Die Albigenser - Nikolaus Lenau - E-Book

Die Albigenser E-Book

Nikolaus Lenau

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Beschreibung

Eine Sammlung wichtiger Verse des österreichischen Poeten: Inhalt: Freie Dichtungen Nachtgesang Frühling Pierre von Castelnau Fulco Der Traum Die Höhle Das Interdikt Das Vorgemach Die Führer Der Rosenkranz Ein Schlachtfeld Das Vogelnest Jacques Zwei Troubadours Der Büßer Der Besuch Foix Carcassonne Beziers Roger, Vicomte von Beziers Das Mädchen von Lavaur Des Wandrers Gruß Alfar Das Gelage Der Brunnen Entgeltung Umsonst! Simon Montfort Ritter und Mönch Ein Greis Das Gesicht Schlußgesang

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Die Albigenser

Nikolaus Lenau

Inhalt:

Nikolaus Lenau – Biografie und Bibliografie

Freie Dichtungen

Nachtgesang

Frühling

Pierre von Castelnau

Fulco

Der Traum

Die Höhle

Das Interdikt

Das Vorgemach

Die Führer

Der Rosenkranz

Ein Schlachtfeld

Das Vogelnest

Jacques

Zwei Troubadours

Der Büßer

Der Besuch

Foix

Carcassonne

Beziers

Roger, Vicomte von Beziers

Das Mädchen von Lavaur

Des Wandrers Gruß

Alfar

Das Gelage

Der Brunnen

Entgeltung

Umsonst!

Simon Montfort

Ritter und Mönch

Ein Greis

Das Gesicht

Schlußgesang

Die Albigenser , N. Lenau

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849630331

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Nikolaus Lenau – Biografie und Bibliografie

Eigentlich Nikolaus Niembsch von Strehlenau, ausgezeichneter Dichter, geb. 15. Aug. 1802 zu Csatád in Ungarn, gest. 22. Aug. 1850 in Oberdöbling bei Wien, studierte in Wien die Rechte und wendete sich dann der Medizin zu, ohne jedoch praktischer Arzt zu werden. Von frühauf eine zu gleicher Zeit feurige und melancholisch gestimmte Natur, deren poetische Ideale mit der Wirklichkeit in Konflikt gerieten, der Bewegung und Gärung der Zeit mit hoffendem Blick zugewandt und doch zu elegischer Trauer über den verlorenen Frieden harmloser Tage gestimmt, leidenschaftlich und wiederum von krankhafter Weichheit des Gefühls, sprach Lenau die wechselnden Stimmungen seines Innern in lyrischen und lyrisch-epischen Dichtungen aus. Die Herausgabe seiner »Gedichte« (Stuttg. 1831) führte ihn nach Stuttgart, wo er im Kreise der schwäbischen Dichter große Sympathien gewann und sich besonders eng an Justinus Kerner, Schwab und K. Mayer anschloß. Doch konnten zunächst weder die neuen Freunde noch die Aussichten auf literarischen Ruhm Lenau bewegen, von der Reise nach Amerika abzustehen; er hoffte in den Urwäldern die Befriedigung zu finden, die er daheim selbst in der Einsamkeit der Alpen nicht fand. 1832 kaufte er sich in den Vereinigten Staaten etwas Land, das er an einen seiner Reisegefährten verpachtete, und bereiste zu Pferde den Westen der Union. Der Eindruck der amerikanischen Zustände konnte aber auf die tieflyrische Natur Lenaus nur abstoßend sein; amerikamüde kehrte er nach einigen Monaten nach Europa zurück, wo inzwischen seine durch ausgeprägte Eigenart ausgezeichneten, farbenreichen und stimmungsvollen Gedichte ihre erste Verbreitung gewonnen hatten. Die Bilder aus seiner ungarischen Heimat verliehen namentlich den kleinern epischen Dichtungen ihren unwiderstehlichen Reiz, und die Mischung kräftiger Züge der Wirklichkeit und elegischer Grundstimmung kam auch den erzählenden Dichtungen ohne ungarischen Hintergrund zugute, die neben zahlreichen lyrischen Gedichten in der ersten Zeit nach der Rückkehr aus Amerika entstanden. Das Jahrzehnt zwischen 1833 und 1843 verbrachte Lenau abwechselnd in Wien und in Schwaben. Seine erste größere Dichtung: »Faust« (Stuttg. 1836; für die Bühne eingerichtet von Gramm ing, Münch. 1869), weder eine eigentliche epische noch eine dramatische Dichtung, sondern eine Reihe skeptisch beleuchteter Lebensbilder, vermehrte den Ruf, dessen er sich bereits erfreute. In Lenau selbst aber nagte, trotz allen poetischen Gelingens, eine schmerzliche Unbefriedigung, die auch in der wachsenden Schwermut seiner Dichtungen zutage trat. Vielfache Herzenserlebnisse, Erschütterungen und Enttäuschungen, die Rastlosigkeit eines beständigen Reiselebens und der nie ruhende Widerspruch seiner persönlichen Neigungen und seiner Geistesziele steigerten die nervöse Reizbarkeit des Dichters Schritt für Schritt. Außer den »Neuern Gedichten« (Stuttg. 1838, 2. vermehrte Auflage 1840) erschienen die größeren Dichtungen: »Savonarola« (das. 1837, 5. Aufl. 1866; vgl. Castle im »Euphorion«, Bd. 3 u. 4, Bamb. 1896–97) und »Die Albigenser« (Stuttg. 1842, 4. Aufl. 1873), die beide alle Vorzüge des Lenauschen Talents: die Glut und Farbenpracht der Schilderung, den Schwung echter Begeisterung, in einer Reihe glänzender Situationen und Bilder aufweisen, aber beide mehr geniale Fragmente als geschlossene Kunstwerke sind. Im »Savonarola« hielt Lenau wenigstens noch die einheitliche Form fest, in den »freien Gesängen« der »Albigenser« verzichtete er auch auf diese und erzielte darum nur fragmentarische Eindrücke. Sein letztbegonnenes Gedicht: »Don Juan« (im »Nachlaß« erschienen), schloß sich in der Kompositionsweise völlig dem »Faust« an. Seine Vollendung war Lenau leider nicht beschieden. Im Sommer 1844 überraschte der Dichter seine Freunde durch die Nachricht von seiner glücklichen Verlobung (mit Marie Behrens, Tochter eines Frankfurter Senators); wenige Monate später aber ward er im Hause seines Freundes, des Hofrats Reinbeck in Stuttgart, vom Wahnsinn ergriffen. Lenau wurde nach der Irrenanstalt Oberdöbling bei Wien gebracht, wo ihn erst nach sechs Jahren der Tod von seinen Leiden erlöste. In seiner Geburtsstadt Csatád wurde ihm 1905 ein Denkmal errichtet, und auch in Eßlingen wurde 1904 eine Büste von ihm aufgestellt. Seine »Gedichte« (Vereinigung der beiden obigen Sammlungen) sind seitdem in zahlreichen Auflagen erschienen; sonst ist von seinen Publikationen noch der »Frühlingsalmanach« (Stuttg. 1835–36, 2. Jahrg.) zu erwähnen. Seinen dichterischen »Nachlaß« (Stuttg. 1851) und seine »Sämtlichen Werke« (das. 1855, 4 Bde.; illustrierte Ausg. 1881, 2 Bde.) gab Anastasius Grün, dem Dichter im Leben eng befreundet, heraus. Von den neuern Ausgaben sind die vom Bibliographischen Institut in Leipzig veranstaltete (mit Biographie, Anmerkungen etc., 1882, 2 Bde.), die Hempelsche (Berl. 1883, 2 Bde.) und als die beste die von Castle für Hesses Klassikerausgaben besorgte (Leipz. 1900, 2 Bde.) zu nennen. Von Briefen Lenaus erschienen: »Lenaus Briefe an einen Freund« (hrsg. von K. Mayer, Stuttg. 1853); »Lenau und Sophie Löwenthal. Tagebuch und Briefe des Dichters etc.« (hrsg. von Frankl, das. 1892); »Lenaus Briefe an Emilie von Reinbeck und deren Gatten Georg von Reinbeck« (hrsg. von Schlossar, das. 1896). Vgl. Anton Schurz (Gatte von Lenaus Schwester Therese), Lenaus Leben, großenteils aus des Dichters eignen Briefen (Stuttg. 1855, 2 Bde.); Emma Niendorf, Lenau in Schwa ben (Leipz. 1853); Frankl, Zur Biographie N. Lenaus (2. Aufl., Wien 1885); Mulfinger, Lenau in Amerika (»Americana Germanica«, Bd. 1, New York 1897); Roustan, Lenau et son temps (Par. 1898); Saly-Stern, La vie d'un poèteEssai sur Lenau (das. 1902); Ernst, Leuaus Frauengestalten (Stuttg. 1902); v. Klenze, The treatment of nature in the works of Lenau (Chicago 1902); Faggi, Lenau e Leopardi (Palermo 1898); L. Reynaud, N. Lenau, poète lyrique (Par. 1905), sowie die kleinern Schriften und Vorträge von Witt (Marb. 1893), Sintenis (Hamb. 1899), Gesky (»Lenau als Naturdichter«, Leipz. 1902), Prem (Graz 1903).

Freie Dichtungen

  Daß alles Schöne muß vergehen

  Und auch das Herrlichste verwehen,

Die Klage stets auf Erden klingt;

  Doch Totes noch lebendig wähnen,

  Verwirrt das Weltgeschick und bringt

  Das tiefste Leid, die herbsten Tränen.

Nachtgesang

1

O gläubger Hohn! o bitterste Satire

Auf diese Welt voll Haß und Feindesnot,

Wenn der Chinese sich dem grimmsten Tiere

Vertraut und sich begibt in seine Hut,

Wenn er für sich, die Seinen, Haus und Feld

Zum Schutzgeist den verstorbnen Tiger wählt.

Er schläft getrost, wenn still der Tigergeist

Als Hüter Haus und Feld bei Nacht umkreist;

Und wohl mag ihm sein Wahn zum Schutze taugen;

Denn wenn ein Feind sich schleicht in seine Nähen,

Der sieht im Glühwurm rolln des Tigers Augen,

Der spürt im Nachtwind seinen Rachen wehen. –

O wäre solch ein Tiger mir Genosse,

Mit Geisterkrallen, unsichtbarem Rachen

Mir den Gedankenherd treu zu bewachen,

Den Einbruch wehrend meinem Feindestrosse!

Wenn mein einsames Herz Gedanken hämmert,

Daß ich die Welt und ihren Gram vergesse,

Wenn mir an seiner hellen Feueresse

Die Morgenglut des heilgen Sabbats dämmert,

Ha! Tiger! dann bewache meine Schranken,

Und kommen Störer, schlag in ihre Seelen

Als scharfe Schauer deine luftgen Pranken,

Daß sie sich scheu verzagt von dannen stehlen! –

Wenn Erdenwünsche kommen, mich zu locken,

So spring sie an, daß sie entfliehn erschrocken!

Und kommen klagende Erinnerungen,

Ermorde sie, bevor sie eingedrungen!

Auf eine aber stürze dich vor allen,

Zerreiße schnell mit deinen scharfen Krallen,

Verschling auf immer du in deinen Rachen

Ein Frauenbild, das mich will weinen machen! –

Send ich ein Lied auf die Tyrannenfratzen,

So hilf ihm, Tiger, nach mit deinen Tatzen!

Schlag ihnen breite Wunden ins Gewissen

Und Höllenträume hauche auf ihr Kissen!

Und wenn sie, aufgeschreckt, die Augen reiben,

Die Kerze zünden, zitternd auf sich setzen,

Blas aus das Licht, daß sie im Finstern bleiben,

Mach vor der Tür Geräusch wie Dolchewetzen!

Und will der Feige dann mit seinem Schrecken

Verkriechen sich, entreiß ihm seine Decken

Und wickle ihn in alle Flüche fest,

Die er getretnen Herzen ausgepreßt!

Sein Eingeweide schlag mit Schmerzensbissen,

Die wie Vergiftung durch den Leib sich ringeln,

Daß er auffährt, nach seinem Arzt zu klingeln,

Du aber hast die Glockenschnur zerrissen.

O Tiger, den Tyrannen quäle! quäle!

Bis er sich bessert, schüttre seine Seele!

Millionen wunde Herzen seh ich bluten,

So viele Tränenströme seh ich fluten,

Von frecher Willkür weit die Welt zerrüttet,

Der Menschheit Freudenschlösser rings verschüttet,

Ich seh gepeitscht von hochgestellten Zwergen

Gefangne Riesen, knirschend ihren Schergen.

O Welt! aus allen Wüsten möcht ich holen

Die Tigergeister dir zu Apostolen! – –

Wohin ließ ich von meinem Haß mich führen!

Ich wünschte mir den Tiger zum Genossen,

Schon ist in meinem Geist sein Hauch zu spüren

Und durch mein Herz sein wildes Blut ergossen!

2

Also schweiften mir die Nachtgedanken,

Bis die Sinne mir in Schlummer sanken

Und dem Geist des Hasses Dolch entfiel.

Da begann ein Traum sein ernstes Spiel.

Einsam wandernd, mit dem Abendstrahle,

Fand ich mich in einem fremden Tale.

Stumm, nach einem Laute bange schmachtend,

War die Wildnis, stumm der Himmel, nachtend.

In der Wildnis irrt ich trüb alleine,

Und ich stieß auf einen Haufen Steine;

Aus den Steinen, stumm ein Los beklagend,

Ragt' ein Bambusrohr ein Fähnlein tragend.

Schlaffes Fähnlein, nicht so stille zaudre!

Schwarz und weißes Fähnlein, flattre, plaudre,

Daß ein Wandrer, den die Seinen missen,

Hier von einem Tiger ward zerrissen;

Daß er vor den schnellen Todesstreichen

Kaum die Zeit gefunden zu erbleichen. –

Und ich sah das Felsental sich dehnen,

Still und weit, wie satten Tigers Gähnen.

O wie war die Erde mir so traurig!

O wie war mir die Natur so schaurig!

Furchtbar schweigend stand mir gegenüber

Die Natur, stets wilder, fremder, trüber.

Horch! da rief so liebevoll, so traut,

Wie noch nie mir klang ein Erdenlaut,

Tröstend rief mir eine Stimme leise:

»Guten Abend, Freund, und gute Reise!

Wolle nicht den wilden Geist beschwören,

Dem die Wüstentiere angehören!

Wähle nicht zu deiner Herzensbraut

Die Natur, wenn sie dir winkt vertraut.

Hold und reizend kommt sie dir entgegen,

Liebesgluten ihre Rosen scheinen,

Ihr Gesang, ihr sanfter Frühlingsregen

Scheinen sehnsuchtsvoll nach dir zu weinen.

Wenn du bist an ihre Brust gesunken,

Siehst du sie verwandelt, mit Entsetzen:

Ihre Nachtigallen werden Unken,

Ihrer Rosen Dornen dich verletzen,

Ihre Tränen sind zu Eis geronnen

Und verhageln alle deine Wonnen,

Todeshauche ihre Liebesreden,

Denn verloren ist auch ihr das Eden.

Nicht dem Tiger in den Rachen fluchen

Sollst du jene Unheilvollen, Bösen,

Denn es kann die Welt nur Gott erlösen,

Den ja brüllend selbst die Tiger suchen.

Wenn der Tiger schlau im Dickicht lauscht,

Vorspringt und ein Menschenbild zerreißt,

Blut trinkt, hat er sich in Gottes Geist,

Den er spüret, ahnungsvoll berauscht.

Flieh mit deinem Kummer nicht zu denen,

Die aus tiefrer Haft so wild sich sehnen.

Weltbefreien kann die Liebe nur,

Nicht der Haß, der Sklave der Natur,

Dem Dämonen in den finstern Stätten

Mit den Waffen schmieden seine Ketten.

Dort! sieh Golgatha! – Jehovas Stunden,

Heilgen Königstigers, sind verwunden.«

– Also sprach der Unsichtbare leise –

»Guten Abend, Freund, und gute Reise!«

Wieder stille war es in der Wüste,

Bis mich eine zweite Stimme grüßte,

Stark und voll und dringend klang die zweite:

»Hasse herzhaft! rüste dich zum Streite!

Liebe die Natur, die, treu und wahr,

Ringt nach Licht und Freiheit immerdar,

Wenn auch unter ihren heilgen Füßen

Graun und Schmerz und Tod aufwirbeln müssen.

Waffen braucht die Welt; kein Liebeslächeln

Kann das Elend ihr von dannen fächeln,

Wärs ein Lächeln auch wie das vordem

Auf dem Kreuze zu Jerusalem.

Jener Tod hat nicht verfangen wollen,

Gott soll wieder in Gewittern grollen,

Blitze müssen in die Dächer fahren,

Schlachtgetümmel muß ihn offenbaren.

Wie die Faust einst Brand und Eisenruten,

Muß der Geist sein Schwert, sein Feuer brauchen,

Bis die Herzen der Despoten bluten

Und zerfallend ihre Burgen rauchen.

Menschheit will in Lüsten feig versiechen,

Die entnervend durch die Herzen kriechen;

Soll sie heilen schleichend faule Sünden,

Muß die alte Wunde sich entzünden.

Elend gibts, wovon die Welt zu reinen,

Mehr als Tränen, um es zu beweinen.

Schiebe nicht den Trost ins Nebelweite!

Hasse herzhaft! rüste dich zum Streite!

Eh die Kräfte dir im Tode schlaffen;

Guten Morgen, Freund, und gute Waffen!«

Sturmwind rauschte jetzt wie Freiheitspsalm,

Trug von hinnen mir den Bambushalm.

Blies den Steinehaufen fort wie Flaum,

Weckte mich zurück aus meinem Traum.

Und zu singen in der stillen Nacht

Hob ich an die Albigenserschlacht.

Frühling

Es läßt der Frühling über seine Welt

Ein stilles Meer von Blütendüften wallen;

Ist's auch ein Lenzhauch, was sich dreingesellt,

Der Moderduft von jenen, die gefallen?

O Menschengeist, wie bist du zu beweinen!

Hättst du nicht so unselig und entschieden

Natur, dein Lieb, verlassen und gemieden,

So würde auch dein Lenz so hold erscheinen.

Wie würden deine Lieder wonnig rauschen

Und Rosen aus geweihten Herzen sprießen;

Erwachen würde, wo sie sich erschließen,

Ein tiefes Atmen und ein selig Lauschen.

Nun aber ist dein Lenz ein tödlich Pochen,

Verheerend ist dein Eisgang aufgebrochen.

Dem einzlen ist, was er versäumt, verloren;

Der Menschheit auch, was einmal sie verscherzt;

Kein Augenblick wird zweimal ihr geboren,

So herb es auch die Weltgeschichte schmerzt.

O Geist, ist deinem Lenz die Lust genommen,

Sei du der Welt in Schrecken auch willkommen!

Pierre von Castelnau

Ist der kristallne Becher ausgeschwenket,

Wer siehts ihm an, ob er mit süßem Wein

Ein Herz entflammt zu süßen Raserein

Und mit Vergessen einen Schmerz getränket?

Ob er mit Gift den Zecher kalt gemacht

Und tieferes Vergessen ihm gebracht?

Die helle Silberwolke wird nicht sagen:

Die Blüten hat mein milder Tau besprengt,

Des Friedens Hütte hat mein Blitz versengt,

Mein Hagel hat im Wald den Lenz erschlagen:

So sieht am Rhonestrom der Wandrer nicht

Aus Peters klarem, heitern Angesicht,

Ob er den Segen in Toulous' gesprochen,

Ob er mit Fluch die Herzen dort gebrochen.

Doch, ist es auch im Antlitz nicht zu schauen,

Der Wandrer kennt des Papstes strengen Boten,

Und als er ihm den Abendgruß geboten,

Eilt er vorbei mit ahnungsvollem Grauen.

Pierr' zieht fort, das Unglück weiter tragend,

Die Ketzer mit dem Banne zu ereilen,

Sein Aug und Ohr ringsum nach Ketzern fragend,

Sein Hals ein Köcher voll von Fluchespfeilen.

Er ist ein Mann von den Unwandelbaren,

Rastlos, verachtend Freuden und Beschwerden,

Rasch, ohne Mitleid, trotzig in Gefahren,

Recht wie sie das Verhängnis braucht auf Erden.

Er wandert rüstig fort am Rhonestrand.

Daß er mit seinem Fluch das Glück zertrümmert

Der Stadt Toulous', den Frommen nicht bekümmert,

Er glaubt sich nur Werkzeug in Gottes Hand.

Kein Zweifel seinen Felsenglauben stört,

Ob Innozenz nicht selbst vielleicht betört,

Der Kirche grimmes Haupt und strenger Rächer,

Die Welt verheert ein heiliger Verbrecher?

»Wohin? wohin? Pierr' von Castelnau!«