Der Spion - James Fenimore Cooper - E-Book

Der Spion E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

Fenimores Roman aus dem nordamerikanischen Bevolutionskrieg war bei Erscheinen im Jahr 1821 bereits ein Riesenerfolg. "Der Spion" ist wohl der erste Versuch, amerikanische Sitten und Gegenden zu schildern; Cooper bemühte sich von seinem ersten Auftreten an, die Freiheit und Würde seines Vaterlandes zu verherrlichen und dasselbe der Welt in seiner rohen Größe und ursprünglichen Frische mit starken, kühn gewählten Farben zn malen.

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Der Spion

James Fenimore Cooper

Inhalt:

James Fenimore Cooper – Biografie und Bibliografie

Der Spion

Einleitung.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechszehntes Kapitel.

Siebenzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel.

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Dreißigstes Kapitel.

Einunddreißigstes Kapitel.

Zweiunddreißigstes Kapitel.

Dreiunddreißigstes Kapitel.

Vierunddreißigstes Kapitel.

Der Spion, James F. Cooper

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849626341

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

James Fenimore Cooper – Biografie und Bibliografie

Amerikan. Schriftsteller, geb. 17. Sept. 1789 in Burlington (New Jersey), gest. 14. Sept. 1851 in Cooperstown (New York), studierte in der Yale-Universität zu Newhaven die Rechte, trat dann in die Marine, widmete sich aber bald der Schriftstellerei. Nachdem er fünf Jahre auf Reisen in Europa und in amtlicher Tätigkeit als amerikanischer Konsul in Lyon zugebracht hatte, kehrte er in die Heimat zurück und ließ sich in Cooperstown nieder. Sein erster Roman: »Precaution« (1821), war eine mittelmäßige Leistung, aber schon der zweite: »The Spy« (1821), begründete seinen Ruhm und gilt in Amerika als sein bestes Werk. Von der Zeit an bis zu seinem Tod unermüdlich tätig, verfaßte er an 35 Bände Romane und Erzählungen, in denen er das Seeleben frisch und lebendig schilderte und von dem Indianer- und Ansiedlerleben seiner Zeit ein ideal-romantisches Bild entwarf, dessen patriotische Wärme und wildursprüngliche Poesie weit über die Grenzen seiner Heimat Anklang fand. Seine Romane erschienen in Amerika unzähligemal in Gesamtausgaben, sind fast in alle Kultursprachen übersetzt, besonders oft ins Deutsche, und erfreuen sich heute noch großer Beliebtheit bei der Jugend. Von seinen Seeromanen sind »The Pilot« (1823) und »The red rover« (1828) die bedeutendsten; von den sogen. Lederstrumpfgeschichten: »The Pioneers« (1823), »The last of the Mohicans« (1826), »The Prairie« (1827), »The Pathfinder« (1840) und »The Deerslayer« (1841), wird die zweite am höchsten geschätzt.Andre Erzählungen sind: »The wept of Wishton-Wish«, »The Water-witch«, »The two admirals«, »The sea lions«, »The ways of the hour« etc.C. schrieb außer diesen Werken sein Lustspiel »Upside down, or philosophy in petticoats«, mehrere Bände Reiseschilderungen: »Gleanings in Europe« (1830–32), und unter andern historischen und politischen Schriften: »The history of the American navy« (1839, neue Ausg. 1858).Vgl. T. R. Lounsbury, Life of James Fennimore C. (Boston 1883).

Der Spion

Einleitung.

Glücklicherweise ist der Mensch eben so geneigt, für die Tugend Sympathie zu fühlen, als sich den ansteckenden Einflüssen des Lasters hinzugeben. Ohne diesen Umstand, welcher dem alles Edlere erstickenden Hange, sich seinen Leidenschaften zu überlassen, als Zügel dient, möchten wohl die Wünsche der Besseren und Weiseren, daß das Reich der Gerechtigkeit und Menschenliebe immer festeren Fuß fassen werde, aller Hoffnung auf Erfüllung entbehren.

Von allen edeln Gefühlen ist die Liebe zum Vaterlande das am allgemeinsten ansprechende. Jeder bewundert den Mann, der sich für das Wohl der Gemeinschaft, welcher er angehört, zum Opfer bringt, und verdammt den Andern schonungslos, welcher, sey es unter nichtigen Vorwänden oder durch den Drang der Verhältnisse getrieben, seinen Arm oder seine geistigen Kräfte zum Nachtheile des Landes gebraucht, das einen natürlichen Anspruch auf seine Treue hat. Die stolzesten Namen, die schönsten Hoffnungen sind in den Staub gesunken, wenn der Makel des Verraths an ihnen haftete. Man spricht mit Bewunderung von dem Römer, welcher die noch innigeren Bande des Blutes um des Vaterlandes willen hintansetzte, während Coriolans Muth und Kriegesglück den Unwillen über seinen Treubruch nicht vergessen läßt. In dem wahren Patriotismus liegt eine Reinheit, die den Menschen über alle unedlen Einflüsse der Selbstsucht erhebt und überdieß der Natur der Sache nach Diensten, welche der Familie oder der Verwandtschaft geleistet werden, niemals inwohnen kann. Sie zeigt den Glanz einer innern Erhebung, welcher sich kein Schatten von persönlichem Interesse beimischt.

Der Verfasser der gegenwärtigen Erzählung lernte vor vielen Jahren einen ausgezeichneten Mann kennen, welcher sowohl um der eben genannten Eigenschaft willen, die er in den düstersten Tagen der amerikanischen Revolution entfaltete, als auch wegen der hohen Aemter, welche er während jener inhaltschweren Periode bekleidete, merkwürdig ist. Ich sprach einmal mit ihm über die Wirkungen, welche eine große politische Aufregung in den Charakteren hervorbringe und über die veredelnde Richtung, welche die einmal kräftig erweckte Vaterlandsliebe jedem Volke gibt. Da seine Jahre, die von ihm geleisteten Dienste und seine Menschenkenntniß ihn am ehesten befähigten, in einer solchen Unterhaltung den leitenden Faden zu führen, so hatte er vorzugsweise das Wort. Er sprach zuerst über die eigentümliche neue und würdige Richtung, welche das gewaltige Ringen des Volkes während des Krieges von 1776 den Ideen und Handlungen von Massen, deren Zeit vorher ganz von den gemeinsten Sorgen des Lebens hingenommen gewesen war, vorgezeichnet hatte, und beleuchtete sodann seine Ansichten durch eine Anekdote, deren Wahrheit er als selbst mithandelnde Person bezeugen konnte.

Der Streit zwischen England und den Vereinigten Staaten von Amerika trug viele Züge eines Bürgerkriegs, ohne daß man ihn im strengen Sinne einen solchen nennen konnte. Obgleich das Amerikanische Volk dem Englischen nie eigentlich und verfassungsmäßig unterworfen war, so standen doch die Bewohner beider Länder unter einem gemeinschaftlichen Könige. Als die Amerikaner, in Gesammtmasse den Gehorsam aufkündigten, und die Engländer sich bereit finden ließen, ihren Souverain bei dem Versuch, seine Gewalt wieder zu erringen, zu unterstützen, so entwickelte der Kampf bald alle entscheidenden Merkmale eines Bürgerkriegs. Eine große Anzahl Europäischer Einwanderer, welche sich damals in den Colonien niedergelassen hatten, traten auf die Seite der Krone, und in vielen Distrikten gab ihr Einfluß, vereint mit dem der Amerikaner, welche dem angestammten Herrscherhause ihre Treue bewahren wollten, der königlichen Sache ein entschiedenes Uebergewicht. Amerika war damals zu jung und bedurfte zu sehr der Herzen und Hände, um derartige Zersplitterungen, so unbedeutend sie auch seyn mochten, mit Gleichgültigkeit anzusehen. Dieses Uebel wurde noch durch die Gewandtheit der Engländer, mit der sie aus solchen inneren Zwistigkeiten Nutzen zu ziehen wußten, vermehrt und mußte doppelt ernst betrachtete werden, als der Versuch gemacht wurde, in den Provinzen selbst Truppen auszuheben, welche in Verbindung mit den Europäischen die jungen Freistaaten zur Unterwerfung zwingen sollten. Der Congreß ernannte daher ein geheimes Haupt-Committee, welchem die ausdrückliche Aufgabe gesetzt war, diese Absicht zu vereiteln. In diesem Committee führte Herr – –, der Erzähler dieser Anekdote, den Vorsitz.

Bei Ausübung der ihm übertragenen neuen Pflicht hatte Herr – – Gelegenheit, einen Agenten zu verwenden, dessen Dienst sich wenig von dem eines gewöhnlichen Spions unterschied. Man kann sich denken, daß der Mann in der Gesellschaft eine Stellung einnahm, welche ihn am ehesten geeignet machte, in einer so zweideutigen Rolle aufzutreten. Er war arm und was die gewöhnlichen Zweige des Unterrichts anbelangt, unwissend, aber von Natur besonnen, listig und furchtlos. Diesem Manne wurde der Auftrag ertheilt, auszukundschaften, in welchem Theile des Landes die Agenten der Krone ihre geheimen Machinationen spielen ließen, um Mannschaft anzuwerben; er mußte sich an die Plätze verfügen, scheinbar um diese Werbungen zu unterstützen – im Dienste der Sache, welcher er sich zu weihen vorgab, eifrig erscheinen und überhaupt allem aufzubieten, um sich so viel als möglich in den Besitz der Geheimnisse des Feindes zu setzen. Diese theilte er natürlich dem Committee mit, welches dann Sorge trug, durch alle ihm zu Gebot stehenden Mittel den Plänen der Engländer entgegen zu arbeiten, was auch oft mit gutem Erfolge geschah.

Es versteht sich von selbst, daß ein derartiger Dienst mit großer persönlicher Gefahr begleitet war. Zu der Besorgniß, daß seine wahre Absicht entdeckt werden könnte, gesellte sich auch noch die, in die Hände der Amerikaner selbst zu fallen, welche derartige Vergehungen bei Landeseingeborenen unabänderlich viel strenger heimsuchten, als bei den Europäern, derer sie habhaft werden konnten. In der That wurde auch Herrn – –s Agent mehreremale von den jeweiligen Machthabern aufgegriffen und einmal sogar von seinen erbitterten Landsleuten zum Strange verurtheilt. Nur ein schleuniger geheimer Befehl an seinen Gefängnißwärter rettete ihn von einem schmählichen Tode. Man ließ ihn entwischen; und diese scheinbare – und in der That auch wirkliche – Gefahr trug viel dazu bei, ihm seine Rolle bei den Engländern zu erleichtern: Von den Amerikanern wurde er in seiner kleinen Sphäre als ein kühner und eingefleischter Tory betrachtet. In dieser Weise fuhr er während der ersten Jahre des Kampfes fort, trotz der Gefahren, die ihn stündlich umringten, und obschon er beharrlich der Gegenstand unverdienter Verwünschungen war, seinem Vaterlande heimlich Dienste zu leisten.

Im Jahr – – wurde Herrn – – ein wichtiges und ehrenvolles Amt an einem europäischen Hofe übertragen. Ehe er seinen Sitz im Kongreß verließ, theilte er dieser Versammlung die ebengenannten Thatsachen mit, wobei ihn jedoch die Klugheit veranlaßte, den Namen dieses Agenten noch zu verschweigen, und bat um eine Belohnung für den Mann, welcher sich unter so großer persönlicher Gefahr dem Staate nützlich gemacht hatte. Es wurde zu diesem Ende eine annehmliche Summe ausgeworfen und dem Präsidenten des geheimen Committee's zu geeigneter Besorgung übergeben.

Herr – – traf die nöthigen Maßregeln, seinen Agenten zu einer persönlichen Besprechung zu veranlassen, und kam mit ihm um Mitternacht in einem Walde zusammen. Herr – – lobte, den Mann wegen seiner Treue und Gewandtheit, setzte ihm die dringende Nothwendigkeit auseinander, ihre Verbindung jetzt abzubrechen, und bot ihm zuletzt die Belohnung an. Der Andere trat zurück und lehnte es ab, sie anzunehmen. »Das Land bedarf aller seiner Mittel selbst,« sagte er, »und was mich anbelangt, so kann ich arbeiten oder meinen Unterhalt auf andere Weise gewinnen.« Alle Ueberredung war vergeblich, denn der Patriotismus hatte das Uebergewicht in der Seele dieses merkwürdigen Mannes, und Herr – –, der das Gold wieder mitnehmen mußte, schied mit tiefer Hochachtung von seinem Gefährten, der so lange, ohne irgend eine Belohnung anzunehmen, sein Leben gewagt hatte, blos um der Sache willen, welcher sie gemeinschaftlich dienten.

Der Verfasser dieser Blätter weiß zwar, daß der Agent des Herrn – – in späterer Zeit sich eine Entschädigung für seine Leistungen gefallen ließ; es geschah aber erst, als das Land vollkommen in der Lage war, sie geben zu können.

Es ist kaum nöthig, beizufügen, daß eine solche Erzählung, einfach und mit Wärme von einem Manne vorgetragen, der darin eine Hauptrolle spielte, auf alle Zuhörer einen tiefen Eindruck machte. Viele Jahre später wurde ich durch ganz zufällige Umstände, deren Mittheilung unnöthig ist, veranlaßt, eine Novelle zu schreiben, von der ich nicht voraussah, daß sie die erste einer ziemlich langen Reihe werden würde. Dieselben Zufälle, welche den Anlaß zu der Entstehung des Buches gaben, bestimmten auch den Schauplatz und den allgemeinen Charakter der Erzählung. Ersterer wurde in das Ausland verlegt, und in letzterem entwickelte sich ein unreifes Bestreben, fremde Sitten zu beschreiben. Als die Schrift veröffentlicht war, wurde dem Verfasser von seinen Freunden zum Vorwurf gemacht, daß er, ein Amerikaner von Herz und Geburt, der Welt ein Werk anbiete, welches vielleicht einigermaßen dazu beitragen könnte, die tändelnde Phantasie der jüngeren und unerfahrenen seiner Landsleute zu nähren, und daß er die Bilder dazu gesellschaftlichen Verhältnissen entnommen habe, die von denen, welchen er selbst angehöre, so ganz verschieden seyen. Ob schon nun der Autor weiß, wie viel von dem, was er gethan, rein zufällig war, so fühlte er doch, daß er bei diesem Tadel demüthig seine Schuld bekennen mußte; er entschloß sich daher, als einzige Sühne, welche in seiner Macht stand, sich das Schreiben eines zweiten Buches aufzuerlegen, dessen Gegenstand weder der Welt noch ihm selbst einen Hinterhalt ließe. Er wählte den Patriotismus zu seinem Thema, und es ist für diejenigen, welche diese Einleitung, wie auch die Novelle selbst lesen, kaum beizufügen nöthig, daß er den Helden der eben mitgetheilten Anekdote für das geeignetste Bild betrachtete, die Vaterlandsliebe in ihrer abgesonderten Erscheinung darzustellen.

Seit der ersten Veröffentlichung des »Spions« hat man sich mit Erzählungen von verschiedenen Personen getragen, von welchen man annahm, daß der Schriftsteller sie bei Abfassung seines Romans im Auge gehabt habe. Da Herr – – nie den Namen seines Agenten erwähnte, so kann der Autor sich über die Identität desselben mit dieser oder jener Person nicht weiter auslassen, als es hier schon geschehen ist. Beide, Washington und Sir Henry Clinton, bedienten sich einer ungewöhnlichen Anzahl geheimer Emissäre, wie dieses in einem Kriege, der so vielfach den Charakter eines Bürgerkriegs trug und in welchem die sich bekämpfenden Parteien aus Männern desselben Blutes und derselben Sprache bestanden, kaum anders seyn konnte.

Der Styl des Buches– ist in dieser Ausgabe von dem Verfasser von neuem durchgesehen worden, wobei er bemüht war, dasselbe der Gunst, deren es sich bereits erfreuen durfte, noch würdiger zu machen, obschon er gestehen muß, daß in die ganze Anlage der Erzählung Mängel eingewoben sind, bei denen, wie bei einem baufälligen Hause, die Ausbesserung mehr Mühe kosten würde, als wenn man es neu aufrichtete. Zehn Jahre sind für das Meiste, was mit Amerika in Verbindung steht, ein Menschenalter, und unter andern Fortschritten sind die seiner Literatur nicht die unbedeutendsten. Zu der Zeit, in welcher das gegenwärtige Werk geschrieben wurde, ließ sich von der Veröffentlichung einer derartigen Schrift so wenig Erfolg erwarten, daß der erste Band des Spions schon mehrere Monate gedruckt war, ehe der Verfasser, einen hinreichenden Grund fühlte, auch nur eine Zeile an dem zweiten zu beginnen. Die Bemühungen, welche auf eine undankbare Lebensaufgabe gewandt werden, sind selten ihres Urhebers werth, so gering auch sonst dessen Verdienste im Allgemeinen anzuschlagen seyn mögen.

Eine glänzendere Aussicht beginnt jetzt für den Freistaat aufzudämmern, der nun im Begriffe steht, jenen Rang unter den Völkern der Erde einzunehmen, welchen ihm die Natur anwies und zu dem alle seine Einrichtungen nothwendig führen müssen. Sollte der Zufall einen Abdruck des gegenwärtigen Vorworts nach zwanzig Jahren einem Amerikaner in die Hände spielen, so wird er bei dem Gedanken lächeln, daß einer seiner Landsleute je Anstand nahm, ein schon so weit gediehenes Werk zu beendigen, bloß weil er besorgte, daß man seinem Lande ein Buch, welches vaterländische Interessen berührt, nicht werde lesen wollen.

Paris, am 4. April 1831.

Erstes Kapitel.

Und mitten durch die Ruhe seiner Seele Ein kühner Zug die inn're Glut verrieth; – 's war irdisch Feuer, weichend dem Befehle Des höhern Geists, wie Aetnas Glanz verglüht, Wenn Phöbus Strahl den Horizont umzieht.

Gertrude von Wyoming.

Es war gegen den Schluß des Jahres 1780, als man einen einsamen Reisenden seinen Weg durch eines der zahlreichen kleinen Thäler von West-Chester Da jeder Staat der Amerikanischen Union seine eigenen Bezirke hat, so findet sich's öfters, daß mehrere denselben Namen tragen. Der Schauplatz dieser Erzählung ist der Staat Neu-York, dessen Bezirk West-Chester sich zunächst an die Stadt anschließt verfolgen sah. Der Ostwind mit seiner feuchten Kälte und zunehmenden Heftigkeit war der untrügliche Bote eines herannahenden Sturmes, der seiner Gewohnheit nach voraussichtlich mehrere Tage andauern mochte. Das kundige Auge des Wanderers blickte vergeblich durch das abendliche Dunkel, um ein geeignetes Obdach zu erspähen, wo er, so lange es der Regen, welcher bereits die Atmosphäre zu einem dicken Nebel umwandelte, nöthig machte, die für seine Absichten erforderlichen Bequemlichkeiten finden konnte. Aber es zeigte sich nichts, als die kleinen unbequemen Hütten der geringeren Classe von Ansiedlern, welche in dieser Gegend in einem Rufe standen, daß er es weder für sicher noch für klug hielt, sich ihnen anzuvertrauen.

Der Bezirk West-Chester war, nachdem die Britten von der Insel Neu-York Besitz Die Stadt Neu-York liegt auf einer Insel, welche Manhattan heißt; sie ist an einem Punkte von dem Bezirk West-Chester nur durch eine Wasserstraße von der Breite einiger Fuße getrennt, über welche die sogenannte Königsbrücke führt. Während des Krieges war dort der Schauplatz vieler Gefechte, worauf auch in dieser Erzählung angespielt wird. genommen hatten, ein gemeinschaftlicher Boden, und beide sich bekämpfende Parthieen bedienten sich desselben zu Fortsetzung ihrer Operationen für den Rest des Revolutionskrieges. Ein großer Theil der Bewohner trug entweder aus alter Anhänglichkeit oder aus Furcht eine Parteilosigkeit zur Schau, welche sie in Wirklichkeit nicht fühlten. Die weiter unten liegenden Städte waren natürlich vorzugsweise unter der Herrschaft der Krone, während die mehr im Innern befindlichen, da sie durch die Nachbarschaft der Amerikanischen Truppen gesichert waren, kühn ihre revolutionären Ansichten und ihr Recht, sich selbst zu regieren, behaupteten. Eine große Anzahl trug jedoch Masken, welche sogar heut zu Tage noch nicht abgelegt worden sind, und mancher wurde zu Grabe getragen, mit dem Brandmale eines Feindes der Rechte seiner Landsleute, während er im Geheim ein nützlicher Agent der Leiter der Revolution war; indeß auf der andern Seite, wenn man die verborgenen Fächer manches glühenden Patrioten an's Licht hätte fördern können, die Beschützung der königlichen Sache unter Massen von brittischem Golde zu Tage gekommen wäre.

Die schallenden Huftritte des edlen Rosses, welches der Reisende ritt, mochten wohl hin und wieder die Gebieterin einer ländlichen Wohnung, an welcher er vorbei kam, veranlassen, die Thüre des Hauses vorsichtig zu öffnen und sich den Fremden zu betrachten, während sie vielleicht mit rückwärts gewandtem Gesichte das Ergebniß ihrer Untersuchungen ihrem Gatten mittheilte, welcher im Innern des Gebäudes sich vorbereiten mochte, im Nothfalle seinen gewohnten Versteck in dem anliegenden Walde aufzusuchen. Das Thal lag ungefähr in der Mitte des Bezirks und beiden Armeen hinreichend nahe, um die Rückerstattung gestohlenen Guts zu keinem ungewöhnlichen Begebniß in dieser Gegend zu machen. Allerdings erhielt man nicht immer dieselben Gegenstände zurück, sondern man nahm in Ermangelung gesetzlicher Rechtspflege seine Zuflucht zu einem Ersatz im Allgemeinen, welcher dem beiläufigen Schaden des Benachtheiligten gleichkam, wobei dieser es häufig mit einer nicht unbeträchtlichen Zugabe für die jeweilige Nutznießung seines Eigenhums nicht allzu genau nehmen mochte. Kurz, es herrschte Gesetzlosigkeit in diesem Bezirke, und die Gerechtigkeit, welche hier galt, stand unter dem Gewalteinflusse persönlicher Interessen und der Leidenschaften des Stärkeren.

Der Durchzug eines Reisenden, über dessen Charakter Niemand in's Klare kommen konnte, und der Anblick seines Pferdes, welches, obschon es nicht die Abzeichen des militärischen Dienstes trug, doch an der freien und kühnen Haltung seines Reiters Theil nahm, gab den nachstarrenden Bewohnern der verschiedenen Hütten Anlaß zu vielen Vermuthungen, welche bei Manchem, der sein Gewisses nicht frei fühlte, keine geringe Beunruhigung erweckten.

Durch die Anstrengung des Tages ungewöhnlich ermüdet und besorgt, schnell ein Obdach gegen die stets sich mehrende Gewalt des Sturmes zu gewinnen, durch welchen der Regen in großen Tropfen, niederzustürzen anfing, entschloß sich der Wanderer, aus der Noth eine Tugend zu machen, und bei der nächsten Wohnung, welche sich ihm darbot, um Einlaß zu bitten. Er fand hierzu bald Gelegenheit, ritt durch ein Paar vernachlässigte Schranken und klopfte, ohne aus dem Sattel zu steigen, laut an die Thüre eines sehr unscheinbaren Gebäudes. Auf diesen Anruf erschien ein Weib von mittlerem Alter, deren Aeußeres wenig einladender war, als das ihrer Wohnung. Die erschreckte Frau drückte furchtsam die Thüre halb wieder zu, da sie bei dem Strahle des großen Küchenfeuers einen berittenen Mann in so unerwarteter Nähe ihrer Schwelle sah, und ein Ausdruck des Schreckens mischte sich mit ihrer natürlichen Neugierde, als sie nach seinem Begehren fragte.

Obgleich die Thüre zu dicht schloß, um eine Untersuchung der im Innern befindlichen Bequemlichkeiten zu gestatten, so hatte doch der Reiter genug gesehen, um veranlaßt zu werden, mit verlangenden Blicken noch einmal durch das Dunkel zu spähen, ob er nicht ein wirthlicheres Dach entdecken könne, ehe er mit übelverhehltem Widerwillen seine Lage und seine Wünsche kund gab. Seine Bitte wurde mit augenscheinlichem Mißmuth angehört, und ehe er sie noch geendigt hatte, schnell durch eine Erwiederung unterbrochen.

»Ich kann nicht sagen, daß ich es liebe, einem Fremden in so kitzlichen Zeiten Quartier zu geben,« sagte das Weib in einem frechen und schneidenden Tone; »ich bin nichts, als ein einsames verlassenes Geschöpf, oder, was ebenso viel heißt, es ist Niemand als der alte Herr zu Haus; aber eine halbe Meile weiter unten liegt ein Haus an der Straße, wo Ihr ein Unterkommen finden könnt, ohne etwas dafür ausgeben zu müssen. Ich weiß, daß es für jene passender seyn wird, und mir ist es lieber, weil Harvey, wie ich vorhin sagte, fort ist. Ich wollte, er ließe sich rathen, und gäbe das Wanderleben auf; er weiß sich in dieser Zeit gut in die Welt zu schicken und sollte sein unsicheres Umherstreichen aufgeben, – ja, und sich einen ordentlichen Hausstand gründen, wie es andere Leute von seinen Jahren und seinem Vermögen auch machen. Aber Harvey Birch will seinen eigenen Weg gehen und wird zuletzt als Landstreicher sterben.«

Der Reiter achtete nach dem Rathe, seinen Weg auf der Straße fortzusetzen, der keifenden Rede nicht weiter, sondern wendete langsam sein Pferd gegen die Schranken und schlug, zur Vorsorge gegen den Sturm, die Falten des weiten Mantels um seine Männliche Gestalt, als etwas in den Worten des Weibes plötzlich seine Bewegung anhielt.

»Das ist also die Wohnung des Harvey Birch?« fragte er unwillkührlich, brach aber schnell ab, augenscheinlich seine weiteren Worte unterdrückend.

»Ei, man kann kaum sagen, daß es seine Wohnung sey,« erwiederte die Andere, indem ihr in der Hast der Antwort beinahe der Athem versagte; »er ist nie, oder doch so selten darin, daß ich mich kaum seines Gesichts erinnere, wenn er's einmal der Mühe werth hält, es seinem armen Vater und mir zu zeigen. Doch mir liegt wahrlich wenig daran, ob er je wieder zurückkömmt oder nicht; – kehrt nur bei dem ersten Gitter zur Linken an; – nein, was mich anbelangt, ich kümmere mich nichts darum, ob Harvey je sein Gesicht wieder sehen läßt, oder nicht – ich gewiß nicht. Mit diesen Worten schlug sie ohne Umstände die Thüre vor dem Wanderer zu, der in der frohen Hoffnung, ein Unterkommen zu finden, welches ihm mehr Bequemlichkeit und Sicherheit verhieß, eine halbe Meile weiter ritt.

Es war noch hell genug, um den Reisenden in den Stand zu setzen, die Verbesserungen Verbesserungen (improvements) nennen die Amerikaner jede durch menschliche Bemühung hervorgebrachte Veränderung in dem Urzustande des Landes; sie bedeuten in dem gegenwärtigen Falle das Fällen von Bäumen, wodurch der Boden in seinem Preise steigt.zu unterscheiden, welche sich in der Kulturbeschaffenheit und dem Gesammtanblick des Bodens um das Gebäude, dem er sich jetzt näherte, aussprachen. Es war ein langes, niedriges, steinernes, an jedem Ende mit einem Flügel versehenes Haus. Eine aus zierlichen hölzernen Säulen bestehende Halle lief an der Front des Gebäudes hin und gab, im Einklang mit den geordneten und in gutem Stand erhaltenen Einzäunungen und Außenbauten, dem Platze ein weit geselligeres Aussehen, als dieses bei den gewöhnlichen Wohnungen der Gegend der Fall war. Unser Wanderer leitete sein Pferd hinter einen Vorsprung der Mauer, wo es einigermaßen gegen Wind und Regen geschützt war, warf dann seinen Mantelsack über die Schulter und gab durch lautes Pochen an die Thüre seinen Wunsch, eingelassen zu werden, zu erkennen. Bald darauf erschien ein alter Schwarzer, welcher, ohne es für nöthig zu halten, unter solchen Umständen seiner Herrschaft eine Meldung zu machen, bei dem Scheine des Kerzenlichtes, das er in der Hand hielt, einen prüfenden Blick auf den Bittsteller warf und sodann seinem Gesuche um Aufnahme willfahrte. Der Reisende wurde in ein sehr schönes Besuchszimmer gewiesen, in welchem ein Feuer brannte, um die Trübseligkeit eines Oststurmes und eines Octoberabends zu erheitern. Nachdem er seinen Mantelsack dem höflichen Dienstmanne übergeben hatte, wiederholte er seine Bitte mit aller Artigkeit gegen den alten Herrn, welcher sich zu seinem Empfange erhob, machte den drei Damen, welche sich am Nähetisch beschäftigten, seine Verbeugung, und fing an, die Ueberkleider, welche er während seines Rittes getragen hatte, abzulegen.

Als er das dichte Tuch, welches Hals und Kinn bedeckte, abnahm und den blauen Mantel und Ueberrock beseitigte, enthüllte er der beobachtenden Familie die hohe und ungemein anmuthige Gestalt eines Mannes, welcher ungefähr fünfzig Jahre zählen mochte. Seine Züge trugen den Ausdruck der Besonnenheit und Würde; seine Nase war gerade und näherte sich der griechischen Form; das graue Auge blickte ruhig, gedankenvoll und beinahe schwermüthig, während der Mund und die unteren Partieen des Gesichts auf einen festen und entschiedenen Charakter hindeuteten. Sein Reisekleid war einfach und ungeziert, doch so, wie es die höhern Classen seiner Landsleute zu tragen pflegten: auch war sein Haar in einer Weise verschnitten, daß er dadurch ein militärisches Aussehen erhielt, welches noch durch seine gerade und unverkennbar anmuthige Haltung gehoben wurde. Sein ganzes Aeußere war so ausdrucksvoll und entschieden das eines Mannes von Stande, daß, als er seine Ueberkleider abgelegt hatte, die Damen sich von ihren Sitzen erhoben, ihn zugleich mit dem Hausherrn auf's Neue bewillkommneten und die Begrüßungen erwiederten, die er ihnen wiederholt darbrachte.

Der Wirth war um einige Jahre älter, als der Reisende, und zeigte durch sein Benehmen, seinen Anzug und seine ganze Umgebung, daß er viel in der besten Gesellschaft gelebt hatte. Der Damenkreis bestand aus einem unverheiratheten Frauenzimmer in den Vierzigen und zwei Mädchen, welche kaum die Hälfte dieses Alters erreicht zu haben schienen. Die Blüthe der älteren dieser Frauenzimmer war verschwunden, obgleich die Augen und die schönen Haare ihren Zügen einen ungemein angenehmen Ausdruck gaben; auch lag in dem Benehmen der Dame eine Weichheit und Leutseligfett, welche ihr einen Zauber verliehen, den viele jugendlichere Gesichter nicht besitzen. Die beiden Schwestern, denn als solche ließ ihre Ähnlichkeit die jüngern Frauenzimmer erkennen, prangten in dem Stolze der Jugend, und die Rosen ihrer Wangen – eine vorzugsweise Eigenthümlichkeit der Schönen in West-Chester – gaben ihren tiefblauen Augen jenen Glanz, den man so gerne beschaut, und der gewöhnlich Unschuld und innern Frieden bekundet. Das Aeußere dieser drei Mädchen zeigte viel von der weiblichen Zartheit, durch welche sich das schöne Geschlecht in dieser Gegend auszeichnet, und ihr Benehmen gab, wie das des Herrn, zu erkennen, daß sie den höhern Ständen des Lebens angehörten.

Herr Wharton, denn so hieß der Eigentümer dieser einsamen Besitzung, bot seinem Gaste ein Glas trefflichen Madeira's an, und nahm, ein zweites Glas in der Hand, wieder am Feuer Platz. Er schwieg einen Augenblick, als ob er sich mit sich selbst beriethe, wie weit seine Höflichkeit gehen dürfe; bald aber warf er einen prüfenden Blick auf den Fremden und begann mit der Frage:

»Auf wessen Gesundheit habe ich die Ehre zu trinken?«

Der Reisende hatte sich gleichfalls niedergelassen und blickte bei Herrn Whartons Anrede gerade gedankenvoll in's Feuer. Er wandte dann sein Auge langsam und mit dem Blicke gespannter Aufmerksamkeit auf seinen Wirth, und erwiederte, während ein schwaches Roth seine Züge überflog:

»Harper.«

»Herr Harper,« entgegnete der andere, mit der förmlichen Bestimmtheit jener Zeit; »ich habe die Ehre, auf Ihre Gesundheit zu trinken, und hoffe, daß Ihnen der Regen, welchem Sie ausgesetzt waren, keinen Nachtheil bringen wird.«

Herr Harper beantwortete diese Höflichkeit mit einer schweigenden Verbeugung, und versank bald wieder in das Nachsinnen, in welchem er gestört worden war, und für das der lange Ritt, welchen er an diesem Tag in Wind und Wetter gemacht hatte, als ein natürlicher Entschuldigungsgrund gelten mochte.

Die jungen Damen hatten ihre Sitze an dem Arbeitstische wieder eingenommen, während ihre Tante, Miß Jeanette Peyton, sich entfernte, um die nöthigen Vorkehrungen zu Befriedigung des Appetits ihres unerwarteten Gastes zu beaufsichtigen. Es herrschte eine kurze Stille, während welcher Herr Harper sich seiner nunmehrigen behaglichen Lage zu erfreuen schien; bald aber unterbrach sie Herr Wharton auf's Neue mit der Frage, ob vielleicht der Tabakrauch seinem Gefährten unangenehm sey, und als er eine verneinende Antwort erhielt, griff er sogleich wieder nach der Pfeife, welche er beim Eintritt des Reisenden bei Seite gelegt hatte.

Es war augenscheinlich, daß der Wirth ein Gespräch anzuknüpfen wünschte; doch zögerte er einige Male – sey es, daß er fürchtete, einen gefährlichen Boden zu betreten, oder weil er die wohl absichtliche Schweigsamkeit seines Gastes nicht stören wollte – bis er sich eine weitere Bemerkung erlaubte. Endlich ermuthigte ihn eine Bewegung von Seite Herrn Harpers, welcher seine Augen über die Gesellschaft im Zimmer gleiten ließ, fortzufahren.

»Ich finde es sehr schwer,« sagte Herr Wharton, indem er Anfangs vorsichtig die Gegenstände vermied, welche er zur Sprache bringen wollte – »mir die Sorte Tabak für meinen Abendzeitvertreib zu verschaffen, an welche ich gewöhnt bin.«

»Ich sollte denken, die Läden in Neu-York könnten den besten im Lande liefern,« erwiederte der Andere.

»Ei – freilich,« erwiederte der Wirth etwas zögernd, und erhob seine Augen zu Harpers Gesichte, ließ sie aber schnell wieder sinken, als er dem festen Blicke seines Gastes begegnete; »es mag wohl eine große Menge in der Stadt liegen, aber der Krieg hat jede, auch die unschuldigste Verbindung mit ihr zu gefährlich gemacht, als daß man wegen eines so unbedeutenden Artikels, wie der Tabak ist, eine solche zu unterhalten wagen sollte.«

Die Dose, aus welcher Herr Wharton eben seine Pfeife wieder gestopft hatte, lag offen in dem Bereich einiger Zolle von dem Ellenbogen des Fremden, der jetzt ein wenig von ihrem Inhalt nahm und ihn auf eine zwar ganz natürliche Weise, aber doch so, daß sein Gefährte dadurch in große Unruhe gerieth, auf der Zunge prüfte. Ohne sich jedoch darüber auszusprechen, daß er die Qualität vorzüglich finde, verlor er sich wieder, zur großen Beruhigung seines Wirthes, in sein früheres Nachsinnen. Herr Wharton wollte aber den Vortheil, welchen er errungen, nicht gerne aus der Hand lassen, und fuhr, indem er sich mehr als gewöhnlich zusammennahm, fort:

»Ich wünschte von ganzem Herzen, dieser unnatürliche Kampf wäre vorüber, daß wir doch wieder einmal in Friede und Liebe mit unsern Freunden und Verwandten zusammenkommen könnten.«

»Es wäre allerdings sehr zu wünschen,« sagte Harper mit Nachdruck, indem er seinen Blick wieder zu dem Gesichte seines Wirthes erhob.

»Ich höre seit der Ankunft unserer neuen Verbündeten von keinen besonders erfolgreichen Bewegungen,« sagte Herr Wharton, indem er die Asche aus seiner Pfeife klopfte, und dem Andern unter dem Vorwande, sich von seiner jüngsten Tochter eine Kohle geben, zu lassen, den Rücken kehrte.

»Es ist, glaube ich, noch nichts davon zur öffentlichen Kunde gekommen.«

»Glaubt man, daß wichtige Schritte geschehen werden?« fuhr Herr Wharton fort, der noch mit seiner Tochter beschäftigt war, aber in Erwartung einer Antwort unwillkührlich seine Verrichtung unterbrach.

»Hat man irgend Andeutungen über solche?«

»O, nichts Besonderes; aber es ist ganz natürlich, daß man von einer so gewaltigen Macht, wie die unter Rochambeau ist, irgend ein neues Unternehmen erwartet.«

Harper nickte zustimmend mit dem Kopfe, ohne etwas Weiteres auf diese Bemerkung zu entgegnen, indeß Herr Wharton, nachdem er seine Pfeife angezündet hatte, den Gegenstand wieder aufnahm.

»Sie scheinen im Süden thätiger zu seyn. Es hat das Ansehen, als ob Gates und Cornwallis dem Kriege dort ein Ende machen wollten.«

Harper's Stirne runzelte sich; ein tieferer Schatten von Schwermuth überflog sein Antlitz, und in seinem Auge leuchtete der Strahl eines vorübergehenden Feuers, welches die Tiefe seiner Gefühle verrieth. Der Blick der jüngern Schwester hatte aber kaum Zeit gehabt, diesen Ausdruck verwundernd wahrzunehmen, als er auch schon wieder verschwunden war, und der Fassung, welche die Züge des Fremden auszeichnete, wie auch jener ausdruckvollen Würde, welche augenscheinlich die Herrschaft des Geistes bezeichnet, wieder Raum gab.

Die ältere Schwester rückte einigemale auf ihrem Stuhle hin und her, ehe sie zu sprechen wagte, und begann dann in einem Tone, der nicht wenig triumphirend klang:

»General Gates ist mit dem Grafen weniger glücklich gewesen, als mit dem General Burgoyne.«

»Aber General Gates ist ein Engländer, Sara,« antwortete die jüngere Dame rasch; dann, erröthete sie bis zur Stirne über ihre eigene Kühnheit, und durchwühlte hastig ihr Arbeitskörbchen, in der stillen Hoffnung, ihre Bemerkung sey unbeachtet geblieben.

Der Reisende hatte sein Auge von einer Schwester, auf die andere gerichtet, als sie nach einander ihre Meinungen preisgaben, und ein fast unbemerkliches Zucken der Muskeln seines Mundes verrieth eine neue Erregung, als er die jüngere scherzend fragte:

»Darf ich mir die Frage erlauben, welche Folgerung sie aus diesem Umstande ziehen?«

Franciska erröthete noch höher, als sie so geradezu um ihre Meinung über einen Gegenstand angegangen wurde, den sie unvorsichtiger Weise in der Gegenwart eines Fremden berührt hatte. Da sie aber die Nothwendigkeit einer Antwort einsah, so erwiederte sie nach einigem Zögern nicht ohne Stottern:

»Nun – nun – mein Herr – meine Schwester und ich sind bisweilen verschiedener Meinung über die Tapferkeit der Engländer.« Ein vielsagendes Lächeln spielte um den Mund des unschuldigen Kindes, als sie schloß.

»In welcher Beziehung unterscheiden sich wohl Ihre Ansichten über diesen Gegenstand?« fuhr Harper fort, indem er ihrem lebendigen Blicke mit dem Lächeln einer fast väterlichen Zartheit entgegen kam.

»Sara glaubt, die Engländer seyen nie geschlagen worden, während ich in ihre Unüberwindlichkeit kein so großes Vertrauen setze.«

Der Reisende hörte ihr mit jener zufriedenen Nachsicht zu, mit welcher das kräftige Alter so gerne die Glut jugendlicher Unschuld betrachtet; aber, ohne etwas zu entgegnen, wandte er sich wieder gegen das Feuer und blickte eine Weile schweigend auf die glimmenden Kohlen.

Herr Wharton hatte sich vergebens bemüht, über die politischen Ansichten seines Gastes in's Klare zu kommen. Obgleich in dem Aeußern desselben nichts Zurückstoßendes lag, so forderte es doch auch nicht zur Mittheilung auf, sondern zeigte im Gegentheil eine augenfällige Zurückhaltung. Der Hausherr erhob sich daher, um den Fremden in ein anderes Zimmer zum Abendessen zu führen, ohne von ihm etwas, was irgend einen Aufschluß über seinen Charakter geben mochte, erfahren zu haben. Herr Harper bot Sara Warton den Arm, und sie traten mit einander in's Speisezimmer, während Franciska folgte, ohne zu wissen, ob sie nicht vielleicht die Gefühle des Gastes ihres Vaters verletzt habe.

Der Sturm begann außen mit aller Heftigkeit zu toben, und die Regengüsse, welche gegen die Wände des Gebäudes schlugen, weckten jenes stille Gefühl von Behaglichkeit, welches solche Töne in einem angenehmen warmen Zimmer hervorzubringen im Stande sind, als plötzlich ein lautes Pochen den treuen Schwarzen wieder an das Außenthor rief. Eine Minute später kehrte der Diener wieder zurück und theilte seinem Herrn mit, daß ein zweiter Reisender, vom Sturm überfallen, um Einlaß und um ein Obdach für die Nacht bitte.

Bei den ersten Tönen der ungeduldigen Aufforderung dieses neuen Bewerbers hatte Herr Wharton sich mit sichtlichem Mißbehagen von seinem Sitze erhoben, und während er die Blicke rasch von seinem Gaste zur Zimmerthüre gleiten ließ, schien er von dieser zweiten Störung etwas zu erwarten, was mit dem Fremden, der die erste veranlaßt hatte, in Verbindung stand. Er hatte kaum Zeit, dem Schwarzen leise den Auftrag zu geben, daß er den neuen Ankömmling hereinführen solle, als die Thüre hastig aufgerissen wurde, und der Fremde selbst ins Zimmer trat. Er hielt einen Augenblick an, als er Harpers ansichtig wurde, und wiederholte dann in mehr förmlicher Weise das Gesuch, welches er bereits dem Diener vorgetragen hatte. Herrn Wharton und seiner Familie kam dieser neue Besuch äußerst ungelegen; aber das Ungestüm des Wetters und das Ungewisse der Folgen, wenn man dem Fremden ein Obdach verweigerte, veranlasste den alten Herrn, wenn auch mit Widerwillen, der Bitte zu willfahren.

Miß Peyton ließ einige Schüsseln wieder aufstellen, und der durchnäßte Eindringling wurde eingeladen, sich die Reste des Mahles gefallen zu lassen, von welchem die übrige Gesellschaft sich eben erhoben hatte. Er legte den rauhen großen Ueberrock bei Seite, nahm sehr gefaßt den angebotenen Stuhl und machte sich ohne Umstände an die Befriedigung der Anforderungen seines Appetites, der nicht im mindesten ekel zu seyn schien. Bei jedem Bissen aber warf er einen unruhigen Blick auf Harper, welcher sein Auge spähend auf ihm ruhen ließ, und ihn dadurch in große Verlegenheit setzte. Endlich füllte sich der neue Ankömmling ein Glas mit Wein, nickte, ehe er trank, seinem Beobachter bedeutungsvoll zu und sagte nicht ohne einige Bitterkeit des Tones:

»Ich trinke auf unsere bessere Bekanntschaft, Herr! Ich glaube, es ist das erstemal, daß wir uns treffen, obgleich die Aufmerksamkeit, mit welcher Sie mich betrachten, mich das Gegentheil vermuthen läßt.«

»Die Qualität des Weines schien nach seinem Geschmack zu seyn, denn als er das Glas wieder auf den Tisch stellte, schnalzte er mit den Lippen, daß es durch das ganze Zimmer tönte; dann nahm er die Flasche und hielt sie einen Augenblick schweigend gegen das Licht, um die Klarheit und das Feuer seiner Farbe zu betrachten.

»Ich denke nicht, daß wir uns früher gesehen haben, mein Herr,« erwiederte Harper mit einem leichten Anflug von Lächeln, als er die Bewegungen des Andern beobachtete; dann wandte er sich, scheinbar befriedigt vom dem Ergebniß seiner Untersuchung, zu Sara Wharton, welche neben ihm saß, und warf nachläßig die Bemerkung hin: »Sie werden ohne Zweifel Ihren gegenwärtigen Aufenthalt sehr einsam finden, nachdem Sie die Annehmlichkeiten des Stadtlebens gekostet haben.«

»Ach, sehr,« versetzte Sara rasch. »Ich wünsche mit meinem Vater, daß dieser grausenvolle Krieg zu Ende wäre, um wieder einmal zu unsern Freunden zurückkehren zu können.«

»Und Sie, Miß Franciska, sehnen Sie sich auch so sehr nach dem Frieden, wie Ihre Schwester?«

»In mancher Hinsicht gewiß,« erwiederte das Mädchen, indem sie einen furchtsamen Blick auf den Frager warf; da sie aber in seinem Gesichte demselben Ausdrucke des Wohlwollens begegnete, wie früher, so fuhr sie mit leuchtendem Antlitz und einem sprechenden sinnigen Lächeln fort: »aber nicht auf Kosten der Rechte meiner Landsleute.«

»Rechte?« wiederholte ihre Schwester ungeduldig. »Wessen Rechte können gewichtiger seyn, als die eines Souveräns? und welche Pflicht ist klarer, als der Gehorsam gegen diejenigen, welche ein natürliches Recht zu befehlen haben?«

»Gewiß, keine,« sagte Franciska mit scherzender Heiterkeit, faßte zärtlich die Hand ihrer Schwester mit der ihrigen und fügte mit einem Lächeln gegen Harper bei:

»Ich habe Ihnen bereits bemerkt, daß meine Schwester andere politische Ansichten hat, als ich. Wir haben aber einen unparteiischen Schiedsrichter in unserem Vater, welcher seine Landsleute und die Engländer liebt, und daher bei keinen von beiden Partei nimmt.«

»Ja,« sagte Herr Wharton, indem er etwas beunruhigt zuerst den einen, dann den andern seiner Gäste anblickte; »ich habe nahe Freunde in beiden Armeen und fürchte den Sieg einer jeden, weil er die Quelle eines mich näher angehenden Unglücks werden kann.«

»Ich denke, Sie werden in dieser Hinsicht wenig von den Yankees zu befürchten haben,« unterbrach ihn der an dem Tische sitzende Gast, indem er sich wieder ein Glas aus der bewunderten Flasche füllte.

»Seine Majestät mag erfahrenere Truppen haben, als der Congreß,« erwiederte der Wirth ängstlich, »aber die Amerikaner haben sie mit einem ausgezeichneten Erfolg bekämpft.«

Harper achtete nicht auf die Bemerkungen der sprechenden Personen und erhob sich mit der Bitte, daß man ihm ein Schlafgemach anweisen möchte. Ein kleiner Bursche wurde beauftragt, ihn zu seinem Zimmer zu führen, und nachdem der Reisende der ganzen Gesellschaft höflich gute Nacht gewünscht hatte, zog er sich zurück. Als die Thüre sich hinter Harper schloß, entfielen Messer und Gabel den Händen des unwillkommenen Eindringlings; – er erhob sich langsam von seinem Sitze, näherte sich mit aufmerksamem Horchen der Thüre des Zimmers, öffnete sie, schien auf die Tritte des sich Entfernenden zu lauschen und schloß sie wieder unter großem Schrecken und Staunen der Anwesenden. Dann war in einem Augenblick die rothe Perücke, welche seine schwarzen Locken verbarg, das große Pflaster, welches sein halbes Gesicht der Beobachtung entzog und der gekrümmte Rücken, der ihn als einen Fünfziger erscheinen ließ, verschwunden.

»Mein Vater! mein theurer Vater!« rief der schöne junge Mann, »und ihr, meine lieben Schwestern, meine liebe Tante! – Sehe ich euch endlich wieder?«

»Gott segne dich, mein Heinrich, mein Sohn!« rief der erstaunte, hoch entzückte Vater, während die beiden Schwestern ihn umarmten und in Thränen zerflossen.

Der treue alte Schwarze, welcher von Kindheit an in dem Hause seines Gebieters erzogen worden und, als geschehe es in höhnendem Widerspruch mit seiner niedrigen Lage, den Namen Cäsar erhalten hatte, war der einzige weitere Zeuge dieser unerwarteten Enthüllung von Herrn Whartons Sohne. Er ergriff die ausgestreckte Hand seines jungen Herrn, bedeckte sie mit heißen Küssen und entfernte sich. Der Knabe, welcher Harpern geleitet hatte, trat nicht wieder in's Zimmer, und als der Neger nach einer Weile zurückkehrte, stellte gerade der junge Capitän die Frage: »Aber wer ist dieser Harper? – Wäre er wohl im Stande, mich zu verrathen?«

»Nein – nein – nein – Massa Harry,« rief der Schwarze, indem er zuversichtlich den Kopf schüttelte; »ich haben gesehen – Massa Harper auf sein Knie – beten zu Gott – kein Mann, der beten zu Gott, sagen, daß ein guter Sohn kommen zu sehen alten Vater. – Schinder thun das – nicht Christ!«

Diese üble Meinung von den Schindern beschränkte sich nicht allein auf Meister Cäsar Thompson, wie er sich selbst nannte – oder Cäsar Wharton, unter welchem Namen er dem kleinen Kreise, welcher etwas von seinem Daseyn wußte, bekannt war. Politik und vielleicht auch die Noth hatte die amerikanischen Heerführer in der Nähe von Neu-York veranlaßt, sich zu Ermüdung des Feindes gewisser untergeordneten Agenten von sehr zweideutigem Charakter zu bedienen, welche nebenzu ihre eigenen niedrigeren Zwecke verfolgten. Es war kein Zeitpunkt, auf ermüdende Untersuchungen von Mißbräuchen irgend einer Art einzugehen, und Unterdrückung, und Ungerechtigkeit waren die natürlichen Folgen des Besitzes einer militärischen Macht, welche durch keine bürgerliche Gewalt gezügelt wurde. So bildete sich denn allmählig eine Rotte, welche sich einzig damit abzugeben schien, ihren Mitbürgern den geringen Ueberschuß zeitlicher Güter, deren sie sich erfreuen mochten, unter dem Vorwande des Patriotismus und der Freiheitsliebe abzunehmen.

Gelegentlich fehlte es auch nicht, daß das kriegerische Ansehen derartige willkührliche Vertheilungen des Besitzthums erzwingen half, und ein unbedeutender militärischer Gewalthaber vermochte Handlungen der zügellosesten Raubgier und nicht selten der Mordlust – den Anschein von Gerechtigkeit zu verleihen.

Von Seite der Engländer wurde gleichfalls nichts versäumt, die Loyalität aus ihrem Schlummer zu wecken, da sich hier zu ihrer Anwendung ein so ergiebiger Boden darbot. Doch waren ihre Freibeuter regelmäßige Corps, welche in ihrem edeln Gewerbe mehr systematisch zu Werk gingen. Lange Erfahrung hatte ihre Führer die Wirksamkeit der Kräftevereinigung kennen gelehrt, und wenn anders die Sage ihrer Handlungsweise nicht Unrecht thut, so hat der Erfolg, solche Vorsicht nicht wenig gerechtfertigt. Die Corps hatten, – wie wir vermuthen, wegen ihrer bekannten Vorliebe für diese nützlichen Thiere –, den bezeichnenden Namen der ›Kühjungen‹ erhalten.

Cäsar dachte jedoch viel zu loyal, um Leute, welche in König Georg's des Dritten Dienst standen, mit den unregelmäßigen Kriegern zu verwechseln, von deren Ausschweifungen er so oft Zeuge gewesen war und gegen deren Raubsucht ihn nicht einmal seine Armuth und seine Leibeigenschaft zu schützen vermochte. Die Kühjungen erhielten daher nicht den ihnen gebührenden Antheil in seinem schwarzen Register, wenn er sagte, kein Christ, nur ein ›Schinder‹ wäre im Stande, ein zärtliches Kind zu verrathen, welches unter so großen Gefahren seinen Vater mit einem Besuche beehre.

Zweites Kapitel

So lebt er manches schöne Jahr vergnügt, Ununterbrochen; doch des Schicksals Tücke Trennt ihren Bund – dem Tod sie früh erliegt, Und nur Gertrude noch sich an den Vater schmiegt.

Gertrude von Wyoming.

Der Vater des Herrn Wharton war in England geboren und stammte aus einer Familie, deren Einfluß auf das Parlament sie in den Stand setzte, einen jüngern Sohn in der Kolonie Neu-York zu versorgen. Der junge Mann hatte sich, wie hundert andere in seiner Lage, für immer in diesem Lande angesiedelt. Er nahm eine Frau, und der einzige Sprößling dieser Verbindung wurde früh nach England geschickt, um die Vortheile der dortigen Schulen zu genießen. Nachdem dieser seine Studien auf einer der Universitäten des Mutterlandes beendigt hatte, gestattete man dem Jüngling sich im Leben selbst umzusehen, um die Gesellschaft und den in Europa geltenden Ton kennen zu lernen. Als er sich aber zwei Jahre in dieser Weise umhergetrieben hatte, starb sein Vater wodurch er veranlaßt wurde, in die Heimath zurückzukehren, wo seiner ein geachteter Name und eine ansehnliche Hinterlassenschaft harrte.

Es gehörte zu der Mode jener Zeit, die Söhne gewisser Familien in der englischen Armee oder Flottes als der gewöhnlichen Stufenleiter des Emporkommens, unterzubringen. Die meisten hohen Stellen in den Colonien waren mit Männern besetzt, welche mit dem Waffendienst ihre Laufbahn begonnen hatten und es war keine ungewöhnliche Erscheinung, daß ein alter Krieger das Schwert bei Seite legte, um sich auf den Bänken des höchsten Gerichtshofs den Hermelin umzuwerfen.

Im Einklang mit diesen Ansichten hatte auch der ältere Wharton seinen Sohn zum Soldaten bestimmt, aber eine natürliche Weichlichkeit des Charakters, welche sich bereits bei dem Kinde aussprach, war seinen Wünschen in die Quere gekommen.

Der junge Mann brachte ein Jährchen damit zu, die beziehungsweisen Vortheile der verschiedenen Waffengattungen zu erwägen, als ihm durch den Tod seines Vaters die Wahl erspart wurde. Das Behagliche seiner Lage und die Aufmerksamkeiten, welche an einen Jüngling verschwendet wurden, der sich eines der größten Besitztümer in den Colonien zu erfreuen hatte, kreuzten seine ehrgeizigen Plane. Die Liebe gab in der Sache den Ausschlag, und als Herr Wharton Gatte geworden war, fiel es ihm nicht mehr ein, an seine beabsichtigte kriegerische Laufbahn zu denken. So lebte er viele Jahre glücklich im Kreise seiner Familie und geachtet von seinen Landsleuten als ein Mann von Bedeutung und unbescholtenen Sitten, als auf einmal sein ganzes Glück, so zu sagen, mit einem Streich vernichtet wurde. Sein einziger Sohn, der im vorigen Kapitel eingeführte Jüngling, hatte in der Armee Dienste genommen und war kurze Zeit vor dem Anfang der Feindseligkeiten mit den Verstärkungen in sein Geburtsland zurückgekommen, welche das Ministerium in die mißvergnügten Gegenden von Nord-Amerika zu senden für gut hielt. Seine Töchter sollten eben, in die Welt eingeführt werden, und ihre Erziehung schien die Benützung aller Hülfsmittel nöthig zu machen, welche das Leben in größeren Städten bietet. Die Gesundheit seiner Gattin nahm schon seit mehreren Jahren ab, und sie hatte kaum Zeit, ihren Sohn, an's Herz zu drücken und sich des Beisammenseins ihrer Familie zu erfreuen, als die Revolution ausbrach und sich in leckender Flamme von Georgien bis nach Massachusetts verbreitete. Dieser Schlag war zu heftig für den kränkelnden Zustand der Mutter, welche ihren Sohn in's Feld ziehen sah, um gegen ihre eigenen Familienglieder im Süden zu kämpfen, und sie erlag der Ueberwucht desselben.

In keinem Theile des amerikanischen Festlandes waren die Sitten der Engländer und ihre aristokratischen Begriffe von Adel und Familieneinfluß vorherrschender, als in einem gewissen Bezirke unmittelbar um die Hauptstadt Neu-York. Die Gewohnheiten der früheren holländischen Bewohner hatten sich zwar einigermaßen mit den englischen vermischt, aber doch behaupteten letztere entschieden das Uebergewicht. Die Anhänglichkeit an Großbrittanien wurde noch durch die häufigen Heirathen der Offiziere des Mutterlands in die reicheren und angeseheneren Familien der Nachbarschaft vermehrt, so daß sich bei dem Beginn der Feindseligkeiten durch diesen Zusammenfluß der Umstände die Kolonie fast auf die Seite der Krone hinüberneigte. Einige der ersten Familien erklärten sich jedoch für die Sache des Volkes, nahmen den Bemühungen der ministeriellen Partei gegenüber eine feste Stellung an und führten eine unabhängige republikanische Regierung ein, welcher, sie, unterstützt von der Waffenmacht der Konföderation, Ansehen zu verschaffen wußten.

Die Stadt Neu-York mit dem anliegenden Gebiet stand allein nicht unter der Herrschaft des neuen Freistaates, obgleich das königliche Ansehen sich nicht weiter erstreckte, als es durch die Gegenwart der Armee geltend gemacht werden konnte. Unter diesen Umständen bedienten sich die einflußreicheren königlich Gesinnten solcher Maaßregeln, wie sie gerade ihren Charakteren und ihren Verhältnissen angemessen waren. Viele ergriffen zum Schutze der Krone die Waffen und mühten sich, durch Tapferkeit und Anstrengung das, was sie für die Rechte ihres Fürsten hielten, zu sichern und ihre Besitzthümer gegen die Wirkungen des Konfiscationsgesetzes zu vertheidigen. Andere verließen das Land und suchten auf jener Insel, welche sie vorzugsweise ihre Heimath nannten, für die paar Monate der Verwirrung und Kriegsgefahr – denn länger konnte, wie sie sehnlich hofften, der Kampf nicht dauern – eine Zuflucht. Ein dritter und vorsichtigerer Theil blieb aus kluger Berücksichtigung seiner großen Besitzungen und vielleicht auch aus Anhänglichkeit an den Tummelplatz seiner Jugendjahre an der Stätte seiner Geburt. Zu diesen letzteren gehörte auch Herr Wharton. Nachdem er zur Vorsorge gegen künftige Unfälle im Geheimen all sein Geld in der englischen Bank niedergelegt hatte, entschloß sich dieser Ehrenmann, auf dem Schauplatze des Krieges auszuharren und eine strenge Neutralität zu beobachten, um sich unter allen Umständen seinen großen Grundbesitz zu sichern. Er war scheinbar ganz mit der Erziehung seiner Töchter beschäftigt, als ihm ein Verwandter, welcher bei der neuen Regierung eine hohe Stelle begleitete, die vertrauliche Mittheilung machte, daß der Aufenthalt in einer Gegend, wo sich jetzt ein brittisches Lager befände, von seinen Landsleuten nicht viel anders betrachtet werde, als ob er die Hauptstadt des brittischen Reiches zu seinem Wohnort gewählt hätte. Herr Wharton sah bald, daß dieses bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge ein unverzeihlicher Fehler sey, und er entschloß sich sogleich, der Schwierigkeit dadurch zu begegnen, daß er sich auf's Land zurückzog. Er besaß ein Landhaus in der Grafschaft West-Chester, in welchem er seit vielen Jahren die heißen Sommermonate zuzubringen pflegte, weßhalb er es auch immer in einem wohnlichen und für seine Bequemlichkeit geeigneten Stande erhielt. Seine älteste Tochter war bereits in die Cirkel der modernen Damenwelt eingeführt; aber Franciska, die jüngere, bedurfte noch eines ein- oder zweijährigen Unterrichts, um mit dem gehörigen Glanze auftreten zu können – wenigstens war dies die Ansicht von Miß Jeanette Seyton, und da diese Dame, eine jüngere Schwester ihrer hingeschiedenen Mutter, ihr Vaterhaus in der Colonie Virginien verlassen hatte, um mit der ihrem Geschlechte eigentümlichen Aufopferung und Liebe die Obhut über ihre verwaisten Nichten zu übernehmen, so fühlte Herr Wharton wohl, daß ihre Meinung geachtet werden müsse! Im Einklang mit diesem Rathe mußte, also die Eitelkeit des Vaters der Wohlfahrt seiner Kinder weichen.

Herrn Whartons Herz war zerrissen, als er von Allem, was seine angebetete Gattin zurückgelassen hatte, sich trennen sollte; doch gehorchte er der Klugheit, welche ihn laut zu Erhaltung seiner zeitlichen Güter aufforderte, und zog sich nach den Locusten Eine in Amerika häufig vorkommende Baumart aus der Familie der Leguminosen, die von der Stellung der Blätter auch den Namen Heuschreckenbaum führt und deren häufiges Vorkommen ohne Zweifel der Gegend den Namen geliehen hat. zurück. Sein schönes Haus in der Stadt wurde inzwischen von der Tante und den Töchtern bewohnt. Das Regiment, zu welchem Capitän Wharton gehörte, bildete ein Theil der ständigen Besatzung der Stadt, und die Ueberzeugung, daß seine von ihm entfernten Töchter, um welche er immer ängstlich bekümmert war, in der Anwesenheit seines Sohnes des nöthigen Schutzes genössen, gereichte dem Vater zu nicht geringem Troste. Aber Capitän Wharton war ein junger Mann und – Soldat. Menschenkenntnis spielte bei ihm nur eine untergeordnete Rolle, und die Vorliebe für seinen Stand ließ ihn glauben, daß ein rother Rock nie ein unehrenhaftes Herz bedecken könne.

Herrn Whartons Haus wurde, wie das einer jeden anderen Familie, welche man der Beachtung würdig hielt, der tongemäße Conversationsplatz müssiger Officiere aus der königlichen Armee. Die Folgen einer solchen Verbindung waren nur für wenige der besuchten Familien glücklich, für mehrere nachtheilig, weil dadurch Hoffnungen rege wurden, welche nie in Erfüllung gehen konnten – und unglücklicherweise für eine nicht geringe Anzahl verderblich. Der bekannte Reichthum des Vaters und vielleicht auch die Gegenwart eines hochsinnigen Bruders ließen zwar für die jungen Damen die letztere Gefahr nicht befürchten; aber es war unmöglich, daß die Huldigungen, welche Miß Sara's schöner Gestalt und lieblichem Antlitz dargebracht wurden, ganz auf unfruchtbaren Boden fielen. Ihr Körper zeigte die frühe Reife des Klimas, und eine sorgfältige Ausbildung ihrer Reize hatte sie unstreitig zur ersten Schönheit der Stadt gemacht. Keine, als vielleicht ihre jüngere Schwester, durfte hoffen, ihr diesen weiblichen Vorrang streitig zu machen. Aber Franciska hatte das bezaubernde Alter von sechszehn Jahren noch nicht ganz erreicht, und der Gedanke einer Nebenbuhlerschaft blieb der Seele beider sich zärtlich liebenden Mädchen fremd. In der That war es auch, außer der Unterhaltung mit Obrist Wellmere, Sara's größtes Vergnügen, die Blüthenknospen der kleinen Hebe zu betrachten, welche in der ganzen Unschuld der Jugend, mit der vollen Gluth einer feurigen Seele und der Schalkhaftigkeit angeborner Laune um sie spielte. War es vielleicht, daß der kleinen Franciska keine von den Artigkeiten, welche ihrer älteren Schwester so reichlich zuflossen, zu Theil wurde, oder hatte es einen anderen Grund – kurz, die Unterhaltungen über kriegerisches Verdienst, welche unter den süßen Herrchen von der Armee, die das Haus besuchten, so oft wiederholt wurden, übten auf die beiden Schwestern einen ganz entgegengesetzten Einfluß. Es gehörte damals zum Ton der brittischen Officiere, von ihren Feinden verächtlich zu sprechen, und Sara nahm die eiteln Prahlereien ihrer Verehrer für Wahrheit. Die ersten politischen Meinungen, welche Franciska's Ohr erreichte, waren daher von Hohnworten über das Benehmen ihrer Landsleute begleitet. Zuerst glaubte auch sie denselben; aber hin und wieder mußte ein General seinen Feinden Gerechtigkeit widerfahren lassen, um selbst Gerechtigkeit zu finden, und endlich wurde es Franciska etwas zweifelhaft, ob es denn auch mit der Unfähigkeit ihrer Landsleute seine Richtigkeit habe. Obrist Wellmere war unter denen, welchen es das meiste Vergnügen machte, ihren Witz über die unglücklichen Amerikaner auszulassen, und Franciska fing bald an, seiner Beredtsamkeit mit Argwohn und bisweilen mit Empfindlichkeit zuzuhören.

Einmal befanden sich an einem drückend heißen Tage die Drei in dem Gesellschaftszimmer von Herrn Wharton's Hause. Der Obrist und Sara saßen auf dem Sopha und gaben unter dem gewöhnlichen nichts sagenden Geplauder dem Spiele ihrer Augen Raum, während sich Franciska an dem entgegengesetzten Ende des Zimmers mit ihrem Stickrahmen beschäftigte, als Wellmere plötzlich ausrief:

»Wie wird sich die ganze Stadt über die Ankunft der Armee unter General Burgoyne freuen, Miß Wharton!«

»Ach, wie angenehm muß das seyn,« erwiederte die gedankenlose Sara. »Man hat mir gesagt, es seien viele bezaubernde Frauen bei jener Armee. Gewiß wird sie, wie Sie sagten, Leben und Heiterkeit verbreiten.«

Franciska strich die Fülle ihrer goldenen Locken zurück und erhob die Augen, welche von der Gluth ihres Nationalgefühls strahlten, dann lachte sie und fragte mit versteckter Schalkhaftigkeit:

»Ist es so gewiß, daß man den General Burgoyne die Stadt erreichen läßt?«

»Erreichen läßt?« wiederholte der Obrist. »Wer wird ihn wohl daran hindern, meine hübsche Miß Fanny?«

Franciska war gerade in dem Alter, wo Mädchen am eifersüchtigsten auf ihre Stellung in der Gesellschaft sind, da man sie nicht eigentlich zu den Damen rechnen und doch auch nicht als Kinder behandeln kann. Das »hübsche Miß Fanny« klang zu vertraulich, um ihr zu behagen, und sie ließ ihre Augen wieder auf ihre Arbeit sinken, indeß ihre Wangen wie Purpur glühten.

»General Stark hat die Deutschen abgefangen,« antwortete sie, und legte den Finger an ihre Lippe. »Könnte es General Gates nicht für zu gefährlich halten, die Britten frei ausgehen zu lassen?«

»Ach! das waren Deutsche, wie Sie selbst sagen,« rief der Obrist, höchst verdrießlich über die Nothwendigkeit, sich überhaupt darüber aussprechen zu müssen; »bloße Miethtruppen! Aber wenn es sich um die eigentlichen brittischen Regimenter handelt, so werden Sie ganz andere Erfolge sehen.«

»Daran ist gar kein Zweifel,« versetzte Sara, ohne auch nur im mindesten die Empfindlichkeit des Obristen gegen ihre Schwester zu theilen, aber doch bereits in ihrem Herzen den Engländern zu ihren Siegen Glück wünschend.

»Ei, sagen Sie mir doch, Obrist Wellmere,« entgegnete Franciska, indem sie ihre heitere Laune wieder annahm und ihren schelmischen Blick auf den Offizier richtete; »war der Lord Percy von Lexington ein Verwandter von dem, welcher bei Chevy-Chase kämpfte?«

»Ha, Miß Fanny, Sie werden eine Rebellin,« sagte der Obrist, welcher seinen Aerger weg zu lachen versuchte. »Was den Vorfall bei Lexington anbelangt, den Sie hier anzuführen belieben, so war er nichts weiter, als ein kluger Rückzug – so eine Art – von –«

»Durchgehendem Gefecht,« unterbrach ihn das neckische Mädchen, indem sie einen großen Nachdruck auf das erste dieser Worte legte.

»Sicherlich, meine junge Dame –« hier wurde Obrist Wellmere durch das Lachen eines Mannes unterbrochen, welchen er bisher nicht bemerkt hatte.

Neben dem Zimmer, in welchem unsere Drei sich aufhielten, war ein kleines Familiengemach, und der Luftzug hatte die zwischen beiden befindliche Thüre geöffnet. Man erblickte jetzt einen hübschen jungen Mann, welcher in der Nähe des. Eingangs saß und dessen lächelndes Gesicht bekundete, daß er der Unterhaltung mit vielem Vergnügen zugehört hatte. Er stand sogleich auf, und als er, mit dem Hute in der Hand, in die Thüre trat, zeigte sich ein schlanker wohlgebildeter Jüngling von dunkler Gesichtsfarbe, mit blitzenden, schwarzen Augen, aus welchen die Heiterkeit noch nicht ganz verwischt war, der den Damen seine Verbeugung machte.

»Herr Dunwoodie!« rief Sara überrascht; »ich wußte nicht, daß Sie im Hause sind. Sie werden es in diesem Zimmer kühler finden.«

»Ich danke Ihnen,« versetzte der junge Mann, »aber ich muß Ihren Bruder aufsuchen, der mich dort in den Hinterhalt legte, wie er es nannte, und seinem Versprechen gemäß schon vor einer Stunde hätte zurück seyn sollen.«

Er verbeugte sich, ohne eine weitere Erklärung zu geben, höflich gegen die Frauenzimmer, zurückhaltend und mit Würde gegen den Obrist und entfernte sich. Franciska folgte ihm in die Halle und fragte ihn hastig mit hohem Erröthen:

»Aber warum – warum verlassen Sie uns, Herr Dunwoodie? – Heinrich muß bald zurückkommen.«

Der Jüngling ergriff eine ihrer Hände, und der ernste Ausdruck des Gesichtes gab einem Blicke der Bewunderung Raum, als er erwiederte:

»Sie haben ihn hübsch abgefertigt, mein liebes Bäschen. Ach, vergessen Sie nie – nie das Land Ihrer Geburt, und erinnern Sie sich stets, daß Sie nicht, nur die Enkelin eines Engländers, sondern auch die eines Peyton sind.«

»Oh!« entgegnete das Mädchen lachend, »es würde schwer seyn, so etwas zu vergessen, so lange uns Tante Jeanette alle Augenblicke mit einer Vorlesung über unser Geschlechtsregister beglückt. – Aber warum wollen Sie fort?«

»Ich bin im Begriff, nach Virginien zu gehen, und habe noch viel zu thun.« Während er dieses sagte, drückte er ihr die Hand, blickte, ehe er die Thüre schloß, noch einmal zurück, und rief: »Bleiben Sie Ihrem Lande treu – bleiben Sie eine Amerikanerin.«

Als er sich entfernte, warf ihm das feurige Mädchen einen Kuß nach, kühlte dann mit ihren zarten Händchen ihre glühenden Wangen und eilte auf ihr Zimmer, um ihre Verwirrung zu verbergen.

Zwischen der offenen Spottrede Franciska's und der übel verhehlten Verachtung des jungen Mannes hatte sich Obrist Wellmere in einer sehr unangenehmen Lage gefühlt. Er scheute sich jedoch, wegen solcher Kleinigkeiten in Gegenwart seiner Dame der Empfindlichkeit Raum zu geben, und begnügte sich daher, als Dunwoodie das Zimmer verlassen hatte, mit der höhnischen Bemerkung:

»Sehr viele Freiheit für einen jungen Menschen in seiner Lage; – ein Ladenbursche mit einem Bündel, denke ich?«

Der Gedanke, sich den zierlichen Peyton Dunwoodie als einen Ladenburschen vorzustellen, konnte Sara nie zu Sinne kommen, und sie blickte überrascht um sich, als der Obrist fortfuhr:

»Dieser Herr Dun – Dun –«

»Dunwoodie! O nein – er ist ein Verwandter meiner Tante,« rief die junge Dame, »und ein vertrauter Freund meines Bruders. Sie waren Schulgefährten und trennten sich erst in England, wo der eine zur Armee und der andere auf eine französische Militär-Academie ging.«

»Er scheint sein Geld weggeworfen zu haben,« erwiederte der Obrist, und gab auf diese Weise die üble Laune, welche er zu verbergen bemüht war, zu erkennen.

»Wir wollen das hoffen,« fügte Sara lächelnd bei, »denn man sagt, er wolle sich dem Heere der Rebellen anschließen. Er kam in einem französischen Schiff hier an und ist eben erst ausgewechselt worden. Sie werden ihm wohl bald in den Waffen begegnen.«

»Nun, mag er. – Ich wünsche Washington viele solcher Helden;« dann brach er ab und lenkte das Gespräch auf einen angenehmeren Gegenstand.

Einige Wochen nach diesem Auftritt streckte Burgoynes Armee die Waffen. Herr Wharton, welcher anfing, den Ausgang des Kampfes für zweifelhaft zu betrachten, entschloß sich, seine Landsleute mit sich auszusöhnen und zugleich seinem eigenen Verlangen nachzugeben, indem er die Töchter gleichfalls nach seinem gegenwärtigen Aufenthalt kommen ließ. Miß Peyton begleitete sie und seit dieser Zeit bis zu dem Beginn unserer Erzählung hatte sich die kleine Familie nicht wieder getrennt.

So oft die Hauptarmee eine Bewegung machte, war natürlich Capitän Wharton mit thätig, und ein- oder zweimal war es ihm unter dem Schutze starker Truppenabtheilungen, welche in der Nähe der Locusten operirten, möglich geworden, die Seinigen auf einen Augenblick heimlich zu besuchen. Seit der letzten Zusammenkunft war aber ein Jahr verflossen, und der ungeduldige Heinrich hatte sich, um einen Besuch zu bewerkstelligen, der oben erwähnten Maske bedient. Unglücklicher Weise war an dem gleichen Abend ein unbekannter und ziemlich verdächtiger Gast in dem Hause seines Vaters, welches selten Jemand anders, als seine gewöhnlichen Einwohner barg.

»Aber glaubt ihr, daß er Argwohn gegen mich hat?« fragte der Capitän mit Besorgniß, nachdem er Cäsar's Meinung von den Schindern vernommen hatte.

»Wie sollte er,« rief Sara,« da nicht einmal Dein Vater und Deine Schwestern Dich in Deiner Verkleidung erkannten?«

»Es ist etwas Geheimnißvolles in seinem Benehmen. Seine Blicke sind zu spähend für einen gleichgültigen Beobachter,« fuhr der junge Wharton gedankenvoll fort, »und sein Gesicht scheint mir