Devil Diaries - Teuflisch? Von wegen! - Tatum Flynn - E-Book

Devil Diaries - Teuflisch? Von wegen! E-Book

Tatum Flynn

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Beschreibung

Ein Teufelskerl
Eine erfolgreiche Karriere in der Hölle kann sich Lucifers zwölfjähriger Sohn Nathan wohl abschminken. In Chemie kriegt er allenfalls Regenbögen zustande, und der tödliche Nemesis-Baum beginnt nach seinem Zauber rosa Blüten zu tragen. Doch dann stößt Nathan auf einen verräterischen Komplott, der nicht nur die Existenz der Hölle, sondern das Gleichgewicht von Gut und Böse in der Welt bedroht. Und plötzlich liegt das Schicksal aller allein in den Händen eines untalentierten Dämons in Ausbildung. Prost Mahlzeit!

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Seitenzahl: 273

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CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungZitat1. Todbringender Baum hin oder her2. Augen auf beim Wunschkonzert!3. Das Problem mit den Piraten4. Vampire sind gesundheitsschädlich5. Ein unerwarteter AnrufWährenddessen …6. Ernsthafte Konsequenzen7. Flucht aus Pandämonium8. Ein seltener Anblick9. Die Geschichte vom kleinen Ninja-Mädchen10. Bla bla bla Geheimaktion bla bla11. Karteikarten bei SonnenaufgangWährenddessen …12. Eine unheilvolle Quizshow13. Das Wasser steht uns bis zum Hals14. Ein schauriger WaldspaziergangWährenddessen …15. Der Bummelzug zur Hölle16. Ein düsteres Tal17. Die Lüge vom blauen Himmel18. In letzter Minute19. Wie Pech und Schwefel20. Die Wut ist wie ein wildes TierWährenddessen …21. Ein Sprung ins Ungewisse22. Verrat23. Der fehlende Stein24. Eine völlig verstörende Tat25. Böse bis in alle EwigkeitEpilog: Tommy

Über das Buch

To-Do-Liste von Nathan (Sohn des Teufels): 1. Böse werden (und zwar so richtig!) 2. Ein Praktikum bei ein paar Bösen auf der Erde machen 3. Meinen Fehler vom letzten Praktikum ausbügeln (Wer konnte denn ahnen, dass Dracula meine Bananenmilch viel lieber trinkt als Blut?!?) 4. Mithilfe der Punkte 1, 2, 3 endlich beliebt und cool werden und Freunde finden! PS: Ist Bösesein denn cool? Und was zur Hölle ist falsch an Bananenmilch? Ich persönlich mag Bananenmilch … Eine erfolgreiche Karriere in der Hölle kann sich Lucifers zwölfjähriger Sohn Nathan wohl abschminken. In Chemie kriegt er allenfalls Regenbögen zustande, und der tödliche Nemesis-Baum beginnt nach seinem Zauber rosa Blüten zu tragen. Doch dann stößt Nathan auf einen verräterischen Komplott, der nicht nur die Existenz der Hölle, sondern das Gleichgewicht von Gut und Böse in der Welt bedroht. Und plötzlich liegt das Schicksal aller allein in den Händen eines untalentierten Dämons in Ausbildung. Prost Mahlzeit!

Über die Autorin

Tatum Flynn hat in ihrem Leben schon vieles erlebt und gemacht, u.a. hat sie Rettungsboote in Venezuela gelenkt, Poker in Las Vegas gespielt und wäre über Schottland fast aus einem Flugzeug gefallen. Sie begeistert sich gern für Dinge, mag es nicht so sehr, erwachsen zu sein, und sie liebt es, lustige und gruselige Bücher für Kinder zu schreiben.

Tatum Flynn

Teuflisch?Von wegen!

Aus dem Englischen von Christina Neiske

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der englischen Originalausgabe:

»The D’Evil Diaries – Brimstone for Breakfast«

Für die Originalausgabe:

Text copyright © 2016 by Natasha Ellis

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Timo Grubing

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4954-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für meine Eltern, weil sie immer für mich da sind, was immer auch geschieht.

Und für alle Kinder, die sich Gedanken machen, weil sie anders sind. Denkt daran: Helden sind nie wie alle anderen.

»Manche sagen zum Spaß, und meinen es ernst: Der Teufel ist nicht so schwarz, wie er gemalt wird.«

THOMASMORUS, 1534

Todbringender Baum hin oder her

Hoch über dem gewölbten Glasdach des Giftgartens waberte der blutrote Himmel von Pandämonium träge über der Stadt. Im Inneren des Gewächshauses sausten die stacheligen schwarzen Äste des Verhängnisbaums hin und her und schnappten nach allem wie die Tentakel einer Krake auf der Suche nach Schiffen. Der Saft, der aus dem Baumstamm drang, war leuchtend gelb und roch irritierend nach muffigen Turnschuhen. Jede Kreatur, die das Pech hatte, dem Baum zu nahe zu kommen, würde hochgeschleudert und langsam zu Tode zerdrückt werden.

Warum ich das alles wusste? Weil ich kopfüber im Wipfel des Baumes hing.

Und die Äste, die sich um meine Knöchel geschlungen hatten, fingen langsam an zuzudrücken.

Unten hatte sich eine kleine Menge Schaulustiger versammelt, die mit offenen Mündern zu mir hochstarrten. In der Mitte stand Herr Hickhack, mein Biolehrer. Herr Hickhack war ein rundlicher, fröhlich aussehender Dämon mit blauen Hörnern, blauer Haut und einer blauen Fliege. Sein fröhlicher Anblick stand allerdings in krassem Gegensatz zu seiner Persönlichkeit.

»Nathan von und zu Niedertracht, du tollpatschiger Pechvogel!«, polterte er. »Wie zum Teufel bist du da raufgekommen?«

Es ist gar nicht so leicht, mit den Schultern zu zucken, wenn man mit dem Kopf nach unten hängt. »Pech?«, murmelte ich und versuchte, nicht auf meine Hörner zu sabbern.

Irgendwie hatte ich bei Schulausflügen immer Pech. An diesem Morgen, bevor wir aus dem Schulbus stiegen, hatte Herr Hickhack drohend seinen Zeigefinger auf uns gerichtet. »Fasst bloß nichts an, sofern ich es euch nicht ausdrücklich sage. Und was immer ihr tut, geht nicht in die Nähe des Verhängnisbaums. Er ist das letzte Exemplar in der Hölle und steht unter Artenschutz. Abgesehen davon verspeist er euch auf der Stelle zum Frühstück.«

Die Busladung rothäutiger, schwarzgeflügelter Zwölfjähriger murmelte eine vage Erwiderung.

»Aber für den Notfall habt ihr doch alle das Gegengift dabei, das ihr letzte Woche hergestellt habt, oder?«

Wir wedelten alle pflichtschuldig mit unseren Fläschchen, die eine Flüssigkeit enthielten, die wir in der letzten Unterrichtsstunde zusammengemixt hatten. Ich riss die Augen auf. Schwefel noch mal. Lila. Sie waren alle lila. Meins hingegen war schmutzig braun. Na ja, es war unwahrscheinlich, dass ich es würde benutzen müssen.

Dann hatte Hickhack die Bustür aufgerissen und gerufen: »Okay, mir nach. Ich bin sicher, ihr werdet den Giftgarten nicht nur lehrreich, sondern auch aufregend finden.«

Ich sah nun auf meine baumelnden Arme hinunter. Hickhack fielen fast die Augen aus seinem blauen Gesicht. Dass es so aufregend werden würde, hätte er sicher nicht gedacht.

Mittlerweile war meine ganze Klasse da, und jede einzelne der winzigen gehörnten Gestalten brüllte zu mir hoch und verhöhnte mich. Ich war noch nie sonderlich beliebt gewesen. Zwei Stimmen grölten noch lauter als die anderen – Benny und Arael. Die beiden Dämonen, die sich gedacht hatten, es wäre lustig, mir ein Bein zu stellen, als wir an dem Baum vorbeikamen. Der Baum war nämlich nicht mein einziger Feind. Ich versuchte, weiter in ihre Richtung zu sabbern.

»Wasserfälle, Nathan«, rief Arael. »Denk an Wasserfälle. Und an Seen, an tropfende Duschen und plätschernde Wellen.«

Na toll. Jetzt musste ich auch noch pinkeln. Gerade als ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen.

Ein weiterer stacheliger Zweig des Verhängnisbaums schlängelte sich zu mir.

Es wurde also doch noch schlimmer.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich Schulausflüge hasse?

Mir schossen Tränen in die Augen, und mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Eine einsame Träne lief meine Braue hinunter und tropfte zu Boden.

»Ohhh, heulst du, weil du zu deinem Papa willst?«, spottete Benny.

Ich beschloss, wenn ich schon in den Tod stürzen musste, dann würde ich mich direkt auf ihn drauf fallen lassen.

»Benutz das Gegengift, von und zu Niedertracht!«, schrie ein zunehmend panisch aussehender Herr Hickhack.

Das Gegengift. Jepp. Genau. Das Gegengift, das man schlucken sollte, wenn man von einer Grabschfesselpflanze gebissen wurde, oder wenn man von einem Verlinder-Blütenblatt gestochen wurde. Es war aber wohl kaum eine geeignete Waffe gegen etwas, das dich einfach so packen und fressen konnte.

Doch da offenbar niemand mit einer Kettensäge zu meiner Rettung herbeigeeilt kam, hatte ich keine andere Wahl.

Ich griff nach oben in meine Jackentasche, die glücklicherweise mit einem Reißverschluss verschlossen war, packte das Fläschchen und riss den Deckel ab. Ein fieser Geruch waberte heraus. Igitt. Na ja, vielleicht würde es den Baum ja so sehr erschrecken, dass er den Griff um meine Knöchel lockerte. Ich holte tief Luft und schleuderte die braune Mixtur auf die Zweige in meiner Nähe.

Es überraschte mich nicht weiter, dass nichts passierte.

Großartig. Und jetzt?

Der Baum stieß einen gellenden Schrei aus.

Okay, jetzt war ich doch überrascht.

Er kreischte noch mal, und die Zweige, die mich umklammerten, erzitterten. Dann begann der Verhängnisbaum sich vor meinen Augen zu verwandeln.

Die Stacheln schrumpften zusammen und fielen ab, und die Rinde verfärbte sich von Pechschwarz zu einem gesunden Braun.

Dann schossen überall kleine rosa Blüten hervor.

»Was in Luzifers Namen …?«, krächzte Herr Hickhack.

Die Zweige, die mich festhielten, waren auf einmal ganz weich und blumig und rochen nach … Kaugummi?

Na toll. Ich hatte es also mal wieder geschafft. Der Verhängnisbaum war nicht länger ein todbringendes Monster. Ich hatte den bösesten aller Bäume in der Hölle in etwas Gutes verwandelt.

Aber was soll’s? Ich war gerettet! Ich würde nun doch noch meinen dreizehnten Geburtstag erleben. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Vor lauter Erleichterung vergaß ich, dass ich mich immer noch fünfzehn Meter hoch in der Luft befand.

Bis der Baum, der nun leise vor sich hin summte, mich losließ.

Oh-oh. Fliegen war alles andere als meine Stärke. Ich flatterte verzweifelt mit den Flügeln, hob einen Fuß in die Luft und stürzte dann senkrecht nach unten, immer weiter … bis ich krachend auf dem Boden landete.

Genau auf einem blauhäutigen, blaugehörnten Dämon, der eine Fliege trug.

»Von und zu Niedertracht!«, brüllte er. »Ich zieh dir die Haut ab und mach eine Handtasche aus dir! Eine Handtasche, hast du gehört?«

So viel zu meiner Freude, überlebt zu haben.

Augen auf beim Wunschkonzert!

Das zweitschlimmste Gefühl der Welt ist, wenn einem auffällt, dass man etwas mammutartig brontosauriermäßig Dummes angestellt hat. Und das allerschlimmste? Wenn man abwarten muss, wie schlimm genau die Folgen sein werden. Und nachdem ich nach Hause gekommen war, hatte ich sechs lange, quälende Stunden in meinem Dachgeschosszimmer gewartet, wo mir nur die Stachelmotten, die in den Dachsparren kauerten, Gesellschaft leisteten. Ich war pausenlos auf und ab gelaufen und hatte gequält aus dem Fenster gestarrt. Und gerade als ich verzweifelt überlegte, wie ich mich am besten selbst zur Erde schicken könnte, hörte ich es endlich.

Ein Klopfen an der Tür.

Und zwar nicht irgendein Klopfen, sondern ein wichtig klingendes Klopfen. Mir rutschte das Herz so tief in die Hose, dass ich es als bequemes Sitzkissen hätte benutzen können. Das war’s dann wohl. Ich holte tief Luft und riss hastig die Tür auf, um die Sache schnellstmöglich hinter mich zu bringen.

Vor mir stand ein hutzeliger grauer Dämon, und seine noch flatternden, spindeldürren Flügel ließen vermuten, dass er es ziemlich eilig gehabt hatte, hierherzukommen. Er starrte mich mit seinen rot glühenden Augen an.

»Luzifer, Fürst der Finsternis, Feind der Rechtschaffenheit, Herr der Fliegen, wünscht dich zu sprechen. Folge mir, ich geleite dich zu meinem Herrn. Solltest du dich weigern, werden die Konsequenzen …«

»Jaja, ich hab’s kapiert«, unterbrach ich ihn und verdrehte die Augen. »Du könntest auch einfach sagen, dass mein Vater mich sprechen will.«

Der Botendämon blinzelte. Es folgte eine peinliche Stille. »Weigerst du dich, mir zu folgen, Nathan von und zu Niedertracht?«, fragte er schließlich.

Ich seufzte. »Natürlich nicht.« Wer würde es schon wagen, dem Teufel höchstpersönlich etwas abzuschlagen? Ich schob die Hände in die Taschen und stapfte los in mein Verderben.

Mein Problem ist, dass ich ein lausiger Dämon bin. Ich bin echt schlecht darin, Schlechtes zu tun. Und wenn ausgerechnet Luzifers jüngster Sohn derartig im Schlechtsein versagt, dann ist das natürlich eine Katastrophe. Dabei ist es nicht so, als würde ich es nicht versuchen. Das tue ich, wirklich! Aber irgendwie geht bei mir immer alles nach hinten los – und eh ich’s mich versehe, gibt es eine gigantische Explosion des Guten, und alle ergreifen die Flucht und gehen in Deckung.

Der graue Dämon führte mich durch die hallenden Flure und Treppen des Schlosses, bis wir zu dem majestätischen Korridor aus schwarzem Marmor kamen, der zu Papas Arbeitszimmer führte. Goldgerahmte Gemälde, die vor Krieg und Blut strotzten, hingen an den Wänden, und geschnitzte Büsten berühmter Dämonen grinsten spöttisch von ihren Sockeln auf mich herab. Der Bote schlüpfte ins Zimmer und ließ mich allein im Flur zurück, wo ich über meine eigene totale Bedeutungslosigkeit nachdenken konnte.

Missmutig trat ich gegen die Wand. Keine gute Idee. Die Spitze meines Turnschuhs blieb in einem Marmorriss stecken, und ich hüpfte auf einem Bein herum wie ein betrunkener Flamingo, bis ich schließlich das Gleichgewicht verlor und krachend auf dem Boden landete. Als ich dann so ausgestreckt dalag auf dem harten Steinfußboden, kam mir der Gedanke, dass es vielleicht nicht mein Tag war. Oder mein Jahr.

So würdevoll wie möglich stand ich auf, klopfte mir den Staub von der Hose und schlich näher an die breite Doppeltür, die sich zwischen mir und meinem sicheren Tod befand. Sie war aus schwerem schwarzem Holz, jeder Zentimeter verziert mit Schnitzereien sich windender Schlangen, kichernder Wasserspeier und geflügelter Dämonen. Als ich mich vorbeugte, um zu lauschen, fuhr eine glänzende schwarze Kobra auf und zischte mich an. Ich schlug ihr auf die Nase und spähte durchs Schlüsselloch ins Arbeitszimmer.

Luzifer hatte schlechte Laune. Er saß tief versunken in seinem Sessel und tippte lustlos Zigarrenasche in den Mund eines zitternden Völlerers, der zu seinen Füßen kniete. Ich hatte mir eine denkbar schlechte Woche ausgesucht, in Schwierigkeiten zu geraten. Die Geschäfte liefen mies in der ganzen Hölle, und die beruhigende Wirkung meiner Mutter Persephone blieb aus, denn sie war mal wieder im Urlaub. Mein Vater starrte auf ein quadratisches Stück Papier in seiner riesigen roten Hand.

Mein Zeugnis. Ich war erledigt.

Er blickte auf. »In Ordnung, schick ihn rein.«

Der Botendämon nickte und kam auf die Doppeltür zu. Ich wich eilig zurück, als sie aufschwang.

Er räusperte sich. »Luzifer, Fürst der …«

Ich ersparte mir die folgende Litanei an Titeln und schloss die Tür hinter mir, bevor ich die Nerven verlor. »Papa, ich …«

»Ruhe, Junge!«, brüllte er, und seine schwarzen Augen glühten rot vor Wut.

Ich verstummte. Mein Vater hatte zwar die gleiche tiefrote Haut, das gleiche dunkle Haar und die gleichen gewundenen Hörner wie ich, aber er war gut und gern zwei Meter groß und hatte die Statur eines Bodybuilder-Büffels. Als dürrer Zwölfjähriger, der nicht viel mehr als eine Schultasche voller Bücher heben konnte, blieben mir nicht viele Argumente. Er erhob sich und kam auf mich zu wie ein Bär, der sein Junges verputzen will. Tatsächlich gab es Gerüchte, dass er das mit meinem Halbbruder Fremiel gemacht hatte. Ich trat zitternd einen Schritt rückwärts und bedachte ihn voller Panik mit meinem besten Welpenblick, in der Hoffnung, dass ihn meine babyblauen Augen, die ich von meiner Mutter geerbt hatte, irgendwie besänftigen würden. Er wedelte mit dem Zeugnis und knurrte wütend – tja, das konnte ich wohl vergessen.

»Was für ein Halbjahrszeugnis soll das sein, hm? Ich würde ja nichts sagen, wenn du versagt hättest, weil du die Schule geschwänzt hast, Mädchen hinterhergelaufen bist oder versucht hast, deinen Lehrer mit dem Flammenwerfer anzuzünden. Jungs sind eben Jungs! Aber …«, er hielt das Blatt Papier hoch, »›passt im Unterricht immer gut auf, gehorcht den Lehrern und arbeitet äußerst fleißig mit‹! Dafür gibt es keine Entschuldigung. Was hast du zu deiner Verteidigung hervorzubringen?«

Ich war plötzlich sehr interessiert an meinen Schuhen. »Ich hab’s versucht, Papa«, murmelte ich mit gesenktem Kopf. »Ehrlich. Und das mit dem Verhängnisbaum war ein Unfall, ich wollte ihn nicht …«

»Ach, der Verhängnisbaum. Seit Tausenden von Jahren eine der berüchtigtsten Sehenswürdigkeiten der Hölle«, sagte er langsam, bevor er in einen Wutanfall ausbrach. »Zwei Minuten in deiner Nähe, und er wird von einer blutrünstigen, giftigen Kreatur zu einer rosa blühenden Pflanze, die nach Kaugummi riecht! Kaugummi! Wie schaffst du es nur, immer wieder solchen Schlamassel anzurichten, Nathan?«

»Es tut mir leid, Papa. Ich werde mich noch mehr anstrengen.«

»Nun, ich kann nicht zulassen, dass einer meiner Söhne in der Schule in Bösartigkeit versagt, das ist wirklich peinlich. Ich werde dich zum Privatunterricht bei einem Meister der dunklen Künste schicken: Eduard Pauk, besser bekannt als Schwarzbart, der hinterhältigste Pirat, der je die sieben Meere durchquert hat.«

Argh. Das hatte ich nun davon, dass ich so verzweifelt darüber nachgegrübelt hatte, wie ich mich selbst zur Erde schicken könnte. Ich sag nur, Augen auf beim Wunschkonzert!

»Wann?«

»Morgen. Bring das in Ordnung, Nathan, sonst hat das Konsequenzen. Ernsthafte Konsequenzen, hast du mich verstanden?«

Ich schluckte und nickte.

»Jetzt geh mir aus den Augen, ich muss bis zum Mittagessen noch sechzehn Arten aussterben lassen, außerdem sollte ich an meinem Golfschwung arbeiten.«

Er drehte mir den Rücken zu.

Ich verließ sein Arbeitszimmer und schlurfte den Flur hinunter. Ich hatte mich so sehr bemüht, böse zu sein, aber das Pech schien mich zu verfolgen wie ein liebeskranker Zombie. Ein liebeskranker Zombie, der einen Spiegel zerbrochen hat und unter einer Leiter hindurchgegangen ist. War es denn meine Schuld, dass Benny und Arael mich in die wartenden Tentakel des Baums geschubst hatten? Und war es meine Schuld, dass das Gegengift nicht richtig funktioniert hatte? Schließlich war ich kein Wissenschaftsgenie, sondern ging noch zur Schule.

Ich seufzte. Ich wünschte mir so sehr, meinen Papa stolz zu machen, wie mein großer Bruder Dantalion, der mit seinem Wagen durch die Ozonschicht gefahren war und ein klaffendes Loch hinterlassen hatte. Oder wie meine Schwester Morgana, die Erfinderin der Hausaufgaben, Papierschnitte und einer Reihe Fahrräder, die auf Kiesuntergrund automatisch umfallen.

Wenigstens bedeutete das Ganze, dass ich eine Weile nicht zur Schule gehen musste. Ich war kein großer Fan von der Schule. Oder besser gesagt, die Schule war kein großer Fan von mir. Überraschenderweise war die Tatsache, dass ich das Pech anzog wie ein Magnet, nicht die beste Voraussetzung dafür, Freunde zu finden und Dämonen zu beeinflussen.

Niemand wollte sich mit einem schrägen Vogel abgeben, der in Chemie einen Regenbogen produzierte statt Napalm, oder mit einem Volltrottel, der in Informatik versehentlich Katzenbabyfotos nach halb Europa mailte anstelle eines Killervirus. Obendrein war ich absolut unbegabt im Fliegen, sodass ich nicht mal beim Lufthockey irgendwas an Coolness wettmachen konnte. Das alles hatte zur Folge, dass ich in der Schule keinen einzigen Freund hatte. Ich konnte es den anderen Kindern nicht mal übelnehmen, sie hatten einfach Angst, mein furchtbares Pech könnte auf sie abfärben.

Ich wünschte, es wäre Winter. Im Winter würde Mama nämlich wieder nach Hause kommen. Sie schrie mich nie an oder nannte mich ein jämmerliches Exemplar von einem Dämon. Klar, das könnte auch damit zusammenhängen, dass sie ein paar meiner spektakulären Ausrutscher verpasst hat, weil sie in Griechenland damit beschäftigt war, sich mit Sonnencreme einzuschmieren. Oder es lag einfach nur daran, dass sie eine Göttin war. Eine echte Göttin. Jedenfalls hatte sie immer fröhlich über meine Unzulänglichkeiten hinweggesehen.

Auf halber Höhe der langen Wendeltreppe blieb ich stehen, um zu Atem zu kommen, und spähte aus einer Schießscharte. Das Schloss unserer Familie, der Düsterengelpalast, war so riesig, dass es Dutzende von Zimmern gab, in denen ich noch nie gewesen war. Umgeben von einem Feuergraben thronte es auf einem Felsvorsprung, seine glänzenden schwarzen Türme blickten auf das sich bedrohlich abzeichnende Nichts des Großen Abgrunds im Norden und auf die gewundenen roten Wolkenkratzer von Pandämonium und das gefrorene Ödland der Außenhölle im Süden. Die Aussicht war fantastisch.

In meinem Zimmer angekommen knallte ich die Tür hinter mir zu. Ein erschrockenes Schnaufen kam von der Decke.

»Hmpf, du hast mich aufgeweckt«, sagte Trödel und steckte seinen pelzigen Kopf aus seiner Hängematte.

»Ich wecke dich immer auf, wenn ich reinkomme, weil du immer schläfst.«

Er legte den Kopf auf die Seite. »Da könntest du recht haben.«

Trödel war ein Dreizehenfaultier, was nicht sonderlich überraschend war, denn er war der Chefdämon der Trägheit und Faulheit. Es gab für jede der sieben Todsünden einen Chefdämon, aber Trödel vermied den Kontakt mit seinen Kollegen, so gut es ging. »Sie sind so ehrgeizig«, beklagte er sich oft. »Immer laufen sie herum und versuchen, die Menschen zu Sünden zu verführen. Ich werde schon beim Zusehen müde.« Da ich grottenschlecht darin war, Schlechtes zu tun, und Trödel in der Regel zu faul dazu war, kamen wir ziemlich gut miteinander klar.

Er kratzte sich am Bauch. »Ach so, würdest du bitte mein Glas auffüllen? Das wär total nett von dir.«

Auf einem Regal stand ein so großes Margaritaglas, dass es nicht komisch ausgesehen hätte, wenn ein paar Goldfische darin herumgeschwommen wären. In dem Glas steckte ein sehr langer Strohhalm, der sich bis nach oben zur Hängematte schlängelte. Ich schaute in den Kühlschrank und fand eine Flasche mit einer leuchtend grünen Flüssigkeit, die aussah, als könnte sie die Farbe von einem Laternenmast wegätzen. Ich leerte die Flasche in das Glas und sah zu, wie die Flüssigkeit nach oben stieg. Trödel schmatzte vorfreudig, dann wühlte er in seinem Fell herum, holte eine Schachtel Zigaretten heraus und zündete sich eine an.

»Ahhh, das tut gut. Zigaretten waren meine tollste Erfindung, weißt du das? Sie geben den Menschen das Gefühl, etwas zu tun, auch wenn sie nur im Sessel faulenzen.«

»Und viele Menschen sind daran gestorben«, fügte ich hinzu.

»Ja, dein Vater war begeistert davon. Und nach einem so durchschlagenden Erfolg kann ich wohl erst mal eine winzige Auszeit von ein paar Jahrhunderten nehmen.« Er blies einen Rauchring an die Decke. »Wo warst du? Hast du schon wieder etwas angestellt?«

Ich setzte mich aufs Bett und seufzte dramatisch. »Es ist wegen der Sache mit dem Verhängnisbaum. Papa ist echt wütend auf mich. Er will mich zu Schwarzbart schicken.«

»Ach, das klingt doch gar nicht so übel, ich hab gehört, dass es in Tortuga um diese Jahreszeit ganz nett sein soll. Na los, Kopf hoch! Wenn du willst, schlage ich dich in Mario Kart.«

»Du hast eine Raubkopie von der Erde ergattert?« Die Höllenversion hieß Killerkannibalen-Kart, und davon bekam ich Albträume.

»Jepp, ich hab sie auf dem Weißmarkt bekommen.« Er ließ sich auf den Boden fallen und griff nach einem Joystick. »Bist du bereit, haushoch zu verlieren?«

Ich setzte mich grinsend neben ihn. Ein mehrere tausend Jahre altes Faultier war der einzige Freund, den ich hatte, aber er schaffte es immer, mich aufzumuntern. Ich nahm einen Controller und schmiss meinen Motor an. »Träum weiter.«

Früh am nächsten Morgen schulterte ich meinen Rucksack und stieg die steile Treppe hinunter zum Wartezimmer, das tief in den Eingeweiden des Düsterengelpalasts lag. Ich stieß die knarrende Tür auf und würgte, wie jedes Mal, wenn mir der Faule-Eier-Gestank des Schwefels in die Nase stieg. Dutzende bleicher Unholde – Dämonen der Versuchung, die die meiste Zeit auf der Erde verbrachten – saßen auf den Holzbänken des Steingewölberaums und zankten sich, während sie Antragsformulare ausfüllten, damit sie auf die Erde reisen konnten.

Dämonen gab es in allen Formen und Farben – mit Tigerköpfen, mit Drachenkörpern, blau- oder lilastichig –, allerdings war der Großteil rothäutig und spitzschwanzig wie ich. Aber vor Unholden gruselte ich mich ein wenig, weil ihre Haut fast durchsichtig war, sodass man das blaue Blut sehen konnte, das durch ihre Adern floss. Außerdem stanken sie immer nach Schwefel.

Seufzend nahm ich ein Formular von einem Tisch und machte mich an die Arbeit. Ein Höllen-Visum zu bekommen war ziemlich kompliziert.

Zwanzig Minuten später schüttelte ich meine schmerzende Hand und stellte mich in die lange Schlange vor der Eisentür in der Mitte, die zur Erde führte. Darüber erzitterten klirrend zwei riesige Messingräder, wenn Unholde ein oder aus gingen.

Als ich an der Reihe war, griff ein ungeheuer fetter grüner Dämon namens Horschlitt nach meinem Formular. »Nathan von und zu Niedertracht? Nach Tortuga? Ins Jahr 1717?«

Ich nickte drei Mal.

Horschlitts Hörner zuckten, während er das Blatt Papier begutachtete. »Deine Handschrift ist erschreckend, junger Mann. Was ist der Grund des Besuchs?«

»Tut mir leid. Privatunterricht.«

»Bei Schwarzbart, nehme ich an? In Ordnung.« Er trat einen Schritt zurück, sah zu den beiden uniformierten Radmeistern hinter ihm und schnippte mit den Fingern.

Sie nahmen jeder einen Hebel und drückten ihn fest hinunter.

Das Messingrad auf der linken Seite drehte sich langsam, vorbei an Peking und Salem und einem Ort namens Hintertupfingen, dann rastete es klickend bei Tortuga ein. Das Rad auf der rechten Seite tat es ihm gleich, es drehte sich durch die Jahrhunderte, bis es mit einem Ruck beim Jahr 1717 ankam.

Ich holte tief Luft. Karibik im achtzehnten Jahrhundert, ich komme! Ich nahm mir fest vor, dass ich dort der beste Dämon aller Zeiten sein würde.

Selbst Schwarzbart würde erzittern angesichts meiner Bösartigkeit. Diesmal würde ich es hinbekommen, koste es, was es wolle.

Das Problem mit den Piraten

Die Insel Tortuga sah aus wie ein Löffel goldener Sand im türkisfarbenen Wasser des karibischen Meeres, wie Zucker in der Teetasse eines Riesen. Im strahlenden Sonnenschein trällerten die Vögel, und hoch oben schimmerte ein wolkenloser blauer Himmel.

Kurz gesagt: Es war der schlimmste Albtraum eines Dämonen.

Schwarzbart kam die Gangway herunter auf mich zu, als ich blinzelnd und schwitzend im Hafen stand und mir wünschte, ich hätte etwas Schatten mitgebracht. Ein dunkler, rot gefütterter Mantel spannte über seinen breiten Schultern, und sein langer schwarzer Bart war zu filzigen Zöpfen geflochten, in die schmutzige Bänder eingewebt waren. Er schenkte mir ein zahnloses Grinsen. »Freut mich, dich kennenzulernen, Kumpel! Komm an Bord, komm an Bord.«

Was sagte man zu einem berüchtigten, blutdurstigen Piraten, der mit einer Eisenfaust über die Wellen herrschte? Ich schluckte. »Hallo, Herr Schwarzbart.«

Er lachte. »Nenn mich Eddy, Kumpel, nenn mich Eddy.«

Eddy. Alles klar. Vielleicht war das Ganze ja doch nicht so schlimm.

Am nächsten Morgen setzte die Queen Anne’s Rache die Segel.

Es war ein schrecklich sonniger Tag, und ich war die ganze Zeit an Deck, weil mir in der Kabine kotzübel wurde.

»Guck zum Horizont, wenn dir schlecht ist, Kumpel«, sagte Schwarzbart.

Ich beugte mich über die Reling und versuchte, mich weniger grün zu fühlen.

Eine Herde Delfine tauchte auf und schwamm klickend und quietschend neben dem Schiff her. Mein Vater hatte sich sehr um die Delfine bemüht, denn sie sollten angeblich intelligenter sein als Menschen. Er hatte große Hoffnungen in sie gesetzt, aber sie hatten sich standhaft geweigert, auf unsere Seite zu wechseln.

»Pech für euch«, sagte ich und streckte ihnen die Zunge raus. Ich blickte hinaus auf das unangenehm glitzernde Meer, ließ mir die salzige Gischt ins Gesicht wehen und überlegte, was mein Vater wohl mit ernsthaften Konsequenzen gemeint haben könnte. Wie man es auch drehte und wendete, es verhieß nichts Gutes. Ernsthafte. Konsequenzen. Mir wurde noch übler. Nun, mit etwas Glück würden wir bald ein Schiff ausrauben, und ich würde Schwarzbart zeigen können, dass ich es mit den besten Piraten aufnehmen konnte. Das musste doch anerkannt werden, oder?

Plötzlich blubberte es laut unter der Wasseroberfläche. Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen und spähte hinunter. Grüne Schuppen schimmerten unter der Oberfläche. Gab es Kraken eigentlich wirklich? Ich konnte mich nicht erinnern. Das Blubbern wurde lauter. Ich griff nach der Seitenreling und wünschte, ich hätte daran gedacht, zu fragen.

Dann tauchte ein Kopf auf. Luzifer sei Dank war es kein Krakenkopf. Aber auch kein Delfin oder Haifisch. Nein, es war der Kopf einer hübschen Brünetten. Ein weiterer tauchte aus den Wellen auf, dann noch einer und noch einer.

»Hä?«, sagte ich, cool wie ich nun mal bin.

Innerhalb weniger Sekunden lehnten sich alle Männer über die Reling und schrien durcheinander.

»Meerjungfrauen!«

»Hey, Ladys!«

»Wollt ihr uns nicht besuchen kommen?«

Schwarzbart trampelte an Deck, und die Männer eilten zurück auf ihre Posten.

Sein Gesicht hellte sich auf. »Einen wunderschönen guten Morgen, ihr Lieben«, säuselte er.

»Ich wusste gar nicht, dass Meerjungfrauen wirklich existieren«, flüsterte ich.

Er hob eine Augenbraue. »Du bist ’n Dämon«, sagte er.

»Hm, stimmt.«

»Kommst aus der Hölle und bist in der Zeit zurückgereist. Und da überrascht’s dich, dass es Meerjungfrauen gibt?«

Ich verstummte.

Eddy plauderte weiter mit den Nixen.

Spät am Abend fuhren wir zurück nach Tortuga, nachdem wir ein Schiff voller Gewürze und Gold ausgeraubt hatten. Okay, eigentlich hatten nicht wir es ausgeraubt, sondern Schwarzbart und seine Mannschaft. Ich hatte nämlich die Prüfung im Dolch-Schwertkampf 101 noch nicht bestanden, sodass ich nicht mitkämpfen durfte. Nicht dass mir das irgendwas ausmachte.

Nachdem wir vor Anker gegangen waren, nahm Schwarzbart mich mit zu einer abbruchreifen Kneipe namens Bessys Taverne und begann mir Geschichten zu erzählen von den Schiffen, die davongekommen waren. Sein bunt zusammengewürfelter, verdreckter Männertrupp gab genüsslich seine unrechtmäßig erworbenen Gewinne für Rum aus und taumelte bald laut und schief grölend herum. Im Vergleich dazu wirkte Eddy zurückhaltend.

»Guck sie dir an!«, sagte er und deutete verzagt auf seine Mannschaft. »Guck sie dir bloß an! Haste jemals etwas so Jämmerliches gesehen, Kumpel? Die sind so hässlich, dass man kaum glauben mag, dass sie alle mal eine Mutter hatten.«

»Ähm …« Sie waren nicht gerade eine Augenweide, das stimmte. Einigen waren die Ohren abgebissen worden, andere hatten gespaltene Nasen, und sie stanken allesamt wie die gesammelte Dreckwäsche des letzten Monats.

»Dieser Anblick bietet sich mir Tag für Tag«, sagte er seufzend. »Das Piratenleben ist gar nicht so toll, wie alle immer sagen.«

»Aber … ihr segelt über die Meere! Seid Herren über euer Schicksal! Habt eimerweise Schätze! Äh … und ihr seid braun gebrannt!«

Aber er schüttelte nur traurig den Kopf und bestellte noch ein Glas Rum.

Drei Stunden und zig Rumgläser später war Eddy noch deprimierter. Er jammerte noch immer über das Piratenleben. Ehrlich gesagt ging mir sein Gewinsel langsam auf die Nerven. Ich war froh, dass er spätestens am Nachmittag wieder kämpfen musste. Da hatte ich einen Geistesblitz.

»Warum heuerst du nicht die Meerjungfrauen an?«

Zwei blutunterlaufene Augen blinzelten mich an. »Wen?«

»Die Meerjungfrauen. Sie können superschnell schwimmen. Vielleicht könnten sie dir bei dem ganzen Piratenkram helfen. Als Pfadfinder oder so. Außerdem sind sie hübscher anzusehen als deine Mannschaft.«

Ich verzichtete auf die Bemerkung, dass sogar Aas hübscher anzusehen war als seine Mannschaft.

Eddys Augen leuchteten auf. Er schlug mir auf den Rücken. »Weißte was, Junge, da könnteste auf was gestoßen sein.«

Wie sich herausstellte, war ich tatsächlich auf etwas gestoßen. Auf Ärger nämlich.

Schon am nächsten Tag machte die Queen Annes Rache einen Abstecher zu den Nixen.

Und ehe ich michs versah, hatte Ed sich in eine rundliche Meerjungfrau namens Brunhilda verliebt und Mord und Totschlag abgeschworen, um den Verein zum Schutz der Wasserlebewesen zu gründen.

So viel dazu, diesmal alles richtig zu machen. Ich war meilenweit davon entfernt, mal irgendetwas richtig zu machen. Ich hatte alles so spektakulär un-richtig gemacht, dass meine Aussichten, ein gefürchteter Pirat zu werden, zum Scheitern verurteilt waren, bevor ich auch nur einen Dolch in die Hand genommen hatte.

Und jetzt würden mich die Konsequenzen heimsuchen. Ich hoffte nur, dass sie nichts mit Kraken zu tun hatten.

Aber als ich nach Hause zurückkehrte, kam ich nicht mal dazu, den Warteraum zu verlassen.

»Dein Vater schickt dich direkt zu einem neuen Lehrer«, sagte Horschlitt, und in seiner Stimme schwang Mitleid mit. »Beim zweiten Mal hast du sicher mehr Glück!«

Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Wenigstens bekam ich noch eine Chance.

»Das hoffe ich doch«, murmelte ich. »Wo soll ich hin?«

Horschlitt warf einen Blick auf sein Klemmbrett. »Transsilvanien. Kopf hoch, junger Mann, ich hab gehört, dort soll es …«

»Dort soll es um diese Jahreszeit ganz nett sein?«, fragte ich. »Schon klar.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber danke für den Versuch.«

Ich lächelte ihm schwach zu und schob den Rucksack auf meine Schulter.

»Nathan, warte!«

Ich fuhr herum. Mein Bruder Dantalion lief quer durch den Raum auf mich zu. Er sah aus wie ich – nur eben größer, älter und besser aussehend. Und im Gegensatz zu mir strotzte er vor Selbstvertrauen. Ich wünschte mir mal wieder, ich könnte so sein wie er.

»Hey«, sagte ich, »was machst du denn hier?«

»Kann ich nicht herkommen, um meinen kleinen Bruder zu besuchen?«

Ich zuckte mit den Schultern.

Seine dunklen Augen funkelten böse. »Nicht mal, um ihm zu sagen, dass zwei Dämonen namens Benny und Arael von der Schule suspendiert wurden, weil bei ihnen streng illegale Weißmarktprodukte gefunden wurden?«

Ich horchte auf. »Das hast du nicht getan.«

Er tippte sich auf die Brust und riss die Augen auf. »Wer, ich? Ich hatte absolut nichts damit zu tun, dass deine Freunde neuerdings auf Mein kleines Pony stehen.«

Ich fing an zu lachen. »Oje, ich wette, ihre Eltern waren richtig wütend.«

»Das könnte ich mir gut vorstellen.«

»Danke, Dan.«

»Kein Ding. Und, wohin bist du unterwegs?«

»Nach Transsilvanien offenbar.«

»Klingt doch gar nicht so übel. Komm schon, Privatstunden bei Dracula? Er wird dich schon nicht beißen.«

»Haha.«

»Im Ernst, diesmal kannst nicht mal du es vermasseln.«

Grinsend schüttelte ich den Kopf. »Vielen Dank.«

Er umarmte mich flüchtig, schob mich wieder zu Horschlitt und versetzte mir einen leichten Stoß. »Na los, raus mit dir. Ich will alles hören, wenn du zurück bist.«

Als ich durch die Tür ging, die zur Erde führte, war ich optimistischer. Diesmal, dieses Mal, würde ich wirklich alles richtig machen.

Vampire sind gesundheitsschädlich

Die Nacht war schwarz wie das Innere eines Sargs, und auch sie wimmelte von toten Menschen. Eine unnatürliche Kälte kroch von den Stufen der Schlosstreppe durch meine abgelaufenen Turnschuhe, und der heulende Wind drohte, mir den Rucksack aus der Hand zu reißen. Jeden Moment könnte einer der wabernden Schatten, die die Auffahrt säumten, sich in eine Kutsche verwandeln und mit mir zum heimischen Feuer zurückflitzen, aber in diesem Moment hätte ich mein rechtes Horn dafür gegeben, zu bleiben, wo ich war.