Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva - Christoph Martin Wieland - E-Book

Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva E-Book

Christoph Martin Wieland

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Beschreibung

Ein "Feenroman", stark angelehnt an Cervantes Geschichte von Don Quijote.

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Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva

Christoph Martin Wieland

Inhalt:

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva

Erster Teil

Erstes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Fünftes Capitel

Sechstes Capitel

Siebendes Capitel

Achtes Capitel

Neuntes Capitel

Zehntes Capitel

Eilftes Capitel

Zwölftes Capitel

Zweites Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Fünftes Capitel

Sechstes Capitel

Siebentes Capitel

Drittes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Fünftes Capitel

Sechstes Capitel

Siebentes Capitel

Achtes Capitel

Neuntes Capitel

Zehendes Capitel

Eilftes Capitel

Zwölftes Capitel

Viertes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Fünftes Capitel

Sechstes Capitel

Siebentes Capitel

Achtes Capitel

Zweiter Teil

Fünftes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Fünftes Capitel

Sechstes Capitel

Siebendes Capitel

Achtes Capitel

Neuntes Capitel

Zehendes Capitel

Eilftes Capitel

Zwölftes Capitel

Dreizehntes Capitel

Vierzehntes Capitel

Sechstes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Siebentes Buch

Erstes Capitel

Zweites Capitel

Drittes Capitel

Viertes Capitel

Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva, C. M. Wieland

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849639891

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Hervorragender deutscher Dichter, geb. 5. Sept. 1733 zu Oberholzheim im Gebiete der ehemaligen Reichsstadt Biberach, gest. 20. Jan. 1813 in Weimar, genoss bei seinem Vater, der 1736 als Pfarrer nach Biberach versetzt wurde, sowie in der dortigen Stadtschule trefflichen Unterricht. Noch vor dem 14. Jahr auf die Schule zu Klosterberge bei Magdeburg geschickt, gab der sehr fromm erzogene, leseeifrige Knabe sich anfangs ganz dem dort herrschenden Geiste hin und warf sich in eine ausschließliche Bewunderung Klopstocks. Nachdem er seit Ostern 1749 sich ein Jahr lang bei einem Verwandten in Erfurt aufgehalten, verbrachte er den Sommer 1750 im Vaterhause. Hier traf er mit seiner Verwandten Sophie Gutermann (nachmals Sophie v. Laroche, s. d.) zusammen (vgl. Ridderhoff, Sophie von Laroche und W., Programm, Hamb. 1907). Die schwärmerische Neigung, die er zu ihr faßte, entwickelte rasch sein poetisches Talent. Durch sie empfing W. die Anregung zu seinem ersten der Öffentlichkeit übergebenen Gedicht: »Die Natur der Dinge. Ein Lehrgedicht in sechs Büchern« (anonym erschienen 1752). Im Herbst 1750 hatte W. die Universität Tübingen bezogen, angeblich um die Rechte zu studieren, welches Studium er jedoch über der Beschäftigung mit der neuern schönen Literatur und eigner poetischer Produktion ziemlich vernachlässigte. Ein Heldengedicht: »Hermann«, von dem er fünf Gesänge (hrsg. von Muncker, Heilbr. 1886) ausarbeitete und an Bodmer sandte, brachte ihn mit diesem in einen sehr intimen Briefwechsel. Seine übrigen Erstlingsdichtungen. »Zwölf moralische Briefe in Versen« (Heilbr. 1752), »Anti-Ovid« (Amsterd. 1752) u. a., kennzeichneten ihn als ausschließlichen und leidenschaftlichen Klopstockianer und strebten auf eine spezifisch seraphisch-christliche Dichtung hin. Im Sommer 1752 folgte er einer Einladung Bodmers nach Zürich. Auf das herzlichste empfangen, wohnte er im traulichsten Verkehr eine Weile bei Bodmer, den er sich durch eine Abhandlung über die Schönheiten in dessen Gedicht »Noah« und durch die neue Herausgabe der 1741–1744 erschienenen »Züricherischen Streitschriften« (gegen Gottsched) verpflichtete, und in dessen Sinn er ein episches Gedicht in drei Gesängen: »Der geprüfte Abraham« (Zürich 1753), verfasste. In anregendem Verkehr mit Breitinger, Hirzel, Sal. Geßner, Füßli, Heß u. a. schrieb W. in Zürich um jene Zeit noch die »Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde« (Zür. 1753). Die plötzliche Nachricht, dass seine Geliebte sich verehelicht, sowie ein längerer Aufenthalt in dem pietistisch gestimmten Grebelschen Hause in Zürich hielten ihn eine Weile länger, als es sonst geschehen sein würde, bei der seiner innersten Natur ganz entgegengesetzten frommen Richtung. In den »Empfindungen eines Christen« (Zürich 1757) sprach er zum letzten mal die Sprache, die er seit Klosterberge geredet, und erklärte sich mit besonderer Heftigkeit gegen die erotischen Dichter, besonders gegen Uz (s. d.). Aber bald genug vollzog sich in W., besonders unter dem Einfluss der Schriften des Lukian, Horaz, Cervantes, Shaftesbury, d'Alembert, Voltaire u. a., eine vollständige Umkehr von den eben bezeichneten Bahnen. Schon das mit starker Benutzung einer englischen Tragödie von Rowe gedichtete Trauerspiel »Lady Johanna Gray« (Zürich 1758) konnte Lessing mit der Bemerkung begrüßen, W. habe »die ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter den Menschenkindern«. In demselben Jahr entstand das epische Fragment »Cyrus« (Zürich 1759), zu dem die Taten Friedrichs d. Gr. die Inspiration gegeben hatten, ferner das in Bern, wo W. 1759 eine Hauslehrerstelle angetreten hatte, geschriebene Trauerspiel »Clementina von Porretta« (nach Richardsons Roman »Grandison«, das. 1760) und die dialogisierte Episode aus der Kyropädie des Xenophon: »Araspes und Panthea«, welche Dichtungen sämtlich nach Wielands späteren eignen Worten die »Wiederherstellung seiner Seele in ihre natürliche Lage« ankündigen oder geschehen zeigen. In Bern trat der Dichter in sehr nahe Beziehungen zu der Freundin Rousseaus, Julie Bondeli (s. d.). 1760 nach Biberach zurückgekehrt, erhielt er eine amtliche Stellung in seiner Vaterstadt, deren kleinbürgerliche Verhältnisse ihm minder drückend wurden, nachdem er auf dem Schlosse des Grafen Stadion, der sich nach dem Biberach benachbarten Warthausen zurückgezogen, eine Stätte feinster weltmännischer Bildung, mannigfachste persönliche Anregung und eine vortreffliche Bibliothek gefunden hatte. In Warthausen traf W. auch Sophie v. Laroche, seine ehemalige Geliebte, die mit ihrem Gatten bei Stadion lebte, wieder. Der Verkehr mit den genannten und andern Personen, die sich in jenem Kreise bewegten, vollendete Wielands Bekehrung ins »Weltliche«. Jetzt erst trat seine schriftstellerische Tätigkeit in die Epoche, die seinen Ruhm und seine Bedeutung für die nationale Literatur umfasst. Um 1761 wurde der Roman »Agathon« (Frankf. 1766–67; vgl. Scheidl, Persönliche Verhältnisse und Beziehung zu den antiken Quellen in Wielands ›Agathon‹, Berl. 1904; F. W. Schröder, Wielands. Agathon' und die Anfänge des modernen Bildungsromans, Dissertation, Königsb. 1905) begonnen, nach Lessings Urteil der erste deutsche Roman »für den denkenden Kopf von klassischem Geschmack«, 1764 »Don Silvio von Rosalva, oder der Sieg der Natur über die Schwärmerei« (Ulm 1764; vgl. Martens, Untersuchungen über Wielands, Don Sylvio', Dissertation, Halle 1901) vollendet. Daneben vertiefte sich W. in das Studium Shakespeares und ließ dessen Stücke zu einer Zeit, wo sie sonst in Deutschland noch nirgends ausgeführt wurden, in Biberach von einer Liebhabergesellschaft ausführen. Auch ließ er zuerst eine Sammlung von Shakespeareschen Dramen in deutscher Sprache erscheinen (22 Stücke, Zürich 1762–66, 8 Bde.). Die Übersetzung (in Prosa) wird ebenso wenig wie die Anmerkungen dem Dichter immer gerecht, die Versmaße des Originals sind nur in dem vortrefflich übertragenen und W. besonders kongenialen »Sommernachtstraum« beibehalten (vgl. Wurth, Zu Wielands, Eschenburgs und A. W. Schlegels Übersetzungen des, Sommernachtstraums', Programm, Budweis 1897; Simpson, Eine Vergleichung der Wielandschen Shakespeare-Übersetzung mit dem Originale, Dissertation, Berl. 1898).

Mit den beiden oben genannten Romanen und den Dichtungen: »Musarion, oder die Philosophie der Grazien« (Leipz. 1768) und »Idris und Zenide« (das. 1768), in den nächsten Jahren den Erzählungen: »Nadine« (das. 1769), »Combabus« (das. 1770), »Die Grazien« (das. 1770) und »Der neue Amadis« (das. 1771) verfolgte W. seinen neuen Weg und verkündete eine Philosophie der heitern Sinnlichkeit, der Weltfreude, der leichten Anmut, die im vollen Gegensatz zu den Anschauungen seiner Jugend stand. Inzwischen hatte W., der seit 1765 mit einer Augsburgerin verheiratet war, einem durch Riedel in Erfurt vermittelten Ruf an die dortige Universität im Sommer 1769 Folge gegeben. Seine Lehrtätigkeit, dse er mit Eifer betrieb, tat seiner dichterischen Produktivität wenig Abbruch. In Erfurt verfaßte er, außer einigen der oben genannten Schriften, noch das Singspiel »Aurora«, die »Dialoge des Diogenes« und den lehrhaften Roman »Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian« (Leipz. 1772; vgl. O. Vogt, ›Der goldene Spiegel‹ und Wielands politische Ansichten, Berl. 1904), der ihm den Weg nach Weimar bahnte. 1772 berief ihn die Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar zur literarischen Erziehung ihrer beiden Söhne nach Weimar. Hier trat W. in den geistig bedeutendsten Lebenskreis des damaligen Deutschland, der schon bei seiner Ankunft Männer wie Musäus, v. Knebel, Einsiedel, Bertuch u. a. in sich schloss, aber bald darauf durch Goethe und Herder erst seine höchste Weihe und Belebung erhielt. W. bezog unter dem Titel eines herzoglichen Hofrates einen Gehalt von 1000 Tlr., der ihm auch nach Karl Augusts Regierungsantritt als Pension verblieb. In behaglichen, ihn beglückenden Lebensverhältnissen entfaltete er eine frische und sich immer liebenswürdiger gestaltende poetische und allgemein literarische Tätigkeit. Mit dem Singspiel »Die Wahl des Herkules« und dem lyrischen Drama »Alceste« (1773) errang er reiche Anerkennung. In der Zeitschrift »Der teutsche Merkur«, deren Redaktion er von 1773 bis 1789 führte, ließ er fortan die eignen dichterischen Arbeiten zunächst erscheinen, neben denen er auch eine ausgebreitete kritische Tätigkeit übte (vgl. Burkhardt, Repertorium zu Wielands deutschem Merkur, Jena 1873). Wielands im »Merkur« abgedruckte »Briefe über Alceste« (September 1773) gaben Goethe und Herder Ärgernis und riefen des ersteren Farce »Götter, Helden und W.« (1774) hervor, auf welchen Angriff W. mit der ihm in der zweiten Hälfte seines Lebens fast unverbrüchlich eignen heitern Milde antwortete. Als Goethe bald darauf nach Weimar übersiedelte, bildete sich zwischen ihm und W. ein dauerndes Freundschaftsverhältnis, dem der überlebende Altmeister nach Wielands Tod in seiner schönen Denkrede auf W. ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Goethe gewann auch den stärksten Einfluss auf Wielands Bestrebungen in der dritten Periode, in deren Werken sich die besten und rühmlichsten Eigenschaften unsers Dichters gleichsam konzentrieren, während seine Neigung zur ermüdenden Breite und zur sinnlichen Lüsternheit bis auf einen gewissen Punkt überwunden wurde. Die »Geschichte der Abderiten« (Leipz. 1781; vgl. Seuffert, Wielands ›Abderiten‹ Berl. 1878), das romantische, farbenreiche epische Gedicht »Oberon« (Weim. 1781; vgl. M. Koch, Das Quellenverhältnis von Wielands ›Oberon‹, Marb. 1880; Lindner, Zur Geschichte der Oberonsage, Rostock 1902), Wielands Meisterwerk, die prächtigen poetischen Erzählungen: »Das Wintermärchen«, »Geron der Adelige«, »Schach Lolo«, »Pervonte« (vgl. F. Muncker, Wielands ›Pervonte‹, Münch. 1904) u. a., gesammelt in den »Auserlesenen Gedichten« (Jena 1784–87), entstanden in den ersten Jahrzehnten in Weimar. Dazu gesellten sich die trefflichen Bearbeitungen von »Horazens Satiren« (Leipz. 1786), »Lukians sämtlichen Werken« (das. 1788–89; vgl. Kersten, Wielands Verhältnis zu Lucian, Programm, Kuxhav. 1900; Steinberger, Lucians Einfluss auf W., Dissertation, Götting. 1903) und zahlreiche kleinere Schriften. Eine Gesamtausgabe seiner bis 1802 erschienenen Werke (1794–1802 in 36 Bänden und 6 Supplementbänden), die Göschen in Leipzig verlegte, hatte W. in den Stand gesetzt, das Gut Osmannstedt bei Weimar anzukaufen. Dort lebte der Dichter seit 1798 im Kreise seiner großen Familie (seine Gattin hatte ihm in 20 Jahren 14 Kinder geboren) glückliche Tage, bis ihn der 1801 erfolgte Tod seiner Gattin veranlasste, seinen Landsitz zu veräußern und wieder in Weimar zu wohnen (1803), wo er dem Kreise der Herzogin Anna Amalie bis an deren Tod (1807) angehörte. Die Zeitschrift »Attisches Museum«, die W. allein 1796–1801, und das »Neue attische Museum«, das er mit Hottinger und Fr. Jacobs 1802 bis 1810 herausgab, dienten dem Zweck, die deutsche Nation mit den Meisterwerken der griechischen Poesie, Philosophie und Redekunst vertraut zu machen. W. blieb bis in sein höchstes Alter in seltener Weise lebensfrisch (noch aus seinen letzten Lebensjahren stammt seine schöne Übersetzung von »Ciceros Briefen«, Zür. 1808–21). 1808 wurde er von Napoleon mit großer Auszeichnung behandelt. Seine Überreste ruhen seinem Wunsche gemäß zu Osmannstedt in Einem Grabe mit denen seiner Gattin und einer Enkelin seiner Jugendfreundin Laroche, Sophie Brentano. In Wielands Gartenhaus in Biberach wurde 1907 ein Wieland-Museum errichtet (vgl. »Vorträge, gehalten bei der Wielandfeier in Biberach a. Riß am 3. September 1907«, Biberach 1907). Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Klassiker des 18. Jahrhunderts« (im 11. Bd.).

Indem W. bei Beginn seiner zweiten Periode zur Vorbildlichkeit der französischen Literatur zurückkehrte und den Ehrgeiz hegte, die der deutschen Literatur völlig gleichgültig gegenüberstehenden höheren Stände durch eine der französischen ähnliche graziöse Leichtigkeit und lebendige Anmut für die deutsche Literatur zu gewinnen, leistete er ebendieser Literatur einen großen und entscheidenden, aber auch einen etwas bedenklichen Dienst. Er nahm einen guten Teil der Leichtfertigkeit, der Üppigkeit und Oberflächlichkeit jener Musterliteratur in die Produktionen seiner mittleren Zeit herüber. Freilich verband sich diese herausfordernde Frivolität und spöttische Weltklugheit mit dem kräftigen Behagen und dem unverwüstlichen Kern in seiner Natur, der selbst Schiller in einem Brief an Körner Wielands »Deutschheit« trotz alledem und alledem betonen ließ. Und die außerordentliche Entwickelungsfähigkeit seines reichen Talentes, der eigentümliche Aufschwung, den seine Dichtung noch in der zweiten Hälfte seines Lebens nahm, hätten die stutzig machen sollen, die, wie dies im Kreise der Romantiker Mode war, von W. immer und überall nur als von einem guten Kopf, ohne eigenstes poetisches Verdienst und tiefere Bedeutung, sprachen. Die mittelbare Nachwirkung Wielands brachte der deutschen Literatur eine Fülle seither nicht gekannter Anmut und Heiterkeit, die lebendigste Beweglichkeit und gesteigerte Fähigkeit für alle Arten der Darstellung. Die sämtlichen Werke Wielands erschienen im Göschenschen Verlag, herausgegeben von Gruber (Leipz. 1818–28, 53 Bde., mit der unten angeführten Biographie), dann ebenda in 36 Bänden 1839–40 (wiederholt Stuttg. 1853) und bei Hempel (Berl. 1879, 40 Bde.); »Ausgewählte Werke« gaben H. Kurz (Hildburgh. 1870, 3 Bde.), G. Klee (Leipz. 1900, 4 Bde., mit Biographie), W. Bölsche (das., 4 Bde.), H. Pröhle (in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Stuttg. 1887, 6 Bde.) und Muncker (in Cottas »Bibliothek der Weltliteratur«, 1889, 6 Bde.) heraus; eine große kritische Ausgabe wird von der Deutschen Kommission der Berliner Akademie vorbereitet; vgl. Seuffert, Prolegomena zu einer Wieland-Ausgabe (Berl. 1904). Von Briefen Wielands erschienen: »Ausgewählte Briefe an verschiedene Freunde« (Zürich 1815–16, 4 Tle.); »Auswahl denkwürdiger Briefe« (hrsg. von Ludwig W., Wien 1815, 2 Bde.); »Briefe an Sophie von La Roche« (hrsg. von Fr. Horn, Berl. 1820); »Briefe an Merck« (hrsg. von Wagner, Darmst. 1835; hauptsächlich auf den »Deutschen Merkur« bezüglich); »Neue Briefe, vornehmlich an Sophie von La Roche« (hrsg. von Hassencamp, Stuttg. 1893). Eine Biographie des Dichters schrieb Gruber (»Christ. Martin W.«, Altenb. 1815–16, 2 Bde.; neue Bearbeitung u. d. T.: »Chr. M. Wielands Leben«, als Bd. 50–53 der Werke, Leipz. 1827–28). Vgl. Ofterdinger, Chr. M. Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz (Heilbr. 1877); Buchner, W. und die Weidmannsche Buchhandlung (Berl. 1871); R. Keil, W. und Reinhold (Leipz. 1885); L. Hirzel, W. und Martin und Regula Künzli (das. 1891; behandelt eine Episode aus Wielands Züricher Jahren); P. Weizsäcker, Die Bildnisse Wielands (Stuttg. 1893); Wukadinovié, Prior in Deutschland (Graz 1895); Pomezny, Grazie und Grazien in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts (Hamb. 1900); B. Seuffert, Der Dichter des ›Oberon‹ (Vortrag, Prag 1900); F. Bauer, Über den Einfluß L. Sternes auf W. (Programm, Karlsbad 1898 u. 1900, 2 Hefte); Behmer, L. Sterne und W. (Berl. 1899); Doell, W. und die Antike (Programm, Münch. 1896); L. Hirzel, Wielands Beziehungen zu den deutschen Romantikern (Bern 1904); Ermatinger, Die Weltanschauung des jungen W. (Frauens. 1907); Kuhn, ›Idris und Zenide‹. Ein Beitrag zur Erkenntnis der Sprache Wielands (Würzb. 1903); Calvör, Der metaphorische Ausdruck des jungen W. (Dissertation, Götting. 1906); Schlüter, Studien über die Reimtechnik Wielands (Dissertation, Marb. 1900). Eine Reihe vorzüglicher Arbeiten über W. hat B.Seuffert, der beste Kenner des Dichters, in Zeitschriften veröffentlicht.

Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva

Eine Geschichte worin alles Wunderbare natürlich zugeht

Nachbericht des Herausgebers

welcher aus Versehen des Abschreibers zu einem Vorberichte gemacht worden

Ich muß es dem guten Willen der Leser überlassen, ob sie glauben wollen oder nicht, daß dieses Buch den Don Ramiro von Z***, der einige Jahre Gesandtschafts-Secretarius bei einem bekannten Spanischen Minister an einem deutschen Hofe gewesen, zum Verfasser habe. Ich meines Orts gestehe, daß ich die spanische Handschrift nicht selbst in Händen gehabt; allein mein Freund, der Herr Übersetzer, erzählt mir in einem Schreiben, worin er mir aufträgt, die Ausgabe dieses Werks zu besorgen, eine so umständliche und wohlzusammen hangende Geschichte der besagten Handschrift und ihrer seltsamen Schicksale, der Ursachen warum, ungeachtet des günstigen Urteils, so der Erzbischof von T*** davon gefällt, dieselbe in Spanien niemalen zum Druck gelangen können, und auf was Art sie, vor einigen Jahren in seine Hände gekommen; daß ich mir die Mühe nicht geben mag, an der Wahrheit seiner Erzählung zu zweifeln. Er versichert mich, daß alle diese und noch viele andre sehr merkwürdige Anecdoten, dieses Buch betreffend, in einer weitläufigen Zuschrift enthalten seien, welche Don Ramiro an seinen Gönner, den berühmten Minister Don Richard von W*** gerichtet habe, und die er dem Leser nicht mißgönnt haben würde, wenn er nicht durch viele eingefallene Geschäfte an Übersetzung derselben wäre gehindert worden.

Ich lasse alles dieses an seinen Ort gestellt sein. Was ich gewiß sagen kann, ist, daß mich Don Sylvio von Rosalva so sehr belustiget hat als irgend ein Buch von dieser Art, und daß ich bei Durchlesung des Manuscripts so oft und so herzlich lachen mußte, daß meine Frau, welche wußte, daß ich allein in meinem Cabinete war, endlich in voller Bestürzung herbei gelaufen kam, und mich fragte, was mir fehle; denn sie besorgte in der Tat, ich möchte närrisch geworden sein, eine Besorgnis, womit sie, ich gestehe es, meinem Verstande eben keine Ehre antat. Meine Frau, die eine gute Art von einem Hausweibe ist, und sich ihre Augen eben nicht mit vielem Lesen verderbt, hat, wenn sie gleich kein gelehrtes Frauenzimmer ist, doch so viel Vernunft, daß sie weißt, wenn man lachen und wenn man weinen muß. Ich bat sie also, sie möchte sich zu mir setzen, und da las ich ihr das Capitel vor, wobei sie mich so laut lachen gehört hatte; ich war noch nicht bis in die Mitte gekommen, so fand sie die Einfälle des Pedrillo so schnakisch, daß sie auch zu lachen anfing, und weil sie die Gewohnheit an sich hat, daß sie nicht wieder aufhören kann, wenn der Anfang einmal gemacht ist, so lachte sie so lang und viel, daß ich selbst auch wieder darein kam, und vor Lachen nicht mehr fortkommen konnte; denn das Lachen ist, wie man weißt, so ansteckend wie das Gähnen. Mein Schreiber wollte eben gewisse Acten in meinem Zimmer holen, wie wir im besten Lachen waren; weil er nun eine gar feierliche, sauertöpfische Art von einem Kerl ist, so blieb er, bei unserm Anblick, mit der Feder hinterm Ohr in der Türe stehen, und machte eine Mine gegen uns, als ob er dächte, wir wären dem Tollhause entloffen. Ich sagte ihm warum es zu tun sei, und ersuchte ihn nur ein wenig da zu bleiben und zuzuhören; ich las fort, und wurde alle Augenblick durch das Kichern meiner Frau und mein eigenes Lachen unterbrochen; Anfangs hielt sich mein Herr vom Dintenfaß so gut, daß es nicht besser sein konnte; er machte ein paar Augen wie ein Cato, und veränderte nicht die kleinste von den Falten, in die er sein Gesicht alle Morgen zu legen pflegt, ungeachtet etliche Stellen kamen, bei denen ich und meine Frau uns beinahe aus dem Atem lachten; allein endlich triumphierte doch Pedrillo über seine stoische Unbeweglichkeit, und eine gewisse Stelle, auf die ich im Lesen kam, würkte mit einem solchen Nachdruck auf sein Zwerchfell, daß er in ein wieherndes Gelächter ausbrach, welches desto lauter erschallte, je mehr er sich bemühet hatte es zurück zu halten; das Stuben- die indessen auch an die Türe gekommen war, machte die vierte Stimme in diesem Sardonischen Concerte, und da der Lerm, den wir machten, in kurzem auch die Köchin, und Hans, den Hausknecht, herbei zog, so wurde durch diese neue Verstärkung der Effect unsrer wiehernden Symphonie so heftig, daß die Leute auf der Straße stehen blieben und mit zu lachen anfingen, ohne daß sie wußten warum? Kurz, es lag nur an mir alle meine Nachbarn mit ins Spiel zu bringen, und wer weißt, ob das Gelächter sich nicht von Gasse zu Gasse fortgewälzt und endlich die ganze Stadt samt den Vorstädten in Erschütterung gesetzt hätte, wenn ich nicht so klug gewesen wäre, mein Manuscript wegzulegen, mein Gesinde wegzuschelten, und meine Frau auf ein anders Capitel zu bringen. Ich bitte den geneigten Leser um Verzeihung, daß ich so frei gewesen bin, ihn mit solchen Kleinigkeiten aufzuhalten; ich weiß selbst nicht wie es gekommen ist, daß ich mich so vergessen habe; denn ich kenne die Ehrerbietung sonst ganz wohl, die ein Vorredner dem hochansehnlichen Publico schuldig ist, und ich wollte in der Tat nur sagen, wie gute Hoffnung ich habe, daß Don Sylvio und sein getreuer Pedrillo nicht wenig beitragen werden, der Hypochondrie und dem Spleen Einhalt zu tun, welche, wie ich höre, aus England nach Frankreich, und von den Franzosen, (die nun schon einmal dazu bestimmt sind, uns ihre Galanterien anzuhängen) seit einiger Zeit auch zu uns Deutschen herüber gekommen sein, und sonderlich unter den Damen und jungen Herren bereits starke Progressen gemacht haben sollen.

Weil man aber doch aufrichtig sein, und das eine sagen muß! O wie das andre, so kann ich nicht bergen, daß ich einen gewissen Papefiguier kenne, der dieses Buch in einem ganz andern Lichte betrachtet, und an dem es in der Tat nicht liegt, daß es nicht als ein kleines Ungeheuer in der Geburt erstickt worden. Er ist eine Art von einem Petriner, der, Verstands halben gewiß keine Ketzerei erfinden wird, aber dagegen zum Ersatz einer von den eigensinnigsten Köpfen in der Christenheit. Er geht schon seit dem vorletzten Jubel-Jahr dienstlos herum, und lebt indessen, bis der Jansenismus, wie er hofft, durch ein allgemeines Concilium eingeführt sein wird, von der Gutherzigkeit der Christen und vom Nachtisch des benachbarten Adels. Denn er ist ein erklärter bockbeiniger Janseniste, und das ist eben die Quelle seines Unglücks. Allein er hat, wie gesagt, den Mut noch nicht verloren, daß seine Partei die Oberhand gewinnen werde, und er sieht den Fall der Jesuiten in Frankreich als einen glücklichen Vorboten an, daß der Untergang des großen Drachen vor der Türe sei, welcher bisher, wie er sagt, die ganze Welt verführt habe. Dieser ehrliche Mann, der sich zuweilen zum Mittagessen bei mir einlädt, kam neulich in mein Zimmer zu einer Zeit, da ich eben meiner Geschäfte wegen keine Acht gehen konnte. Er durchnisterte also indessen meine Papiere, und da kam er, zum Unglück auf das Manuscript des Don Sylvio. Ich dachte gleich, daß es Händel absetzen werde, und ich betrog mich nicht; er hatte kaum eine Viertelstunde darin herum geblättert, so warf er es wieder auf den Tisch, und geriet in einen so heftigen Eifer über ein so gottloses und gefährliches Buch, daß ich Gewalt brauchen mußte um ihn zu verhindern, daß er es nicht auf der Stelle ins Camin warf. Er wollte sichs nicht ausreden lassen, daß die Abenteuer des Don Sylvio eine Allegorie oder Parabola sei, wie er es hieß, deren geheimer Sinn und Endzweck auf nichts geringers als auf den Umsturz des Glaubens, des Evangelii des Pater Quesnell und der Wunder des Herrn von Paris abgesehen sei. Mit einem Wort, er machte einen solchen Lermen, daß er mich, als einen Laien, der seiner eignen Einsicht in dergleichen Sachen nicht trauen darf, endlich selbst ungewiß machte, ob ich gleich bei Durchlesung des Manuscripts nicht das mindeste gefunden hatte, das mir die Absichten des Verfassers hätte verdächtig machen können. Weil ich nun als der erbetene Herausgeber dieses Buches, den sichersten Weg gehen, und gewiß wissen wollte, woran ich wäre, so communicierte ich das Manuscript einem angesehen Geistlichen, welcher dermalen Dechant zu *** ist und bei jedermann den Namen eines der gelehrtesten und frömmsten Priestern in unsrer ganzen Revier hat, und bat ihn, er möchte mir seine Gedanken davon offenherzig entdecken, indem ich sehr ungleiche Urteile darüber hätte fällen hören. Dieser rechtschaffene Mann schrieb mir zurück; »er hätte den Don Sylvio nicht ohne Vergnügen durchlesen, ob er gleich gestehe, daß ohne einen besondern Beruf diese Art von Lectur einem Mann von seinem Stande nicht sonderlich anständig sei; er vermute sehr, daß der Verfasser kaum eine andre Absicht gehabt habe als sich und seinen Lesern eine Kurzweil zu machen, eine Absicht, die an sich selbst und in ihrer gehörigen Maße und Einschränkung nicht verwerflich sei; die Torheiten der Menschen, ihre Vorurteile und irrige Meinungen, und die Ausschweifungen ihrer Einbildungskraft und ihrer Leidenschaften zu verspotten, sei nicht nur erlaubt sondern so gar nützlich; und wenn in einem Buch, das mehr zur Belustigung als zum Unterricht geschrieben sei, und worin guter Humor und scherzende Satyre herrsche, der scherzhaft Ton selbst über ernsthaftere Gegenstände ausgedehnt werde, so sei auch dieses solange die Schranken der Anständigkeit nicht überschritten werden, ganz wohl zu dulden, indem die Wahrheit ein jedes Licht vertragen könne, und das Lächerliche niemals an der Wahrheit selbst hafte, sondern vielmehr bloß dazu diene, die falschen Zusätze, womit sie in den Köpfen der Menschen vermengt werde, von ihr abzuschneiden; und wenn auch, im übrigen, die Absicht des Verfassers gewesen wäre in der Person des Don Sylvio die Schwärmerei, und in Pedrillo den Aberglauben und die Leichtgläubigkeit des Pöbels, und überhaupt dasjenige, das Juvenal veteres avias nenne, in ein lächerliches Licht zu stellen, so würde er der Religion dadurch vielmehr einen Dienst als den geringsten Abbruch getan haben; und ihm eine solche Freiheit übel auszudeuten, würde um so viel unbilliger sein, da die heiligen Väter selbst sich meistens keiner andern Waffen als des lachenden Spottes und der beißenden Ironie gegen den herrschenden Aberglauben ihrer Zeiten bedient hätten etc. etc.«

Dieses gelinde Urteil von einem Mann, dessen Aussprüche bei mir eine entscheidende Autorität haben, beruhigte mich wieder vollkommen, und ich gesteh es, daß ich ihm recht dafür verbunden bin, daß ich beim Don Sylvio wieder unbesorgt und nach Herzens Lust lachen darf.

Ich überlasse es nun den Lesern, was sie tun wollen, ob sie dabei lachen, lächeln, sauer sehen, schmälen oder weinen wollen. Mir liegt weniger daran als dem Verleger; denn dieser hat sich, um die Wahrheit zu gestehen, darauf verlassen, daß Don Sylvio ein lustiges Buch sei, und er würde sich schwerlich damit abgegeben haben, ein paar tausend Copien von den Einfällen des Hrn. Don Ramiro von Z** auf seine Unkosten machen zu lassen, wenn man ihn nicht versichert hätte, daß die Medici in hypochondrischen und Milz-Krankheiten, in allen Arten von Vaperus, und hysterischen Zufällen, und sogar im Podagra, ihren Patienten künftig den Don Sylvio statt einer Tisanne einzunehmen verschreiben würden.

R*** am N. den

2. Octob. 1763

P.F.X.D.R.G.N.

und S.S.D.

Erster Teil

Erstes Buch

Erstes Capitel

Character einer Art von Tanten

In einem alten baufälligen Schloß der Spanischen Provinz Valencia lebte vor einigen Jahren ein Frauenzimmer von Stande, die zu derjenigen Zeit, da sie in der folgenden Geschichte ihre Rolle spielte, bereits sechzig Jahre unter dem Namen Donna Mencia von Rosalva sehr wenig Aufsehens in der Welt gemacht hatte.

Diese Dame hatte die Hoffnung, sich durch ihre persönliche Annehmlichkeiten zu unterscheiden, schon seit dem Successions- Krieg aufgegeben, in dessen Zeiten sie zwar jung und nicht ungeneigt gewesen war, einen würdigen Liebhaber glücklich zu machen, aber immer so empfindliche Kränkungen von der Kaltsinnigkeit der Mannspersonen erfahren hatte, daß sie mehr als einmal in Versuchung geraten war, in der Abgeschiedenheit einer Kloster-Celle ein Herz, dessen die Welt sich so unwürdig bezeugte, dem Himmel aufzuopfern. Allein, ihre Klugheit ließ sie jedesmal bemerken, daß dieses Mittel, wie alle diejenigen, so der Unmut einzugehen pflegt, ihre Absicht nur sehr unvollkommen erreichen, und in der Tat die Undankbarkeit der Welt nur an ihr selbst bestrafen würden.

Sie besann sich also glücklicher Weise eines andern, welches sie nicht so viel kostete, und weit geschickter war die einzige Absicht zu befördern, die bei so bewandten Umständen ihrer würdig zu sein schien. Sie wurde eine Spröde, und nahm sich vor, ihre beleidigten Reizungen an allen den Unglückseligen zu rächen, welche sie als Wolken ansah, die den Glanz derselben aufgefangen und unkräftig gemacht hatten. Sie erklärte sich öffentlich für eine abgesagte Feindin der Schönheit und Liebe, und warf sich hingegen zur Beschützerin aller dieser ehrwürdigen Vestalen auf, denen die Natur die Gabe der transcendentalen Keuschheit mitgeteilt hat, und deren bloßer Anblick fähig wären, den mutigsten Faunen zu entwaffnen.

Donna Mencia ließ es nicht bei der bloßen Freundschaft bewenden, die der nähere Umgang, die Sympathie und die Ähnlichkeit ihres Schicksals zwischen ihr und einigen Frauenzimmern von dieser Classe stiftete, mit denen sie zu Valencia, wo sie erzogen worden war, nach und nach Bekanntschaft gemacht hatte. Sie richtete eine Art von Schwesterschaft mit ihnen auf, die in der schönen Welt eben das war, was die Mönchs-Orden in der politischen sind, ein Staat im Staat, dessen Interesse ist, dem andern allen möglichen Abbruch zu tun, und die sich den Namen der Anti-Grazien erwarben, indem sie mit dem ganzen Reich der Liebe in einer eben so offenbaren und unversöhnlichen Fehde stunden, als die Maltheser-Ritter mit den Musulmannen.

Um ihre Zusammenkünfte auch dem gemeinen Wesen so nützlich zu machen, als sie ihnen selbst angenehm waren, erwählten sie die Beförderung der Tugend und guten Sitten unter ihrem Geschlecht zum Gegenstand ihrer großmütigen Bemühungen; denn die klägliche Verderbnis desselben war, ihrem Urteil nach, die wahre und einzige Quelle alles Unheils in der Welt. Sie legten zum Grund ihrer Sittenlehre, daß die Besitzerin eines angenehmen Gesichts unmöglich tugendhaft sein könne, und nach diesem Grundsatz wurden alle ihre Urteile über die Handlungen und den moralischen Wert einer jeden Person ihres Geschlechts bestimmt. Ein Frauenzimmer, welches gefiel, war in ihren Augen eine Unglückselige, eine verlorne Creatur, eine Pest der menschlichen Gesellschaft, ein Gefäß und Werkzeug der bösen Geister, eine Harpye, Hyäne, Syrene und Amphisbäne, und alles dieses und noch etwas ärgers, je nachdem es mehr oder weniger von dem ansteckenden Gifte bei sich führte, welches nach dem System dieser Sittenlehrerinnen eben so tödlich für die Tugend als schmeichelhaft für die Eigenliebe und veführisch für die armen Mannsleute ist.

In diesem strengen Character hatte sich Donna Mencia bereits über fünfzehn Jahre der schönen Welt zu Valencia furchtbar gemacht, als Don Pedro von Rosalva, ihr Bruder, den Entschluß faßte, Madrit zu verlassen, wo er den Rest eines im Dienst des neuen Königs aufgewandten Vermögens verzehrt hatte, eine Pension nachzusuchen, die er nicht erhielt, und nun, da es zu spät war, nicht wenig bedaurte, daß er ihn nicht lieber angewendet hatte, ein kleines altes Schloß zwo oder drei Stunden von Xelva, das einzige, was ihm von seinen Voreltern übrig war, in einen bewohnbaren Stand zu setzen.

Er hatte von einer Gemahlin, die ihm kürzlich gestorben war, einen Sohn und eine Tochter, deren zartes Alter so wohl als die Regierung seines kleinen Hauswesens eine weibliche Aufsicht erforderte. Er übertrug dieses Amt seiner Schwester, welche leicht zu bewegen war, die Demütigungen, so sie in Valencia erlitten hatte, gegen das Vergnügen zu vertauschen, die vornehmste Frau in einem Dorfe zu sein; eine Denkungsart, die sie vielleicht dem großen Cäsar abgelernt haben mochte, der bei seinem Durchzug durch ein elendes Städtchen in den Pyrenäen seine Freunde versicherte, daß er lieber der erste in diesem armseligen Städtchen, als der zweite in Rom sein möchte.

Der Gram über fehlgeschlagene Hoffnungen ließ den guten Don Pedro die Annehmlichkeiten der Freiheit und des Landlebens, dessen wahre Vorteile ohnehin seinen Landsleuten noch unbekannt sind, nicht lange genießen. Er starb, und hinterließ seinem Sohn, Don Sylvio, einen Stammbaum, der sich in den Zeiten des Gargoris und Habides verlor, ein verfallenes Schloß mit drei Türmen, etliche Pacht-Höfe, und die Hoffnung nach dem Tode der Donna Mencia eine Erbschaft von alten Juwelen, Brillen und Rosenkränzen, nebst einem ansehnlichen Vorrat von Ritterbüchern und Romanen mit seiner Schwester zu teilen.

Don Pedro starb desto ruhiger, da er seinen Sohn, ob er gleich das zehnte Jahr kaum erreicht hatte, in den Händen einer so weisen Dame ließ, als Donna Mencia in seinen Augen war.

Denn ihre erstaunliche Belesenheit in Chroniken und Ritterbüchern, und die Beredsamkeit, womit sie ihre tiefe Einsichten in die Staats-Wissenschaft und Sittenlehre bei der Mahlzeit und bei andern Gelegenheiten auszulegen pflegte, hatten ihm eine desto größere Meinung von ihrem Verstande beigebracht, je weniger seine Martialische Lebensart ihm Zeit gelassen hatte, eine mehrere Kenntnis von dem, was man die polite Gelehrtheit heißt, zu erwerben, als etwan das wenige sein mochte, was ihm aus seinen Schul-Jahren in einem nicht allzugetreuen Gedächtnis übrig geblieben war.

Zweites Capitel

Was für eine Erziehung Don Sylvio von seiner Tante bekommen

Donna Mencia betrog die Hoffnung nicht, welche sich ihr Bruder von ihrer Sorgfalt und Geschicklichkeit gemacht hatte. Denn so bald der junge Sylvio von dem Vicarius des Dorfs so viel Latein gelernt hatte, daß er die Verwandlungen des Ovidius verstehen, und von dem Barbier eines benachbarten Fleckens, dem Amphion der Gegend, so viel Musik, daß er etliche Dutzend alte Balladen auf der Cither accompagnieren konnte; so nahm sie es auf sich selbst, ihn zu allen den übrigen Eigenschaften auszubilden, welche nach ihren Begriffen einen vollkommenen Cavalier ausmachten.

Das schlimmste war, daß sie diese Begriffe aus dem Pharamond, der Clelia, dem großen Cyrus und andern Büchern von dieser Classe geschöpft hatte, welche nebst den Abenteuern der zwölf Pairs von Frankreich und der Ritter von der runden Tafel den vornehmsten Teil ihrer Bibliothek ausmachten. Ihrer Meinung nach lag in diesen Büchern der ganze Reichtum der erhabensten und nützlichsten Kenntnisse verborgen. Sie glaubte also ihren Untergebenen nicht besser anweisen zu können, als wenn sie ihm die Begriffe und den Geschmack beizubringen suchte, so sie selbst aus so lautern Quellen geschöpft hatte, und die glücklichen Fähigkeiten des jungen Don Sylvio begünstigten ihre Absichten so sehr, daß er, ehe er noch das fünfzehnte Jahr erreicht hatte, zum wenigsten eben so gelehrt als seine gnädige Tante war. Er besaß in diesem zarten Alter bereits eine so ausgebreitete Erkenntnis von der Geschichte, der Natur-Kunde, der Theologie, der Metaphysik, der Sittenlehre, der Staats- und Kriegs-Kunst, den Altertümern und den schönen Wissenschaften als irgend einer von den gelehrtesten Helden des großen Cyrus, und wußte mit so vieler Beredsamkeit über die subtilsten Fragen aus diesen Wissenschaften zu perorieren, daß die Bedienten des Hauses, der Vicarius, der Schulmeister, der vorbesagte Barbier und andere Personen von Distinction, die den freien Zutritt im Hause hatten, sowohl die Wunder-Gaben des jungen Herrn, als die weise Erziehungs-Kunst der gnädigen Frau nicht genug bewundern konnten.

Was dieser letztern an ihrem Neffen am besten gefiel, war die außerordentliche Begierde, wovon er brannte, den erhabnen Mustern nachzuahmen, von deren großen Taten und Helden Tugenden er bis zur Bezauberung entzückt war, und womit er seine Einbildungs-Kraft so vertraut gemacht hatte, daß er sich endlich beredete, es würde ihm nicht mehr Mühe kosten sie auszuüben, als er brauchte sich eine Vorstellung davon zu machen. Donna Mencia zweifelte nicht, daß Don Sylvio mit so edlen Neigungen und einer so heroischen Denkungsart dereinst eine große Rolle in der Welt spielen und den Helden, welche sie am meisten bewunderte, an Ruhm und Glück eben so ähnlich werden müßte, als er es ihnen an Schönheit und persönlichen Annehmlichkeiten war.

Drittes Capitel

Psychologische Betrachtungen

Man wird sich um so weniger wundern, daß die Einbildungs-Kraft des Don Sylvio von einer so wunderbaren Erziehung einen seltsamen Schwung bekommen mußte, wenn wir sagen, daß eine ungemeine Empfindlichkeit, und, was unmittelbar damit verbunden ist, eine starke Disposition zur Zärtlichkeit unter die Gaben gehörte, womit ihn die Natur bis zum Übermaß beschenke hatte.

Junge Leute von dieser Art lieben überhaupt alle Vorstellungen, welche lebhafte Eindrücke auf ihr Herz machen, und Leidenschaften erwecken, die, in einem leichten Schlummer liegend, bereit sind von dem kleinsten Geräusch aufzufahren.

Kommt dann noch hinzu, daß sie fern von der Welt, in einer ländlichen Einsamkeit und Einfalt, unter den natürlichen Vergnügungen des Landlebens und frei von den Arbeiten desselben erzogen werden; So erhalten die wunderbaren und passionierten Vorstellungen eine verdoppelte und desto stärkere Gewalt über ihr Herz, je geschäftiger die Phantasie in solchen Umständen zu sein pflegt, das Leere auszufüllen, so die beständige Einförmigkeit der Gegenstände, die sich den Sinnen darstellen, in der Seele zurückläßt. Unvermerkter Weise verwebt sich die Einbildung mit dem Gefühl, das Wunderbare mit dem Natürlichen und das Falsche mit dem Wahren. Die Seele, welche nach einem blinden Instincte Schimären eben so regelmäßig bearbeitet als Wahrheiten, bauet sich nach und nach aus allem diesem ein Ganzes, und gewöhnt sich an, es für wahr zu halten, weil sie Licht und Zusammenhang darin findet, und weil ihre Phantasie mit den Schimären, die den größten Teil davon ausmachen, eben so bekannt ist als ihre Sinnen mit den würklichen Gegenständen, von denen sie ohne sonderliche Abwechslung immer umgeben sind.

In diesem Falle befand sich der Jüngling, welcher der Held unserer Geschichte sein wird. Die natürliche Lauterkeit seiner Seele war des Argwohns, ob er etwan betrogen werde, unfähig. Seine Einbildung faßte also die schimärischen Wesen, die ihr die Poeten und Romanen-Dichter vorstellten, eben so auf, wie seine Sinnen die Eindrücke der natürlichen Dinge aufgefasset hatten. Je angenehmer ihm das Wunderbare und Übernatürliche war1, desto leichter war er zu verführen, es würklich zu glauben; zumal da er in die Möglichkeit auch der unglaublichsten Dinge keinen Zweifel setzte. Denn für den Unwissenden ist alles möglich. Solchergestalt schob sich die poetische und bezauberte Welt in seinem Kopf an die Stelle der würklichen, und die Gestirne, die elementarischen Geister, die Zauberer und Feen waren in seinem System eben so gewiß die Beweger der Natur, als es die Schwere, die Anziehungs-Kraft, die Elasticität, das electrische Feuer, und andere natürliche Ursachen in dem System eines heutigen Weltweisen sind.

Die Natur selbst, deren anhaltende Beobachtung das sicherste Mittel gegen die Ausschweifungen der Schwärmerei ist, scheint auf der andern Seite durch die unmittelbaren Eindrücke, so ihr majestätisches Schauspiel auf unsre Seele macht, die erste Quelle derselben zu sein.

Das angenehme Grauen, so uns beim Eintritt in den dunkeln Labyrinth eines dichten Gehölzes befällt, beförderte ohne Zweifel den allgemeinen Glauben der ältesten Zeiten, daß die Wälder und Haine von Göttern bewohnt würden. Der süße Schauer, das Erstaunen, die gefühlte Erweiterung und Erhöhung unsers Wesens, die wir in einer heitern Nacht beim Anblick des gestirnten Himmels erfahren, begünstigte vermutlich den Glauben, daß dieser schimmervolle, mit unzählbaren nie erlöschenden Lampen erleuchtete Abgrund eine Wohnung unsterblicher Wesen sei.

Aus dieser Quelle kommt es vermutlich, daß die Landleute, denen ihre Arbeiten keine Zeit lassen, die verworrenen Eindrücke, so die Natur auf sie macht, zu deutlicher Erkenntnis zu erhöhen, überhaupt aberglaubischer als andre Leute sind; daher die körperlichen Geister, womit sie die ganze Natur angefüllt sehen; daher die unsichtbare Jagden in den Wäldern, die Feen, die des Nachts auf den Fluren im Kreise tanzen, die freundlichen und die boshaften Kobolte, der Alp, der die Mädchen drückt, die Berg-Geister, die Wasser-Nixen, die Feuer-Männer, und wer weiß, wie viel andre Hirn-Gespenster, von denen sie so vieles zu erzählen wissen, und deren Würklichkeit bei ihnen so ausgemacht ist, daß man sie nicht leugnen kann, ohne in den Augen der meisten von ihrer Classe entweder albern oder gottlos zu scheinen.

Nehmen wir nun alle diese Umstände zusammen, welche sich vereinigten, der romanhaften Erziehung unsers jungen Ritters ihre volle Kraft zu geben, so werden wir nicht unbegreiflich finden, daß er nur noch wenige Schritte zu machen hatte, um auf so abenteurliche Sprünge zu geraten, als seit den Zeiten seines Landsmanns, des Ritters von Mancha, jemals in ein schwindlichtes Gehirn gekommen sein mögen.

Viertes Capitel

Wie Don Sylvio mit den Feen bekannt wird

Zum Unglück für seine Vernunft befanden sich unter den Büchern, womit eine große Kammer des Hauses angefüllt war, eine Menge Feen-Märchen, wovon Don Pedro ein großer Liebhaber gewesen war, ob er gleich von seiner weisen Schwester wegen seines Geschmacks an solchen unnützen Possen, wie sie es nannte, nicht selten angefochten wurde. Denn in so großem Ansehen die Ritterbücher bei ihr stunden, welche sie mit den Chroniken, Historien und Reisebeschreibungen in einerlei Classe setzte, so verächtlich waren ihr alle diese kleine Spiele des Witzes, die bloß zur Unterhaltung der Kinder oder zum Zeitvertreib der Erwachsenen geschrieben werden, und durch nichts als die angenehme Art der Erzählung sich Leuten von Geschmack empfehlen können.

Don Pedro gestand ihr willig ein, daß es Schäkereien seien; aber sie vertreiben mir, sagte er, doch manche langweilige Stunde; je schnakischer die Einfälle sind, die der närrische Kerl, der Autor, auf die Bahn bringt, desto mehr lach' ich, und das ist alles, was ich dabei suche.

Die weise Donna Mencia, welche, wie alle wunderliche Leute, nur ihre eigene Grillen vernünftig fand, ließ sich zwar durch diese Antwort nicht befriedigen; allein die Arabischen und Persianischen Erzählungen, und die Novellen, und die Feen-Märchen blieben nichts desto weniger in ruhigem Besitz ihres Platzes in der Bibliothek, und da sie meistens nur in blaues Papier geheftet waren, so verbargen sie sich so bescheiden hinter die ehrwürdigen Folianten und Quart-Bände der Donna Mencia, daß sie nach dem Tode des alten Ritters in kurzem gänzlich vergessen wurden.

Allein, vermutlich wollte die Fee, die sich in das Schicksal des jungen Sylvio mischte, nicht zugeben, daß er seine Bestimmung verfehlen sollte; und da er einst in Abwesenheit seiner Tante, deren Ernsthaftigkeit und ewige Sittenlehren ihm sehr beschwerlich zu werden anfingen, in der Bücher-Kammer herum stöberte, um sich etwas zur Zeitkürzung auszusuchen, so geriet er, es sei nun von ungefähr oder durch den geheimen Antrieb der besagten Fee, auf ein starkes Heft von Feen-Märchen. Er steckte es voller Freude zu sich, und zog sich, so geschwind er konnte, in den Garten zurück, um den Wert seines Funds ungestört erkundigen zu können; denn es schwante ihm schon beim Anblick der Titel, daß es sehr angenehme Sachen sein müßten.

Die Kürze dieser Erzählungen war das erste, wodurch sie ihm gefielen, so sehr war er der dicken Folianten müde, woraus er seiner Tante täglich etliche Stunden lang vorlesen mußte. So bald er aber eine oder zwei davon durchlesen hatte, war nichts dem Vergnügen zu vergleichen, das er darüber empfand, und der Gierigkeit, womit er alle die übrigen verschlang.

Ein gewisser Instinct, der auch die einfältigsten unter den jungen Leuten lehrt, was sie ihren Aufsehern sagen dürfen oder nicht, warnte ihn, seine liebe Tante nichts von der Entdeckung merken zu lassen, die er gemacht hatte; allein der Zwang, den er sich hierüber antun mußte, machte ihm die Feen nur desto lieber, und er würde die ganze Nacht durch gelesen haben, wenn man, wie Tasso ehmals in seinem Gefängnis wünschte, bei den Augen einer Katze lesen könnte. Denn die Vorsicht der Donna Mencia für seine Gesundheit, und für die Ersparung der Kerzen hatte ihm schon von langem her die Mittel zu gelehrten Nacht-Wachen benommen.

Allein, so bald der Tag anbrach, war er schon wieder munter; er nahm sein Heft unter seinem Haupt-Küssen hervor, durchlas mit fliegenden Blicken ein Märchen nach dem andern, und wie er mit der ganzen Sammlung fertig war, fing er wieder von vorn an, ohne es müde zu werden. So oft er konnte, begab er sich in den Garten oder in den angrenzenden Wald, und nahm seine Märchen mit. Die Lebhaftigkeit, womit seine Einbildungskraft sich derselben bemächtigte, war außerordentlich er las nicht, er sah, er hörte, er fühlte. Eine schönere und wundervolle Natur, als die er bisher gekannt hatte, schien sich vor ihm aufzutun, und die Vermischung des Wundertaren mit der Einfalt der Natur, welche der Charakter der meisten Spielwerke von dieser Gattung ist, wurde für ihn ein untrügliches Kennzeichen ihrer Wahrheit.

Dieser Punct fand desto weniger Schwierigkeit bei ihm, da er durch seine bisherige Lebensart vollkommen dazu vorbereitet war. Denn seit dem Anfang seiner Studien, der mit den Verwandlungen des Ovidius gemacht worden, war ihm bisher kein einziges Buch in die Hand gekommen, das ihm richtigere Begriffe hätte geben können; im Gegenteil verschiedene Schriftsteller aus den Zeiten, da die Pythagorisch-Cabbalistische Philosophie durch ganz Europa im Ansehen stund, hatten durch ihre systematische Träumereien von Planetarischen und Elementarischen Geistern, von Beschwörungen, geheimnis-vollen Zahlen, und Talismannen, und von jener vorgeblichen Weisheit, die ihren Besitzer zum Meister der ganzen Natur machen könne, ihn so sehr in seinen Einbildungen befestiget, daß selbst die wundervolle Haselnuß der Babiole, und das Stück Leinwand von vier hundert Ellen, welches der Liebhaber der weißen Katze aus einem Hirsen-Körnlein auspackte, und sechsmal durch das feinste Nadel-Öhr zog, in seinen Augen nichts unbegreifliches hatte.

Es hinderte ihn also nichts, sich dem Vergnügen gänzlich zu überlassen, welches er aus den Feen-Märchen schöpfte, von denen er nach und nach unter der Maculatur, die den Boden der Bücher-Kammer deckte, noch eine große Menge hervor zog, wovon immer eines abenteurlicher als das andre war, und worin er eine Unterhaltung fand, die er um alle Lustbarkeiten der Welt nicht vertauschet hätte.

Er konnte nicht so vorsichtig sein, daß seine eben so strenge als scharfaugichte Aufseherin nicht endlich die Ursache seiner häufigen Spaziergänge in das Lustwäldchen entdeckt, und ihm eine sehr scharfe, sehr gelehrte und sehr langweilige Strafpredigt deswegen gehalten hätte; allein das diente, wie es zu gehen pflegt, zu nichts anderm, als daß Don Sylvio behutsamer wurde, und sich besser in Acht nahm, seine Neigungen und angehende Entwürfe vor ihr zu verbergen.

Die Wahrheit zu sagen, er hatte sie jederzeit mehr gefürchtet als geliebt; allein seit dem sein Gehirn mit Florinen, Rosetten, Brillianten, Cristallinen, und wer weiß, wie vielen andern überirdischen und unnatürlich schönen Schönheiten angefüllt war, so wurde er nicht selten versucht, die gute alte Tante für eine Art von Carabosse anzusehen, deren tyrannische Ober-Herrschaft ihm von Tag zu Tag unerträglicher wurde.

Sie mochte also sagen, was sie wollte, die Bezauberungen, die Schlösser von Diamanten und Rubinen, die verwandelten oder in Türme und unterirdische Paläste eingesperrte Princessinnen und die zärtlichen Liebhaber, die unter dem wundertätigen Schutz einer guten Fee den Nachstellungen einer bösen glücklich entgehen, blieben im gänzlichen Besitz seiner Einbildungs-Kraft; er las nichts anders, er staunte und dichtete nichts anders, er ging den ganzen Tag mit nichts anderm um, und träumte die ganze Nacht von nichts anderm.

Fünftes Capitel

Seltsame Torheit des Don Sylvio

Seine Liebe zu einer idealischen Princessin

In einer so seltsamen Gemüts-Verfassung konnte nichts natürlicher sein, als daß Don Sylvio endlich auf die Torheit verfiel, sich eben solche Abenteure zu wünschen, wie diejenige, deren Erzählung ihm in den Märchen so viel Vergnügen machte.

In kurzem ging er noch weiter; er bemühte sich die Phantasien, womit sein Kopf angefüllt war, zu realisieren, und sich, so gut er konnte, in die Feen-Welt zu versetzen.

Er gab deswegen allem was um ihn war, Namen aus seinen Märchen. Ein artiges Hündchen, das er hatte, mußte an statt Amorett, wie es vorher hieß, Pimpimp heißen, weil das Hündchen der Princessin Wunderschön so geheißen hatte; und er verstieß eine aschfarbe Katze mit weißen Pfoten, die sein Günstling gewesen war, um einer ganz weißen willen, die zu Ehren der Princessin Weißkätzgen mit allen ersinnlichen Höflichkeiten überhäuft wurde.

Alle Morgen und Abend ging er etliche gemalte Fensterscheiben in einer halb eingefallenen Galerie des Schlosses zu besichtigen, in der Hoffnung, gleich dem Prinzen Höckerich Gemälde darauf zu finden, die ihm einigen Aufschluß über sein künftiges Schicksal geben würden; und er durchsuchte wohl zwanzigmal alle Winkel des Schlosses vom Dach bis in den Keller, ob er nicht irgendwo einen bezauberten Schrank oder eine Falltreppe entdecken möchte, die in einen unterirdischen Palast führte. Er fand freilich nichts, und die Fenster-Scheiben wiesen ihm einmal wie das andre nichts als geharnischte Ritter, die mit eingelegten Lanzen wohl ein paar hundert Jahre schon aufeinander zurannten; allein er wußte sich sehr gut deswegen zu trösten. Er war noch nicht völlig achtzehn Jahr alt, und er hatte aus den meisten Märchen gesehen, daß ein Prinz oder Ritter wenigstens achtzehen Jahr alt sein muß, um Abenteuer zu haben.

Inzwischen legte er in einer Ecke seines Gartens eine Art von Laube an, die dem Blumen-Schloß ähnlich sein sollte, worin die Fee Immerschöne die süßen Augenblicke, die sie in den Armen ihres geliebten Schäfers genoß, vor ihrem Hofe zu verbergen pflegte. Er ließ etliche Linden, die er dazu bequem fand, so zurichten, daß ihre Stämme die Grundpfeiler, die untersten Äste den Fußboden, und ihre Wipfel das Dach dieses seltsamen Lusthauses wurden; die Wände waren von Myrthen mit Rosenhecken und Geißblatt durchwunden, und hinter derselben war eine Treppe von Wasen so gut angebracht, daß man sie nicht gewahr wurde.

In diesem grünen Schloß, wie Don Sylvio es zu nennen beliebte, hatte er ein kleines Cabinet angelegt, welches er, um ihm ein desto Feen-mäßigeres Ansehen zu geben, mit den schönsten Schmetterlingen austapezierte, die er auf seinen Spaziergängen in dem benachbarten Walde und an den Ufern des Guadalaviar, der nicht weit von seinem Garten vorbei floß, gefangen hatte.

In diesem Cabinet brachte er oft halbe Nächte mit Träumereien über die wunderbaren Begebenheiten zu, die er sich wünschte, und die er in kurzem zu erfahren hoffte. Unvermerkt schlief er über diesen phantastischen Betrachtungen ein, und günstige Träume setzten die Abenteuer fort, worin er wachend sich zu verirren angefangen hatte. Eine schöne Princessin die er liebte, war gemeiniglich der Gegenstand davon; nur war das beschwerliche dabei, daß er sie allemal in der Gewalt der Fee Fanferlüsch oder einer andern neidischen alten Hexe sah, die seiner Liebe die verdrießlichsten Hindernisse in den Weg legte.

Bald mußte er sich mit Drachen und fliegenden Katzen herum balgen, bald fand er alle Zugänge zu dem Palast, worin sie gefangen gehalten wurde, mit Distel-Köpfen besät, die sich in dem Augenblick, da er sie berührte, in eben so viele Riesen verwandelten, und ihm den Weg mit großen stählernen Kolben streitig machten. Nun griff er sie zwar an, wie es einem tapfern Ritter zukommt, und hieb auf jeden Streich ein paar Dutzend mitten voneinander; aber kaum war er mit ihnen fertig, und im Begriff als Sieger in den Palast hinein zu gehen, so mußte er sehen, wie seine geliebte Princessin auf einem mit Fledermäusen bespannten Wagen durch den Schornstein davon geführt wurde. Ein andermal fand er sie auf einer Blumenbank an einer Quelle sitzend, er warf sich zu ihren Füßen, er sagte ihr die zärtlichsten Sachen vor, und sie schien ihn mit Vergnügen anzuhören, allein indem er sie umarmen wollte, (denn man weiß, daß die Liebe in Träumen nicht alle die Gradationen beobachtet, die einem Schäfer an den Ufern des Lignon vorgeschrieben sind) so sah er mit Entsetzen, daß er die Gestalt der dicken Maritorne, der Viehmagd des Hauses an seinen Busen drückte, und erhielt von Lippen, die ihm einen Augenblick zuvor lauter Nectar und Ambrosia zu düften schienen, einen von Knoblauch und Käse so kräftig durchwürzten Kuß, daß er vor Ekel und Abscheu des Todes hätte sein mögen.

So nichtig nun immer diese eingebildete Unglücksfälle waren, so lebhaft war gleichwohl der Schmerz, den sie ihm verursachten. Er hielt diese Träume für böse Vorbedeutungen, und zweifelte nicht, daß er eine mächtige Feindin habe, die darauf beflissen sei, ihn in der Liebe unglücklich zu machen, die er bereits in einem hohen Grade für die bezaubernde Unbekannte empfand, welche er nach dem Schlusse des Schicksals zu lieben bestimmt war.

Sechstes Capitel

Abenteuer mit dem Laubfrosch

Warum Don Sylvio nicht gemerkt, daß der Frosch keine Fee war?

Der Gedanke einen unsichtbaren Feind von solcher Wichtigkeit zu haben, beunruhigte unsern jungen Helden nicht wenig; jedoch da er in seinen Märchen keinen von Feen oder Zauberern verfolgten Prinzen gefunden hatte, der nicht von einer andern Fee beschützt worden wäre, so ermunterte ihn die Hoffnung wieder, daß er nicht der erste sein werde, an dem diese Regel eine Ausnahme leiden sollte.

Weil es nun in der Feen-Welt eben so wie in unserer Alltags-Welt der Gebrauch ist, daß man selten jemand Dienste zu leisten pflegt, von dem man nicht eben dergleichen oder noch größere zurück erwartet; so wünschte sich Don Sylvio nichts so sehnlich, als eine Gelegenheit zu bekommen, sich die Dankbarkeit irgend einer großmütigen Fee verbinden zu können.

Indem er einst in diesen Gedanken an einem Graben in seinem Garten vorbei ging, sah er auf der andern Seite einen Storch, (einige Nachrichten sagen, wiewohl ohne genugsamen Grund, daß es eine Störchin gewesen) im Begriff einen artigen Laubfrosch zu erhaschen, der unbesorgt quakend im Gras herum hüpfte.

Don Sylvio würde auch aus bloßem Antrieb seines Herzens, welches sehr gütig und mitleidig war, nicht saumselig gewesen sein, dem notleidenden Frosche zu Hülfe zu kommen, Allein der Gedanke, daß es vielleicht eine Fee und wohl gar eben der wohltätige Frosch sein könnte, so der Princessin Mufette und ihrer Mutter so gute Dienste geleistet hatte, setzte ihm Flügel an; er sprang über den Graben, und verjagte mit einem Stecken, den er eben in der Hand hatte, den langbeinichten Erbfeind der Frösche in eben dem Augenblick, da er im Begriff war, den kleinen unschuldigen Quäker hinunter zu schlingen. Der Storch ließ seinen Raub fallen und entfloh, und das Fröschchen sprang in den Graben, ohne sich zu bekümmern, wem es seine Rettung zu danken habe.

Don Sylvio blieb an dem Graben stehen und erwartete, daß es in Gestalt einer schönen Nymphe, oder doch mit seiner Rosen Haube auf dem Kopf wieder hervor kommen werde, um sich für so einen wichtigen Dienst gar schön bei ihm zu bedanken: er wartete über eine halbe Stunde, aber zu seiner nicht geringen Befremdung wollte weder Frosch noch Nymphe zum Vorschein kommen.

Eine so ungewöhnliche Undankbarkeit an einer Fee war ihm unbegreiflich. Wenn es auch, dachte er, die kleine häßliche Magotine, die alte Ragotte, oder die Fee Concombre selbst gewesen wäre, so sollte doch ein Dienst von dieser Art vermögend gewesen sein, sie zu einiger Erkenntlichkeit zu bewegen. Könnte es aber nicht sein, besann er sich einen Augenblick darauf, daß es ihr nicht erlaubt ist, mir jetzt in ihrer eigenen Gestalt zu erscheinen, oder, daß sie es, aus andern Ursachen auf eine Gelegenheit verschiebt, da sie mir ihre Dankbarkeit durch eine würkliche Dienstleistung beweisen kann?

Diese Vermutung schien ihm, weil sie mit seinen grillenhaften Wünschen am besten überein stimmte, bei mehrerm Nachdenken so wahrscheinlich, daß er voller Zufriedenheit in sein grünes Schloß zurück ging, und keinen Augenblick länger zweifelte, daß diese Begebenheit in kurzem irgend eine wichtige Veränderung in seinem Schicksal nach sich ziehen würde.

Vermutlich werden einige Leser sich wundern, wie es möglich sei, daß Don Sylvio albern genug habe sein können, um aus dem widrigen Ausgang dieses Abenteuers nicht den Schluß zu ziehen, der am natürlichsten daraus folgte, nämlich daß der Frosch keine Fee gewesen sei. Allein sie werden uns erlauben, ihnen zu sagen, daß sie die Macht der Vorurteile und vielleicht ihre eigene Erfahrung nicht genugsam in Erwägung ziehen. Nichts ist unter den Menschen gewöhnlicher als diese Art von Trug- Schlüssen; das Vorurteil und die Leidenschaft macht keine andre.

Ein alter Geck, der durch seine Freigebigkeit die Treue seiner Liebste zu erkaufen gedenkt, schreibt die funkelnden Augen und die glühende Wangen, womit sie ihn empfängt, der Freude zu, die ihr seine Ankunft verursache, und bedenkt nicht, wie viel wahrscheinlicher es wäre, sie auf die Rechnung eines jüngern Buhlers zu setzen, der inzwischen in einem Schranke steckt, und seines leichtglaubigen Unvermögens spottet.

Ein Indianer kauft seinem Bonzen Amulete ab, die wider alle Krankheiten dienen sollen; er wird krank, und die Amulete helfen nichts. Was schließt er daraus? Vielleicht daß seine Amulete keine solche Heilungs-Kraft haben, und daß der Bonze ein Betrüger ist? Nichts weniger; alles was er daraus schließt, ist, daß er dem Götzen, dessen Bild er am Halse getragen, nicht Andacht genug bewiesen, und den Bonzen nicht Almosen genug gegeben habe.

Keine Leute sehen mehr Verdienste an sich selbst als diejenige, an denen sonst niemand keine sieht; wer wollte ihnen auch zumuten, die Verachtung, die sie für eine Würkung des Neides halten, der weit natürlichern Ursache zuzuschreiben, daß andre unmöglich so parteiisch für sie sein können als sie selbst?

Dergleichen Beispiele ließen sich ins Unendliche häufen. Es ist wohl wahr, die Torheit des Don Sylvio wird dadurch nicht kleiner; aber es ist auch zu seiner Entschuldigung genug, daß er wenigstens keine schlimmere Schlüsse macht als andere ehrliche Leute.

Siebendes Capitel

Don Sylvio findet auf eine wunderbare Art das Bildnis seiner geliebten Princessin

Einige Tage, nachdem sich das Abenteuer mit dem Laubfrosch zugetragen hatte, ging Don Sylvio mit dem Anbruch des Morgens in den Wald, um Schmetterlinge zu suchen, von denen ihm noch einige zu Ausschmückung seines Cabinets abgingen.

Er hatte sich schon über eine Stunde weit von seinem Schloß entfernt, als er eines wunderschönen Papilions ansichtig wurde, der sich nur wenige Schritte von ihm auf eine Blume setzte. Seine Flügel waren Lasur-blau, mit einer Einfassung von Purpur verbrämt, die in der Sonne wie Gold glänzte. Don Sylvio glaubte ihn schon erhascht zu haben, aber der schöne Sommer Vogel schlupfte unter seinem Strohhut weg, und verbarg sich in das dichteste Gebüsche.

O, rief Don Sylvio, ich muß dich haben, und wenn ich dich auch bis in das unterirdische Reich des König Hammels verfolgen müßte, wo es kleine Pastetchen regnet, und gebratne Feldhühner auf den Bäumen wachsen.

Der Sommer-Vogel, der sich auf den Vorteil seiner Flügel verließ, schien ihm eine so weite Reise ersparen zu wollen. Kaum hatte Sylvio ihn aus dem Gesicht verloren, so fand er ihn wieder ein paar Schritte vor sich, auf einem Rosmarin-Strauch sitzen. Er wollte ihn wieder haschen, aber es ging wie das erstemal; der schöne Papilion schien seiner nur zu spotten; oft gaukelte er in kleinen Kreisen um ihn herum, dann setzt er sich wieder, aber entwischte allemal, wenn er im Begriff war gefangen zu werden.

Dieses Spiel daurte so lange, bis Don Sylvio endlich merkte, daß er in eine ihm ganz unbekannte Gegend verirrt war.

Jetzt reuete es ihn, daß er sich einem Schmetterling zu lieb so weit eingelassen hatte: allein, da es nun einmal geschehen war, so wollte er doch so viele Mühe nicht umsonst gehabt haben, und ließ nicht nach, bis er endlich so glücklich war den Papilion zu erhaschen, der ihm mehr Mühe gemacht hatte, als jemals eine Spröde, seit dem es Spröden gibt, ihrem Liebhaber gemacht hat.

Seine Freude war ungemein, und in der Tat konnte man keinen schönern Sommer-Vogel sehen. Er betrachtete ihn lange mit einem desto lebhaftern Vergnügen, je mehr er ihm Mühe gekostet hatte, und er war jetzt im Begriff ihn in ein kleines Käficht zu stecken, so er zu diesem Ende bei sich trug, als es ihn deuchte, als ob der gefangne Schmetterling ihn mit einer flehenden Mine und gesenkten Flügeln anschaue. Er bildete sich so gar ein, (denn Einbildungen kosteten ihn nichts) daß er so laut geseufzt habe, als ein Papilion nur immer seufzen kann.

Mehr brauchte es nicht, um ihn auf seine gewöhnliche Grille zu bringen, und es kam ihm ganz wahrscheinlich vor, daß es vielleicht eine Fee oder eine verwandelte Princessin sein möchte.

Denn, dachte er, ist die Princessin Burzeline eine Heuschrecke gewesen, so kann eine andre eben so gut ein Sommer-Vogel sein. Er besann sich also keinen Augenblick ihm die Freiheit wieder zu schenken, um die er ihn so beweglich zu bitten geschienen hatte.

Der erledigte Sommer-Vogel flatterte fröhlich davon; und Don Sylvio ging ihm nach, voll Erwartung, was daraus werden möchte, als er ein paar Schritte vor sich etwas im Grase blinken sah, welches seine Aufmerksamkeit an sich zog. Er hob es auf, und fand, daß es eine Art von Kleinod war, mit großen Brillianten besetzt, und an einer Schnur der feinsten Perlen befestiget. Er betrachtete es auf allen Seiten, aber wie groß war sein Erstaunen, als er, von einem ungefähren Druck auf eine Feder, die er nicht bemerkt hatte, einen großen Türkis in der Mitte auf die Seite springen, und ein kleines sehr künstlich auf Email gemachtes Brustbild entdecken sah, welches eine junge Schäferin von ungemeiner Schönheit vorstellte.

Er stund etliche Augenblicke unbeweglich, und wußte nicht, ob er seinen Augen trauen sollte; Er besah und befühlte es immer wieder von neuem, um sich zu überzeugen, daß es keine Einbildung sei, und je mehr er es betrachtete, desto mehr beredete er sich, daß es das Bildnis einer Göttin, oder doch zum wenigsten der Allerschönsten Sterblichen sei, die jemals gewesen, oder künftig sein werde.

Unsre schönen Leserinnen werden ihm dieses übereilte Urteil desto eher zu gut halten, wann sie bedenken, daß er von seiner Tante, die aus bekannten Ursachen sehr wenig Gesellschaft sah, in einer so strengen Einsamkeit erzogen worden war, daß er außer ihrer eignen angenehmen Person, ihrer Kammerfrau, der Witwe eines Sennor Scudero, welche bereits fünf und dreißig Jahr eingestand, der dicken Maritorne, und den Bauerweibern im Dorfe in seinem Leben nichts gesehen hatte, was auch nur im uneigentlichen Verstand zum schönen Geschlecht hätte gerechnet werden können. Denn seine Schwester, die in der Tat ein hübsches kleines Mädchen gewesen war, hatte sich schon in einem Alter von drei Jahren verloren, und man vermutete, daß sie von einer Zigeunerin gestohlen worden sei, welche jemand um dieselbe Zeit nicht weit vom Schlosse angetroffen haben wollte.