damm ausspült.

Nach langem Hinsehen nickt er oder zeichnet mit der Hand eine weiche Linie in die Luft, als ob er dem Damm einen sanfteren Abfall geben will. Wenn es so dunkel wird, dass er nichts mehr sieht und nur noch die Flut hört, geht er halb durchnässt nach Hause.

Eines Abends tritt er in die Stube zu seinem Vater, der an seinen Messgeräten arbeitet. Der Vater schreckt auf: „Was machst du draußen? Du hättest ertrinken können, das Wasser beißt heute in den Damm.“

„Ja“, sagt Hauke, „aber ich bin nicht ertrunken.“

„Nein“, antwortet der Vater nach einer Weile und sieht ihm ins Gesicht, „diesmal noch nicht.“

„Aber“, sagt Hauke, „unsere Dämme sind schlecht!“

„Was meinst du?“ fragt der Vater.

„Die Dämme!“ antwortet Hauke. „Sie taugen nichts, Vater!“

Der Vater lacht. „Was meinst du, Junge? Du bist wohl ein Wunderkind!“

Der Junge lässt sich nicht ablenken. „Die Wasserseite ist zu steil,“ sagt er. „Wenn es kommt, wie es schon öfter gekommen ist, können wir auch hinter dem Damm ertrinken.“

Der Vater holt seinen Kautabak und schiebt ihn hinter die Zähne. „Wie viele Karren hast du heute geschoben?“ fragt er ärgerlich. Er merkt, dass die Dammarbeit den Jungen nicht vom Denken ablenkt.

„Weiß nicht, Vater,“ sagt der Junge. „So viel wie die anderen, vielleicht ein paar mehr. Aber die Dämme müssen anders werden!“

„Nun,“ sagt der Vater lachend, „vielleicht wirst du ja Deichgraf und machst sie anders!“

„Ja, Vater!“ antwortet der Junge.

Auch nach Ende der Dammarbeit im Oktober geht Hauke Haien weiter zur Bucht hinaus. Er erwartet die Stürme im November wie Kinder das Weihnachtsfest. Bei einer Springflut liegt er trotz Sturm und Wetter alleine am Damm. Wenn die Möwen gackern und die Wellen gegen den Damm toben und Stücke der Grasdecke mitreißen, lacht Hauke zornig. „Ihr könnt nichts Rechtes,“ ruft er, „wie die Menschen auch nichts können!“

Manchmal bringt er eine Handvoll Erde mit. Dann setzt er sich neben den Vater und knetet Dammmodelle, legt sie in ein flaches Gefäß mit Wasser und beobachtet die Wirkung der Wellen.

---ENDE DER LESEPROBE---