Die Ansiedler oder Die Quellen des Susquehannah - James Fenimore Cooper - E-Book

Die Ansiedler oder Die Quellen des Susquehannah E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

»Die Ansiedler« oder »Die Quellen des Susquehannah« (engl. »The Pioneers«, oder »The Sources of the Susquehanna«) ist der chronologisch vierte Band im fünfteiligen Lederstrumpf-Zyklus und handelt von Natty Bumppo (Lederstrumpf), der mit seinem Gefährten Chingachgook als Jäger und Fallensteller an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis lebt.

Auch die anderen Bände der Lederstrumpf-Romane sind im nexx verlag erschienen.

Der nexx verlag veröffentlicht Neu- und Wiederauflagen von besonderen Klassikern der Weltliteratur, die bezüglich Rechtschreibung und Lesegewohnheiten aufwändig „in die Gegenwart geholt“ werden, ohne den Text zu verfremden. Erleben Sie das Lesen dieser besonderen Bücher neu oder entdecken Sie die wunderbaren Werke für sich!

nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT

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James Fenimore Cooper

Der Pfadfinder

Roman. Vollständige Gesamtausgabe.

James Fenimore Cooper

Der Pfadfinder

Roman. Vollständige Gesamtausgabe.

ISBN/EAN: 978-3-958-70379-7

2. Auflage

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsamangepasst.

Cover: Gemälde "Long Jakes" von Charles Deas (1818–1867),

Gestaltung: nexx verlag gmbh, Layout: www.buerosued.de, 2022

www.nexx-verlag.de

Alle Bände der Lederstrumpf-Romane sind im nexx verlagerschienen (Details finden Sie hinten im Buch):

Band 1 – Der Wildtöter

Band 2 – Der letzte Mohikaner

Band 3 – Der Pfadfinder

Band 4 – Die Ansiedler

Band 5 – Die Prärie

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nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT

Vorrede Coopers zur Ausgabe von 1832

Da sich diese Schrift bereits auf dem Titelblatt als ein Zeitgemälde ankündigt, so wird es denen, welche sich die Mühe nehmen, sie zu lesen, nicht unwillkommen sein zu erfahren, was von ihrem Inhalt buchstäbliche Wahrheit, und was Zutat des darstellenden Dichters ist. Der Verfasser fühlt wohl, dass er ein weit besseres Buch hätte zustande bringen können, wenn er sich ausschließlich auf die letztere beschränkt hätte, da das freie Walten der Phantasie immer die lebhaftesten Eindrücke hervorbringt. Aber bei der Schilderung von Szenen und vielleicht auch von Charakteren, die ihm in seiner Jugend vertraut geworden waren, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, lieber das zu zeichnen, was er selbst gesehen hatte, als das, was nur der Einbildungskraft entsprungen wäre. Dieses strenge Festhalten an der Wahrheit, so unerlässlich es auch für die Geschichte und für Reisebeschreibungen ist, zerstört den Zauber der Poesie; denn was dem Geist durch die letztere vorgeführt werden soll, nimmt sich weit besser in Entwicklung von Grundsätzen und typischen Charakteren aus, als in einem allzu ängstlichen Haften an wirklichen Vorbildern.

Da New York nur einen Bezirk Otsego und der Susquehanna nur eine eigentliche Quelle hat, kann hinsichtlich des Schauplatzes dieser Erzählung kein Irrtum stattfinden. Die Geschichte dieses Bezirks, soweit sie auf die Ansiedlungen der Weißen Bezug hat, lässt sich in kurze Worte fassen.

Otsego, wie überhaupt der größte Teil der inneren Provinz New York, gehörte vor dem Unabhängigkeitskrieg zu der Grafschaft Albany und fiel bei einer späteren Teilung des Gebiets an Montgomery, bis es endlich infolge der Zunahme seiner Bevölkerung kurz nach dem Frieden von 1783 zu einem eigenen Bezirk erhoben wurde. Er liegt zwischen den niedrigen Ausläufern des Alleghany-Gebirges, welche die mittleren Teile des Staates New York durchziehen, etwas östlich von einem durch den Mittelpunkt des Staates gezogenen Meridian. Die Flüsse von New York haben ihren Ablauf entweder nach Süden in das Atlantische Meer oder nach Norden in den Ontario und seine Ausmündungen. Der Otsego-See ist die Quelle des Susquehanna und liegt daher begreiflicherweise in den Hochlanden. Die Gestalt des Landes, das Klima, wie es von den Weißen angetroffen wurde, und die Sitten der Ansiedler sind in unserer Erzählung mit einer Ausführlichkeit geschildert, die der Autor nur mit der Lebhaftigkeit seiner Rückerinnerungen entschuldigen kann.

Der Name Otsego ist gebildet aus den Worten Ot, was einen Versammlungsort bedeutet, und Sego oder Sago, der unter den Indianern üblichen Begrüßungsformel. Einer Überlieferung zufolge pflegten die benachbarten Stämme an den Ufern des Sees Zusammenkünfte zu halten, um Verträge zu schließen und ihre Bündnisse auf sonstige Weise zu kräftigen, woraus sich die genannte Zusammenstellung erklärt. Da indes das Oberhaupt der Indianer von New York ein Blockhaus an den Ufern des Sees besaß, so ist es nicht unmöglich, dass der Name seinen Ursprung von den Versammlungen hat, die dort bei seinen Beratungsfeuern gehalten wurden. Beim Ausbruch des Kriegs musste dieser Agent nebst anderen Beamten der Krone den Strich verlassen, und seine unscheinbare Wohnung stand bald verödet. Der Verfasser erinnert sich, sie einige Jahre nachher in der bescheidenen Eigenschaft eines Rauchhauses gesehen zu haben.

Im Jahr 1779 wurden Truppen gegen die feindlichen Indianer gesandt, die ungefähr hundert Meilen westlich von Otsego an den Ufern des Kayuga-Sees hausten. Der ganze Strich war damals eine Wildnis, weshalb es nötig wurde, die Bagage der Mannschaft auf den Flüssen fortzuschaffen – ein Umweg zwar, aber jedenfalls das Beste, was man tun konnte. Eine Brigade zog am Mohawk aufwärts, bis sie eine Stelle erreichte, die den Quellen des Susquehanna am nächsten liegt, und von wo aus ein Engpass durch den Urwald zu dem oberen Ende des Otsego führt. Die Boote und das Gepäck wurden über diesen ›Trageweg‹ gebracht, während die Truppen über den See setzten, an dessen unterm Ende landeten und ein Lager aufschlugen. Der Susquehanna, ein an seinem Ursprunge schmaler, aber reißender Strom, war voll von Treibholz oder entwurzelten Bäumen, und die Truppen mussten ein neues Mittel ersinnen, um sich ihren ferneren Marsch zu erleichtern. Der Otsego ist ungefähr neun englische Meilen lang und wechselt in der Breite von einer bis zu anderthalb Meilen: sein tiefes klares Wasser erhält von vielen hundert Quellen seinen Zustrom. Unten sind die Ufer fast dreißig Fuß hoch, während sie an den übrigen Stellen durch Berge, Niederungen und Vorsprünge gebildet werden. Sein Abwasser oder der Susquehanna fließt durch einen Einschnitt der erwähnten niedrigen Ufer in einer Breite von gegen zweihundert Fuß ab. Dieser Einschnitt wurde mit Dämmen versehen, die Abflüsse des Sees gesammelt und der Susquehanna in dieser Weise zu einem stärkeren Gewässer umgewandelt. Als diese Vorkehrungen getroffen waren, schifften sich die Truppen ein; der Damm wurde durchstochen, und der Otsego ergoss seinen Strom, auf dem die Boote bald lustig abwärtsfuhren.

General James Clinton, der Bruder George Clintons, damals Gouverneur von New York – der Vater De Witt Clintons, der als Gouverneur desselben Staates im Jahr 1827 starb – kommandierte die mit diesem Feldzug beauftragte Brigade. Während die Truppen am unteren Teil des Otsego lagerten, wurde ein Soldat wegen Desertion erschossen. Das Grab dieses unglücklichen Mannes war die erste Grabstätte, die der Autor je gesehen, wie das erwähnte Rauchhaus die erste von ihm erblickte Ruine war. Die in unserer Schrift erwähnte Feldschlange wurde bei diesem Anlass von den Truppen zurückgelassen und verscharrt; man fand sie später auf, als man in des Verfassers elterlicher Wohnung die Keller grub.

Bald nach Beendigung des Krieges besuchte Washington mit einem Gefolge vieler ausgezeichneter Männer den Schauplatz unserer Erzählung, dem Vernehmen nach, um das Terrain daraufhin zu untersuchen, ob sich hier eine Kommunikation zu Wasser mit anderen Punkten des Landes bewerkstelligen ließe; er blieb jedoch nur wenige Stunden.

Im Jahr 1785 erschien der Vater des Autors in dieser Wildnis, um sie vermessen zu lassen, da er einen bedeutenden Strich derselben anzukaufen gedachte. Welchen Eindruck sie auf ihn machte, haben wir durch den Richter Temple schildern lassen. Zu Anfang des folgenden Jahres begann die Ansiedlung, und von dieser Zeit an bis auf die gegenwärtige kam die Gegend fortwährend in blühendere Verhältnisse. Es ist ein eigentümlicher Zug des amerikanischen Lebens, dass es einem reichen Mann, der zu Anfang dieses Jahrhunderts Gelegenheit hatte, Ansiedlern eine neue Niederlassung in einem entfernteren Landesteil anzubieten, möglich war, solche trotz der günstigen Verhältnisse, deren sie sich in ihrer früheren Kolonie erfreuen mochten, nach sich zu ziehen.

Obwohl die Niederlassung am Otsego einige Jahre vor der Geburt des Autors stattfand, so war sie zu der Zeit doch noch nicht so weit fortgeschritten, dass man es für ratsam erachtet hätte, ein für ihn selbst so wichtiges Ereignis in der Wildnis stattfinden zu lassen. Vielleicht hegte seine Mutter ein begründetes Misstrauen in die Erfahrung des Doktor Todd, der damals noch in dem Noviziat seiner ärztlichen Praxis gestanden haben muss. Doch dem sei, wie ihm wolle, der Autor wurde noch als Kind wieder in das Tal gebracht, welchem er die ersten Eindrücke seiner Jugend verdankt. Er wählte auch in späteren Jahren zuweilen seinen Aufenthalt dort und glaubt daher, für die Treue seines Gemäldes einstehen zu können.

Otsego ist nun einer der am Meisten bevölkerten Distrikte von New York, entsendet seine Auswanderer so gut wie irgendeiner der älteren und steht wegen seines Gewerbefleißes und Unternehmungsgeistes in gutem Ruf. Seine Manufakturen blühen, und es ist bemerkenswert, dass eine der sinnreichsten Maschinen, welche die europäische Kunstfertigkeit kennt, von dem Scharfsinn, der in dieser abgelegenen Gegend heimisch ist, ihre Entstehung ableitet.

Um Missverständnissen zu begegnen, wird es ratsam sein zu bemerken, dass der gegenwärtigen Erzählung keine wirklichen Begebenheiten zugrunde liegen und dass die buchstäblich wahren Tatsachen sich nur auf die örtlichen Verhältnisse und die Sitten und Gebräuche der Einwohner beziehen. Die Akademie, das Gerichtshaus, das Gefängnis, das Wirtshaus und die meisten anderen Staffagen dieser Art existierten wirklich, haben aber seitdem anderen Gebäuden von anspruchsvollerem Charakter Platz gemacht. Bei der Schilderung des Herrenhauses erlaubten wir uns einige Freiheit; denn das eigentliche Gebäude hatte keinen ›ersten und zweiten Teil‹. Es bestand aus Ziegeln, nicht aus Steinen, und zeigte keine der eigentümlichen Schönheiten der ›zusammengesetzten Ordnung‹, da es in einer zu frühen Periode errichtet wurde, um sich bereits aller Vorteile dieser so anspruchsvollen Schule der Architektonik erfreuen zu können. Das Innere des Hauses ist jedoch ganz nach Rückerinnerungen gezeichnet, und hier trifft alles mit der Wirklichkeit zusammen, sogar Wolfs zertrennter Arm und der Aschenkrug der Königin Dido.

Obwohl noch Wälder die Berge am Otsego krönen, sind doch Bär, Wolf und Panter kaum mehr dort zu finden. Selbst das unschuldige Rotwild springt nur noch selten unter den Baumgewölben umher; denn das Gewehr und die Tatkraft der Pflanzer haben es an andere Orte getrieben. Zu diesem Wechsel – der in mancher Beziehung dem, der das Land im Urzustand gekannt hat, traurig erscheinen muss – kommt noch hinzu, dass der Otsego selbst mit seinem Reichtum zu knausern beginnt.

Der Verfasser hat bereits anderswo erklärt, dass Lederstrumpfs Charakter ein Gebilde ist, welches durch Hilfsmittel, wie sie zu Hervorbringung des Effekts nötig waren, Wahrscheinlichkeit gewinnt. Hätte er mit noch mehr Einbildungskraft geschildert, so würden die Freunde der Poesie nicht so viel Anlass haben, gegen die Arbeit Einwendungen zu machen. Das Gesamtgemälde wäre jedoch sicher ohne wirkliche Vertreter für die meisten übrigen Personen weniger treu ausgefallen. Der große Grundbesitzer, der auf seinen Ländereien wohnt und denselben seinen Namen gibt, statt ihn, wie es in Europa üblich ist, von ihnen zu erhalten, kommt in New York häufig vor. Der Arzt mit seiner Theorie, die er sich durch Experimente am menschlichen Körper eher schafft als verbessert; der fromme, selbstlose, tätige und schlecht belohnte Missionar; der halbgebildete, streitsüchtige, neidische und wenig achtbare Advokat mit dem Gegengewichte eines Kollegen von besserem Schlag und anderem Charakter; der unstete, handeltreibende, missvergnügte Verkäufer seiner ›Verbesserungen‹; der beliebte Zimmermann und die meisten übrigen Charaktere sind allen bekannt, die je einen ›neuen‹ Bezirk besucht haben.

Nach den angeführten Umständen ist es augenfällig, dass der Autor bei Abfassung der ›Ansiedler‹ mehr Vergnügen genossen, als sein Werk wohl je dem Leser zu gewähren imstande sein wird. Er weiß, dass die Schrift zahlreiche Fehler enthält, von denen er in dieser Ausgabe auch einige zu verbessern bemüht war: da er sich aber wenigstens redlich bestrebt hat, das Seinige zur Unterhaltung der Lesewelt beizutragen, so vertraut er darum auch ruhig auf ihre wohlwollende Nachsicht, wenn er für sich selbst irgend zu viel in Anspruch genommen haben sollte.

Paris, im März 1832

Erstes Kapitel

Fast im Herzen des Staates New York liegt ein ausgedehntes Gebiet, das eine Folge von Bergen und Tälern darstellt. In diesem Gebirgsland nimmt der Delaware seinen Ursprung, und aus den silberklaren Seen wie aus den tausend Quellen dieser Gegend schlängeln sich die zahlreichen Zuflüsse des Susquehanna durch die Täler, bis sie durch die Vereinigung ihrer Wasser einen der stolzesten Ströme der Vereinigten Staaten bilden. Die Berge sind fast allgemein bis zu den Spitzen in anbaufähigem Zustand, obwohl nicht selten an ihren Flanken Felsenpartien vorspringen, denen die Gegend ihren in so hohem Grad romantischen und malerischen Charakter verdankt. Durch die schmalen, üppigen und urbar gemachten Täler zieht sich fast immer ein Flüsschen oder ein Bach, während schöne, blühende Dörfer zerstreut an den kleinen Seen oder an jenen Punkten der Wasserläufe liegen, die sich vorteilhaft für Manufakturen benutzen lassen. Man findet allenthalben durch die Täler bis zu den Spitzen der Berge hinauf hübsche und bequeme Meiereien mit allen Anzeichen des Wohlstandes, und in jeder Richtung begegnet man Wegen, die von den ebenen, anmutigen Talgründen bis zu den höchsten und verwickeltsten Gebirgsketten hinaufführen. Akademien und niederere Bildungsanstalten begegnen dem Auge des Fremden, der durch das unebene Gebiet seinen Weg sucht, alle paar Meilen; in der Menge der Orte, die der Gottesverehrung geweiht sind, bekundet sich ebenso sehr der nachdenkliche und sittliche Charakter des Volkes, wie sich in der Mannigfaltigkeit ihrer Formen und des um dieselbe waltenden Geistes die unbedingte Gewissensfreiheit ausspricht. Kurz, der ganze Distrikt ist der sprechende Beleg, wieviel sich – selbst in einem wenig kultivierten und rauen Landstrich – unter der Herrschaft milder Gesetze tun lässt, sobald der einzelne für das Wohl des Ganzen, von dem er ein Teil zu sein sich bewusst ist, ein unmittelbares Interesse fühlt. Den Bemühungen des Ansiedlers, die Wildnis zu lichten, folgte der unermüdliche Fleiß des Grundbesitzers, das mit saurem Schweiß Errungene zu verbessern – ein Umstand, der wohl den Wunsch rege machen kann, dereinst unter dem Rasen, den er bebaute, zu schlummern, oder nicht minder den im Land geborenen Sohn veranlassen mag, aus kindlich frommem Sinn dem Grab des Vaters nahe zu bleiben. Vor etwa vierzig Jahren noch war das ganze Gebiet eine Wildnis.

Bald nach der durch den Frieden von 1783 anerkannten Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten richtete sich der Unternehmungsgeist ihrer Bürger auf eine Untersuchung der natürlichen Vorteile ihres weitausgedehnten Gebiets. Vor dem Revolutionskrieg beschränkten sich die bewohnten Teile der Kolonie New York nur auf ein Zehntel ihres Gesamtumfangs. Ein schmaler Landgürtel, der sich auf beiden Seiten des Hudson hinzog – mit einem ähnlichen, der etwa 50 Meilen weit den Ufern des Mohawk folgte – nebst den Inseln Nassau und Staten, und einige abgeschlossene Ansiedlungen auf besonders gutem Boden längs der Flussufer, bildeten das ganze Land, welches damals nicht einmal zweimal hunderttausend Seelen barg. In dem erwähnten kurzen Zeitraum hat sich die Bevölkerung über fünf Breiten- und sieben Längengrade ausgedehnt und ist zu anderthalb Millionen Einwohnern angeschwollen, die behaglich von ihrem Besitz leben und in Jahrhunderten nicht zu besorgen haben, dass der Ertrag des Bodens in ein ungünstiges Verhältnis zu ihren Bedürfnissen treten könnte.

Unsere Erzählung beginnt mit dem Jahr 1793, ungefähr sieben Jahre nach dem Entstehen einer der frühesten jener Niederlassungen, die den erwähnten fast märchenhaften Umschwung in der Macht und dem ganzen Zustand des Landes herbeiführen halfen.

An einem schönen, kalten Dezembertag um die Zeit des Sonnenuntergangs bewegte sich in dem beschriebenen Distrikt ein Sleigh [Anm.: eine Art Schlitten] langsam den Abhang eines Berges hinauf. Der Tag war für die Jahreszeit schön gewesen, und nur zwei oder drei große Wolken, welche in dem Licht, das von den die Erde bedeckenden Schneemassen widerstrahlte, blendend weiß erschienen, segelten in dem reinen Blau des Himmels dahin. Der Weg wand sich längs eines Absturzes um den Gipfel eines Felsens hin und wurde auf der einen Seite durch übereinandergeschichtete Holzstämme geschützt, während man auf der anderen den Felsen ausgesprengt hatte, um dem Straßenzug die für die gewöhnlichen Fuhrwerke der damaligen Zeit nötige Breite zu geben. Aber Holzstämme, Felsenaussprengung – kurz alles, was nicht mindestens etliche Fuß Höhe hatte, lag unter dem Schnee begraben. Eine einzige Fährte, kaum weit genug, um den Sleigh aufzunehmen, bezeichnete den Zug der Landstraße, die mit einer fast ellenhohen Schneeschicht bedeckt war. In dem um etliche hundert Fuß tiefer gelegenen Tal bemerkte man eine sogenannte Lichtung und die gewöhnlichen Vorkehrungen zu einer neuen Niederlassung, die sich sogar bergan bis zu einem Punkt erstreckten, wo der Weg zu einem auf dem Gipfel des Berges liegenden Flachland abbog, während weiter oben alles Wald war. Die Atmosphäre glitzerte, als wäre sie mit Myriaden von Lichtkörperchen erfüllt, und die edlen Rosse vor dem Sleigh waren fast ganz von einer Reifschicht bedeckt. Man sah den Dampf ihrer Nüstern wie Rauch aufsteigen, und jeder im Gesichtskreis liegende Gegenstand, wie auch die Vorkehrungen der Reisenden ließen auf die Strenge des Winters im Gebirge schließen. Das Pferdegeschirr, das von stumpfer tiefschwarzer Farbe war und sich sehr von dem glänzend gefirnissten unserer Tage unterschied, war mit ungeheuren Platten und Schnallen von Messing verziert, die in den flüchtigen Sonnenstrahlen, welche ihren Weg schräg durch die Baumgipfel fanden, wie blankes Gold erglänzten. Gewaltige, mit Nägeln beschlagene und mit Schabracken unterlegte Sättel trugen vier hohe viereckige Türmchen, durch welche die starken Zügel nach der Hand des Lenkers, eines Schwarzen von ungefähr zwanzig Jahren, liefen. Sein Gesicht, das die Natur mit einem glänzenden Schwarz ausgestattet hatte, war jetzt scheckig vor Kälte, und in seinen großen leuchtenden Augen glänzten Tränen – ein Zoll, welchen die schneidenden Fröste dieser Gegenden den Söhnen der afrikanischen Sonne stets abverlangen. Gleichwohl aber lag ein lächelnder Ausdruck der Heiterkeit in seinem glücklichen Gesicht, welcher wohl seinen Grund in dem Gedanken an die nahe Heimat und an die Belustigungen eines Christabends in einem warmen Stübchen haben mochte.

Der Sleigh war eines jener geräumigen, bequemen, altmodischen Fuhrwerke, die eine ganze Familie in ihrem Bauch aufnehmen können, obwohl er in dem gegenwärtigen Augenblick außer dem vorerwähnten Schwarzen nur zwei Personen enthielt. Die Farbe war außen bescheiden grün, innen feurig rot; letzteres vielleicht, um in dem kalten Klima doch wenigstens dem Auge eine Glut vorzuführen. Große Büffelhäute, an den Rändern mit girlandenartig geschnittenem rotem Tuch verziert, lagen in dem Sleigh und umhüllten die Füße der Reisenden – eines Mannes in den mittleren Jahren und eines Mädchens in der ersten Blüte der weiblichen Reife. Der erstere war von breiter Statur, soweit die Vorkehrungen, die er zur Abwehr der Kälte getroffen hatte, überhaupt etwas von seiner Persönlichkeit sichtbar werden ließen. Ein verschwenderisch mit Pelzwerk verbrämter Überrock umschloss seinen ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes, der durch eine Marderfellmütze, mit Maroquin ausgekleidet und so geformt, dass sich die Seitenklappen über die Ohren herunterschlagen und durch ein schwarzes Band unter dem Kinn zusammenknüpfen ließen, geschützt wurde. Der obere Teil der Mütze war mit einer Art Quaste verziert, die aus dem Schwanz des Tieres, welches das übrige Material geliefert hatte, bestand und nicht unzierlich hinten einige Zoll über den Nacken hinunterhing. Unter dieser Vermummung sah man teilweise ein schönes Männergesicht, zumal ein Paar ausdrucksvoller, großer, blauer Augen, die einen hellen Verstand, gemütliche Heiterkeit und einen wohlwollenden Sinn verkündeten. Die Gestalt seiner Begleiterin war buchstäblich in den Kleidern, die sie trug, begraben. Aus einem dicht mit Flanell wattierten, großen Kamelott-Mantel, der dem Schnitt und der Weite nach offenbar für einen männlichen Körper bestimmt war, sah ein mit Pelz ausgelegter seidener Überrock hervor. Eine ungeheure, mit Daunen gefütterte, schwarzseidene Kapuze verbarg Kopf und Gesicht bis auf eine kleine Öffnung, durch die man Atem holen konnte, obwohl hin und wieder auch ein Paar lebhafter, pechschwarzer Augen hervorfunkelten.

Aber Vater und Tochter (denn in dieser Verwandtschaftsbeziehung standen die beiden Reisenden) waren zu sehr mit ihren Betrachtungen beschäftigt, um durch den Ton ihrer Stimme die Stille zu unterbrechen, die durch das leichte Dahingleiten des Sleighs selten oder nie gestört wurde. Der erstere dachte an die Frau, welche sein Kind – das einzige – zum letzten Mal an ihre Brust gedrückt hatte, als sie vier Jahre früher mit widerstrebendem Herzen ihre Zustimmung geben musste, der Gesellschaft ihrer Tochter zu entsagen, damit diese sich jener Vorteile der Erziehung erfreuen möchte, welche damals nur die Stadt New York zu geben imstande war. Wenige Monate nachher hatte ihn der Tod dieser treuen Genossin seiner Einsamkeit beraubt. Er liebte jedoch sein Kind zu aufrichtig, um sie in das noch recht wilde Land, in dem er wohnte, zurückzuholen, ehe die Zeit, welche zu ihrer völligen Ausbildung für nötig erachtet wurde, abgelaufen war. Die Gedanken der Tochter waren weniger düster, da der Wechsel und die immer neuen Reize der Landschaft, die sich bei jeder Wendung der Straße vor ihr auftaten, ihren Empfindungen ein frohes Staunen beimischten.

Der Berg, auf dem sie eben hinfuhren, war mit ungeheuren Rottannen bedeckt, die erst in einer Höhe von siebzig bis achtzig Fuß ihre Zweige ausbreiteten und bis zum Wipfel oft das Doppelte dieser Höhe maßen. Das Auge konnte sich daher durch die zahllosen Öffnungen einer weiten Aussicht erfreuen, wenn diese nicht durch ein fernes Hügelland oder durch einen Berggipfel jenseits des Tales, dem sie zueilten, begrenzt wurde. Die dunklen Baumstämme erhoben sich aus dem weißen Schneegrund wie regelmäßig gebaute Säulenschäfte, bis hoch oben die Zweige mit ihren immergrünen Nadeln eine Decke formten, die einen schwermütigen Kontrast zu der erstarrten Erde bildete. Die Reisenden fühlten keinen Wind, aber die Baumwipfel wiegten sich majestätisch und entsandten einen dumpfen, klagenden Ton, der ganz im Einklang mit der Ruhe der melancholischen Szenerie stand.

Der Sleigh war eine Strecke weit ganz eben fortgeglitten, und der Blick des jungen Mädchens war spähend, vielleicht auch furchtsam in die Tiefen des Waldes gerichtet, als sich ein lautes und anhaltendes Geheul, ähnlich dem Bellen eines zahlreichen Rudels von Jagdhunden, vernehmen ließ, das durch die hohen Bogen des Waldgewölbes her tönte. Sobald diese Laute das Ohr des alten Herrn erreichten, rief er laut dem Schwarzen zu:

»Halt, Aggy, der alte Hektor ist dort; ich würde sein Bellen unter Zehntausenden herauskennen. Lederstrumpf hat an diesem schönen Tag seine Hunde herausgeführt, und gewiss sind sie jetzt hinter einem Wild her. Dort, einige Klafter vor uns, läuft eine frische Hirschspur – und nun, Bess, wenn du dich vor dem Feuern nicht fürchtest, so verspreche ich dir eine herrliche Zugabe zu deiner Christfesttafel.«

Der Schwarze hielt an, und ein heiteres Grinsen überflog seine erstarrten Züge, während er zugleich die Arme übereinander zu schlagen begann, um wieder einige Zirkulation nach den Fingerspitzen hin herzustellen. Der alte Herr richtete sich inzwischen auf, warf seine Verhüllung ab und stieg aus dem Sleigh auf eine Schneebank, die seine Last trug, ohne zu weichen.

Nach einigen Augenblicken kam er damit zustande, aus einer Masse von Schachteln und Koffern eine doppelläufige Vogelflinte hervorzuholen, und nachdem er sich seiner dichten Fäustlinge, unter denen er ein Paar andere mit Pelz gefütterte Lederhandschuhe trug, entledigt und das Schloss seines Gewehrs untersucht hatte, schickte er sich an, vorwärts zu eilen, als sich das leichte Rauschen eines durch das Gehölz stürzenden Tieres vernehmen ließ und unmittelbar darauf nur wenige Schritte vor ihm ein schöner Bock die Straße kreuzte. Das Auftauchen des Wildes geschah rasch und seine Flucht mit der Eile des Windes; aber der Reisende schien ein zu geübter Jäger zu sein, um sich dadurch außer Fassung bringen zu lassen. Sobald er des Tieres ansichtig wurde, erhob er mit sicherem Auge und stetiger Hand seine Flinte und gab Feuer. Das Tier schoss jedoch nicht erschreckt und scheinbar unverletzt weiter. Ohne sein Gewehr sinken zu lassen, wandte der Schütze aufs neue die Mündung seinem Opfer zu und feuerte abermals. Aber auch dieser Schuss schien seine Wirkung verfehlt zu haben.

Der ganze Auftritt war mit einer Geschwindigkeit vor sich gegangen, welche das Mädchen in hohem Grad verwirrte, und sie freute sich bereits unwillkürlich über das glückliche Entkommen des Tieres, als es plötzlich wie ein Meteor wiederauftauchte und abermals über den Weg setzte, worauf ein scharfer, rascher Ton, ganz verschieden von dem runden, vollen aus der Waffe ihres Vaters, in dem sich aber der Knall eines Gewehrs ebenfalls nicht verkennen ließ, an ihr Ohr schlug. In demselben Augenblick machte der Bock einen Sprung in die Höhe, und als dem ersten Schuss rasch ein zweiter folgte, stürzte das Tier kopfüber zur Erde, wo es sich auf der Schneerinde einige Mal überkugelte. Ein lautes Hallo erscholl aus dem Mund des unsichtbaren Schützen, und unmittelbar darauf traten zwei Männer aus einem Versteck hinter zwei Tannenstämmen hervor, wo sie offensichtlich dem Zug des Hirsches aufgelauert hatten.

»Ha! Natty, wenn ich gewusst hätte, dass Ihr im Hinterhalt läget, so hätte ich meine Schüsse sparen können«, rief der Reisende, indem er sich nach der Stelle hinbewegte, wo das Tier lag, in dessen Nähe ihm auch der entzückte Schwarze mit dem Sleigh folgte, »aber das Bellen des alten Hektor war zu ermutigend, um ruhig zu bleiben. Und doch bin ich nicht überzeugt, ob nicht eine meiner Kugeln den Burschen niederwarf.«

»Nein – nein – Richter«, entgegnete der Jäger mit einem stillen Kichern und jenem frohlockenden Blick, der das Bewusstsein einer höheren Kunstfertigkeit verkündet. »Sie haben Ihr Pulver nur abgebrannt, um sich an diesem kalten Abend die Nase zu wärmen. Glauben Sie denn, einen ausgewachsenen Bock, dem Hektor und die Slut auf den Fersen sind, mit dieser Schlüsselbüchse da zum Halten zu bringen? Es gibt ja Fasanen genug beim Moor, und die Schneevögel fliegen um Ihr Haus, so dass Sie dieselben mit Brotkrumen füttern können. Derartiges Wildbret ist etwas für Ihre Flinte; wenn Sie's aber nach einem Bock oder einem Bärenschinken gelüstet, Richter, so müssen Sie eine langläufige Büchse mit eingefettetem Propfen mitnehmen, sonst werden Sie, denke ich, mehr Pulver verschwenden, als Sie Mägen füllen.«

Nach diesen Worten fuhr der Sprecher mit der bloßen Hand unter seiner Nase weg und verzog seinen breiten Mund abermals zu einer Art innerlichen Lachens.

»Das Gewehr streut gut, Natty, und hat seinerzeit wohl auch einem Hirsch den Garaus gemacht«, entgegnete der Reisende mit einem gutgelaunten Lächeln. »Der eine Lauf war mit Hirschposten geladen – freilich der andere nur mit Vogeldunst. Da sind zwei Schüsse, der eine durch den Hals und der andere gerade durch das Herz. Es ist nicht ausgemacht, Natty, ob nicht einer davon von mir herrührt.«

»Nun, mag ihn erlegt haben, wer will«, antwortete der Jäger verdrießlich; »es handelt sich jetzt, denke ich, nur noch darum, von wem er gegessen wird.« Mit diesen Worten zog er ein großes Messer aus einer ledernen Scheide, die in seinem Gürtel stak, und durchschnitt dem Hirsch die Gurgel. »Wenn zwei Kugeln in dem Tier stecken, so möchte ich doch fragen, ob nicht etwa auch zwei Büchsen abgefeuert wurden? – Außerdem, wer hat je gesehen, dass ein so zerrissenes Loch wie dieses hier am Hals durch ein nicht gezogenes Gewehr entsteht? Sie werden mir zugeben, Richter, dass der Bock erst bei dem letzten Schuss fiel, und der kam aus einer sicheren und jüngeren Hand, als die Ihrige und die meinige ist. Ich für mein Teil kann zwar, obwohl ich ein armer Mann bin, ohne dieses Wildbret leben, aber doch mag ich nicht gerne in einem freien Land meine gerechten Ansprüche fahren lassen. Freilich muss ich, was das anbelangt, leider sehen, dass hier so gut wie in dem alten Land Gewalt vor Recht geht.«

Ein Zug von Verdruss und Unzufriedenheit begleitete diese Rede des Jägers, obwohl er es für klug hielt, deren Schluss so leise auszusprechen, dass er sich in ein unverständliches Murmeln verlor.

»Nein, Natty«, entgegnete der Reisende, ohne sich seine gute Laune trüben zu lassen, »ich wehre mich nur um der Ehre willen. Mit einigen Dollars ist dieses Wildbret bezahlt, aber was kann mich dafür entschädigen, dass mir die Ehre, einen Hirschschwanz auf der Mütze zu tragen, entgeht? Bedenkt nur, Natty, wie ich über den hämischen Hund, den Dick Jones, triumphieren könnte, der bereits siebenmal in dieser Saison gefehlt und nichts heimgebracht hat als ein Waldhuhn und ein paar graue Eichhörnchen.«

»Ach, das Wild wird freilich immer seltener, Richter, je weiter diese Lichtungen und Verbesserungen um sich greifen«, erwiderte der alte Jäger mit einer Art erzwungener Resignation. »Es hat eine Zeit gegeben, wo ich dreizehn Hirsche, die Hirschkälber nicht mitgezählt, aus der Tür meiner Hütte schießen konnte! Und wenn's einen nach einer Bärenkeule oder etwas der Art gelüstete, so durfte er nur eine Nacht wachen, um einen solchen Burschen beim Mondschein durch die Ritzen, welche die Baumstämme in den Wänden ließen, zu erlegen; es hatte dabei keine Gefahr mit dem Einschlafen; denn das Geheul der Wölfe konnte schon die Augen offenhalten. Da ist der alte Hektor …« er streichelte während dieser Worte einen hohen, schwarz- und gelbgefleckten Jagdhund mit weißem Bauch und weißen Beinen, der eben im Geleit der schon erwähnten Slut von einer Fährte zurückkehrte – »sehen Sie, wie ihm die Wölfe die Kehle zerbissen haben – in jener Nacht, als ich sie von dem Wildbret vertrieb, das sie mir aus dem Rauchfang holen wollten. Der Hund ist zuverlässiger als mancher Christ; denn er vergisst nie einen Freund und hebt die Hand, die ihm sein Brot reicht.«

Es lag etwas Eigentümliches in dem Benehmen des Jägers, was die Aufmerksamkeit des jungen Mädchens auf sich zog, wie sie denn auch von dem ersten Augenblick an, seit sie seiner ansichtig geworden, sein Äußeres und seine Tracht mit der gespanntesten Aufmerksamkeit betrachtete. Er war groß und so mager, dass er sogar noch länger aussah als die sechs Fuß, die er genau vom Scheitel bis zur Sohle maß. Auf dem mit dünnen, schlichten, rötlichen Haaren bedeckten Kopf trug er eine Fuchsmütze, die der des Reisenden an Gestalt ähnelte, aber ihr an Eleganz weit nachstand. Sein Gesicht war fleischlos, fast abgezehrt, aber ohne Spur von Krankheit; denn im Gegenteil deutete alles bei ihm auf die kräftigste und ausdauerndste Gesundheit. Kälte und häufiger Aufenthalt in Wind und Wetter hatten seine Haut gleichförmig gerötet. Seine grauen Augen blitzten unter einem Paar zottiger Brauen hervor, in deren natürliche Farbe sich ziemlich viel Grau gemischt hatte. Der magere Hals war bloß und so rot wie sein Gesicht, und aus seinem Oberkleid sah der schmale Streifen eines gewürfelten Hemdkragens hervor. Eine Art Rock aus nicht enthaarten Hirschfellen wurde von einem Gürtel aus farbigem Wollzeug um seinen Körper zusammengehalten. An seinen Füßen hatte er Mokassins aus Hirschhäuten, die nach der Sitte der Indianer mit Schweinestacheln verziert waren, und an verschossene hirschlederne Hosen schlossen sich über den Knien Gamaschen von demselben Material an – eine Kleidung, die ihm unter den Ansiedlern den Beinamen Lederstrumpf erworben hatte. Über seine linke Schulter lief ein Riemen von Hirschleder, an dem ein ungeheures Ochsenhorn hing, welches so dünn ausgeschabt war, dass man das darin enthaltene Pulver durchscheinen sehen konnte; sein breiteres Ende enthielt einen kunstvollen, sicher schließenden hölzernen Boden, während das andere sorgfältig mit einem kleinen Pfropfen verwahrt war. Vor ihm hing eine lederne Jagdtasche, aus welcher er bei seinen letzten Worten ein kleines Maß hervorzog, das er mit Pulver füllte, um dann seine Büchse, die von dem Schneeboden an fast bis zu der Spitze seiner Fuchskappe reichte, wieder zu laden.

Der Reisende hatte, während der Jäger in dieser Weise beschäftigt war, die Wunden des erlegten Hirsches sorgfältig untersucht und rief jetzt, ohne sich an die üble Laune des anderen zu kehren:

»Es wäre mir gar zu lieb, wenn ich die Ehre, dieses Tier erlegt zu haben, in Anspruch nehmen könnte; und gewiss, wenn der Schuss durch den Hals aus meinem Gewehr kam, so kann ich es mit Recht tun; denn der durchs Herz war unnötig – wir nennen etwas der Art einen Akt der Supererogation, Lederstrumpf.«

»Sie mögen es mit was immer für einem gelehrten Namen belegen, Richter«, sagte der Jäger, indem er die Büchse mit seinem linken Arm unterstützte, einen Messingdeckel in seiner Jagdtasche öffnete, ein kleines Stück gefetteten Leders herausnahm, eine Kugel darein wickelte und beides während des Sprechens mit kräftiger Faust in den Gewehrlauf auf das Pulver hinuntertrieb, »denn es ist weit leichter, irgendein Wort zu ersinnen, als einen Bock im Sprung zu schießen. Aber dieses Tier hier kam, wie ich bereits vorhin sagte, durch eine jüngere Hand als die Ihrige oder die meinige zu seinem Ende.«

»Was sagt Ihr dazu, mein Freund?« rief der Reisende, indem er sich scherzend gegen Nattys Begleiter umdrehte. »Wollen wir um die Ehre losen und diesen Dollar aufwerfen? Das Silber ist Euer, wenn Ihr verliert. Was sagt Ihr dazu, mein Freund?«

»Dass ich den Hirsch schoss«, sagte der junge Mann etwas stolz und legte den Arm auf seine Büchse, welche ziemlich dieselbe Form wie die seines Gefährten hatte.

»Hier sind zwei gegen einen«, sagte der Richter mit einem Lächeln, »ausgestochen – überstimmt, wie wir vor Gericht sagen. Der Aggy da darf als Sklave nicht zeugen, und Bess ist minderjährig – nun, so muss ich eben zum schlimmen Spiel eine gute Miene machen. Ihr verkauft mir aber doch das Wildbret? Ah, es müsste mit dem Henker hergehen, wenn ich nicht aus dem Tod dieses Hirsches ein gutes Geschichtchen drechselte.«

»Ich habe hier nichts zu verkaufen«, antwortete Lederstrumpf, ein wenig von dem hohen Ton seines Begleiters annehmend, »denn ich für mein Teil habe Tiere gesehen, die mit einem Halsschuss noch tagelang sprangen, und ich bin keiner von denen, welche irgendjemandem das abspannen möchten, was ihm rechtlich gebührt.«

»Ihr beharrt an diesem kalten Abend sehr zäh auf Eurem Recht, Natty«, entgegnete der Richter in unverwüstlich heiterer Stimmung. »Aber was sagt Ihr, junger Mann? Sind drei Dollar genug für den Bock?«

»Lasst uns zuerst die Rechtsfrage zur gegenseitigen Zufriedenheit abmachen«, antwortete der Jüngling bescheiden, aber mit Festigkeit und in einer Weise des Ausdrucks, die weit über seine unscheinbare Außenseite erhaben schien. »Mit wieviel Posten hatten Sie Ihr Gewehr geladen?«

»Mit fünfen, Sir«, sagte der Richter, durch das Benehmen des anderen etwas verblüfft. »Sind fünf nicht genug, um einen Bock wie diesen zu erlegen?«

»Einer schon würde hinreichen; aber ...« er bewegte sich nach dem Baum hin, hinter dem er hervorgetreten war – »Sie erinnern sich, Sir, dass Sie nach dieser Richtung abfeuerten. Hier stecken vier der Kugeln im Baum.«

Der Richter untersuchte die frischen Spuren in der Rinde der Tanne, schüttelte den Kopf und entgegnete mit Lachen:

»Ihr liefert den Beweis gegen Euch selber, mein junger Advokat. Wo ist die fünfte?«

»Hier!« sagte der Jüngling, indem er den groben Mantel, welchen er trug, zurückschlug und auf ein Loch in seinen Unterkleidern deutete, aus dem große Tropfen Blut hervordrangen.

»Guter Gott!« rief der Richter entsetzt, »habe ich hier wegen einer wertlosen Großtuerei die Zeit vergeudet, während ein Mitmensch durch meine Hand leidet, ohne eine Klage laut werden zu lassen? Aber schnell – geschwind – in den Sleigh – es ist nur eine Meile bis zum Dorf, wo man wundärztlichen Beistand haben kann. Alles Nötige soll auf meine Kosten besorgt werden, und du sollst bei mir bleiben, bis deine Wunde geheilt ist – ja, und auch nachher noch – für immer!«

»Ich danke für die gute Absicht, aber ich muss das Angebot ablehnen. Ich habe einen Freund, der sich sehr beunruhigt fühlen würde, wenn er erführe, dass ich verwundet und fern von ihm bin. Die Beschädigung ist nur leicht und hat keinen Knochen verletzt; aber ich denke, Sir, Sie werden jetzt meine Ansprüche auf das Wild gelten lassen.«

»Gelten lassen?« wiederholte der bewegte Richter. »Ich gebe dir hiermit auf immer das Recht, Hirsche, Bären und was dir beliebt, in meinen eigenen Wäldern zu schießen. Lederstrumpf war bis jetzt der einzige Mann, dem ich dieses Privilegium erteilte, und die Zeit ist wohl nicht mehr fern, wo es von Wert sein wird. Aber ich will euch den Hirsch abkaufen – da, diese Note wird dich für deinen und meinen Schuss bezahlen.«

Der alte Jäger richtete sich während dieser Unterredung stolz auf, wartete jedoch, bis der andere ausgeredet hatte, und sprach dann vor sich hin:

»Es leben viele, die behaupten, dass Nathanael Bumppos Recht, auf diesen Bergen zu schießen, älter sei als Marmaduke Temples Recht, es ihm zu verbieten«, waren seine Worte. »Aber wenn es überhaupt hierüber ein Gesetz gibt – und wer hätte je von einem gehört, welches einem Mann untersagt, einen Hirsch zu schießen, wo es ihm beliebt? – Aber wenn es überhaupt ein solches Gesetz gibt, so sollte es vorzugsweise auf Gewehre ohne Züge angewendet werden. Niemand kann wissen, wohin das Blei fliegen wird, wenn man einmal an einer so unzuverlässigen Waffe den Drücker berührt hat.«

Ohne auf Nattys Selbstgespräch zu achten, verbeugte sich der Jüngling in dankbarer Anerkennung des Angebotes und erwiderte:

»Entschuldigen Sie mich, Sir; ich brauche das Wildbret.«

»Aber für dieses könnt Ihr Euch manchen Hirsch kaufen«, entgegnete der Richter. »Nehmt es, ich bitte …« und seine Stimme zu einem Flüstern ermäßigend, fügte er hinzu – »… es sind hundert Dollar.«

Nur einen Augenblick schien der Jüngling zu schwanken, dann aber erglühte er selbst durch das Rot hindurch, das die Kälte seinen Wangen gegeben hatte, als schäme er sich seiner vorübergehenden Schwäche, und lehnte das Angebot aufs Neue ab.

Während dieser Szene stand das junge Mädchen auf, schlug, ohne auf die kalte Luft Rücksicht zu nehmen, die Mantelkappe, welche ihr Antlitz verhüllt hatte, zurück und sprach dann mit großem Ernst:

»Gewiss, gewiss, junger Mann – Sir – Ihr werdet meinen Vater nicht so sehr kränken, dass Ihr ihm das Bewusstsein auf die Seele laden möchtet, einen Mann, den seine Hand beschädigte, so im Wald zurückzulassen. Ich bitte Euch, kommt mit uns und lasst Euch ärztlichen Beistand gewähren.«

Mochte nun in diesem Augenblick seine Wunde mehr schmerzen, oder lag vielleicht in der Stimme und dem Wesen der schönen Sachwalterin ihres Vaters etwas Unwiderstehliches – wir wissen es nicht; genug, das Zurückhaltende im Benehmen des jungen Mannes wurde durch diese Anrede wesentlich gemildert, und er schwankte offensichtlich, ob er ihrer Bitte entsprechen solle oder nicht, da ihm beides gleich schwer zu werden schien. Der Richter – denn diesen Titel müssen wir ihm in Zukunft geben, da er ein solches Amt bekleidete – bemerkte nicht ohne lebhaften Anteil diesen Zwiespalt in den Gefühlen des Jünglings; er trat daher auf ihn zu, nahm ihn freundlich bei der Hand, schob ihn sanft nach dem Sleigh hin und drängte ihn einzusteigen.

»Du findest keine nähere Hilfe als in Templeton«, sagte er, »und Nattys Hütte ist wenigstens drei Meilen entfernt. Komm – komm, junger Freund – geh mit uns, und lass den neuen Doktor nach deinem Arm sehen. Natty wird die Kunde von deinem Wohlbefinden deinem Freund überbringen; und wenn du es verlangst, so lasse ich dich morgen in deine Heimat führen.«

Es gelang dem jungen Mann, sich dem herzlichen Händedruck des Richters zu entziehen, aber den Blick vermochte er nicht von dem Mädchen zu wenden, das, ohne der Kälte zu achten, noch immer mit unverhülltem Gesicht dastand und durch den beredten Ausdruck seiner Züge die Bitte des Vaters aufs nachdrücklichste unterstützte.

Lederstrumpf stand inzwischen an seine lange Büchse gestützt da und hatte den Kopf etwas zur Seite gedreht, wie in ernstes Nachsinnen vertieft, als er auf einmal – offensichtlich über seine Bedenklichkeiten beruhigt und bei einem Entschluss angelangt – das Schweigen unterbrach.

»Es ist im Grunde doch das Beste, du gehst mit ihnen, Junge; denn wenn der Posten noch drinnen ist, so taugt meine alte Hand nicht mehr so gut wie damals dazu, ins menschliche Fleisch zu schneiden. Vor etwa dreißig Jahren, im alten Krieg, als ich unter Sir William diente, wanderte ich siebzig Meilen allein durch die heulende Wildnis mit einer Büchsenkugel in meinem Schenkel, und dann erst schnitt ich sie mit einem Taschenmesser heraus. Der alte Indianer John erinnert sich der Geschichte noch gut. Ich traf ihn mit einem Trupp Delawaren, die einem Irokesentrupp nachsetzten, der unten gewesen war und am Schoharie fünf Skalpe geholt hatte. Ich habe bei dieser Gelegenheit einer Rothaut einen Denkzettel gegeben, den sie wahrscheinlich mit ins Grab schleppte. Ich nahm den Burschen – mit Ehren vor der Dame zu vermelden – von hinten aufs Korn, und als er aus seinem Hinterhalt auftauchte, jagte ich ihm drei gute Hirschposten in seine nackte Haut, so nahe beieinander, dass man alle mit einem Dollar hätte bedecken können.«

Natty dehnte nun seinen langen Hals aus, streckte seinen Körper und öffnete seinen Mund, in dem sich nur noch ein einziger gelber Hauer blicken ließ, während seine Augen, sein Gesicht, ja seine ganze Gestalt zu lachen schienen, obwohl man keinen anderen Ton vernahm als eine Art starken Zischens, wenn er in Tremulationen die Luft einatmete.

»Ich hatte, als ich über die Mündung des Oneida setzte, meine Kugelform verloren«, fuhr er fort, »und musste mich daher mit Hirschposten behelfen; aber die Büchse war treu und streute ihren Inhalt nicht umher wie die zweibeinigen Dinger da, Richter, die es, wie ich merke, nicht geraten machen, mit ihrem Eigner auf die Jagd zu gehen.«

Nattys auf das Zartgefühl der jungen Dame berechnete Apologie war unnötig; denn sie war, während er sprach, zu sehr damit beschäftigt, ihrem Vater beim Wegräumen einiger Gepäckstücke zu helfen, um auf seine Worte achten zu können. Unfähig, dem freundlichen Drängen der Reisenden länger zu widerstehen, ließ sich der Jüngling doch endlich – wiewohl noch immer mit unerklärlichem Widerstreben – zum Einsteigen bewegen. Der Schwarze warf unter Beihilfe seines Gebieters das erlegte Wild zu dem übrigen Gepäck, und als sie wieder in dem Sleigh saßen, lud der Richter den Jäger ein, gleichfalls hereinzukommen.

»Nein, nein«, sagte der alte Mann kopfschüttelnd, »ich habe am Christfestabend daheim etwas zu tun – fahrt nur mit dem Jungen zu und lasst Euern Doktor nach seinem Arm sehen. Zwar braucht er nur den Posten herauszuschneiden; denn wenn dies geschehen ist, so habe ich Kräuter, welche die Wunde schneller heilen werden als all seine fremden Schmieralien.« Er wandte sich um und wollte weiter, als er nach einem plötzlichen Besinnen das Gesicht wieder der Schlittengesellschaft zuwandte und beifügte: »Wenn Ihr unten am See den Indianer John trefft, so werdet Ihr gut daran tun, ihn mitzunehmen, dass er dem Doktor an die Hand gehe; denn so alt er ist, so versteht er sich doch gut auf Hieb- und Schusswunden, und er ist höchstwahrscheinlich mit Besen drunten, um Euern Weihnachtsbackofen auszukehren.«

»Halt! halt!« rief der Jüngling, den Schwarzen am Arm fassend, als dieser sich anschickte, seine Pferde anzutreiben, »Natty, wenn Ihr mich liebhabt, sagt nichts von dem Schuss – verschweigt auch, wohin ich gehe. Merkt es Euch!«

»Verlasst Euch auf den alten Lederstrumpf«, antwortete der Jäger mit einem Blick des Verständnisses. »Er hat nicht fünfzig Jahre in den Wäldern gelebt, ohne von den Indianern schweigen zu lernen – verlasst Euch auf mich, Junge, und vergesst mir den alten Indianer John nicht.«

»Und Natty«, fuhr der Jüngling lebhaft fort, indem er immer noch den Schwarzen am Arm hielt, »sobald die Kugel herausgezogen ist, so bringe ich Euch ein Viertel von dem Bock zum Christfestessen.«

Er wurde jetzt von dem Jäger unterbrochen, der mit ausdrucksvoller Miene den Finger erhob, um ihn zum Schweigen aufzufordern, dann langsam am Saum des Weges weiterging und seine Augen unablässig auf die Zweige einer Rottanne geheftet hielt. Als er eine günstige Stellung gefunden, hielt er inne, spannte den Hahn seiner Büchse, ließ sich auf ein Knie nieder, streckte den linken Arm nach seiner ganzen Länge unter dem Gewehrlauf aus und begann die Mündung desselben langsam und in einer Linie mit dem Stamm des Baumes zu erheben. Die Augen der in dem Sleigh befindlichen Gruppen folgten natürlich der Bewegung der Büchse, und bald entdeckten sie den Gegenstand von Nattys Anschlag. Auf einem kleinen dürren Ast, der in einer Höhe von etwa siebzig Fuß waagerecht vom Stamm abbog, unmittelbar unter den lebendigen Zweigen des Baumes saß ein Vogel von jener Gattung, welche das Landvolk dieser Gegend ohne Unterschied mit dem Namen Fasan oder Rebhuhn belegt. Das Tier war nur wenig kleiner als ein gewöhnliches Haushuhn. Erschreckt durch das Bellen der Hunde und die Unterhaltung in der Nähe des Baumes, den er zum Ruheort erkoren, hatte sich der Vogel mehr gegen den Stamm hin zurückgezogen, wo er dasaß, Kopf und Hals so ausgereckt, dass sie mit den Beinen nur eine gerade Linie zu bilden schienen. Sobald das Opfer in der Ziellinie lag, drückte Natty ab und das Feldhuhn fiel mit solcher Gewalt von seinem hohen Standort herunter, dass es ganz vom Schnee begraben wurde.

»Leg dich, alter Schelm«, rief Lederstrumpf, Hektor mit dem Ladestock winkend, als dieser nach dem Fuß des Baumes hineilen wollte, »leg dich, sag' ich dir!«

Der Hund gehorchte, und Natty schickte sich an, in aller Eile, obwohl mit der äußersten Pünktlichkeit, sein Gewehr wieder zu laden. Als dies geschehen war, nahm er sein Wild auf, zeigte der Gesellschaft, dass dem Vogel der Kopf abgeschossen war, und rief:

»Das ist ein ganz leckerer Weihnachtsbraten für einen alten Mann – lasst es daher nur gut sein mit dem Wildbret, Junge, und vergesst mir den Indianer John nicht; seine Kräuter sind besser als alles ausländische Gesalbe. – Da, Richter« – er hielt den Vogel wieder in die Höhe – »glauben Sie wohl, Ihre Schlüsselbüchse würde auch einen Vogel von seiner Stange herunterholen, ohne eine Feder zu verletzen?«

Der alte Mann verzog wieder den Mund zu seinem eigentümlichen Lachen, das Triumph, Heiterkeit und Ironie in gleicher Weise ausdrückte, nahm seine Büchse auf die Schulter und ging raschen Schrittes in den Wald hinein. Bei jedem Tritt verkürzte sich sein Körper um einige Zoll, da die Knie des alten Mannes im Gehen einwärts knickten; als der Sleigh aber in einer Straßenbiegung wendete und der Jüngling wieder spähend nach seinem Begleiter blickte, war dieser bereits fast ganz durch die Baumstämme verborgen, während ihm die Hunde ruhig auf den Fersen folgten und nur hin und wieder nach einer Wildspur auf dem Boden schnupperten, als lehre sie ihr Instinkt, dass es diesmal von keinem Nutzen sei, ihr weitere Aufmerksamkeit zu erweisen. Eine abermalige Wendung des Sleigh, und Lederstrumpf war verschwunden.

Zweites Kapitel

Ungefähr einhundertzwanzig Jahre vor dem Beginn unserer Erzählung ließ sich ein Vorfahr Marmaduke Temples, ein Freund und Glaubensgenosse des großen Gründers dieser Kolonie, in Pennsylvanien nieder. Der alte Marmaduke – denn dieser halsbrechende Vorname war eine Art Familienprärogativ – brachte nach diesem Asyl der Verfolgten einen schönen Anteil an Gütern dieser Welt mit, durch die er sich zum Herrn von vielen tausend Acker unbewohnten Landes und zum Versorger einer großen Anzahl mittelloser Ansiedler machte. Er wurde wegen seiner Frömmigkeit sehr geachtet und als Sektenführer ausgezeichnet, so dass ihm seine Glaubensgenossen manche wichtigen Ämter anvertrauten. Zum Glück starb er jedoch noch gerade zur rechten Zeit, um der Kunde von seiner eigenen Verarmung zu entgehen – ein Los, das er mit vielen teilte, die Reichtümer in die neuen Ansiedlungen der mittleren Kolonien gebracht hatten.

Die Bedeutung eines Ansiedlers in diesen Provinzen ließ sich hauptsächlich aus der Zahl seiner weißen Dienstleute und Abhängigen und aus der Beschaffenheit der öffentlichen Ämter, die er verwaltete, ermessen. Wenn man diese Regel zur Leitschnur nimmt, so musste der Vorfahr unseres Richters ein sehr angesehener Mann gewesen sein.

Es ist indes bis auf den heutigen Tag nicht ohne Interesse, in die kurzen Berichte jener frühen Periode Einsicht zu nehmen, in denen man regelmäßig und fast ohne Ausnahme auf der einen Seite die Reichen allmählich zur Armut heruntersinken, auf der anderen die Diener derselben Vermögen und Reichtümer erwerben sieht. An alle Bequemlichkeiten des Lebens gewöhnt und unfähig, die Kämpfe, welchen eine Gesellschaft in ihrer Kindheit anheimfällt, zu bestehen, blieb der reiche Einwanderer kaum imstande, seinen Rang durch das persönliche Übergewicht seiner Erziehung und Kenntnisse zu behaupten; sobald er aber die Augen schloss, sahen sich seine trägen und ungebildeten Nachkommen genötigt, der rührigen Tatkraft einer Klasse, die durch die Not arbeiten gelernt hatte, den Vorrang einzuräumen. Dies ist der gewöhnliche Gang der Dinge in den Vereinigten Staaten sogar noch in unseren Tagen; vornehmlich war es aber das Schicksal der Reichen und Armen in den friedliebenden, wenig unternehmenden Kolonien von Pennsylvanien und New Jersey.

Marmadukes Nachkommen hatten das gleiche Los wie so viele, die sich lieber auf ihre ererbte Habe als auf ihre persönlichen Kräfte verließen, und in der dritten Generation waren sie auf einem Punkt angelangt, unter den in einem so glücklichen Land ehrbare, verständige und nüchterne Leute kaum heruntersinken können. Aber derselbe Familienstolz, der durch seine selbstzufriedene Indolenz ihren Fall herbeigeführt hatte, wurde nun auch zu einem Hebel, ihren Wiederaufschwung zu bewerkstelligen. Das frühere kränkelnde Gefühl wandelte sich in das gesunde, tatkräftige Verlangen um, das Ansehen ihrer Vorfahren und womöglich auch ihren Reichtum wiederzugewinnen. Der Vater des Richters war der erste, der sich wieder auf der Leiter der bürgerlichen Gesellschaft zu heben begann; eine Heirat unterstützte ihn hierin wesentlich und gab ihm auch die Mittel, seinen einzigen Sohn weit besser erziehen zu lassen, als es bei dem schlechten Zustand der Schulanstalten in Pennsylvanien möglich oder in den zwei oder drei vorangehenden Generationen seiner Familie üblich war.

Der junge Marmaduke lernte in der Schule, deren Vorteile er dem wiederauflebenden Glück seines Vaters verdankte, einen Jüngling kennen, der mit ihm in gleichem Alter stand, und schloss mit ihm eine innige Freundschaft. Dies war ein glücklicher Bund für unseren Richter, er bahnte ihm den Weg zu seinem künftigen Ansehen.

Edward Effinghams Familie war nicht nur sehr reich, sondern hatte auch einen nicht unbedeutenden Einfluss bei Hofe. Sie gehörte unter die wenigen in den Kolonien, welche eine Erniedrigung ihrer Glieder darin erblickten, wenn sie Handelsgeschäfte betrieben, und trat deshalb nur aus der Zurückgezogenheit ihres häuslichen Lebens hervor, wenn es galt, in den Kolonialversammlungen zu präsidieren oder in Kriegszeiten die Waffen zu führen. Letzteres war von Jugend auf das Gewerbe von Edwards Vater gewesen. Unter der Krone Großbritanniens und vor sechzig Jahren musste militärischer Rang durch einen weit längeren und beschwerlicheren Dienst erkauft werden als heutzutage. Jahre wurden ohne Murren in den niedrigeren Graden hingebracht; dagegen glaubten aber auch die in den Kolonien stationierten Soldaten, wenn sie sich einmal bis zu dem Kommando einer Kompanie emporgeschwungen hatten, von den friedlichen Bewohnern der Scholle die tiefste Verehrung fordern zu dürfen. Jeder unserer Leser, der über den Niagara kommt, wird nicht nur die Wichtigkeit, die jeder, selbst der unbedeutendste Diener der Krone seiner Stellung beilegt, sondern auch die wirkliche Achtung bemerken, deren er sich allseitig – sogar in dieser Polargegend des königlichen Sonnenscheins – erfreut. Mit solcher Achtung wurde vor nicht gar zu langer Zeit auch der Krieger in einem Staatenverband behandelt, in dem jetzt glücklicherweise keine Spur von Krieg mehr zu sehen ist, wenn nicht die freie und furchtlose Stimme des Volkes sich für einen solchen entscheidet. Als daher der Vater von Marmadukes Freund sich nach vierzigjähriger Dienstzeit mit dem Rang eines Majors in den Privatstand zurückzog und ein verhältnismäßig glänzendes Haus führte, wurde er natürlich in seiner heimatlichen Kolonie New York als ein Mann von hoher Bedeutung betrachtet. Er hatte mutig und treu gedient und war daher nach allgemeinem Brauch in den Provinzen mit einer Auszeichnung behandelt und mit Aufträgen beehrt worden, die weit über seine Stellung hinausgingen. Als er der Gebrechlichkeit des Alters weichen musste, trat er mit Würde ab und wies sogar den üblichen halben Sold wie auch jede andere Belohnung für Dienste, die er nicht länger mehr versehen konnte, zurück.

Das Ministerium bot ihm mehrere Zivilämter an, die neben der Ehre auch materielle Vorteile eintrugen; er schlug sie jedoch mit dem ritterlichen Unabhängigkeitsgefühl, welches sein ganzes Leben hindurch seinen Charakter bezeichnet hatte, unter ehrfurchtsvollem Dank aus, und bald nach diesem Akt patriotischer Uneigennützigkeit übte er in seinem eigenen Haus eine Handlung der Großmut, welche, sowenig sie auch der Klugheit gemäß zu sein schien, doch in vollkommenem Einklang mit dem redlichen wohlwollenden Sinn des Veteranen stand.

Marmadukes Freund war sein einziges Kind, und bei Gelegenheit der Vermählung dieses Sohnes mit einer Dame, welcher der Vater besonders wohlwollte, trat ihm der Major sein ganzes Vermögen ab, das aus bedeutenden Kapitalien, einer Wohnung in der Stadt, einem Landhaus, einigen wertvollen Gütern in den alten Teilen der Kolonie und umfangreichen Besitz unbebauten Landes in den neuen bestand – ein Schritt, der seinen künftigen Unterhalt ausschließlich von der kindlichen Liebe seines Sohnes abhängig machte. Schon als Major Effingham die großzügigen Angebote des britischen Ministeriums ablehnte, meinten die Jäger nach Hofgunst, von denen es auch in diesen abgelegenen Teilen des weiten Reiches wimmelte, dass es mit seinem Verstand nicht ganz richtig sein müsse; als er sich aber gar freiwillig aller seiner großen Reichtümer begab, folgerte alles, dass der gute Mann kindisch geworden sei. Diesen Umständen war es zuzuschreiben, dass sein Ansehen rasch dahinschwand, und wenn er mit seinen Schritten ungestörte Zurückgezogenheit bezwecken wollte, so sah er bald seine Absicht erreicht.

Wie auch die Welt über die Handlungsweise des Majors urteilen mochte, den beiden Beteiligten erschien sie als nichts anderes denn das Abgeben gewisser Gerechtsame, die der Vater weder genießen noch erweitern konnte, an einen Sohn, der durch seine Erziehung sowohl als auch vermöge seines Charakters zu beidem passte. Der jüngere Effingham hatte nichts gegen die Schenkung einzuwenden; denn er fühlte, dass er sich selbst nur von einer schweren Last befreite, wenn er den Vorbehalt seines Vaters, die moralische Leitung seiner Handlungen zu führen, anerkannte; wie denn überhaupt zwischen beiden ein so inniges Vertrauen herrschte, dass ihnen der so gehässig gedeutete Schritt nicht anders erschien, als wenn einer sein Geld aus einer Tasche in die andere steckt.

Sobald der junge Mann in den Besitz seines großen Vermögens gekommen war, gehörte es unter seine ersten Handlungen, seinen Jugendfreund aufzusuchen und ihm den Beistand anzubieten, den er jetzt zu leisten imstande war.

Der Tod von Marmadukes Vater und die daraus folgende Teilung seines kleinen Vermögens machten dieses Angebot für den jungen Pennsylvanier doppelt annehmbar. Er fühlte seine eigenen Kräfte, und sah nicht nur die schönen Eigenschaften, sondern auch die Mängel in dem Charakter seines Freundes. Effingham war eine weiche Natur, zutraulich, bisweilen aber auch ungestüm und unbesonnen, während Marmaduke mit einem ruhigen Gleichmut scharfen Verstand, Tätigkeit und Unternehmungsgeist verband. Ihm erschien daher der ihm angebotene Beistand, richtiger die Geschäftsgemeinschaft als vorteilhaft für beide Parteien, weshalb er mit Freuden darauf einging und auch leicht über die Bedingungen mit seinem Freund eins wurde. Mit Effinghams Geld wurde ein Handlungshaus in der Hauptstadt von Pennsylvanien etabliert und die Leitung des Geschäftes Marmaduke übertragen, der öffentlich als der einzige Eigentümer genannt wurde, obwohl der andere insgeheim zur Hälfte am Gewinn des Unternehmens beteiligt war. Diese Verbindung sollte aus zwei Gründen nicht bekannt werden, deren einen Effingham seinem Freund offen eingestand, während er den anderen tief in seinem Innern verbarg, da dieser auf nichts mehr und nichts weniger als auf dem Stolz beruhte. Der Abkömmling einer Reihe von Kriegern betrachtete nämlich sogar eine derartige mittelbare Beteiligung bei einem Handelsgeschäft als eine Herabwürdigung. Den Hauptgrund zur Geheimhaltung bildeten aber immer die Vorurteile des alten Majors.

Es wurde bereits mitgeteilt, dass Major Effingham ruhmvoll gedient hatte. Als er einmal an der Westgrenze von Pennsylvanien ein Kommando gegen die verbündeten Franzosen und Indianer hatte, wurde nicht nur sein Ruhm, sondern auch sein Leben und das seiner Truppe durch die friedliche Politik dieser Kolonie ungemein gefährdet – allerdings ein Vergehen, das kein Soldat verzeiht. Er focht zu ihrem Schutz und wusste wohl, dass die milden Grundsätze dieses Völkchens praktischer Christen von den schlauen und arglistigen Feinden nicht berücksichtigt werden würden, weshalb er auch die Kränkung umso tiefer empfand; denn er sah, dass der Grund, den die Kolonisten für die Verweigerung ihres Beistandes geltend machten, nur dazu führen konnte, seine Mannschaft dem Untergang preiszugeben, ohne dass er den Frieden zu bewahren vermochte. Es gelang zwar dem Soldaten, sich mit einer Handvoll seiner Leute durch den mörderischen Feind zu schlagen, aber er vergab den Leuten, die ihn im Kampf nicht unterstützt und daher dieser Gefahr ausgesetzt hatten, nie wieder. Es half nichts, dass man ihm sagte, sie wären nicht schuld daran gewesen, dass er an die Grenze gesetzt wurde; denn er stand ja offensichtlich nur zu ihrem Besten dort, und es war »ihre religiöse Pflicht« – so pflegte sich nämlich der Major auszudrücken – »es war ihre religiöse Pflicht, ihren Beschützern Beistand zu leisten«.

Der alte Soldat war nie ein Freund von Fox' friedlichen Schülern. Ihre geordnete Lebensweise und ihre Gemütsruhe konnten nicht verfehlen, auch vorteilhaft auf ihre physischen Verhältnisse einzuwirken; wenn der Veteran den riesigen Körperbau der Kolonisten betrachtete, so konnte er sich nicht enthalten, in seinem Blick die tiefe Verachtung, welche er gegen ihre moralische Schwäche hegte, auszudrücken. Auch war er ein wenig der Meinung zugetan, dass eine so strenge Beobachtung von Förmlichkeiten unmöglich mit dem gesunden Kern wahrer Religiosität vereinbar sei. – Wir haben uns übrigens nicht zur Aufgabe gesetzt, hier das Wesen des Christentums zu erörtern, sondern führen nur einfach Major Effinghams Ansichten auf.

Da der Sohn die Ansichten seines Vaters über diese Leute kannte, so war es kein Wunder, dass er Anstand nahm, seine Verbindung mit einem Quäker und sein unbedingtes Vertrauen auf dessen Redlichkeit einzugestehen.

Man hat gesehen, dass Marmaduke von Zeitgenossen und Freunden Penns abstammte. Sein Vater hatte zwar, weil er eine nicht seiner Kirche angehörende Frau geheiratet hatte, einige Privilegien, die an seinem Stamm hafteten, verwirkt. Da jedoch der junge Marmaduke in einer Kolonie und in einer Gemeinschaft erzogen wurde, wo selbst der gewöhnliche Verkehr zwischen Freunden und Verwandten die Färbung jener milden Religion trug, so erhielten natürlich auch seine Gewohnheiten und seine Sprache etwas von deren Eigentümlichkeiten. Seine spätere Verehelichung mit einer Dame, die nicht nur dem Kreis seiner Kirche nicht angehörte, sondern auch jeden Einfluss vonseiten dieser Sekte zurückwies, trug allerdings einiges dazu bei, die früheren Eindrücke zu schwächen; sie verwischten sich aber bis zur Stunde seines Todes nie ganz, und die Sprache seiner Jugend trat vornehmlich in Augenblicken der Wallung oder einer regen Teilnahme besonders lebhaft hervor. – Doch wir greifen unserer Erzählung vor.

Zurzeit, als Marmaduke mit dem jungen Effingham in Geschäftsverbindung trat, war er in seinem Äußeren noch ganz Quäker, und da es der Sohn für zu gefährlich hielt, den Vorurteilen seines Vaters offenen Widerstand zu leisten, so sollte diese Vereinigung für alle Nichtbeteiligten ein tiefes Geheimnis bleiben.

Einige Jahre lang leitete Marmaduke den Handelsbetrieb seines Hauses mit so viel Scharfblick und Sachkenntnis, dass ein reicher Ertrag erzielt wurde; dann heiratete er die bereits erwähnte Dame, Elisabeths Mutter, und auch die Besuche seines Freundes wurden allmählich häufiger. Überhaupt hatte es, da die Vorteile des Geschäfts Effingham mit jedem Augenblick mehr einleuchteten, ganz den Anschein, als ob der Schleier, welcher die wirklichen Verhältnisse umhüllte, sich bald lichten sollte; aber nun begannen die Unruhen, welche dem Revolutionskrieg vorangingen, immer ernster und drohender zu werden.

In der unterwürfigsten Treue gegen das angeborene Herrscherhaus erzogen, hatte Effingham von Anbeginn der Zwistigkeiten zwischen den Kolonisten und der Krone für die nach seiner Meinung heiligen Rechte seines Fürsten warm Partei genommen, während andererseits Temple durch seinen hellen Verstand und seinen Unabhängigkeitssinn veranlasst wurde, sich auf die Seite des Volkes zu schlagen. Beide mochten hier durch frühere Eindrücke geleitet werden; denn wenn sich der Sohn eines tapferen und loyalen Offiziers in unbedingtem Gehorsam unter den Willen seines Herrschers beugte, so konnte der Abkömmling eines verfolgten Anhängers von Penn nicht ohne Bitterkeit auf die unverdienten Leiden zurückblicken, die auf die Häupter seiner Vorfahren gehäuft worden waren.

Die Meinungsverschiedenheit der beiden Freunde hatte oft Anlass zu unverfänglichen Wortwechseln gegeben, aber endlich wurde die Sache doch zu ernsthaft, um sich bei Marmaduke immer nur auf politische Kannegießerei zu beschränken, umso weniger, da sein scharfer Blick bereits jetzt einiges von den wichtigen Ereignissen ahnte, mit denen die Zeit schwanger ging. Die Funken der Uneinigkeit flammten rasch in heller Lohe auf, und die Kolonien oder vielmehr die Staaten – denn sie erklärten sich bald für solche – wurden für manche Jahre der Schauplatz des Kampfes und des Blutvergießens.

Kurze Zeit vor der Schlacht bei Lexington übergab Effingham, der bereits seine Gattin verloren hatte, seine Papiere und alles, was er Wertvolles besaß, an Marmaduke zur Aufbewahrung und verließ ohne seinen Vater die Kolonie. Kaum hatte jedoch der Krieg ernstlich begonnen, als er in der Uniform seines Königs wieder zu New York erschien und in kurzem an der Spitze einer Provinzialtruppen-Abteilung im Feld stand. Marmaduke hatte sich inzwischen ganz für die Sache der Rebellion – wie man sie damals nannte – erklärt. Natürlich hörte nun aller Verkehr zwischen den Freunden auf, da ein solcher vonseiten Oberst Effinghams nicht gesucht wurde und Marmaduke sich in der Sache mit vorsichtiger Zurückhaltung benahm. Letzterer sah sich bald genötigt, die Hauptstadt Philadelphia zu verlassen; er hatte jedoch die Vorsorge getroffen, seine ganze Habe, einschließlich der Papiere seines Freundes, aus dem Bereich der königlichen Streitkräfte zu bringen. Er fuhr fort, während des Kampfes seinem Vaterland in verschiedenen Zivilämtern Dienste zu leisten, denen er stets mit Eifer und Würde vorstand. Während er sich jedoch den ihm anvertrauten Obliegenheiten mit Aufopferung und Treue unterzog, schien er seinen eigenen Vorteil nie aus dem Gesicht zu verlieren; denn als vermöge der Konfiskationsakte die Güter der königlich Gesinnten zum Verkauf ausgeboten wurden, erschien er in New York und kaufte sehr ausgedehnte Besitzungen zu verhältnismäßig sehr niedrigen Preisen.

Es ist wahr, dass Marmaduke durch den Ankauf von Gütern, die anderen gewaltsam entrissen worden waren, sich dem bitteren Tadel jener Sekte aussetzte, die ihre Kinder, wenn sie diese auch hin und wieder von der vollen Teilnahme an ihrem Familienverband ausschließt, doch nie gerne der Welt ganz abtreten zu wollen scheint. Doch kam dieser Makel seines Charakters – sei es infolge des glücklichen Ergebnisses seiner Spekulation, oder weil derartige Versündigungen allzu häufig wurden – bald wieder in Vergessenheit; obwohl es einige gab, die – mit ihrem eigenen Los unzufrieden oder im Gefühl ihres persönlichen Unwertes – gehässige Andeutungen über das plötzliche Reichwerden des armen Quäkers fallen ließen, so entschwanden diese doch frühzeitig in Anerkennung seiner geleisteten Dienste, vielleicht auch, weil er jetzt für reich galt, wieder aus dem Gedächtnis der Menschen.