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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Buch komplett gelesen zu haben.
Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.
Inhalt:
- Schnellübersicht
- Autor: Leben und Werk
- ausführliche Inhaltsangabe
- Aufbau
- Personenkonstellationen
- Sachliche und sprachliche Erläuterungen
- Stil und Sprache
- Interpretationsansätze
- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen
NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen
NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung
Layout:
- Randspalten mit Schlüsselbegriffen
- übersichtliche Schaubilder
NEU: vierfarbiges Layout
In Storms Der Schimmelreiter verbinden sich mündlich überlieferte Gespenstergeschichten mit der realistischen Beschreibung der Lebensbedingungen hinter den Nordseedeichen.
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Seitenzahl: 158
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 192
Textanalyse und Interpretation zu
Theodor Storm
Der Schimmelreiter
Martin Lowsky
Alle erforderlichen Infos zur Analyse und Interpretation plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Husum: Hamburger Lesehefte Verlag, 2021. Zitatverweise sind mit HL gekennzeichnet. Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Stuttgart: Reclam, 2015. Zitatverweise sind mit R gekennzeichnet.
Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Martin Lowsky, Studium der Romanistik, Mathematik und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Tübingen und Heidelberg, Promotion 1975. Abhandlungen, auch Bücher, zur deutschen und französischen Literatur (Bloch, Fontane, May, Arno Schmidt, Storm, Valéry, Voltaire u. a.) und zur Pädagogik (Erich Fromm). Redaktionstätigkeit für das Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Husum) und die Forschungen zu Paul Valéry/Recherches Valéryennes (Universität Kiel). Unterricht an einem Gymnasium in Kiel. Autor von Königs Erläuterungen: zu Camus, La Peste und L’Étranger, Fontane, Irrungen, Wirrungen und Frau Jenny Treibel, Molière, Le Malade imaginaire, Roth, Hiob und Sartre, Huis clos.
1. Auflage 2024
978-3-8044-7096-5
© 2024 by Bange Verlag, Marienplatz 12, 96142 Hollfeld – www.bange-verlag.de Alle Rechte vorbehalten, darunter fällt auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von §44b UrhG! Titelbild: Mathias Wieman als Hauke im Film Der Schimmelreiter (1934) © picture-alliance / akg-images | akg-images
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1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Theodor Storm: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Die politische Entwicklung in Schleswig und Holstein
Der moderne Staat ,Deutsches Reich‘
Die Literaturszene
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Die Rahmenstruktur
Chronologie
Schauplatz
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Übersicht
Die Hauptpersonen
Hauke Haien,
Elke Volkerts
Die beiden Väter Tede Haien und Tede Volkerts
Jewe Manners, der Helfer Haukes, und Ole Peters, der Gegner Haukes
Trien‘ Jans
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
Deich und Deichwesen
Erläuterung einzelner Stellen
3.6 Stil und Sprache
Der Deich und andere Leitmotive
Wiederholungen und Vorausdeutungen
Storms dichterische Sprache
Perspektivenwechsel, Dramatik
Die Kunst der Novelle
Abergläubische und unheimliche Elemente und die Sprache des Mythos
3.7 Interpretationsansätze
Der Schimmelreiter – ein Entwicklungsroman
Der Schimmelreiter – ein sozialer Roman. Warum scheitert Hauke?
Der Schimmelreiter – ein realistischer Roman
Der Schimmelreiter – ein moderner Roman
3.8 Schlüsselstellenanalysen
4. Rezeptionsgeschichte
Begeisterte Leser:innen. Filme und andere Medien
Der Schimmelreiter und die Literaturwissenschaft
Der Schimmelreiter im 21. Jahrhundert
5. Materialien
Äußerungen Theodor Storms
Alte Sagen: der Schimmel und anderes
Wichtige Deutungen
Deichbau und Mathematik
Storm als Heimatdichter?
Blicke auf andere Schriftsteller
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 ***
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 **
Aufgabe 5 **
Aufgabe 6 **
Lernskizzen und Schaubilder
Literatur
Zitierte Ausgaben
Historisch-kritische Ausgabe
Storm-Gesamtausgabe
Briefeditionen
Übergreifende Darstellungen
Speziell zum Schimmelreiter
Illustrierte Ausgaben des Schimmelreiters
Zu den Verfilmungen
Internet
Verfilmungen
Damit sich alle Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel beschreiben wir Theodor Storms Leben und den zeitgeschichtlichen Hintergrund.
Theodor Storm lebte von 1817 bis 1888, die meiste Zeit inHusum an der Nordsee. Er war Jurist. 1853 bis 1864 lebte er im Exil (Berlin, Heiligenstadt).
Husum gehörte zum Herzogtum Schleswig, Herzog war bis 1864 der dänische König. Ab 1867 gehörte Husum zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein und damit, ab 1871, zum neugegründeten Deutschen Reich.
Als Storm den Schimmelreiter schrieb, hatte die literarische Richtung des Realismus ihren Höhepunkt.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Ab 1885 hat Storm am Schimmelreiter gearbeitet und dabei alte Sagen und Bücher über den Deichbau benutzt.
Die Sage Der gespenstige Reiter aus der Gegend von Danzig war die entscheidende Anregung.
Im April und Mai 1888 erscheint Der Schimmelreiter in einer Zeitschrift, im Herbst 1888 kommt er als Buch heraus.
Die Hauptperson ist Hauke Haien, der ‚Schimmelreiter’, der einen neuen dauerhaften Deich bauen lässt. Er und seine Familie gehen in einer Sturmflut unter.
Das Ganze wird innerhalb einer Rahmenerzählung dargeboten. Der erste Erzähler berichtet von einem Reisenden, dem zweiten Erzähler. Dieser berichtet von einem „Schulmeister“, dem dritten Erzähler, der die Haupthandlung erzählt.
Die Haupthandlung spielt zwischen 1732 und 1756 an der Nordsee, 7 km nördlich von Husum.
Die Hauptpersonen sind
Hauke Haien:
vielseitig begabt,
ehrgeizig,
ein Rationalist, also ein Verstandesmensch,
Elke, Haukes Frau:
intelligent,
selbstbewusst,
sieht ihren Lebenssinn in der Ehe,
sowie
Haukes Vater,
Elkes Vater,
Ole Peters, der Gegner Hauke Haiens,
Trien’ Jans, eine allein lebende Frau.
Storm arbeitet mit Leitmotiven, z. B. mit dem Leitmotiv ‚Deich’.
Motivwiederholungen und Vorausdeutungen sorgen für den Zusammenhang, die ‚epische Integration’.
Storms Prosa hat lyrische Züge.
Perspektivenwechsel vermitteln Dramatik.
Der Schimmelreiter ist ereignisreich wie ein Roman und doch das Musterbeispiel einer Novelle.
Wir behandeln den Schimmelreiter als
einen Entwicklungsroman,
einen sozialen Roman; hier besprechen wir auch die Frage ‚Warum scheitert Hauke Haien?’,
einen realistischen Roman,
einen modernen Roman; hier sehen wir, dass Der Schimmelreiter auch das Erzählen zum Thema macht.
Theodor Storm
(1817–1888), ca. 1880 © picture alliance / dpa | Axel Heimken
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1817
Husum (a. d. Nordsee, Herzogtum Schleswig)
14. September: Theodor Storm wird geboren (Vornamen ausführlich: Hans Theodor Woldsen). Seine Eltern sind der Justizrat Johann Casimir Storm und seine Frau Lucie, geb. Woldsen. Die Vorfahren waren väterlicherseits Bauern, mütterlicherseits Kaufleute und Bürgermeister in Husum. Im Elternhaus herrscht eine freie und unreligiöse Atmosphäre.
1826
Husum
Storm kommt auf das Gymnasium.
9
1835
Lübeck
Storm tritt in das Katharineum ein, ein Gymnasium.
18
1836
Altona
Storm verliebt sich in die 10-jährige Bertha von Buchan und schreibt für sie (1837) das Märchen Hans Bär.
19
1837
Kiel
April: Beginn des Jura-Studiums.
19
1838
Berlin
Fortsetzung des Studiums; Reise mit Freunden nach Dresden.
21
1839
Kiel
Herbst: Fortsetzung des Studiums. In den Kieler Jahren Freundschaft mit dem später berühmten Historiker Theodor Mommsen (1817–1903) und seinem Bruder. Vorbereitung des Gedichtbandes Liederbuch dreier Freunde (1843; mit 40 Gedichten Storms). Sammeln von Sagen zusammen mit Karl Müllenhoff.
22
1842
Kiel
Juristisches Abschlussexamen.
25
1843
Husum
Februar: Storm eröffnet eine Praxis als Rechtsanwalt.
25
1844
Segeberg, Husum
Januar: Verlobung mit Constanze Esmarch (1825–1865), einer Cousine.
26
1846
Segeberg, Husum
15. September: Eheschließung mit Constanze. Das Paar wohnt in Husum. In der Ehe geboren werden Hans (1848), Ernst, Karl, Lisbeth, Lucie, Elsabe und Gertrud.
29
1847
Husum
Nebenher stattfindende Liebschaft mit Dorothea Jensen (1828–1903).
30
1849
Husum
Storm, deutsch und vor allem demokratisch gesonnen, unterzeichnet eine Petition, der zufolge der dänische König nicht mehr Herzog des Herzogtums Schleswig sein soll.
32
1852
Berlin
Die Novelle Immensee kommt als Buch heraus; dies ist Storms Durchbruch.
35
Kiel
Der Band Gedichte erscheint; darin Die Stadt: „Am grauen Strand, am grauen Meer […].“
1853
Potsdam
Beginn von Storms Exil (bis 1864). Oktober: Storm, der nach der Petition von 1849 nicht mehr im Herzogtum Schleswig arbeiten kann oder will, erwirbt eine Stelle als preußischer Gerichtsassessor. Begegnungen mit der Berliner Literatenszene (Theodor Fontane, Paul Heyse u. a.).
36
1855
Süddeutschland
Herbstreise, auch zu Eduard Mörike in Stuttgart.
38
1856
Heiligenstadt (Thüringen; heute: Heilbad Heiligenstadt)
Juli: Storms neue Stelle in Preußen als Kreisrichter. In den folgenden Jahren mehrere Novellen, z. B. Veronica, Auf der Universität.
38
1864
Husum
März: Rückkehr in die Heimat, Storm wird Landvogt. (Der dänische König herrscht seit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 nicht mehr in Schleswig; 1867 wird dieses Herzogtum preußische Provinz.)
46
1865
Husum
20. Mai: Constanze stirbt nach der Geburt des siebten Kindes.
47
Baden-Baden
September: Treffen mit dem russischen Schriftsteller Iwan Turgenjew.
48
1866
Husum
13. Juni: Storm heiratet Dorothea Jensen, seine Geliebte von 1847. (1868 wird die Tochter Friederike geboren.)
48
Oktober: Einzug in das Haus Wasserreihe 31 (heute Museum ‚Storm-Haus’).
49
1868
Braunschweig
Der Verlag Westermann eröffnet die Reihe: Theodor Storm: Sämtliche Schriften, die bis 1889 neunzehn Bände umfassen wird.
51
Husum
Die preußische Administration streicht Storms Landvogt-Stelle. Storm wird Amtsrichter – mit niedrigerem Gehalt. Später Beförderungen bis zum Amtsgerichtsrat.
In den 70er-Jahren erscheinen die Novellen Viola tricolor (1874), Aquis submersus (1876), Carsten Curator (1878).
1872
Salzburg
August: Reise.
54
1876
Würzburg
August: Reise zu seinem labilen Sohn Hans, der mit Mühe sein Medizinstudium bewältigt. (Zweite Reise dorthin Februar 1877.)
58
1880
Husum, Hademarschen (zwischen Husum und Hamburg)
Mai: Pensionierung. Storm bereitet seinen Umzug nach Hademarschen vor (dort ab 1881). Es entstehen u. a. Der Herr Etatsrat (1881), Hans und Heinz Kirch (1882).
62
1883
Hademarschen
Storm ist als Lyriker und Novellist berühmt; er bekommt den ‚Maximilian-Orden für Kunst und Wissenschaft’ des bayerischen Königs.
66
1884
Berlin
Mai: Reise zu den Bekannten der Exil-Zeit. Zur Chronik von Grieshuus erscheint.
66
1885
Hademarschen
Februar: erste Pläne für den Schimmelreiter.
67
1886
Thüringen
Mai: Reise, auch zum Goethe-Archiv in Weimar und seinem Direktor, Storms Freund Erich Schmidt.
68
1887
Hademarschen
Diagnose auf Magenkrebs. Große Schmerzen.
70
1888
Hademarschen
Storm vollendet den Schimmelreiter. Tod in seinem 71. Lebensjahr am 4. Juli.
70
Zusammenfassung
Husum, Storms Heimatstadt, gehörte zum Herzogtum Schleswig. Herzog war bis 1864 der dänische König.
1867 wird das Gebiet preußisch, Teil der Provinz Schleswig-Holstein. Ab 1871 ist Preußen Teil des neu gegründeten Deutschen Reiches.
In den 1880er-Jahren, als Storm den Schimmelreiter schrieb, hatte die literarische Richtung des Realismus ihren Höhepunkt.
1817, als Storm geboren wurde, gab es die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein; Husum lag im Herzogtum Schleswig. In den Jahren um 1886, als Theodor Storm am Schimmelreiter arbeitete, war Schleswig-Holstein eine preußische Provinz und gehörte zum Deutschen Reich. Wie war es zu der neuen Situation gekommen?
Der Herzog von Schleswig und von Holstein war der König von Dänemark. Die beiden Herzogtümer gehörten daher zum ‚Dänischen Gesamtstaat’. So war die Sachlage (mit Unterbrechungen) seit 1460. Im Herzogtum Schleswig hatten zwei Drittel der Bevölkerung Dänisch als Muttersprache, beim Bürgertum aber überwog die Muttersprache Deutsch. Im Zuge der demokratischen und nationalen Bestrebungen im 19. Jahrhundert und nach den Beschlüssen in der Frankfurter Paulskirche vom März 1848 kam es zur ‚Schleswig-Holsteinischen Erhebung’: Im März 1848 gründete sich in Kiel eine deutsch und demokratisch gesonnene ‚Provisorische Regierung’ für Schleswig und Holstein. Sie forderte für diese Herzogtümer eine eigene gemeinsame Verfassung und die Loslösung aus dem dänischen Gesamtstaat. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Schleswig und Holstein einerseits – Preußen kam zu Hilfe – und Dänemark andererseits blieb dennoch alles beim Alten (wie auch die deutsche Revolution von 1848 scheiterte), denn die europäischen Großmächte wünschten keine Änderungen. Die Erhebung ging 1851 zu Ende. Theodor Storm hatte sich zu dieser Erhebung bekannt, 1853 emigrierte er und lebte bis 1864 im Exil in Preußen.
Die Lage spitzte sich zu aufgrund der Bestrebungen der dänischen Krone, das Herzogtum Schleswig weiter zu dänisieren. (Etwa verfügte sie die Ausbreitung des Dänischen als alleinige Amtssprache.) Als im November 1863 der dänische König Christian IX. Dänemark und Schleswig zusammenschließen wollte durch eine gemeinsame Verfassung, traten Preußen und Österreich auf den Plan. In diesem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wurde Dänemark besiegt. Schleswig und Holstein kamen unter preußische und österreichische Verwaltung (Wiener Frieden). Im Jahre 1867 (nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866) annektierte Preußen diese Gebiete. Sie wurden nun die preußische Provinz Schleswig-Holstein.
1871 wurde unter preußischer Führung das Deutsche Reich gegründet; es umfasste auch Schleswig-Holstein. Deutschland reichte damit bis zur Nordgrenze des ehemaligen Herzogtums Schleswig, dem Fluss Königsau (dän. Kongeå), 60 km nördlich von Flensburg. (Die national gesonnenen Dänen hatten sich ein Dänemark bis zur Eider gewünscht, 60 km südlich von Flensburg. Später, aufgrund einer Volksbefragung 1920, fiel Nordschleswig wieder an Dänemark.)
Viele Schleswig-Holsteiner waren enttäuscht, dass ihre Heimat preußisch wurde. Sie hatten ein selbstständiges Schleswig-Holstein erhofft unter dem Herzog Friedrich von Augustenburg. Preußen machte sich weiter unbeliebt in Schleswig-Holstein durch die Einführung der Wehrpflicht, die Justizreformen und die Zuweisung von Privilegien an den Adel. Storm, der Preußen-Gegner und Adel-Hasser, sprach von der „Bismarck’schen Räuberpolitik“[1].
Bei aller Kritik an Preußen ist aber zu sagen: Der Anschluss Schleswig-Holsteins 1867 an Preußen und 1871 an das Deutsche Reich bedeutete eine Modernisierung. In Schleswig-Holstein galt erstmals das allgemeine, freie und allgemeine Wahlrecht (für Männer), und die Region stieg wirtschaftlich auf. 1867 wohnten 70 % der Bevölkerung auf dem Land, 1900 waren es nur noch 47 %. Die Gründerjahre mit ihrem Wirtschaftsboom, bewirkt von den Reparationszahlungen Frankreichs nach 1871, zeigten sich auch im ‚deutschen Randgebiet’ Schleswig-Holstein. Kiel wurde zum sogenannten Reichskriegshafen ausgebaut.
1883 setzte Otto von Bismarck, Reichskanzler (1871–1890) und Ministerpräsident Preußens (1862–1890), die Sozialgesetzgebung durch, die die Krankenversicherung für Arbeiter einführte. Ein Ziel Bismarcks war dabei, die Kampfbereitschaft der Sozialdemokraten zu schwächen. Diese Partei der Sozialdemokraten, die auf Karl Marx zurückgeht, gewann an Einfluss. Ab 1878, formal bis 1890, galt die Partei als illegal aufgrund der ‚Sozialistengesetze’.
Die Gründung des Deutschen Reiches verwirklichte für viele den Wunschtraum der nationalen Identität. Der Wunsch nach einer Demokratie blieb aber unerfüllt, denn das Deutsche Reich wurde trotz der Existenz des Reichstages monarchisch-aristokratisch regiert.
Die ersten Jahre des Deutschen Reiches waren eine Blütezeit des Buchhandels. Durch den Fortschritt der Drucktechniken stieg die Zahl der veröffentlichten Bücher. Im Jahre 1888, als Der Schimmelreiter herauskam, erschienen in Deutschland 17.000 Buchtitel, die Zahl hatte sich seit 1870 fast verdoppelt. Gleichzeitig blühte die Zeitschriften-Kultur auf, die es schon seit etwa 1860 gab. Familienzeitschriften wie Die Gartenlaube und Daheim und Volkskalender boten Lesestoff zur Unterhaltung, aber informierten auch über die Fortschritte in der Industrie und den Naturwissenschaften. Manche Zeitschriften wie die Deutsche Rundschau spezialisierten sich auf literarische Texte. Das Bürgertum abonnierte die Zeitschriften, die Herausgeber konnten ihren Autoren gute Honorare bezahlen. Storms Novellen sind, ehe sie als Buch herauskamen, in solchen Periodika als Fortsetzungsgeschichten gedruckt worden; Der Schimmelreiter in der DeutschenRundschau (1888).
Ein Ergebnis der Naturwissenschaften erregte großes Aufsehen: Der Engländer Charles Darwin entdeckte die Evolution (Darwin: On the Origin of Species by Means of Natural Selection; 1859, deutsch 1860). 1861 las Storm in der Zeitschrift Die Gartenlaube die an Darwin orientierte Studie des Philosophen Ludwig Büchner: Das Schlachtfeld der Natur oder der Kampf um’s Dasein.[2]
Die Kombination von Unterhaltung und Information in den damaligen Zeitschriften begünstigte eine spezielle Richtung der Literatur, den Realismus, dem auch Storm zuzurechnen ist.
Große Realisten sind
die Franzosen Honoré de Balzac (1799–1850) und Gustave Flaubert (1821–1880),
der Russe Iwan Turgenjew (1818–1883),
der Schweizer Gottfried Keller (1819–1890) und
der Preuße Theodor Fontane (1819–1898).
Storm stand im Briefwechsel mit Turgenjew, Keller und Fontane.
Zusammenfassung
Storm hat neben Lyrik mehr als 40 Novellen geschrieben. Wir unterscheiden hier zwischen Stimmungsnovelle, Chroniknovelle und sozialer Novelle.
Der Schimmelreiter ist Theodor Storms letztes Werk; es steht zwischen Novelle und Roman.
Hier eine Übersicht, in der wir einige der bedeutendsten Novellen nennen:
In erster Linie sah sich Storm als Lyriker. Die Gedichte (Die Stadt, Über die Heide, Oktoberlied, Die Nachtigall u. v. a. m.) haben auf seine Prosa und speziell auf den Schimmelreiter eingewirkt. Storm hat gesagt: „Meine Novellistik ist aus meiner Lyrik erwachsen […].“[3]
Storm hat ferner Märchen und Spukgeschichten geschrieben. Auch die Spukgeschichten mit ihren unheimlichen Elementen (Am Kamin, 1862) haben den Schimmelreiter beeinflusst.
Zusammenfassung
Ab 1885 hat Storm am Schimmelreiter gearbeitet und dabei alte Sagen und Bücher über den Deichbau benutzt.
Die Sage Der gespenstige Reiter aus der Gegend von Danzig war die entscheidende Anregung.
Im April und Mai 1888 erscheint Der Schimmelreiter in der Zeitschrift Deutsche Rundschau.
Im Herbst 1888, nach Storms Tod, kommt das Buch heraus.
Seit 1885 hat Storm an dem Werk Der Schimmelreiter gearbeitet; am 3. Februar 1885 schrieb er an seinen Freund Erich Schmidt: „Jetzt aber rührt sich ein alter mächtiger Deichsagenstoff in mir, und da werde ich die Augen offen halten; aber es gilt vorher noch viele Studien!“[4] Seine Erfahrung in sozialen Konflikten (Storm, der Landvogt, der Richter!) war eine vorzügliche Grundlage. Er las Bücher über die Geschichte des Deichwesens. Er informierte sich über die historischen Deichspezialisten und Ingenieure, etwa den Deichgrafen Johann Claussen Rollwagen (1563–1623), den friesischen Mathematiker Hans Momsen (1735–1811) und den französisch-dänischen Deichbaumeister Jean Henri Desmercieres (1687–1778), der die flachen Deichprofile einführte. Vor allem aber:
Storm besuchte mehrmals den Bauinspektor und Deich-Fachmann Christian Eckermann (1833–1904) in Heide und ließ sich von ihm wissenschaftlich belehren. Im Scherz meldete er am 16. Dezember 1887 seinem Verleger Elwin Paetel: „Ich werde nächstens auch einen Koog eindeichen können.“[5]
Storm erinnerte sich an alte Sagen und las sie zum Teil erneut. In seiner Heimat gab es Sagen, in denen Deiche und Pferde eine Rolle spielen. Die entscheidende Anregung war für ihn eine Gespenstersage aus der Gegend um Danzig: Der gespenstige Reiter. (Vgl. HL S. 101–103/R S. 163–166) Storm hatte sie wohl 1838, als 21-Jähriger, gelesen, in dem damaligen Jahrgang der Zeitschrift Lesefrüchte vom Felde der neuesten Literatur des In- und Auslandes. Gesammelt von J. J. C. Pappe. Zuerst war sie, ebenfalls 1838, in der Zeitschrift Danziger Dampfboot gedruckt worden. Es ist also nicht so, dass Storm die Sage als Kind bei seiner Urgroßmutter gelesen hätte; die Urgroßmutter-Szene auf der ersten Seite des Schimmelreiters ist erfunden. Auch von der Husumer Geschichtenerzählerin Lena Wies kann er die Sage nicht gehört haben, anders als er einmal erklärt hat.[6]
Die Wissenschaft des Deichbaus und alte Sagen haben Storm also gleichermaßen beeinflusst. Doch die Lebensgeschichte, die Der Schimmelreiter erzählt, ist Storms eigene Erfindung, wie auch das prägnante Wort ‚Schimmelreiter’ von ihm stammt.
Unterbrochen wurde die Schimmelreiter-Arbeit durch die Niederschrift anderer Novellen (Bötjer Basch, Ein Bekenntnis