Der Schimmelreiter von Theodor Storm - Textanalyse und Interpretation - Theodor Storm - E-Book

Der Schimmelreiter von Theodor Storm - Textanalyse und Interpretation E-Book

Theodor Storm

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Beschreibung

Spare Zeit und verzichte auf lästige Recherche!

In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Buch komplett gelesen zu haben.

 

Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.

 

Inhalt:

- Schnellübersicht

- Autor: Leben und Werk

- ausführliche Inhaltsangabe

- Aufbau

- Personenkonstellationen

- Sachliche und sprachliche Erläuterungen

- Stil und Sprache

- Interpretationsansätze

- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen

NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen

NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung

 

Layout:

- Randspalten mit Schlüsselbegriffen

- übersichtliche Schaubilder

NEU: vierfarbiges Layout

 

In Storms Der Schimmelreiter verbinden sich mündlich überlieferte Gespenstergeschichten mit der realistischen Beschreibung der Lebensbedingungen hinter den Nordseedeichen.

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Seitenzahl: 158

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 192

Textanalyse und Interpretation zu

Theodor Storm

Der Schimmelreiter

Martin Lowsky

Alle erforderlichen Infos zur Analyse und Interpretation plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Husum: Hamburger Lesehefte Verlag, 2021. Zitatverweise sind mit HL gekennzeichnet. Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Stuttgart: Reclam, 2015. Zitatverweise sind mit R gekennzeichnet.

Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Martin Lowsky, Studium der Romanistik, Mathematik und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Tübingen und Heidelberg, Promotion 1975. Abhandlungen, auch Bücher, zur deutschen und französischen Literatur (Bloch, Fontane, May, Arno Schmidt, Storm, Valéry, Voltaire u. a.) und zur Pädagogik (Erich Fromm). Redaktionstätigkeit für das Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Husum) und die Forschungen zu Paul Valéry/Recherches Valéryennes (Universität Kiel). Unterricht an einem Gymnasium in Kiel. Autor von Königs Erläuterungen: zu Camus, La Peste und L’Étranger, Fontane, Irrungen, Wirrungen und Frau Jenny Treibel, Molière, Le Malade imaginaire, Roth, Hiob und Sartre, Huis clos.

1. Auflage 2024

978-3-8044-7096-5

© 2024 by Bange Verlag, Marienplatz 12, 96142 Hollfeld – www.bange-verlag.de Alle Rechte vorbehalten, darunter fällt auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von §44b UrhG! Titelbild: Mathias Wieman als Hauke im Film Der Schimmelreiter (1934) © picture-alliance / akg-images | akg-images

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

 

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Inhaltsverzeichnis

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

2. Theodor Storm: Leben und Werk

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Die politische Entwicklung in Schleswig und Holstein

Der moderne Staat ,Deutsches Reich‘

Die Literaturszene

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

3. Textanalyse und -interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

3.3 Aufbau

Die Rahmenstruktur

Chronologie

Schauplatz

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Übersicht

Die Hauptpersonen

Hauke Haien,

Elke Volkerts

Die beiden Väter Tede Haien und Tede Volkerts

Jewe Manners, der Helfer Haukes, und Ole Peters, der Gegner Haukes

Trien‘ Jans

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

Deich und Deichwesen

Erläuterung einzelner Stellen

3.6 Stil und Sprache

Der Deich und andere Leitmotive

Wiederholungen und Vorausdeutungen

Storms dichterische Sprache

Perspektivenwechsel, Dramatik

Die Kunst der Novelle

Abergläubische und unheimliche Elemente und die Sprache des Mythos

3.7 Interpretationsansätze

Der Schimmelreiter – ein Entwicklungsroman

Der Schimmelreiter – ein sozialer Roman. Warum scheitert Hauke?

Der Schimmelreiter – ein realistischer Roman

Der Schimmelreiter – ein moderner Roman

3.8 Schlüsselstellenanalysen

4. Rezeptionsgeschichte

Begeisterte Leser:innen. Filme und andere Medien

Der Schimmelreiter und die Literaturwissenschaft

Der Schimmelreiter im 21. Jahrhundert

5. Materialien

Äußerungen Theodor Storms

Alte Sagen: der Schimmel und anderes

Wichtige Deutungen

Deichbau und Mathematik

Storm als Heimatdichter?

Blicke auf andere Schriftsteller

6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe 1 *

Aufgabe 2 ***

Aufgabe 3 ***

Aufgabe 4 **

Aufgabe 5 **

Aufgabe 6 **

Lernskizzen und Schaubilder

Literatur

Zitierte Ausgaben

Historisch-kritische Ausgabe

Storm-Gesamtausgabe

Briefeditionen

Übergreifende Darstellungen

Speziell zum Schimmelreiter

Illustrierte Ausgaben des Schimmelreiters

Zu den Verfilmungen

Internet

Verfilmungen

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Damit sich alle Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.

 

Im 2. Kapitel beschreiben wir Theodor Storms Leben und den zeitgeschichtlichen Hintergrund.

Theodor Storm lebte von 1817 bis 1888, die meiste Zeit inHusum an der Nordsee. Er war Jurist. 1853 bis 1864 lebte er im Exil (Berlin, Heiligenstadt).

Husum gehörte zum Herzogtum Schleswig, Herzog war bis 1864 der dänische König. Ab 1867 gehörte Husum zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein und damit, ab 1871, zum neugegründeten Deutschen Reich.

Als Storm den Schimmelreiter schrieb, hatte die literarische Richtung des Realismus ihren Höhepunkt.

Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.

Der Schimmelreiter – Entstehung und Quellen:

Ab 1885 hat Storm am Schimmelreiter gearbeitet und dabei alte Sagen und Bücher über den Deichbau benutzt.

Die Sage Der gespenstige Reiter aus der Gegend von Danzig war die entscheidende Anregung.

Im April und Mai 1888 erscheint Der Schimmelreiter in einer Zeitschrift, im Herbst 1888 kommt er als Buch heraus.

Inhalt:

Die Hauptperson ist Hauke Haien, der ‚Schimmelreiter’, der einen neuen dauerhaften Deich bauen lässt. Er und seine Familie gehen in einer Sturmflut unter.

Das Ganze wird innerhalb einer Rahmenerzählung dargeboten. Der erste Erzähler berichtet von einem Reisenden, dem zweiten Erzähler. Dieser berichtet von einem „Schulmeister“, dem dritten Erzähler, der die Haupthandlung erzählt.

Chronologie und Schauplätze:

Die Haupthandlung spielt zwischen 1732 und 1756 an der Nordsee, 7 km nördlich von Husum.

Personen:

Die Hauptpersonen sind

Hauke Haien:

vielseitig begabt,

ehrgeizig,

ein Rationalist, also ein Verstandesmensch,

Elke, Haukes Frau:

intelligent,

selbstbewusst,

sieht ihren Lebenssinn in der Ehe,

 

sowie

Haukes Vater,

Elkes Vater,

Ole Peters, der Gegner Hauke Haiens,

Trien’ Jans, eine allein lebende Frau.

Stil und Sprache Theodor Storms:

Storm arbeitet mit Leitmotiven, z. B. mit dem Leitmotiv ‚Deich’.

Motivwiederholungen und Vorausdeutungen sorgen für den Zusammenhang, die ‚epische Integration’.

Storms Prosa hat lyrische Züge.

Perspektivenwechsel vermitteln Dramatik.

Der Schimmelreiter ist ereignisreich wie ein Roman und doch das Musterbeispiel einer Novelle.

Interpretationsansätze:

Wir behandeln den Schimmelreiter als

einen Entwicklungsroman,

einen sozialen Roman; hier besprechen wir auch die Frage ‚Warum scheitert Hauke Haien?’,

einen realistischen Roman,

einen modernen Roman; hier sehen wir, dass Der Schimmelreiter auch das Erzählen zum Thema macht.

2. Theodor Storm: Leben und Werk

2.1 Biografie

Theodor Storm

(1817–1888), ca. 1880 © picture alliance / dpa | Axel Heimken

Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1817

Husum (a. d. Nordsee, Herzogtum Schleswig)

14. September: Theodor Storm wird geboren (Vornamen ausführlich: Hans Theodor Woldsen). Seine Eltern sind der Justizrat Johann Casimir Storm und seine Frau Lucie, geb. Woldsen. Die Vorfahren waren väterlicherseits Bauern, mütterlicherseits Kaufleute und Bürgermeister in Husum. Im Elternhaus herrscht eine freie und unreligiöse Atmosphäre.

 

1826

Husum

Storm kommt auf das Gymnasium.

9

1835

Lübeck

Storm tritt in das Katharineum ein, ein Gymnasium.

18

1836

Altona

Storm verliebt sich in die 10-jährige Bertha von Buchan und schreibt für sie (1837) das Märchen Hans Bär.

19

1837

Kiel

April: Beginn des Jura-Studiums.

19

1838

Berlin

Fortsetzung des Studiums; Reise mit Freunden nach Dresden.

21

1839

Kiel

Herbst: Fortsetzung des Studiums. In den Kieler Jahren Freundschaft mit dem später berühmten Historiker Theodor Mommsen (1817–1903) und seinem Bruder. Vorbereitung des Gedichtbandes Liederbuch dreier Freunde (1843; mit 40 Gedichten Storms). Sammeln von Sagen zusammen mit Karl Müllenhoff.

22

1842

Kiel

Juristisches Abschlussexamen.

25

1843

Husum

Februar: Storm eröffnet eine Praxis als Rechtsanwalt.

25

1844

Segeberg, Husum

Januar: Verlobung mit Constanze Esmarch (1825–1865), einer Cousine.

26

1846

Segeberg, Husum

15. September: Eheschließung mit Constanze. Das Paar wohnt in Husum. In der Ehe geboren werden Hans (1848), Ernst, Karl, Lisbeth, Lucie, Elsabe und Gertrud.

29

1847

Husum

Nebenher stattfindende Liebschaft mit Dorothea Jensen (1828–1903).

30

1849

Husum

Storm, deutsch und vor allem demokratisch gesonnen, unterzeichnet eine Petition, der zufolge der dänische König nicht mehr Herzog des Herzogtums Schleswig sein soll.

32

1852

Berlin

Die Novelle Immensee kommt als Buch heraus; dies ist Storms Durchbruch.

35

 

Kiel

Der Band Gedichte erscheint; darin Die Stadt: „Am grauen Strand, am grauen Meer […].“

 

1853

Potsdam

Beginn von Storms Exil (bis 1864). Oktober: Storm, der nach der Petition von 1849 nicht mehr im Herzogtum Schleswig arbeiten kann oder will, erwirbt eine Stelle als preußischer Gerichtsassessor. Begegnungen mit der Berliner Literatenszene (Theodor Fontane, Paul Heyse u. a.).

36

1855

Süddeutschland

Herbstreise, auch zu Eduard Mörike in Stuttgart.

38

1856

Heiligenstadt (Thüringen; heute: Heilbad Heiligenstadt)

Juli: Storms neue Stelle in Preußen als Kreisrichter. In den folgenden Jahren mehrere Novellen, z. B. Veronica, Auf der Universität.

38

1864

Husum

März: Rückkehr in die Heimat, Storm wird Landvogt. (Der dänische König herrscht seit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 nicht mehr in Schleswig; 1867 wird dieses Herzogtum preußische Provinz.)

46

1865

Husum

20. Mai: Constanze stirbt nach der Geburt des siebten Kindes.

47

Baden-Baden

September: Treffen mit dem russischen Schriftsteller Iwan Turgenjew.

48

1866

Husum

13. Juni: Storm heiratet Dorothea Jensen, seine Geliebte von 1847. (1868 wird die Tochter Friederike geboren.)

48

 

Oktober: Einzug in das Haus Wasserreihe 31 (heute Museum ‚Storm-Haus’).

49

1868

Braunschweig

Der Verlag Westermann eröffnet die Reihe: Theodor Storm: Sämtliche Schriften, die bis 1889 neunzehn Bände umfassen wird.

51

Husum

Die preußische Administration streicht Storms Landvogt-Stelle. Storm wird Amtsrichter – mit niedrigerem Gehalt. Später Beförderungen bis zum Amtsgerichtsrat.

In den 70er-Jahren erscheinen die Novellen Viola tricolor (1874), Aquis submersus (1876), Carsten Curator (1878).

1872

Salzburg

August: Reise.

54

1876

Würzburg

August: Reise zu seinem labilen Sohn Hans, der mit Mühe sein Medizinstudium bewältigt. (Zweite Reise dorthin Februar 1877.)

58

1880

Husum, Hademarschen (zwischen Husum und Hamburg)

Mai: Pensionierung. Storm bereitet seinen Umzug nach Hademarschen vor (dort ab 1881). Es entstehen u. a. Der Herr Etatsrat (1881), Hans und Heinz Kirch (1882).

62

1883

Hademarschen

Storm ist als Lyriker und Novellist berühmt; er bekommt den ‚Maximilian-Orden für Kunst und Wissenschaft’ des bayerischen Königs.

66

1884

Berlin

Mai: Reise zu den Bekannten der Exil-Zeit. Zur Chronik von Grieshuus erscheint.

66

1885

Hademarschen

Februar: erste Pläne für den Schimmelreiter.

67

1886

Thüringen

Mai: Reise, auch zum Goethe-Archiv in Weimar und seinem Direktor, Storms Freund Erich Schmidt.

68

1887

Hademarschen

Diagnose auf Magenkrebs. Große Schmerzen.

70

1888

Hademarschen

Storm vollendet den Schimmelreiter. Tod in seinem 71. Lebensjahr am 4. Juli.

70

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Zusammenfassung

Husum, Storms Heimatstadt, gehörte zum Herzogtum Schleswig. Herzog war bis 1864 der dänische König.

1867 wird das Gebiet preußisch, Teil der Provinz Schleswig-Holstein. Ab 1871 ist Preußen Teil des neu gegründeten Deutschen Reiches.

In den 1880er-Jahren, als Storm den Schimmelreiter schrieb, hatte die literarische Richtung des Realismus ihren Höhepunkt.

Die politische Entwicklung in Schleswig und Holstein

1817, als Storm geboren wurde, gab es die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein; Husum lag im Herzogtum Schleswig. In den Jahren um 1886, als Theodor Storm am Schimmelreiter arbeitete, war Schleswig-Holstein eine preußische Provinz und gehörte zum Deutschen Reich. Wie war es zu der neuen Situation gekommen?

Der Herzog von Schleswig und von Holstein war der König von Dänemark. Die beiden Herzogtümer gehörten daher zum ‚Dänischen Gesamtstaat’. So war die Sachlage (mit Unterbrechungen) seit 1460. Im Herzogtum Schleswig hatten zwei Drittel der Bevölkerung Dänisch als Muttersprache, beim Bürgertum aber überwog die Muttersprache Deutsch. Im Zuge der demokratischen und nationalen Bestrebungen im 19. Jahrhundert und nach den Beschlüssen in der Frankfurter Paulskirche vom März 1848 kam es zur ‚Schleswig-Holsteinischen Erhebung’: Im März 1848 gründete sich in Kiel eine deutsch und demokratisch gesonnene ‚Provisorische Regierung’ für Schleswig und Holstein. Sie forderte für diese Herzogtümer eine eigene gemeinsame Verfassung und die Loslösung aus dem dänischen Gesamtstaat. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Schleswig und Holstein einerseits – Preußen kam zu Hilfe – und Dänemark andererseits blieb dennoch alles beim Alten (wie auch die deutsche Revolution von 1848 scheiterte), denn die europäischen Großmächte wünschten keine Änderungen. Die Erhebung ging 1851 zu Ende. Theodor Storm hatte sich zu dieser Erhebung bekannt, 1853 emigrierte er und lebte bis 1864 im Exil in Preußen.

Die Lage spitzte sich zu aufgrund der Bestrebungen der dänischen Krone, das Herzogtum Schleswig weiter zu dänisieren. (Etwa verfügte sie die Ausbreitung des Dänischen als alleinige Amtssprache.) Als im November 1863 der dänische König Christian IX. Dänemark und Schleswig zusammenschließen wollte durch eine gemeinsame Verfassung, traten Preußen und Österreich auf den Plan. In diesem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wurde Dänemark besiegt. Schleswig und Holstein kamen unter preußische und österreichische Verwaltung (Wiener Frieden). Im Jahre 1867 (nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866) annektierte Preußen diese Gebiete. Sie wurden nun die preußische Provinz Schleswig-Holstein.

1871 wurde unter preußischer Führung das Deutsche Reich gegründet; es umfasste auch Schleswig-Holstein. Deutschland reichte damit bis zur Nordgrenze des ehemaligen Herzogtums Schleswig, dem Fluss Königsau (dän. Kongeå), 60 km nördlich von Flensburg. (Die national gesonnenen Dänen hatten sich ein Dänemark bis zur Eider gewünscht, 60 km südlich von Flensburg. Später, aufgrund einer Volksbefragung 1920, fiel Nordschleswig wieder an Dänemark.)

Viele Schleswig-Holsteiner waren enttäuscht, dass ihre Heimat preußisch wurde. Sie hatten ein selbstständiges Schleswig-Holstein erhofft unter dem Herzog Friedrich von Augustenburg. Preußen machte sich weiter unbeliebt in Schleswig-Holstein durch die Einführung der Wehrpflicht, die Justizreformen und die Zuweisung von Privilegien an den Adel. Storm, der Preußen-Gegner und Adel-Hasser, sprach von der „Bismarck’schen Räuberpolitik“[1].

Der moderne Staat ‚Deutsches Reich‘

Bei aller Kritik an Preußen ist aber zu sagen: Der Anschluss Schleswig-Holsteins 1867 an Preußen und 1871 an das Deutsche Reich bedeutete eine Modernisierung. In Schleswig-Holstein galt erstmals das allgemeine, freie und allgemeine Wahlrecht (für Männer), und die Region stieg wirtschaftlich auf. 1867 wohnten 70 % der Bevölkerung auf dem Land, 1900 waren es nur noch 47 %. Die Gründerjahre mit ihrem Wirtschaftsboom, bewirkt von den Reparationszahlungen Frankreichs nach 1871, zeigten sich auch im ‚deutschen Randgebiet’ Schleswig-Holstein. Kiel wurde zum sogenannten Reichskriegshafen ausgebaut.

1883 setzte Otto von Bismarck, Reichskanzler (1871–1890) und Ministerpräsident Preußens (1862–1890), die Sozialgesetzgebung durch, die die Krankenversicherung für Arbeiter einführte. Ein Ziel Bismarcks war dabei, die Kampfbereitschaft der Sozialdemokraten zu schwächen. Diese Partei der Sozialdemokraten, die auf Karl Marx zurückgeht, gewann an Einfluss. Ab 1878, formal bis 1890, galt die Partei als illegal aufgrund der ‚Sozialistengesetze’.

Die Gründung des Deutschen Reiches verwirklichte für viele den Wunschtraum der nationalen Identität. Der Wunsch nach einer Demokratie blieb aber unerfüllt, denn das Deutsche Reich wurde trotz der Existenz des Reichstages monarchisch-aristokratisch regiert.

Die Literaturszene

Die ersten Jahre des Deutschen Reiches waren eine Blütezeit des Buchhandels. Durch den Fortschritt der Drucktechniken stieg die Zahl der veröffentlichten Bücher. Im Jahre 1888, als Der Schimmelreiter herauskam, erschienen in Deutschland 17.000 Buchtitel, die Zahl hatte sich seit 1870 fast verdoppelt. Gleichzeitig blühte die Zeitschriften-Kultur auf, die es schon seit etwa 1860 gab. Familienzeitschriften wie Die Gartenlaube und Daheim und Volkskalender boten Lesestoff zur Unterhaltung, aber informierten auch über die Fortschritte in der Industrie und den Naturwissenschaften. Manche Zeitschriften wie die Deutsche Rundschau spezialisierten sich auf literarische Texte. Das Bürgertum abonnierte die Zeitschriften, die Herausgeber konnten ihren Autoren gute Honorare bezahlen. Storms Novellen sind, ehe sie als Buch herauskamen, in solchen Periodika als Fortsetzungsgeschichten gedruckt worden; Der Schimmelreiter in der DeutschenRundschau (1888).

Ein Ergebnis der Naturwissenschaften erregte großes Aufsehen: Der Engländer Charles Darwin entdeckte die Evolution (Darwin: On the Origin of Species by Means of Natural Selection; 1859, deutsch 1860). 1861 las Storm in der Zeitschrift Die Gartenlaube die an Darwin orientierte Studie des Philosophen Ludwig Büchner: Das Schlachtfeld der Natur oder der Kampf um’s Dasein.[2]

Die Kombination von Unterhaltung und Information in den damaligen Zeitschriften begünstigte eine spezielle Richtung der Literatur, den Realismus, dem auch Storm zuzurechnen ist.

 

Große Realisten sind

die Franzosen Honoré de Balzac (1799–1850) und Gustave Flaubert (1821–1880),

der Russe Iwan Turgenjew (1818–1883),

der Schweizer Gottfried Keller (1819–1890) und

der Preuße Theodor Fontane (1819–1898).

Storm stand im Briefwechsel mit Turgenjew, Keller und Fontane.

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

Zusammenfassung

Storm hat neben Lyrik mehr als 40 Novellen geschrieben. Wir unterscheiden hier zwischen Stimmungsnovelle, Chroniknovelle und sozialer Novelle.

Der Schimmelreiter ist Theodor Storms letztes Werk; es steht zwischen Novelle und Roman.

Hier eine Übersicht, in der wir einige der bedeutendsten Novellen nennen:

In erster Linie sah sich Storm als Lyriker. Die Gedichte (Die Stadt, Über die Heide, Oktoberlied, Die Nachtigall u. v. a. m.) haben auf seine Prosa und speziell auf den Schimmelreiter eingewirkt. Storm hat gesagt: „Meine Novellistik ist aus meiner Lyrik erwachsen […].“[3]

Storm hat ferner Märchen und Spukgeschichten geschrieben. Auch die Spukgeschichten mit ihren unheimlichen Elementen (Am Kamin, 1862) haben den Schimmelreiter beeinflusst.

3. Textanalyse und -interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

Zusammenfassung

Ab 1885 hat Storm am Schimmelreiter gearbeitet und dabei alte Sagen und Bücher über den Deichbau benutzt.

Die Sage Der gespenstige Reiter aus der Gegend von Danzig war die entscheidende Anregung.

Im April und Mai 1888 erscheint Der Schimmelreiter in der Zeitschrift Deutsche Rundschau.

Im Herbst 1888, nach Storms Tod, kommt das Buch heraus.

Seit 1885 hat Storm an dem Werk Der Schimmelreiter gearbeitet; am 3. Februar 1885 schrieb er an seinen Freund Erich Schmidt: „Jetzt aber rührt sich ein alter mächtiger Deichsagenstoff in mir, und da werde ich die Augen offen halten; aber es gilt vorher noch viele Studien!“[4] Seine Erfahrung in sozialen Konflikten (Storm, der Landvogt, der Richter!) war eine vorzügliche Grundlage. Er las Bücher über die Geschichte des Deichwesens. Er informierte sich über die historischen Deichspezialisten und Ingenieure, etwa den Deichgrafen Johann Claussen Rollwagen (1563–1623), den friesischen Mathematiker Hans Momsen (1735–1811) und den französisch-dänischen Deichbaumeister Jean Henri Desmercieres (1687–1778), der die flachen Deichprofile einführte. Vor allem aber:

Storm besuchte mehrmals den Bauinspektor und Deich-Fachmann Christian Eckermann (1833–1904) in Heide und ließ sich von ihm wissenschaftlich belehren. Im Scherz meldete er am 16. Dezember 1887 seinem Verleger Elwin Paetel: „Ich werde nächstens auch einen Koog eindeichen können.“[5]

Storm erinnerte sich an alte Sagen und las sie zum Teil erneut. In seiner Heimat gab es Sagen, in denen Deiche und Pferde eine Rolle spielen. Die entscheidende Anregung war für ihn eine Gespenstersage aus der Gegend um Danzig: Der gespenstige Reiter. (Vgl. HL S. 101–103/R S. 163–166) Storm hatte sie wohl 1838, als 21-Jähriger, gelesen, in dem damaligen Jahrgang der Zeitschrift Lesefrüchte vom Felde der neuesten Literatur des In- und Auslandes. Gesammelt von J. J. C. Pappe. Zuerst war sie, ebenfalls 1838, in der Zeitschrift Danziger Dampfboot gedruckt worden. Es ist also nicht so, dass Storm die Sage als Kind bei seiner Urgroßmutter gelesen hätte; die Urgroßmutter-Szene auf der ersten Seite des Schimmelreiters ist erfunden. Auch von der Husumer Geschichtenerzählerin Lena Wies kann er die Sage nicht gehört haben, anders als er einmal erklärt hat.[6]

Die Wissenschaft des Deichbaus und alte Sagen haben Storm also gleichermaßen beeinflusst. Doch die Lebensgeschichte, die Der Schimmelreiter erzählt, ist Storms eigene Erfindung, wie auch das prägnante Wort ‚Schimmelreiter’ von ihm stammt.

Unterbrochen wurde die Schimmelreiter-Arbeit durch die Niederschrift anderer Novellen (Bötjer Basch, Ein Bekenntnis