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Zwei der bekanntesten Bücher zum Thema Werwölfe in einem Band. Die vorliegenden Arbeiten von Wilhelm Hertz und Rudolf Leubuscher sind Standardwerke über den Werwolfglauben der Völker der Welt. Obwohl sie bereits im 19. Jahrhundert geschrieben wurden, haben sie auch heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Zur Bearbeitung der Originaltexte: Alle fremdsprachigen Textstellen wurden übersetzt, die Orthographie der modernen angepasst, und sonstige Unklarheiten beseitigt, die dem heutigen Leser sehr große Schwierigkeiten beim Studium der beiden Werke bereitet hätten. Des Weiteren wurde "Der Werwolf" von W. Hertz in überschaubare Kapitel eingeteilt, die in dieser Form im Originaltext nicht vorhanden sind, die allerdings das Buch nun überschaubarer gestalten.
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Seitenzahl: 337
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Kapitel – Etymologie des Begriffs „Werwolf“
Kapitel – Bibliographie der zum Thema erschienenen Schriften; verschiedene Erklärungstheorien
Kapitel – Einführung in die Werwolfsagen – Ursprünge und Entstehung der Tiersagen – Religiöse Hintergründe – der Wolf als Symbol
Kapitel – Lykanthropie als Geisteskrankheit
Kapitel – Die Tiersagen in Indien
Kapitel – Die Tiersagen bei den Samojeden und den Tartaren, der Wolf bei den Ägyptern – der sich in eine Hyäne verwandelnde Buda in Abyssinien
Kapitel – Die Tiersymbolik bei den Griechen – der Wolf als Symbol und heiliges Tier des Apollo – die Sagen über Lykaon – Menschenopfer bei den Arkadiern – Tierverwandlöungen bei der Zauberin Circe
Kapitel – Der Wolf bei den altitalischen Völkern, den Sabinern und Römern – die Lupercalien – der versipellis bei Petronius
Kapitel – Tierverwandlungen in der nordischen Mythologie – der Werwolf im germanischen Heldenepos – Etymologie der Wörter Wolf und varg – Berserker – Werwolfsagen in Dänemark, Finnland, Lappland, Schweden, Norwegen, Livland und Estland
Kapitel – Der Werwolf in England und Schottland
Kapitel – Der Werwolf in den Niederlanden
Kapitel – Sagen über Tierverwandlungen in Deutschland – Hexen, die sich in Katzen verkehren – Werwolfsagen – Der Werwolfprozeß gegen Peter Stubbe
Kapitel – Die Werwolfsagen in Spanien und Portugal – Der Werwolf in Frankreich – Marie de France: Lai du Bisclaveret – Lai du Melion – Werwolf-prozesse im 16. Jh. – Pierre Burgot und Michel Verdung – Gilles Garnier – die Familie Gandillon – Jean Grenier – der pathologische Werwolf – der Werwolf in jüngerer Vergangenheit
Kapitel – Die Werwolfsagen der Kelten in Irland – Hexen, die sich in Hasen verkehren
Kapitel – Die Werwolfsagen in Osteuropa – der Werwolf und der Vampir – Werwolfsagen über die Neuren – Werwolfsagen in Livland, Kurland, Polen, Rußland und der Slowakei
Kapitel – Werwolf und Vampir bei den Slawen in Osteuropa – Die Vampirsagen in Deutschland
Kapitel – Tierverwandlungen bei den Indianern Nordamerikas
Kapitel – Schluß
Der Name Werwolf, unrichtig Währwolf geschrieben, hat den älteren Erklärern viel Kopfzerbrechen verursacht. Wolfeshusius in seiner Schrift De Lycanthropis erklärt Werwölfe auf verschiedene Weise; Happelius, Relationes curiosae, Hamburg 1687, T. III. p. 493: „Wahrwölffe, die von Unsinnigkeit so eingenommen seyn, daß sie eben das thun, und die Leute anfallen, als wan sie wahrhaftige Wölffe wären.“ In Haubers Bibliotheca Magica 29. Stück 1742 wird aus der Nordschwedischen Hexerei oder Simia Dei p. 102 die Erklärung Wahr-, Gefahr-, Fahrwölfe angeführt. H. J. Fischart in der Übersetzung der Daemonomania Bodins p. 122 leitet das Wort von dem französischen garou (loup-garou) und dieses als „von den Teutschen Francken her behalten“ und Garaus, „von wegen ihrer Grewlichkeit, darmit sie Alten unnd Kindern den Garauß machen, oder soviel als Fahrauß von den geschwinden Außfahrten dieser Wölff. Daher auch etliche für Wehrwolff Fahrwolff, Wahrwolff und Gwarwolff sagen, vermeinend es komme von Gefahr oder Gewar, das ist von Sorg unnd Hüten, wie es dann nicht so gar ungereimt lautet: unnd auf diese weiß Bestünden der Frantzosen Wörter alle mit dem G. V. W. und Gw. in Teutscher Etemelogy.“
Die letztere Ansicht vertritt auch eine Deutung des englischen werewolf in einem Manuskript der Bodleiana zu Oxford (Nr. 546). „Es gab einige, die Kinder und erwachsene Menschen fraßen und kein anderes Fleisch aßen, so daß sie von dieser Zeit an entzückt waren von menschlichem Fleisch, es desto mehr haben wollten; und sie wurden werewolfes genannt, weil Menschen vor ihnen auf der Hut („be war“) sein sollten.“1
Ein neurer englischer Gelehrter leitet das Wort von war, wer Krieg2 ab (Brief an Lord Cawdor, der Ausgabe des altenglischen Gedichts William and the Werwolf von Madden, Lond. 1832, vorgedruckt).
Die älteste richtige Erklärung findet sich bei Gervasius Tilburiensis, Otia Imperialia (um das Jahr 1211), herausgegeben von F. Liebrecht, Hannover 1856, p. 4. „Die Engländer jedoch sagen werewlf, denn were bedeutet auf englisch Mann, wlf Wolf.“ Dieselbe wiederholt Verstegan, Restitution of Decayed Intelligence, Antwerp. 1605, p. 236. Somner, Dictionarium Saxonico-latino-anglicum, Oxon. 1659. 2. Wachter, Glossarium Germanicum. Lipsiae 1737. 2. v. werewulf u.A.
Wer heißt Mann, g. vair, altn. ver, alts. wer, ags. ver, ahd. wer, sanskr. vira heros, lat. vir, lith. wyras, altpreußisch wirs, walisisch gwr, irisch fair, fear. Das Wort ist uns noch erhalten in Wergeld – werigelt, und verborgen in Welt – ahd. weralt, mhd. werlt; das in Starkenburg und Oberhessen als Familienzuname vorkommende „Werwatz“ ist eine ganz ähnliche Komposition wie Werwolf, Watz ist der Eber (isl. hvatr das Männchen von den Tieren überhaupt), das Wort wird als Schimpfname für einen gefräßigen Menschen gebraucht. Weigand in Wolf’s Zeitschrift für deutsche Mythologie, Göttingen 1853. I. p. 5. Eine verdorbene Lesart von Werwolf ist das hin und wieder vorkommende bärwolf, Wachter, Glossarium Germ. – berwolf, Camerarius, Operae Horarum subcisivarum, Frankof. 1615, I. p. 327 – berwulf, Schambach und Müller, Niederländische Sagen, Göttingen 1855. p. 182 u.s.w.
Werwolf heißt also Mannwolf, ein Wolf, der eigentlich ein Mensch ist.3
1 Halliwell, Dictionary of Archaic and Provincial Words. Lond.1855, I. p. 15, v. acharmed.
2 Ein altenglisches Wort warwulf existiert allerdings, das Mathäus von Westminster mit lupus belli übersetzt, Annals of Scotland I. 279, note. Es bezeichnet eine Wurfmaschine, welche Edward I. bei der Belagerung von Stirling benützte. Peter Langtofts Chronicle, published by Th. Hearne, Oxford 1725, II. 326 hat ein Wort ludgare oder lurdare, was nach Lord Hailes mutmaßlicher Berichtigung eine verdorbene Lesart von loup de guerre ist. Annals II., 346. Grose in seinem Glossary of provincial words erinnert an eine von Procop in De bello Gothico L. I. c. 27 erwähnte Kriegsmaschine lupus, welche er mit der Edwards I. für identisch hält; Du Cange v. Lupus hält jedoch den lupus Procops für eine bloße Verteidigungsmaschine. Jamieson, Etymological Dictionary of the Scottish Language, Edinburgh 1840, II. v. warwulf. Dieses Wort hätte also, wenn die Übersetzung des Mathäus nicht auf einem Mißverständnis beruht, nichts mit der Vorstellung vom Werwolf zu schaffen.
3 Das germanische Wort premiert in der Zusammensetzung den Begriff Wolf, das griechische lykánthropos umgekehrt den Begriff Mensch.
Noch größeren Aufwand von Scharfsinn als der Name hat jedoch die Sache in Anspruch genommen. Mit der Hexenfrage war auch das Ob und Wie der Wolfsverwandlung Gegenstand der lebhaftesten Diskussion geworden. Wir haben aus den letzten drei Jahrhunderten eine ganze Reihe von Monographien über den Lycanthropus und die Tierverwandlung: Wolfeshusius, De Lycanthropis, Lipsiae 1591. 4. - Claude Prieur, Dialogue de Lycanthropie ou transformation d’hommes en loups vulgairement dits Loups-Garous, et si telle se peut faire, Louvain. 1596. 8. - Chauvincourt, Dicours de la Lycanthropie ou de la transmutation des hommes en loups. Paris 1599. 8. - Nynauld, De la Lycantropie, Transformation et Extase de Sorciers. Paris 1615. 12. - Fortunius Licetus, Ulisses apud Circen, Dialogus de quatruplici transformatione hominum, Utini 1636. 4. - Die von Wolfg. Ambros. Fabricius am 26. Februar 1649 in der Aula zu Straßburg verteidigten Thesen von der Lykanthropia, Argentorati 1649. - Mei, De Lycanthropia, Wittenb. 1650. 4. – Ziegrae, Disputatio contra Opliantriam, Lycanthropiam etc. Witteb. 1650. 4. – Niphanius, De Lycanthropia, Witteb. 1654. 4. - Thomasius, De transformatione hominum in bruta, Lips. 1667. 4. - Jac. Fr. Müller, De transmutatione hominum in lupos, Lips. 1673. 4. - Reinhardi Therantropismus, Witteb. 1673. 4. - Schelwig, De Lycanthropia, Gedani 1679. 4. - Seligmann, De dubiis hominibus, in quibus forma humana et brutina mista fertur, Lips. 1679. 4. - Lauben, Dialogi und Gespräche von der Lyanthropia oder der Menschen in Wölff Verwandlung, Frankfurt 1686. 12. - Philosophische Abhandlung von dem Entstehen, der Natur und dem Aufhören der Waarwölfe, Danzig 1746. 4.In der neuesten Zeit erschien Leubuscher, Ueber die Wehrwölfe und Thierverwandlungen im Mittelalter, Berlin 1850. 8.
Außerdem ist wenigstens die Berührung der Frage in keinem der unzähligen Bücher über Zauberei und Hexenwesen versäumt worden. Ich erwähne hier von den mir zugänglichen: Malleus Maleficarum, Pars. I, Quaestio X. - Liechtenberg, Hexenbüchlein, das ist ware Entdeckung und Erklärung oder Declaration fürnämlicher Artikel der Zauberey, durch J. Wecker an tag geben 1575. 8. ohne Pagination. - Joannes Wierus, De praestigiis Daemonum, Basil. 1583. 4. De Lamiis Liber, Cap, XIV. - Bodin, De la Demonomanie des Sorciers, Paris 1587. 4. - De Magorum Daemononmania, Francof. 1603. 8. - Übersetzt von Fischart, Vom Außgelassenen Wütigen Teuffelsheer, Straßburg 1591. fol. - Des weyland Hochgelehrten Johannis Bodini Daemonomania oder außführliche Erzehlung des wütigen Teuffels, im andern Theil von Remigius, Daemonolatria, Hamb. 1698. 8. Lib. II. C. I. - Binsfeldius, Tractatus de Confessionibus Maleficorum et Sagarum, Augustae Trevirorum 1591. 8. p. 178. Übersetzt: Tractat von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen, Trier 1590. 12. fol. 47. - Peucerus, Commentaria de praecipuis divinationum generibus, Servestae 1591. p. 166. - J. R. (Jacobus Rex), Daemonologie in Forme of a Dialogue, divided in three bookes, Edinb. 1597. 4. Third Booke, Chap. I. - R. V. (R. Verstegan) A Restitution of Decayed Intelligence in antiquities, Antwerp. 1605. 4. p. 237. - Boquet, Discours des sorciers, seconde Edition, Lyon 1608. 8. Chap. LIII. - De l’Ancre, Tableau de l’Inconstance des Mauvais Anges et Demons, Paris 1613. 4. L. IV. Discours II. : De la Lycanthropie. Übersetzt: Wunderbahrliche Geheimnussen der Zauberey darinn auß der Vhrgicht und Bekenntnuß vieler underscheidlicher Zauberer und Zauberinnen die vornembste Stück, so bey solchem Teuffelswesen umbgehen, beschrieben werden, gedrückt i. J. 1630. 4. - Kornmann, De miraculis vivorum, Francof. 1614. 12. p. 202. - Camerarius, Operae Horarum subcisivarum, 1615. 4. Centuria prima. Cap, LXXII. - Cervantes, Persiles y Sigismunda L. I. c. 18. - G. H. (George Hakewill), An Apologie of the Power and Providence of God in the Government of the World. Oxf. 1627. fol. L. I. C. I. Sect. 5. - Boissardus, Tractatus posthumus de Divinatione et Magicis Praestigiis, Oppenheimii. fol. p. 54. - Praetorius, Gründlicher Bericht von zauberey und zauberern, Frankf. 1629. 4. p. 74. - Praetorius, Anthropodemus Plutonicus, das ist eine neue Weltbeschreibung, Magdeb. 1666. p. 255: Von Thier-Leuten. - Dannhauer, Theologia Conscientiaria. P. 2 fol. 462. - Frommann, De Fascinatione magica. fol. 752. - Gödelmann, Von Zauberern, Hexen und Unholden, übersetzt durch Nigrinum, Frankf. 1692. 4. 2. Buch. 3. Capitel. - Gockel, Von dem Beschreyen und Verzaubern, Frankf. u. Leipz. 1717 p. 27. Schauplatz vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen von Tharsandern. 14. Stück. Berlin u. Leipz. 1738 Nr. 49; Von Weer-Wölfen. - Hauber, Bibliotheca Magica. 29. Stück. Cap. CCXLIII. Curiose Erzählung von den Währ-Wölffen. Anno 1742.
Es würde zu weit führen, wollte ich alle Erklärungstheorien dieser gelehrten Herren hier einzeln besprechen. Ich kann mich ohnedies um so kürzer fassen, als schon Leubuscher im zweiten Teil seiner Abhandlung die wichtigsten Ansichten zusammengestellt hat. Nur Wenige nahmen eine substantielle Umwandlung des menschlichen Körpers an; darunter Bodin gestützt auf Aussprüche der Philosophen Pomponatius, Theophrastus Paracelsus, Fernelius und Thomas von Aquino,4 ferner Liechtenberg in dem Kapitel „Wie sich die Hexen in Thier verkören“, der sich bemüht, seinen Lesern die Sache durch folgendes Bild klar zu machen: „Wie ein Hafner auß eim Leym ein Krug, ein Kachel oder ander Geschirr, und wieder zerbrochen machen mag, also ist dem Geyst und der Hexen. Der Geyst ist der Meister, die Hexen der Leym, und auff solich weiß wirt auß der Hexen ein Katz, Wolff, Geiß, u.s.w. und wirt da der Person nichts genummen, noch hinzu gesetzt. Sonder wie der Leym in die, dann in die andere Form geknettet wirt, also beschicht auch das, seynd ding den Geistern möglich und bekannt.“
Die meisten übrigen Schriftsteller leugnen diese wirkliche Verwandlung, hauptsächlich gestützt auf Augustin5 und das Konzil von Ancyra (i. J. 381), welches ausdrücklich verfügt: „Jeder, der daher in irgendeiner Art glaubt, daß es geschehen könne, daß irgendeine Kreatur sich in etwas Besseres oder Schlechteres könne verändern oder in eine andere oder ähnliche Gestalt verwandeln, außer durch den Schöpfer selbst, welcher alles geschaffen hat, und durch den alle Taten sind, dieser ist durch jenen Zweifel untreu und ärger denn ein Heide.“6
Die Wenigsten aber sind es, welche sämtliche Berichte von Tierverwandlungen für Lug und Trug erklären, wie z.B. Hauber a. a. O. III. 288.
Ich will die Resultate der weniger frivolen Untersuchungen in Kürze zusammenfassen: Es liegt im Geist jener Jahrhunderte, welcher in der Hexenbulle des Papstes Innocenz VIII. (Summis desiderantes vom 5. November 1484) und im Hexenhammer (1489) die Herrschaft des Teufels auf Erden proklamierte und ihm zu Ehren in allen Ländern Europas Scheiterhaufen qualmen und Schaffotte triefen ließ, - es liegt in diesem finstern Geist, daß der Satan, von dessen Macht selbst die ersten Männer der Zeit sich nicht frei mache konnten,7 auch in der überwiegenden Mehrzahl jener Schriften, welche die Wissenschaft repräsentieren sollten, die Hauptrolle spielte. Man unterschied so: entweder erscheint der Lycanthropus nur sich als Wolf oder er erscheint auch so den anderen. Im ersten Fall sind seine Sinne durch teuflische Phantasmata, durch Vermengung der „viererlei Säfte“ zerrüttet; im letzteren Falle lassen sich vier Erscheinungsweisen unterscheiden:
Der Teufel, der nur zu täuschen, nicht zu schaffen vermag, verblendet die Augen der übrigen Menschen, daß sie in dem Lycanthropen wirklich einen Wolf zu sehen meinen, obgleich dieser seine Menschengestalt nicht verändert hat.
Der Teufel umhüllt den Menschen mit einem Wolfsfell, das er ihm völlig anzupassen versteht.
Der Teufel umhüllt ihn mit einer Wolfsgestalt aus verdichteter Luft.8
Der Teufel versenkt ihn in einen tiefen Schlaf und vollbringt indes in Wolfsgestalt die Taten, welche der Schlafende nur träumt.9 Das letztere galt für wahrscheinlicher als die wohl auch zuweilen aufgestellte Ansicht, die Seele verlasse den Leib und schweife mit einem wirklichen oder scheinbaren Wolfskörper umher.
In den drei ersteren Fällen erklärt sich von selbst, warum die Wunden, welche dem Werwolf beigebracht werden, sich bei dem rückverwandelten Menschen an derselben Stelle finden; im letzteren Fall bringt der Teufel bei seiner Zurückkunft dem Schläfer die Wunden an der Stelle bei, wo er sie selbst empfangen hat.
Damit haben wir das Wesentliche beisammen, was das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert im Verständnis unserer Werwolfsage geleistet haben, und es mag dies zur Befriedigung der ersten Neugierde genügen. Aus der neueren Zeit, wo man den Streit über die Möglichkeit und Wirklichkeit der Tierverwandlung hinter sich hat, sind u. a. folgende Ansichten über die Sage zu erwähnen: Keysler in seinen Antiquitates Selectae Septentrionales et Celticae, Hannoverae 1720. erklärt den Glauben an Tierverwandlung aus einer Wahnvorstellung delirierender Kranker und schreibt einer falschen Auslegung von Daniel, Kap. 4. v. 22 ff., wo von dem tierischen Leben Nebukadnezars erzählt wird, viel von diesem Aberglauben zu. - Wachter in seinem Glossarium Germanicum führt die Wolfsverwandlung auf alte Kultusgebräuche, auf die Fellbekleidung der Priester bei heiligen Festen zurück.10 Dieser Ansicht neigt sich J. Grimm zu, Deutsche Mythologie. p. 997. 1047. – Mr. Herbert11 bezieht die Sage auf alte Menschenopfer und vermutete, das periodische Werwolfsein sei identisch mit dem periodischen Essen des Menschenfleischs bei Opfern. - Dunlop, History of Fiction, übersetzt von F. Liebrecht: Geschichte der Prosadichtungen, Berlin 1851, p. 429, findet in seiner oberflächlich rationalistischen Weise den Grund dieser Vorstellung im Betruge vermeintlicher Zauberer, welche vorgaben, derartige Verwandlungen bewirken zu können und sich vielleicht zu diesem Zweck in Wolfsfelle hüllten. - Pluquet in seinen Contes populaires – de l’arrondissement de Bayeux, Rouen 1834. p. 15 hält die Werwölfe für waldflüchtige Verbrecher. - Leubuscher, der Mediziner, leitet nach Vorgang Böttigers,12 Calmeils,13 u. A. die Vorstellung vom Werwolf aus einer Geisteskrankheit, aus der Dämonomanie ab. - Hanusch in seinem Aufsatz „Die Werwölfe oder Vlkodaci“ in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 1859 IV. p. 193 ff glaubt im Werwolf den alten riesenhaften wilden Jäger zu erkennen.
Es scheint mit vor allem mißlich, nur von einer dieser Anschauungen aus die Sage erschöpfend erklären zu wollen. Sie ist zu alt und zu verbreitet, um so einfacher Natur zu sein. Ihre Quellen verlieren sich im pfadlosen Dunkel unvordenklicher Zeit, und ihre Bäche haben sich seitdem bald getrennt, bald vereint durch so mannigfaltigen Boden, unter den verschiedensten Himmelsstrichen fortgewühlt, Farbe und Fülle nach Beschaffenheit ihres Bettes und ihrer Zuflüsse wechselnd, daß es überhaupt schwer werden möchte, aus ihren jetzigen Bestandteilen ihren Ursprung und Lauf historisch darlegen zu wollen.
4 Fischarts Übersetzung p. 126
5De civitate Dei L. XVIII. c. 16, 17, 18. S. auch Agrippa ab Nettesheim, De incertitudine et Vanitate omnium Scientiarum et Artium, Hagae Comitum 1662. C. XLIV. p. 149.
6 Can. XXVI. Quaest. V – Wolfeshusius, De Lycanthropis p. 16. Joh. Wagstaffs ausgeführte Materie von der Hexerei p. 66. Schauplatz ungereimter Meinungen, 14. Stück p. 582, Cardinal Boronius, Annales Ecclesiastiques, Vol. IV. sagt ein Gleiches von einem Konzil zu Rom im Jahre 382. Siehe auch Jus Canonicum, Causa XXVI. Quaestio V. Cap. 12.
7 man denke an Luthers Teufelsglauben und Teufelshalluzinationen
8 S. Elichius, Daemonomagia. C. 12.
9S. Sennertus, Institutiones Medicinae, Venet. 1611, fol. L. II. P. 3. Sect. 1. C. 7
10 Wachter führt die Betrachtung mit folgenden Worte ein: „Wenn die Sache aus den Bräuchen der Menschen möge beurteilt werden, daß Wölfe aus den Menschen werden und aus den Wölfen Menschen, so ist dieses sehr gewiß und aus der Erfahrung der Jahrhunderte erwiesen worden.“
11 Dies ist der Name des Gelehrten, welcher den oben angeführten Brief an Lord Cawdor geschrieben hat (Dasent, Popular Tales from the Norse, Edinb. 1859, p. LX).
12 Älteste Spuren der Wolfswut in der griechischen Mythologie, Kleine Schriften, herausgegeben von Sillig, Bd. I. Dresden und Leipzig 1837, p. 135 ff.
13De la folie, Paris 1845, übertragen von Leubuscher, Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten, Halle 1848. 8.
Ich werde im Folgenden versuchen, die einzelnen Werwolfsagen der verschiedenen Völker, soweit sie mir zugänglich waren, zusammenzustellen, und halte es dabei für eine wesentliche Erleichterung des Verständnisses, dieselben nicht als ganz besondere Erscheinungen, sondern im Zusammenhange mit den mannigfaltigen übrigen Sagen von Verwandlungen der Menschengestalt aufzufassen. Ich denke jedoch nicht daran, die schwierige Frage über den Ursprung der Sage lösen zu wollen, sondern bin überzeugt, der Sache mehr zu nützen, wenn ich die Kenntnis des reichhaltigen Materials zu fördern suche, welche jeder endgültigen Deutung, sofern eine solche überhaupt möglich ist, vorangehen muß. Nur mit wenigen vorausgeschickten Bemerkungen glaube ich die Gesichtspunkte andenken zu müssen, von denen aus nach meiner Meinung die Sage zu betrachten wäre.
Die Naturvölker übertrugen die schöpferische Freiheit ihrer Phantasie in das Leben der Natur, und wie sie im dichterischen Spiel der Gedanken Vorstellungen der verschiedensten Art verbanden, so fielen ihnen auch in der realen Welt die äußeren Schranken der Dinge, und die verschiedensten Gestalten und Wesen gingen ineinander über, da sich der Glaube des Volks bei seinen Vorstellungen mit der inneren poetischen Wahrheit begnügte. Der Rangunterschied zwischen Mensch und Tier war nun überhaupt unserem Geschlecht in der Urzeit noch nicht zum klaren Bewußtsein gekommen. Der einfache, im innigsten Verkehr mit der Natur lebende Waldbewohner fand zwischen sich und seinen tierischen – feindlichen oder freundlichen – Nachbarn so viel Gemeinsames in Bedürfnis, Lebensweise, Leidenschaften, Lust und Schmerz, Krankheit und Tod, daß sie ihm nicht anders als ebenbürtig, als Seinesgleichen erscheinen mußten. Doch bei gereifterer Beobachtung wurde ihm neben dieser Verwandtschaft ein geheimnisvoll Fremdartiges14 im Tiere fühlbar, die Tiere waren ihm so vielfach an Kraft, Gewandtheit, Kunstfertigkeit überlegen, er konnte von ihnen in Freundschaft und Feindschaft so mancherlei lernen, was ihm nutzte; dabei sah er die Tiere in stummem, scheuem Selbstgenügen und bei aller Regsamkeit sicher ihre Ziele verfolgen, ohne daß er erlauschen konnte, woher ihnen diese Klugheit und Sicherheit käme. So ahnte er denn darin eine Macht, höher als der Mensch, eine unheimliche, ehrfurchtgebietende Naturgewalt, das Wirken eines verborgenen Geistes. Aus dieser Empfindung und Anschauung entsprang die Vergöttlichung des Tieres – das Tiersymbol, und jenem Gefühl der Verwandtschaft die Vermenschlichung des Tiers. - Tiersage, Tierfabel und der Glaube an die Seelenwanderung.
Beide Anschauungen aber gingen nebeneinander her, ohne sich zu beeinträchtigen; von beiden aus kann man den Glauben an die Tierverwandlung ableiten. Der einfachste Weg ist der vom Gefühl der Verwandtschaft aus; die Phantasie findet so viel Menschenähnliches im Tier, daß sie in ihm eine menschliche oder doch halbmenschliche Seele ahnt und es so zum verwandelten Menschen macht oder wenigstens zu einem Wesen, das noch zum Menschen werden kann und soll.15 Doch führt dies eher auf die Annahme eines allgemeinen Naturgesetzes (wie bei den Indern), als auf den Glauben an sporadische willkürliche Tierverwandlungen hin. Dort strebt im Ganzen das Tier nach Menschentum, hier steigt der einzelne Mensch zur Tierheit wieder hinunter. Daher werden wir, so nahe es auch zu liegen scheint, im einfachen Verwandtschaftsgefühl zwischen Tier und Mensch nicht den Hauptgrund des Glaubens an Gestaltentausch zwischen beiden zu suchen haben. Der Grund liegt tiefer, in eigentümlichen religiösen Vorstellungen, in der sinnlichen Symbolisierung göttlicher Kräfte und Eigenschaften.
Dem Gott, der ursprünglich selbst in Tiergestalt gedacht worden war, wurde auch nach seiner Vermenschlichung die Fähigkeit erhalten, sich in die Gestalt eines jeden beliebigen Naturwesens zu verwandeln. Den Übergang hierzu bildete die Verbindung von Tierischem und Menschlichem in der Darstellung des Gottes (wie bei den Ägyptern und Assyrern). Um einen Zweck zu erreichen, der in menschlicher Gestalt unerreichbar schien, wählte die Gottheit in Mythos und Sage vorzugsweise Tiergestalt und zwar entweder die eines ihrem eigenen Charakter besonders entsprechenden oder doch ihrem augenblicklichen Vorhaben am besten dienenden Tieres. Am häufigsten erscheinen so die Götter, wenn sie sich verbergen oder eine schnelle Fahrt machen wollen.16 Diese Eigenschaft, ursprünglich also ein göttliches Vorrecht, wurde durch die Gnade der Götter auf ihre menschlichen Söhne und Lieblinge übertragen. Unter diesen waren die Priester, welche häufig von dem der betreffenden Gottheit heiligen Tier ihren Namen hatten; so hießen die Priester des Poseidon Stiere; die des Lupercus Crepi (ältere Form für capri Böcke); Eddén – Bienenkönig – hieß der Oberpriester der ephesischen Diana;17 melíttai – Bienen – hießen die Priesterinnen der Demeter; „Bärinnen der Artemis“ hießen die Jungfrauen in Athen, welche sich dieser Göttin weihten. Dies wurde bei religiösen Festen nicht selten durch die Fellbekleidung der Priester versinnlicht; so trugen die Jünglinge, welche dem Zeus auf dem Berg Oeta opferten, Widderfelle; so schlangen sich die nackten Luperci beim Fest der Lupercalien Bockfelle um die Lenden; so warfen die Mänaden Pantherfelle über; so hüllten sich die Mithraspriester in verschiedene Tiermasken18 u.s.w.
Die heiligen Tiere waren der Gottheit liebste Diener; darum glaubte der Mensch, sich die Gottheit besonders günstig zu stimmen, wenn er ihr in Gestalt ihrer Lieblinge entgegenträte. Dabei wurde aber wohl zugleich dem Volksglauben nahegelegt, daß die Gottheit ihren menschlichen Dienern die göttliche Gabe der Tierverwandlung wirklich verliehen habe. Aus dem Kreis der Priester gingen die Zauberer hervor, welche sich die wunderbaren Eigenschaften, die sonst nur als Geschenk der Gottheit erlangt wurde, durch Erkenntnis und Beherrschung geheimnisvoller Naturkräfte selbst aneigneten und anderen mitteilten. Dies wurde mehr und mehr als ein Abfall vom Göttlichen betrachtet, und die bösen Mächte kamen mit ins Spiel. Die Tierverwandlung wurde eine besondere Kunst der Zauberer, und das Unheimliche, das schon jenen Kultusgebräuchen innewohnte, kam nun vollends zur unbeschränkten Geltung. Auch die angeborene Fähigkeit der Verwandlung, welche ursprünglich ein besonderer Segen der Gottheit war, verkehrte sich nun zum Fluch, und ihr Besitzer galt als ein vom Schicksal aus der Menschengesellschaft verwiesenes und daher derselben feindliches Wesen.
Betrachten wir nun speziell den Wolf, so erscheint er, - das unersättlich mordgierige, bei Nacht und zur Winterszeit besonders gefährliche Raubtier, - als das natürliche Symbol der Nacht, des Winters und des Todes.19 Daher gehörte er vor allem den unterirdischen Mächten, den Erd- und Unterweltsgöttern an. Diese, welche man als die furchtbarsten am eifrigsten sich zu versöhnen suchte, wurden mit ganz besonderer Ehrfurcht betrachtet, und ihre Heilighaltung ging auch auf ihr symbolisches Tier, den Wolf, über, dem selber ein gewisser Kultus zukam.20 Spuren dieser Heiligkeit des Wolfes haben sich mannigfach in alten Gebräuchen und im Aberglauben der Völker erhalten.21
Der Wolf ist aber nicht allein das raubgierigste, er ist auch das schnellste, rüstigste unserer größeren vierfüßigen Tiere. Diese seine Rüstigkeit, seine wilde Kühnheit, seine grausame Kampf- und Blutgier verbunden mit seinem Hunger nach Leichenfleisch und seinen dadurch angeregten nächtlichen Besuchen der Totenfelder und Schlachtfelder macht den Wolf zum Begleiter und Gefolgsmann des Schlachtengottes. Er wird gedacht als der Freund jeder kühnen Tat und seine Begegnung ist den Unternehmenden Glück verheißend.22
Wie aber in der Naturanschauung die schlimmen Seiten des Wolfes seine besseren bei weitem überwogen, so wurde er auch für die ethische Anschauung vorzugsweise das Symbol des feindseligen Bösen. Denn alle Zerstörung ist für die naive Naturbetrachtung ein Übel und die Wirkung eines bösen oder doch zürnenden Gottes. Diese Symbolik findet sich besonders in der Mythologie, welche vor allen anderen von ethischen Ideen durchdrungen ist, in der germanischen. Hier ist der Wolf der Abkömmling der den Göttern und Menschen feindlichen und gefährlichen Riesen; der stärkste und furchtbarste derselben ist der Sohn Lokis, des bösen Gottes. In die christliche Sage übertragen wurde der Wolf das Tier des Satans.
All diese Vorstellungen haben auf die Entwicklung der Werwolfsage eingewirkt. In der ältesten Naturreligion wurde die Gottheit des Todes und der winterlichen Erde selber als Wolf gedacht und erhielt in dieser Gestalt blutige Sühnopfer und zwar vor den übrigen Göttern Menschenopfer. Ihre Priester trugen wohl in der Vorzeit Wolfsfelle und hatten nach dem Volksglauben die Gabe, sich in das Tier der Gottheit zu verwandeln. Hirpi, Wölfe, hießen z.B. die Priester des sabinischen Unterweltgottes Soranus.
Fernerhin war der Wolf als das schnelle, kampfgewandte Tier zum raschen Zurücklegen weiter Wege und zur Erlegung von Feinden besonders geeignet. Daher nahmen die Götter und die zauberbegabten Menschen zu solchen Zwecken Wolfsgestalt. In diesem Fall muß also der Wolf nicht notwendig zu der Gottheit, die seine Gestalt wählt, in innerer Verwandtschaft stehen, sondern diese Gestalt dient derselben rein äußerlich als untergeordnetes Mittel zum Zweck.
Durch die Bedeutung aber, welche der Wolf außer seiner natürlichen Gefährlichkeit für die ethische Symbolik hatte, erhielt die Wolfsverwandlung überhaupt einen unheimlichen diabolischen Charakter. In der späteren Zeit hieß der Teufel selber der Erzwolf, Archilupus,23 und erschien auch häufig in Wolfsgestalt.24 Und wie des Teufels einziges Ziel und Streben Verderben ist, so treten nun auch beim Werwolf alle andern Interessen vor dem Drang nach Mord und Zerstörung zurück; er nimmt die Tiergestalt an, einzig und allein um Schaden zu stiften. Der Werwolf wird wie die Hexe des Teufels Diener und ist an die Bedingungen des Teufelspaktes gebunden. Er steht unter dem Schutz und der Bewachung seines Herrn. Mehrere Werwölfe bekannten, daß, wenn sie nach Raub auszogen, der Teufel in Wolfsgestalt unter ihnen war (Boquet Discours etc. p. 340).
Dies mag wohl in den Hauptzügen die Entwicklung sein, welche die Werwolfsage aus religiösen Vorstellungen genommen hat.
Von großem Einfluß auf die Sage war aber fernerhin eine alte Rechtsvorstellung, welche den friedlosen Mörder mit dem Wolf zusammenstellte und diesen zum Symbol des Verbrechens und der damit verbundenen Strafe der Ächtung machte. Dieser Vorstellung werden wir bei Griechen und Germanen begegnen.25
14 Die Tiere sind in der Tat das Unbegreifliche: es kann sich ein Mensch nicht in eine Hundsnatur, soviel er sonst Ähnlichkeit mit ihr haben möchte, hinein phantasieren oder vorstellen; sie bleibt ihm ein schlechthin Fremdartiges. Hegel, Philosophie der Geschichte, sämtliche Werke, Bd. IX. p. 258
15 Ich erinnere an die merkwürdige Vermenschlichung der Schlangen in Indien, so z.B. das Gedicht „Das Schlangenopfer“ in Holtzmanns Indischen Sagen II. 127. In Armenien glaubt man, wenn eine Schlange am Berg Ilanagh oder Handagh (Schlangenberg) 25 Jahre alt geworden, ohne daß ein Mensch sie gesehen, so erhält sie die Kraft der Verwandlung, sie wird zum Drachen, pers. eischdaha, und vermag ihren Kopf in den jedes anderen Tieres zu verwandeln, so Menschen und Tiere zu ihrem Verderben täuschend. Erreicht aber die Schlange ein Alter von 60 Jahren, ohne je von einem Menschen gesehen und gestört worden zu sein, so nennt man sie auf persisch lucha (Ausdehnung) und dann erhält sie die Kraft, sich, so oft und so lange sie will, in jedes Tier, ja in jeden Menschen zu verwandeln. Haxthausen, Transkankasia, Leipzig 1865, I. 125. – Siehe ferner die alte Volkssage, daß die Störche sich in Menschen verwandeln, die jedoch in ihrer Gestalt noch viel Storchenähnliches haben, Gervasius, herausgegeben v. Liebrecht p. 157 u. A.
16 Ich erinnere nur an die häufige Verwandlung der Athene bei Homer.
17 Pausanias VIII. 13, 1.
18 Martinus, Die Verehrung des Mithras durch wilde und tierische Verkleidungen L. II. c. 35. – Unsere Maskeraden lassen sich unzweifelhaft auf Vermummungen bei religiösen Festen zurückführen.
19 Der Wolf war Symbol alles Feindlichen (Artemidor Oneirocritica II. 12) Schon sein Blick wirkte nach dem Volksglauben verderblich: Wenn man bei der Begegnung eines Wolfs von diesem zuerst gesehen wird, so wird man stumm; umgekehrt hat der Mensch nichts vom Wolf zu fürchten. Platos Staat, übersetzt von Prantl, Stuttgart 1857. Anm. 12. „So der Wolff zum ersten den menschen ersicht, so erstaunet der mensch davon, und stehet ihm die red. So aber der mensch den Wolff zum ersten mal ersicht, so erstaunet der Mensch davon, und stehet ihm die red. So aber der mensch den Wolff zum ersten ersicht, so erstaunet der Wolff, zittert von Forcht und schrecken.“ Gesner, Thierbuch, übers. von Forer, Heidelb. 1606. Fol. 154 S. – Hakewill, An Apologie of the Power etc. p. 10. – Fr. Pfeiffer, der Alten Weiber Philosophey Nr. 38, in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie III. 312. – Basile, Pentamerone , übers. von Liebrecht, Breslau 1848, I. 90, 400 – Passow, Griechisches Wörterbuch v. Lýkos.
20 Grimm, Deutsche Mythologie, 3. Ausgabe p. 46. – Wolf in seiner Zeitschrift für deutsche Mythologie I. 70 nennt den Wolf ein Opfertier; dies ist jedoch sicher unrichtig. Geopfert wurden von den Quadrupeden überhaupt fast ausnahmslos nur pflanzenfressende Haustiere. – Man scheut sich, den Wolf bei seinem Namen zu nennen, besonders in den Zwölften (den Nächten zwischen Weihnacht und Erscheinungsfest); Schauplatz ungereimter Meinungen, 14. Stück, Berlin und Leipzig 1738, p. 591. – In der Grafschaft Mark nannte man ihn Höltink – Hölzing, Holzhund; Wöste, Volksüberlieferungen; Iserlohn 1848, p. 49. – In den Wolfssegen heißt er walthundt, wallhund, feldhund, Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythologie I. 279, II. 117. – Die Inselschweden nennen ihn skôfâr Waldvater, han gâ grâ den alten Grauen, skôbîtare Waldbeißer, gâ grâhunn alten Grauhund, skôhynn Waldhund, auch Goldfuß oder Graufuß; Rußwurm, Eibofolke oder die Schweden an den Küsten Ehstlands und auf Runö, Reval 1855, II. 200. – Die Kurländer reden den Wolf, wenn er ihnen begegnet, höflich an; Sprengel, Beiträge zur Geschichte der Medizin, Halle 1791, 1. Bandes 2. Stück, p. 67. – Bei den Esten heißt er Graurock; Kreutzwald, der Ehsten abergläubische Gebräuche, St. Perersburg 1854, p. 120. – Bei den Letten mescha deews Waldgott; Kreutzwald, Mythische Lieder 119 und § 388. – S. auch Grimm, Reinhart Fuchs, Berlin 1834, I. V.
21 So wurde früher in Estland, wenn der Weg, den die Braut aus ihrem Heimatort in das Dorf des Bräutigams nehmen mußte, durch einen Wald führte, daselbst ein Speiseopfer für die Wölfe ausgesetzt. Kreutzwald, Der Ehsten abergläubische Gebräuche, Weisen und Gewohnheiten von J. W. Boecler, St. Petersburg 1854, p. 37. – Wenn die Wölfe heulen, so sagt man in Estland, sie klagen Altvater ihren Hunger, und er wird ihnen dicke Wolkenstücke herabwerfen, die sie als Nahrung genießen. Dies geschieht besonders in der Christnacht, denn da darf kein Geschöpf Hunger leiden. a. a. O. p. 122. – Auch von dem irischen Heiligen Mardhog wird erzählt, daß er Wölfe speiste. Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythologie I. 330, 357. – Dies erinnert an die nordischen Wolfsmütter, siehe Grimm, Deutsche Mythologie p. 1014, und weist auf wirkliche Speiseopfer hin, die in uralter Zeit den Wölfen dargebracht wurden.
22 Siehe über Angang des Wolfes, Grimm, Deutsche Mythologie, 1079. Wolf, Deutsche Sagen, Nr. 376. Gervasius, herausgeg. von Liebrecht, p. 223, Nr. 41 u. A. – Das Geheul des Wolfes im Gebüsch ist siegverheißend, Sigurdharkvidha II. 22. Doch kündet er auch Krieg und Pest und Teuerung an. Die gute und die böse Seite des Wolfs spielen überhaupt im Aberglauben der Völker beständig durcheinander. Im Griechischen, Lateinischen und Deutschen sind Namen, mit Wolf zusammengesetzt, von guter Vorbedeutung: Lykiskos, Lyciscus, Wolfram, Wolfgang u.s.w. Der Wolf schützt besonders vor Zauber: Einem Serben, der Wuk (Wolf) heißt, kommt keine Hexe bei. Grimm, Deutsche Mythologie 1093. – Wolfbiß schützt vor Behexung (daher wohl der ahd Name Wolfbizo); man schneidet an Lamm und Ziege den Wolfsbiß aus, räuchert und bewahrt ihn als heilkräftig. Grimm, d. M. 1093. Wolfsrüssel ist Amulett gegen Zauber und wird an die Türe genagelt, Lauben, Dialogi von der Lycanthropia p. 85; in Frankreich der ganze Wolfskopf, Le Loyer, Discours des Spectres, Paris 1608, p. 834. Dagegen wer von einem Vieh ißt, das der Wolf erwürgt hat, der kann nicht verscheiden, es sei denn, daß der Wolf vorher tot wäre. Fr. Pfeiffer, Der Alten Weiber Philosophey, a. a. O. Nr. 76. Nach serbischem Volksglauben wird ein Kind, dessen Mutter von solchem Fleisch gegessen hat, mit einer Wunde geboren, die man vukojedina – Wolfsbiß – nennt. Grimm, Deutsche Mythologie 1093. – Wolfstritt segnet die blühende Saat in der Grafschaft Mark, Wolf, Zeitschrift für deutsche M.ythologie I. 384. – Es war altrömischer Brauch, daß die Braut vor dem Eintritt in’s Haus des Bräutigams die Türpfosten mit Fett oder Öl bestrich, hier wurde das Wolfsfett von einigen als besonders heilsam empfohlen, indem ihm eine abwehrende Wirkung zugeschrieben wurde („nicht, daß irgendeine schlechte Medizin hineingetragen werde“). Preller, Römische Mythologie, Berlin 1856, p. 585. – Das Wolfsfell hat Heilkräfte gegen Trübsinn, Fieber und Epilepsie; Edda, Hrafnagaldr. 8. Grimm, Deutsche Mythologie 1123, 1125. Gegen das Fraischlein oder die fallende Sucht hilft auch des Wolfs gedörrte Zunge, Lauben 32. Aus einem gedörrten Wolfsschlund trinken, macht gesund, a. a. O. – Wessen Bienen durch eine Wolfsgurgel fliegen, der bekommt fette Schwärme. Müller, Beiträge zur Geschichte des Hexenglaubens, Braunschweig 1854, p. 60. – Der Genuß von Wolfsfleisch macht mord- und rachgierig, so geben Högni und Gunnar dem Guthorm von einem Wolf, einem Wurm und einem Geier zu essen, damit er den Mut erlange, Sigurd zu töten. Brot af Brynhildarkvidha. 4.
23 So heißt er z. B. in einem französischen moralisierenden Gedicht aus dem sechzehnten Jahrhundert: Les loups ravissans ou doctrinal moral par Robert Gobin, gedruckt in Paris nach 1520 in 4. S. Mone, Reinhardus Vulpes, Stuttg. et Tüb. 1832, p. 311. Lupus vorax bei Ditmar von Merseburg p. 253; Grimm, Deutsche Mythologie 948.
24 Böse Geister lieben es, durch Tier- und Menschengestalten zu täuschen; die guten Geister verwandeln sich nicht in Tiere, noch in Frauen. De l’Ancre, Tableau de l’Inconstance, Paris 1613, p. 3. – Ein Teufel erscheint in Wolfsgestalt auf dem Grabe Peters, der die Sekte der Massalianer gegründet :
„Petrus Massalianorum, oder Lycopetrianorum, (was sowohl von Phundaitac als auch Bogomil gesagt wurde,) welches Vorzeichen an ihm haften blieb, und der sich selbst als den Christus bezeichnet und versprochen hat, nach seinem künftigen Dahinscheiden wieder zu erstehen, und welcher nahe bei Lucopetrus geboren ist, von woher er auch seinen Beinamen Lycopetrus – „Wolfspeter“ – hatte, wurde wegen solcher Anmaßung durch höchstes Recht auferlegt, gesteinigt zu werden; die schlechtesten seiner Mitgesellen, welche ebenso verabscheuenswert wie diese Leiche waren, saßen nach einem Zeitraum von drei Tagen in Erwartung der Auferstehung dabei, wie er ihnen diese selbst versprochen hatte, da erschien es, als käme ein böser Dämon mit dem Aussehen eines Wolfes aus den Steinen hervor.“S. Jacobi Tollii Insignia Itineraria, quibus continentur Antiquitates Sacrae Trajecti ad Rhenum 1696. 4. p. 115. – Im Angelsächischen und Altfranzösischen wird der Teufel geradezu werewulf und garou genannt. Die Teufelsmasken sind: Rabe, Fuchs, Katz, Hund, Bär, Wolf, Schwein; Philander v. Sittewald, Wunderliche und Warhaffte Gesichte 1656, II. 769. Philander meint auch, daß „Tyrannen, Verfolger, Räuber und Mörder, weil sie in ihrem Leben als Löwen, Bären, Wölfe sich erzeiget, nach ihrem Leben mit dergleich gestalten Teuflen wiederumb gepeinigt werden.“ a.a. O. I. 254. Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythologie I. 406. – Besonders starke und freche Wölfe wurden im Mittelalter allgemein entweder für verwandelte Teufel oder für Werwölfe gehalten. S. Geiler v. Kaisersberg, Emeis, bei Stöber, Zur Geschichte des Volks-Aberglaubens, Basel 1856, p. 31. – Von den Wölfen, welche im Jahre 1542 in großen Scharen die Straßen von Konstantinopel unsicher machten, bis Sultan Suleyman mit den Janitscharen gegen sie auszog, wurde allgemein geglaubt, daß sie Werwölfe gewesen seien. Fincelius, De mirabilibus, L. II. Bodin, Daemonomania, Francof. 1603, p. 238. Fischarts Übersetzung 121. – Die gewöhnlichen Wölfe, sagt Bodin a. a. O. p. 238, gehen mehr auf Tiere, die Werwölfe fallen vorzugsweise Menschen an.
25 Über die Rolle, welche der Wolf in der germanischen Tiersage spielt siehe die Einleitung J. Grimms zu seiner Ausgabe des Reinhart Fuchs, Berlin 1834.
Die Geisteskrankheit der Lycanthropie, in welcher der Mensch sich zum Wolf verwandelt wähnt, tierische Bewegungen und Laute nachahmt und mordsüchtig lebende Wesen anfällt, ist bis jetzt bei der Erklärung unserer Sage über Gebühr in den Vordergrund gerückt worden. Daß der Wahn des Kranken mit dem allgemeinen Glauben an Tierverwandlungen in Zusammenhang stehe, soll keineswegs geleugnet werden; aber der erstere verhält sich zum letzteren eher wie die Wirkung zur Ursache als umgekehrt. Denn wenige Fälle ausgenommen, wo der krankhaften Einbildung etwa ganz zufällige, individuelle Anlässe zu Grunde lagen, muß doch wohl angenommen werden, daß der Kranke zuvor an die Tierverwandlung glauben oder wenigstens von ihr wissen mußte, ehe er sich selbst in ein Tier verwandelt wähnte. Abgesehen ferner davon, daß die Seltenheit der Krankheit zu der allgemeinen Verbreitung der Sage nicht im richtigen Verhältnis steht, so ist nicht einleuchtend, wie dadurch, daß der Kranke sich für einen Wolf ausgab und als solcher benahm, auch die Übrigen ihren eigenen Augen zum Trotz überzeugt werden konnten, daß er wirklich in einen Wolf verwandelt sei. Nur wenn ihnen, wie dem Kranken, eine solche Verwandlung zum Voraus möglich schien, konnten sie seine Erzählungen für wahr und sein Benehmen für eine Bestätigung derselben halten. So diente die Lycanthropie zur Befestigung des alten Werwolfglaubens wie das Ausgraben unverwester Leichen den uralten Glauben an wiederkehrende Tote bekräftigte.
Was schließlich den Vorgang, die Art und Weise der Tierverwandlung betrifft, so sind hier a priori die folgenden Fälle denkbar:
Entweder verläßt die Seele bei der Annahme fremder Gestalt ihren eigenen Körper, oder sie bleibt darin.
Im ersten Fall bedient sie sich teils eines äußeren Mediums, indem sie in einen andern schon vorhandenen seelenleeren Körper hineinfährt, teils erscheint sie selber in einer ihr von Natur zukommenden oder selbstgebildeten eigenen Gestalt.26
Im zweiten Fall wird die Verwandlung des Körpers entweder durch die auf wunderbare Weise ermöglichte mechanische Anpassung einer Tierhülle oder ohne dieselbe direkt durch wunderwirkende Zauberkräfte hervorgebracht.
Das Gesagte gilt sowohl für die freiwillige, als auch für die unfreiwillige Verwandlung.
Für sämtliche Fälle finden sich Beispiele in den Sagen, zu denen wir nunmehr übergehen.
26 Die Seelen lebender Menschen schweifen häufig in Tiergestalt umher, während ihr Leib schlafend liegt; König Guntrams Seele als Schlänglein, Grimm, Deutsche Sagen, Berlin 1816, Nr. 428, nach Paulus Diaconus, De gestis Langobardorum III. 34. Wolf, Hessische Sagen p. 195. Grimm, Deutsche Mythologie, 1036. – Seele als Wiesel, Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 455 (Seele als blauer Dunst bei Maurer, Isländische Volkssagen, Leipzig 1860, p. 81, gehört hierher wegen ihrer Wanderung über die Schwertbrücke) Seele als Fliege, Müller, Siebenbürgische Sagen, Kronstadt 1857, Nr. 154. Beiträge zum Hexenglauben in Siebenbürgen p. 58, - als Käfer, Meier, Schwäbische Sagen, Stuttgart 1852, Nr. 201; - als Mistkäfer, Rußwurm, Eibofolke, Reval 1855, II. 208; - als Spinne, Meier Nr. 202, - als Flaumfeder, Bechstein, Sagenbuch p. 604, - als weißes Mäuschen, Wolf, Hessische Sagen Nr. 95, - als rotes Mäuschen, Grimm, Deutsche Sagen Nr. 247. Meier, Schwäbische Sagen I. p. 175, - als schattenartige Maus, die in einem Pferdeschädel umherkriecht und zu den Nasen- und Augenlöchern hinausschaut, während dem Schläfer träumt, er durchwandere ein prächtiges Schloss mit hohen Fenstern, Schambach und Müller, Niedersächsische Sagen, Gött. 1855, Nr. 246. – Seele als Henne nach serbischem Glauben, Grimm, Deutsche Mythologie, 1031, - als Katze, Grimm, Deutsche Sagen Nr. 249. Hiermit hängt die Sage vom Alp zusammen. Zu erinnern ist auch an die Vorstellung, daß der Mensch einen Wurm im Leibe habe und sterben müsse, wenn dieser herauskrieche, bei Seifried Helbling zadelwurm, Grimm, Deutsche Mythologie, 1112. – In der Normandie hält man die Irrlichter für die Seelen von Mädchen, die mit Geistlichen in sträflichem Umgang leben; das Mädchen muß an einen abgelegenen Ort gehen, seine Kleider abziehn und sich nackt auf den Boden legen, dann fliegt seine Seele als fourolle aus. Bosquet, La Normandie romanesque, Paris 1845, p. 247. Schon bei Plinius (Historia naturalis