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Auf der vergeblichen Suche nach dem großen Glück: Der Junggeselle Johannes Kabis beschließt, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Doch ein Plan nach dem anderen misslingt. Selbst als er als eingetragener Erbe seines reichen Cousins scheinbar den lang ersehnten Erfolg endlich erreicht hat und sich in dessen Abwesenheit sogar noch mit dessen Frau vergnügt, unterschätzt er, wie schwer es ist, sich sein eigenes Glück zu schmieden...-
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Seitenzahl: 47
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Gottfried Keller
Saga
Der Schmied seines GlückesCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1865, 2020 Gottfried Keller und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726555165
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 2.0
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John Kabys, ein artiger Mann von bald vierzig Jahren, führte den Spruch im Munde, dass jeder der Schmied seines eigenen Glückes sein müsse, solle und könne, und zwar ohne viel Gezappel und Geschrei.
Ruhig, mit nur wenigen Meisterschlägen schmiede der rechte Mann sein Glück! war seine öftere Rede, womit er nicht etwa die Erreichung bloss des Notwendigen, sondern überhaupt alles Wünschenswerten und Überflüssigen verstand.
So hatte er denn als zarter Jüngling schon den ersten seiner Meisterstreiche geführt und seinen Taufnamen Johannes in das englische John umgewandelt, um sich von vornherein für das Ungewöhnliche und Glückhafte zuzubereiten, da er dadurch von allen übrigen Hansen abstach und überdies einen angelsächsisch unternehmenden Nimbus erhielt.
Darauf verharrte er einige Jährchen ruhig, ohne viel zu lernen oder zu arbeiten, aber auch ohne über die Schnur zu hauen, sondern klug abwartend.
Als jedoch das Glück auf den ausgeworfenen Köder nicht anbeissen wollte, tat er den zweiten Meisterschlag und verwandelte das i in seinem Familiennamen Kabis in ein y. Dadurch erhielt dies Wort (anderwärts auch Kapes), welches Weisskohl bedeutet, einen edleren und fremdartigern Anhauch, und John Kabys erwartete nun mit mehr Berechtigung, wie er glaubte, das Glück.
Allein es vergingen abermals mehrere Jahre, ohne dass selbiges sich einstellen wollte, und schon näherte er sich dem einunddreissigsten, als er sein nicht bedeutendes Erbe mit aller Mässigkeit und Einteilung endlich doch aufgezehrt hatte. Jetzt begann er aber sich ernstlich zu regen und sann auf ein Unternehmen, das nicht für den Spass sein sollte. Schon oft hatte er viele Seldwyler um ihre stattlichen Firmen beneidet, welche durch Hinzufügen des Frauennamens entstanden. Diese Sitte war einst plötzlich aufgekommen, man wusste nicht, wie und woher; aber genug, sie schien den Herren vortrefflich zu den roten Plüschwesten zu passen, und auf einmal erklang das ganze Städtchen an allen Ecken von pompösen Doppelnamen. Grosse und kleine Firmatafeln, Haustüren, Glockenzüge, Kaffeetassen und Teelöffel waren damit beschrieben, und das Wochenblatt strotzte eine Zeitlang von Anzeigen und Erklärungen, deren einziger Zweck das Anbringen der Alliance-Unterschrift war. Insbesondere gehörte es zu den ersten Freuden der Neuverheirateten, alsobald irgendein Inserat vom Stapel laufen zu lassen. Dabei gab es auch mancherlei Neid und Ärgernis; denn wenn etwa ein schwärzlicher Schuster oder sonst für gering Geachteter durch Führung solchen Doppelnamens an der allgemeinen Respektabilität teilnehmen wollte, so wurde ihm das mit Naserümpfen übel vermerkt, obgleich er im legitimsten Besitze der anderen Ehehälfte war. Immerhin war es nicht ganz gleichgültig, ob ein oder mehrere Unbefugte durch dieses Mittel in das allgemeine vergnügte Kreditwesen eindrangen, da erfahrungsgemäss die geschlechterhafte Namensverlängerung zu den wirksameren, doch zartesten Maschinenteilchen jenes Kreditwesens gehörte.
Für John Kabys aber konnte der Erfolg einer solchen Hauptveränderung nicht zweifelhaft sein. Die Not war jetzt gerade gross genug, um diesen lang aufgesparten Meisterstreich zur rechten Stunde zu führen, wie es einem alten Schmied seines Glückes geziemt, der da nicht in den Tag hinein hämmert, und John sah demgemäss nach einer Frau aus, still, aber entschlossen. Und siehe! schon der Entschluss schien das Glück endlich heraufzubeschwören; denn noch in derselben Woche langte an, wohnte in Seldwyla mit einer mannbaren Tochter eine ältere Dame und nannte sich Frau Oliva, die Tochter Fräulein Oliva. Kabys-Oliva! klang es sogleich in Johns Ohren und widerhallte es in seinem Gemüte! Mit einer solchen Firma ein bescheidenes Geschäft begründet, musste in wenig Jahren ein grosses Haus daraus werden. So machte er sich denn weislich an die Sache, ausgerüstet mit allen seinen Attributen.
Diese bestanden in einer vergoldeten Brille, in drei emaillierten Hemdeknöpfen, durch goldene Kettchen unter sich verbunden, in einer langen goldenen Uhrkette, welche eine geblümte Weste überkreuzte, mit allerlei Anhängseln, in einer gewaltigen Busennadel, welche als Miniaturgemälde eine Darstellung der Schlacht von Waterloo enthielt, ferner in drei oder vier grossen Ringen, einem grossen Rohrstock, dessen Knopf ein kleiner Operngucker bildete in Gestalt eines Perlmutterfässchens. In den Taschen trug, zog hervor und legte er vor sich hin, wenn er sich setzte: ein grosses Futteral aus Leder, in welchem eine Zigarrenspitze ruhte aus Meerschaum geschnitzt, darstellend den aufs Pferd gebundenen Mazeppa; diese Gruppe ragte ihm, wenn er rauchte, bis zwischen die Augbrauen hinauf und war ein Kabinettsstück; ferner eine rote Zigarrentasche mit vergoldetem Schloss, in welcher schöne Zigarren lagen mit kirschrot und weiss getigertem Deckblatt, ein abenteuerlich eleganter Feuerzeug, eine silberne Tabaksdose und eine gestickte Schreibtafel. Auch führte er das komplizierteste und zierlichste aller Geldtäschchen mit unendlich geheimnisvollen Abteilungen.