Die Ashington-Perlen - Victoria Holt - E-Book

Die Ashington-Perlen E-Book

Victoria Holt

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Beschreibung

Sarah Ashington, die Tochter einer gefeierten Londoner Schauspielerin, lernt ihren Vater erst spät kennen. Er lebt von seiner Frau getrennt auf Ceylon, wo er eine florierende Teeplantage besitzt, und kehrt erst kurz vor seinem Tod nach London zurück. In seiner Begleitung befindet sich Clinton, der faszinierend-herrische Plantagennachbar. Er hat Sarah, die nur widerstrebend in eine Ehe einwilligt, längst in seine ehrgeizigen Pläne mit einbezogen. In Ceylon, wo Sarah von ihrer Halbschwester und deren Familie erwartet wird, tritt sie das väterliche Erbe an. Und Clinton beschafft ihr die sagenumwobenen Perlen der Ashingtons, die ihrer Trägerin jedoch kein Glück verheißen ... Victoria Holt, die Meistererzählerin des Unheimlichen, verbindet in diesem aufregenden Roman ein Höchstmaß an Spannung mit einer romantischen Handlung, die den Leser bis zur letzten Seite fesselt.

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Seitenzahl: 602

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Victoria Holt

Die Ashington-Perlen

Roman

Ins Deutsche übertragen von Margarete Längsfeld

Edel eBooks

Inhalt

In England

Am Denton Square

Der Skandal

Schritte im Dunkeln

Die Nacht im Wald

Im verlockenden Land

Der Fächer aus Pfauenfedern

Das Lösegeld

Wen die Götter verderben wollen ...

Die Ashington-Perlen

Die Schlangenzunge

Postskript

In England

Am Denton Square

Wenn ich auf all jene Ereignisse zurückblicke, die mich in dieses Haus mit seinen drückenden Geheimnissen, seiner unheimlichen Bedrohung, den gespenstischen Echos und der allgegenwärtigen Gefahr brachten, so staune ich noch heute über die Naivität jugendlicher Unerfahrenheit und frage mich, wieso es mir, einem Mädchen aus einem ganz anderen, in der Nachbarschaft der Theater gelegenen Hause, nie in den Sinn kam, den unkonventionellen Lebensstil, den ich von Geburt an gewöhnt war, in Frage zu stellen.

Ich erinnere mich, wie ich in der Dämmerung an meinem Fenster auf den Laternenanzünder wartete, der die Lichter auf dem Platz ansteckte, und wie ich morgens von den Geräuschen auf der Straße erwachte: dem Klappern der Pferdehufe auf dem Pflaster oder dem plötzlichen Auflachen eines Dienstmädchens, das mit dem Milchmann schäkerte, während die Kannen gefüllt wurden. Das Schrubben der Eingangsstufen und das Polieren der Messingknöpfe hatte dagegen leise und diskret zu geschehen, damit die feinen Leute sich in dem Glauben wiegen konnten – falls sie überhaupt darüber nachdachten –, alles, was zu ihrer Bequemlichkeit vonnöten sei, geschehe durch Zauberei. In unserem Haus am Denton Square mußten wir uns meiner Mutter wegen morgens besonders still verhalten. Sie stand selten vor Mittag auf, weil sie erst in den frühen Morgenstunden zu Bett ging. Ihre Ruhe war heilig, denn meine Mutter war der Mittelpunkt unseres Haushalts. Unsere Existenz hing von ihr ab, und ihre Laune bestimmte die Atmosphäre im Haus. War sie fröhlich, so waren wir sehr fröhlich; und wenn sie kränkelte oder deprimiert war, was zuweilen vorkam, so schlichen wir auf Zehenspitzen umher, unterhielten uns flüsternd und ängstlich angespannt; ähnlich jenen Leuten, sagte ich zu Meg Marlow, die am Fuß eines Vulkans leben und auf den Ausbruch warten. Ich verschlang damals ein Buch nach dem anderen und hatte kurz zuvor etwas über den Untergang Pompejis gelesen.

Meg erwiderte: »Wir müssen nachsichtig sein. Ihre Kunst ist schuld daran.« Tatsächlich rief sie nämlich, wenn sie nicht »ruhte«, ihre Kunst allabendlich und manchmal auch nachmittags ins Theater. Ihre Ruhepausen aber waren es, die ich als Zeiten drohender Ausbrüche betrachtete – obwohl wir ihren Zorn weniger fürchteten als ihre Depressionen. Es war ein Segen, daß keine ihrer Stimmungen lange anhielt

»Ich muß dich wohl daran erinnern, wer sie ist«, sagte Meg jedesmal, wenn einer von uns in seiner Bewunderung nachließ.

Meine Mutter war Irene Rushton – so lautete jedenfalls ihr Künstlername. Eigentlich hieß sie Irene Ashington; sie war die Gattin von Ralph Ashington, den sie verlassen hatte, als ich zwei Jahre alt war.

Meg – sie war die Garderobiere meiner Mutter, ihre Zofe, zeitweilige Köchin und ergebene Sklavin – machte mich stolz und glücklich, als sie mir erzählte, wie meine Mutter auf und davon gegangen war: »Sie hat’s nicht mehr ausgehalten. Und, o Wunder, sie hatte dich dabei. Das war vielleicht ’n Ding! Ein kleines Kind war nicht gerade günstig für ihre Karriere, oder? Und sie hatte dich dabei.«

Das wurde der Kernsatz meiner Jugend: »Sie hatte dich dabei.«

»Laß dir das gesagt sein«, erklärte Meg einmal, »anders wäre es vielleicht besser gewesen.«

Ich war verwirrt und wollte wissen, wo ich denn geblieben wäre, wenn sie mich zurückgelassen hätte.

»Irgendwo im Ausland«, ließ Meg mich wissen, als ich sie bedrängte. »Sie hätte nie weggehen sollen. Das war kein Leben für eine wie sie, also wirklich. Heiß ... und gar nicht wie in England. Überall Krabbeltiere. Spinnen. Igitt!«

Meg hatte eine panische Angst vor Spinnen. Einmal hatte sie auf dem Land übernachtet, als meine Mutter auf Tournee war, und dort war eine Spinne in ihrem Bett gewesen. Meg wurde nie müde, ihren Schrecken zu schildern. »Es geht nichts über London«, schloß sie jedesmal, als gebe es ein Gesetz, das Spinnen aus der Hauptstadt verbannte.

»Dann kam sie nach Hause und hatte dich dabei. Sie war freilich schon berühmt, bevor sie wegging, und die Agenten empfingen sie mit offenen Armen, als sie wieder da war.«

»Und sie hatte mich dabei!«

»Ich weiß, daß sie’s nie bereut hat. Einmal hat sie zu mir gesagt: ›Ich komme immer so gern nach Hause. Ich habe wirklich das Gefühl, heimzukehren, weil ich zu meiner kleinen Siddons heimkommen kann.‹« Mein Name war tatsächlich Sarah Siddons Ashington, denn sie hatte mich nach jener Berufskollegin benannt, die sie für die größte Zierde dieser Profession hielt: nach Sarah Siddons.

Wenn sie guter Laune war, rief sie mich Little Siddons. Das weckte in mir zuweilen böse Vorahnungen, fürchtete ich doch, sie wolle aus mir ihre Nachfolgerin im Rampenlicht machen, in einem Gewerbe, für das ich, dessen war ich sicher, nicht die geringste Eignung besaß.

Meg konnte mir wenig über das Eheleben meiner Mutter erzählen, denn sie war damals nicht bei ihr. Meg war ihre Garderobiere gewesen, bevor sie heiratete, und als meine Mutter nach England zurückkehrte, trat Meg ihre alte Stelle wieder an. Dazwischen aber lagen drei Jahre. »Ich bleib’ dabei, sie hätte nicht weggehen sollen«, sagte Meg. »Heiraten: ja ... aber doch nicht so einen. Ich hab’ immer auf einen mit ’nem Landsitz und ’nem hübschen Haus in der Stadt getippt, und womöglich noch mit ’nem Titel. Na, das wäre doch was gewesen. Aber dann fliegt sie auf diesen Ralph Ashington ... Gute Familie, das schon. Großes Landgut, allerdings kein Stadthaus ... bloß dieses Dingsda im Ausland. Sie spricht nicht viel darüber, und das will was heißen. ›Und das ist Irene Rushton‹, hab’ ich zu mir gesagt. Also, wenn man bedenkt, wie’s hätte kommen können ... Ich wäre nicht im geringsten überrascht gewesen, wenn sie ’nen Herzog genommen hätte ... und dann kommt dieser Mister Ralph Ashington, ich bitte dich, Teepflanzer oder so was am Ende der Welt.«

»Mein Vater.«

»Nun ja, er ist dein Vater, na wenn schon.« Sie blickte mich angewidert an. »Und nicht etwa ein junger Mann. Witwer. Also wirklich, wie konnte sie nur!«

»Hast du ihn gesehen, Meg? Hast du meinen Vater gesehen?«

»Zweimal. Einmal am Bühnenausgang, einmal an ihrer Garderobe. Sie hatte ’n regelrechtes Gefolge. Der war der letzte, auf den ich mein Geld gesetzt hätte. Aber sie hat’s nun mal so gewollt ... fix ... basta ... einfach so. Du kennst sie ja ›Es bleibt dabei‹, sagt sie und geht durch wie ’n wildes Pferd ... rennt los und guckt nicht, wo’s langgeht.«

»Er muß sehr nett gewesen sein, wenn sie ihm vor all den Herzögen und so den Vorrang gegeben hat.«

»Das hab’ ich nie begriffen. Bis zum heutigen Tag nicht. Na, sie hat ihren Fehler ja bald eingesehen. ›Ich bedauere nichts‹, sagte sie immer, ›schließlich hat er mir Little Siddons geschenkt.‹«

Ich bedrängte Meg wieder und wieder, mir die Geschichte zu erzählen, nur um den letzten Satz zu hören.

Dann gehörte noch Janet zu unserem Haushalt Sie war Megs Schwester. Janet wäre nie bei uns geblieben, hätte es Meg nicht gegeben. Sie war das Gegenteil ihrer Schwester: mürrisch, aber äußerst tüchtig. Sie konnte sich mit unserem Haushalt nicht abfinden. Sie war gute Stellungen gewöhnt, gab sie uns zu verstehen, wo man einen Butler, einen Lakaien und eine Schar Dienstmädchen hatte – und selbstverständlich eine eigene Kutsche. Eines Tages, beteuerte sie, würde sie mit Meg zu ihrer Schwester Ethel ziehen, die ein hübsches kleines Anwesen auf dem Land besaß, wo sie Hühner hielt und frische Eier, Obst und Gemüse verkaufte. Ethel wollte in ihrem Haus eine Pension für Reisende einrichten, doch dazu brauchte sie die Hilfe ihrer Schwestern.

»Janet wäre weg wie der Blitz«, sagte Meg, »aber ich könnte es nie über mich bringen, meine Lady zu verlassen, und Janet bringt es nicht fertig, mich zu verlassen. Drum bleiben wir hier.« Das war also unser Haushalt: nur wir vier, Janet, Meg, meine Mutter und ich. Natürlich gab es da noch Onkel Everard, aber der wohnte eigentlich nicht bei uns. Er hielt sich ab und zu bei uns auf, und meine Mutter und er liebten sich sehr.

»Eigentlich sollten sie heiraten«, bemerkte Meg, »und sie würden es gewiß tun, wenn er und sie nicht wären.«

Er war mein Vater, der noch mit meiner Mutter verheiratet war, und sie war Everards Gattin, von der er noch immer nicht geschieden war. Diese zwei verschwommenen Gestalten standen zwischen uns und einem ordentlichen Haushalt, den Janet vielleicht gebilligt hätte, wenn er nicht viel zu bescheiden gewesen wäre, um sie voll und ganz zufriedenzustellen. Meg war da weniger konventionell.

»Wir sind nun mal bei Irene Rushton«, sagte sie. »Bei Theaterleuten ist es eben anders. Das mußt du halt verstehen ... wenn einer fürs Theater lebt.«

Meine Mutter, wollte nicht, daß ich eine Schule besuchte. Dann hätte sie ja keine Little Siddons gehabt, zu der sie heimkommen konnte. Aber ich mußte natürlich etwas lernen, und deshalb gehörte gewissermaßen noch eine weitere Person zu unserem Haushalt, nämlich Toby Mander, ein junger Mann, der soeben sein Examen in Oxford gemacht hatte und Schauspieler geworden wäre, wenn er auch nur ein bißchen Talent gehabt hätte. »Einer der vielen«, sagte meine Mutter. »Liebe Little Siddons, sie sind Legion. Sie haben eine Leidenschaft fürs Theater. Sie sind die Nichtganz-Brigade. Sie können fast spielen, aber nicht ganz. Sie können beinahe Stücke schreiben, aber nicht ganz. Mit dem entsprechenden Talent könnten sie Regie führen oder eine Inszenierung ausstatten, aber sie haben keins ... nicht ganz.« Zu denen also gehörte Toby. Er war in meine Mutter verliebt. »Und das«, bemerkte Meg, »ist ein Leiden, so verbreitet wie die Masern. Sie kommen ihr zu nahe und stecken sich an, könnte man sagen. So stark wie deine Mutter haben’s nicht viele.«

»Du meinst die Fähigkeit, jemanden anzustecken?«

»Genau. Ich hab’ nie jemanden gekannt, der’s so dicke hat wie deine Mutter, und ich hab’ mein ganzes Leben beim Theater verbracht.«

»Man könnte die Krankheit beim Theater als endemisch bezeichnen«, sagte ich, denn ich hatte zu dieser Zeit eine Vorliebe für hochtrabende Worte und las beständig im Lexikon, um neue Ausdrücke zu finden, die ich dann ausprobierte. »Wie Beriberi in Afrika«, fügte ich hinzu. »Du und deine großen Worte«, schnaubte Meg. »Ich weiß gar nicht, wo du die her hast. Von deiner Mutter jedenfalls nicht«

Das war ein Vorwurf. Was nicht von meiner Mutter ererbt war, das war nichts wert.

Toby – Tobias Mander – war also der ergebene Sklave meiner Mutter. Sie hatte ihm zu einer oder zwei Statistenrollen verholfen, und er konnte seine Dankbarkeit gar nicht genug zeigen. Er tat dies unter anderem, indem er jeden Vormittag ihre Tochter unterrichtete. Wegen meiner Liebe zum Wort war ich eine begabte Schülerin und freute mich auf unsere gemeinsamen Sitzungen. Wir bildeten ein Verschwörerpaar, da darauf aus war, meine Mutter zu überraschen. Wir hätten jedoch wissen müssen, daß kein noch so hoher akademischer Grad, den ich erwarb, ihr imponieren würde. Denn obwohl sie an den Tafeln der Elite, wo sie ganz lässig auftrat, sehr begehrt war, stellte sie doch kein großes Licht dar. Im Grunde wünschte sie, daß Toby mich nach ihrem Ebenbild formte. Sie war ehrlich um mein Wohl besorgt und ich glaube, ich bedeutete ihr mehr als alle anderen – Everard natürlich ausgenommen. Und manchmal dachte ich, wir beide lieferten uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Die Tage am Denton Square vergingen angenehm. Es war eine beschauliche Welt behaglich dank Toby Manders und Meg Marlows Gesellschaft sowie Janets Tüchtigkeit und verklärt von der strahlenden Gegenwart meiner Mutter.

Ich sammelte alle Auskünfte, die ich von Meg ergattern konnte, und das versetzte mich in ständige Erregung. Die Vergangenheit war wie ein Puzzlespiel mit großen Lücken, die zur Vervollständigung des Bildes unbedingt geschlossen werden mußten. Onkel Everard war eine gütige, schemenhafte Gestalt im Hintergrund. Er war etwas Bedeutendes im »House«, das, wie ich im Lauf der Zeit erfuhr, das Parlament war. Vom obersten Mansardenfenster aus konnten wir die Vorderseite des Big Ben sehen, und wir schauten nach, ob das Licht auf der Spitze brannte, denn das bedeutete, daß im Parlament eine Sitzung stattfand und Onkel Everard beschäftigt war. Er besaß, erfuhr ich, ein kleines Haus in Westminster und ein Gut auf dem Lande. Er brachte mir ständig mit vielen bunten Bändern verzierte Pralinenschachteln mit Die Bänder durfte ich behalten, doch die Pralinen wurden meistens mit dem Hinweis konfisziert, sie seien schlecht für meine Zähne.

Mit ungefähr acht Jahren muß mir klargeworden sein, daß ein Komplott geschmiedet wurde, um mich meiner Mutter gleich zu machen. Meine Zähne, bisher durch einen Apfelschnitz, der am Abend als letztes gegessen werden mußte, auf Anordnung meiner Mutter gepflegt, wurden mit einer Spange gebändigt, weil die vorderen sich zu weit nach vorn wagten. »Wir wollen doch nicht, daß sich Little Siddons in ein Kaninchen verwandelt, nicht wahr?« sagte meine Mutter, und eine Zeitlang wurde ich deshalb Little Rabbit oder einfach Bunny gerufen. Meine Mutter besaß einen reichen Vorrat an Spitznamen. Ich haßte die Zahnspange. Und dann war da noch mein Haar. »Glatt wie ’n Strang Kerzen«, nörgelte Meg. Die Haare meiner Mutter fielen in lockigen Wellen auf ihren Rücken und waren so lang, daß sie sich darauf setzen konnte. Daß mein Haar so anders war, schmerzte meine Mutter, und während der Ruhepausen wickelte es Meg vor dem Zubettgehen um kleine Stoffläppchen. Die blieben selten an Ort und Stelle, und weil sie mich störten, zog ich sie heraus, und am Morgen bot ich, halb glatt und halb gelockt, einen sonderbaren Anblick. »Aus dir wird nie eine Schönheit«, lamentierte Meg, worauf ich erwiderte, daß ich mich schön bedanke, wenn man dafür die nächtliche Tortur, auf Stoffknäueln zu liegen, erdulden müsse. Dann bliebe ich eben lieber häßlich.

»Dafür brauchst du dich dann bei niemandem zu bedanken«, sagte Meg beleidigt.

Ich hatte Spaß an Streitgesprächen. Das verdankte ich Toby. Er war überzeugt vom geistigen Training, und eine unserer Übungen bestand darin, uns ein Thema vorzunehmen, mit dem wir gar nicht einverstanden waren, um gegen das, was wir wirklich glaubten, zu argumentieren. Eine seiner Theorien lautete, daß nichts vollkommen schwarz oder weiß sei. Jedes Problem habe viele Seiten, und wenn man etwas rückhaltlos ablehne, so solle man dennoch versuchen, ihm ein paar Pluspunkte abzugewinnen.

»Das ist gut für den Geist«, meinte Toby.

Er begleitete mich zum Reiten. Meine Mutter hatte gesagt, ich müsse lernen, mit einem Pferd umzugehen, weshalb ich auf eine Reitschule geschickt wurde, wo ich auf zahmen alten Kleppern ausritt und mit einer Gruppe junger Leute in meinem Alter meine Runden drehte, bis man mir genügend Sicherheit zutraute. Darauf folgten die Ausritte mit Toby. Die machten mir viel Spaß. Toby konnte sehr ulkig sein, wenn er nicht gerade darüber nachgrübelte, daß seine Fähigkeiten für die Bühne nicht ganz reichten. Mit seinen Lobeshymnen auf meine Mutter war ich einverstanden, weil ich darin mit ihm übereinstimmte.

Die friedlichsten und glücklichsten Stunden jener Jahre verbrachte ich in Tobys Gesellschaft.

Wir lasen viel gemeinsam, und war mein Verständnis für Mathematik auch gleich Null, so besaß ich doch gute Grundkenntnisse in der französischen, deutschen und englischen Literatur.

Toby lehrte mich, das Leben zu genießen. Ihm zufolge war Anpassung das einzig richtige. »Wenn du etwas nicht haben kannst, mußt du lernen, ohne es auszukommen, und dir etwas suchen, das du haben kannst«, sagte er immer.

Ich widersprach, dies sei ein schwacher Standpunkt, und wenn man etwas wollte, so solle man hingehen und es sich nehmen.

»Dadurch würdest du andere behelligen«, erklärte er. »Du darfst aber niemals rücksichtslos gegen andere sein.«

Er war damals für wahr mein Schulmeister.

Ich bemühte mich, seine Theorien auf mein Leben anzuwenden. Wenn nach Ablauf der Spielzeit eine Pause eintrat, war meine Mutter, während sie darauf wartete, daß ihr eine neue Rolle angeboten wurde, ziemlich oft zu Hause. Anfangs war es himmlisch, sie häufiger zu sehen, doch dann merkte ich, daß sie nicht ganz dieselbe Persönlichkeit war wie jene, von der man in seltenen Momenten nur einen flüchtigen Blick erhaschen konnte. Die Launen setzten ein. Manchmal hörte ich, wie sie Meg anschrie und Meg zurückschrie: »Wenn das so weitergeht, hau’ ich ab.« Meg muckte immer gegen sie auf, aber sie nahm das Gezanke nicht ernst. »Sturmwarnung«, sagte sie augenzwinkernd zu mir, und dann wußte ich, daß es das beste war, meiner Mutter aus dem Weg zu gehen.

Man brachte ihr Stücke ins Haus, die sie lesen sollte, um zu sehen, ob ihr eine Rolle zusagte. Tom Mellor, der Agent, ging ständig ein und aus. Zuweilen wurde sie wütend, weil ihr die angebotene Rolle nicht gut genug war. Abgebrühte Produzenten, verstörte Autoren, Schauspieler mit unterschiedlichem Erfolg – sie alle kamen ins Haus. Es war eine turbulente Zeit.

Und dann war alles vorbei, und sie arbeitete wieder. Im Haus wurde es still und leer. Das konnte bedrückend sein.

Toby ging mit mir aus, und wir schlenderten die Shaftesbury Avenue entlang, an den Theatern vorüber, bis wir zu demjenigen kamen, in dem sie spielte. Wir lasen verzückt ihren Namen -sehr groß, und immer obenan. Sie bestand darauf. Irene Rushton in »Das blonde Mädchen« von Dion Boucicault.

Der Gedanke, daß Irene Rushton meine Mutter war, erfüllte mich mit glühendem Stolz.

Einmal führte mich Toby zum Lunch ins Café Royal, und unter der scharlachroten und goldenen Dekoration machte er mich auf berühmte Leute aufmerksam. Dies war eines der denkwürdigen Ereignisse in meinem damaligen Leben, das jedoch durch das plötzliche Auftauchen meiner Mutter in Begleitung eines bläßlichen Herrn mit geblümter Krawatte und Monokel beträchtlich gestört wurde. (»Einer vom Hochadel«, erklärte mir Meg später, als ich ihn beschrieb. »Lord Lummy oder so ähnlich. Wenn ich bedenke, wen sie sich hätte angeln können, und sie geht hin und heiratet diesen Ralph Ashington!«)

Toby lief rot an und stotterte: »Ich ... ich dachte, es würde Sarah amüsieren.«

»Das ist kaum der richtige Ort für ein ... Kind.«

Dann rauschte sie unter den neugierigen Blicken der Leute hinaus. »Das ist Irene Rushton.« – »Was, die Irene Rushton?« – »Ja, natürlich. Sie spielt im ›Blonden Mädchen‹. Fabelhaft, wie man hört.«

Toby fühlte sich miserabel – unser Ausflug war verdorben, weil er ihr mißfallen hatte.

Mir wollte nicht einleuchten, was sie dagegen haben konnte. Toby hatte mich so gründlich in der Kunst, den Dingen auf den Grund zu gehen, unterwiesen, daß ich es herausfinden mußte. Zwei unbefriedigende Lösungen kamen mir in den Sinn. Die eine lautete, daß Toby mich offensichtlich gern hatte; bei meinem ersten Versuch, Champagner zu kosten, mußten wir furchtbar lachen, und da schneite sie herein, und es paßte ihr nicht, daß er in Gesellschaft einer anderen – und sei es ihrer Tochter – so ausgelassen war. Die andere Lösung lautete, daß ihr womöglich die Vorstellung nicht behagte, daß ich erwachsen wurde und alt genug war, ins Café Royal zum Lunch ausgeführt zu werden. Sie war sich ihres Alters sehr wohl bewußt und gab sich seit etlichen Jahren für sechsundzwanzig aus.

Dies warf ein neues Licht auf das Verhältnis zwischen ihr und mir. Es sah ganz so aus, als könnte ich ein Hindernis für sie werden.

Toby war sehr zerknirscht, und als er sie das nächste Mal sah, entschuldigte er sich. Doch wir hatten sie anscheinend mißverstanden. Sie lachte nur.

»Es ist so lieb von Ihnen, daß Sie sich um sie kümmern, Toby«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie fanden es nicht allzu langweilig.«

Toby versicherte ihr überschwenglich, es sei alles andere als langweilig gewesen. Es war sein vergnüglichster Lunch, seit ... seit . ... Seit sie von ihren Höhen herabgestiegen war und an seinem Tisch gesessen hatte. Hinterher sagte sie zu mir: »Du trittst also in die Welt hinaus, was, Siddons? Naja, unser gutmütiger kleiner Toby ist ein harmloser Begleiter.«

Gutmütig! Das klang verächtlich. Als gutmütig hätte ich ihn schwerlich bezeichnet. Und klein! Er war einen Meter dreiundachtzig groß. Wir haben uns über seine Länge lustig gemacht. »Sieh mal zu, daß du noch ein paar Zentimeter wächst«, sagte er immer. »Ich bekomme Rückenschmerzen, weil ich mich dauernd zu dir hinunterbeugen muß.«

Das Glück jener Tage erfaßte ich erst, als sie vorüber waren. Ich sollte mich künftig oft an Tobys Lehren erinnern und mich fragen, warum man immer erst merkt, wie gut man es hatte, wenn es vorbei ist. Das gehört wohl zu den Absonderlichkeiten der menschlichen Natur, vermutete ich. Oder erscheint etwas im Rückblick oft in jenem rosigen Licht, das nur die glücklichen Zeiten erhellt?

Ja, es waren zweifellos glückliche Zeiten. Alles machte Spaß: das aufregend geschäftige Leben meiner Mutter und die Seligkeit, wenn sie ein bißchen Zeit für mich hatte; Megs deftige Cockney-Bemerkungen über das Leben im allgemeinen und meine Mutter im besonderen. Sogar Janets verschrobene Äußerungen über gewisse »Vorgänge« im Haus belustigten mich, ebenso ihre düsteren Prophezeiungen über Leute, die es noch einmal bitter bereuen würden, daß sie herumtändelten, während Rom schon in Flammen stand, und ihre Andeutungen, daß dies zu nichts Gutem führen werde. In Janets beschränkter Ausdrucksweise schien »nichts Gutes« das schlimmste Unheil zu bedeuten. Und immer war Toby da – als selbstverständlich hingenommen, fürchte ich –, mein nachsichtiger Hauslehrer, der diese Tätigkeit aus bloßer Liebe zu meiner Mutter und, wie mir später klar wurde, auch zu mir, verrichtete. Sein Vater war das, was man einen Industriellen nennt – ein Mann, der ein Vermögen gemacht hat und nicht aufhören kann, es zu vermehren.

»Aufgestiegen aus dem Nichts«, sagte Meg verächtlich.

Natürlich verteidigte ich ihn. »Um so beachtlicher«, erklärte ich. »Es gehört schon Tüchtigkeit dazu, es zu etwas zu bringen, wenn man aus dem Nichts kommt.«

»Das kann nicht gutgehen«, beharrte Meg.

Und auch Janet lieferte ihren knappen Kommentar. »Von Pantinen zu Reichtum, vom Reichtum zu Pantinen.«

»Sie meint«, erklärte Meg, »seine Nachkommen verlieren, was er zusammengerafft hat, und laufen wieder in Pantinen herum.«

»Ich kann mir Toby nicht in Pantinen vorstellen«, sagte ich kichernd. »Außerdem hat auch Mister Mander nie welche angehabt. Er hat früher Zeitungen am Piccadilly Circus verkauft. Das hat Toby erzählt«

»Es ist ein Sprichwort«, erläuterte Janet würdevoll. »Und glaube mir, es wird einmal soweit kommen.«

Toby lachte, als ich es ihm erzählte. »Eine Rückkehr zu den Pantinen kommt nicht in Frage, zumindest nicht für unsere Familie«, sagte er. »Mein Vater legt alles sicher an. In finanziellen Dingen ist er ein Hexenmeister.«

»Du bist aber nicht so, Toby.«

»Oh, ich bin gar nicht so übel; zwar kein Hexenmeister – eher ein lebhafter Kobold.«

Wir lachten viel, Toby und ich, aber über unseren Büchern konnten wir sehr ernst sein. Er schilderte mir seine Familie. Er war der einzige Sohn – und für den alten Herrn gewissermaßen eine Enttäuschung. Ich tröstete Toby. »Der Hexenmeister wäre nur mit einem Hexenmeister zufrieden, der noch gerissener ist als er selbst«, versicherte ich ihm.

Von da an hieß sein Vater der »Hexenmeister«. Er war ein bärbeißiger alter Herr, ein ungeschliffener Diamant, meinte Toby. Danach nannte ich ihn »Diamant«.

»Er scheint ein Genie im Sammeln zu sein«, stellte ich fest, »erst von Reichtum; jetzt von Spitznamen: ›Hexenmeister‹, ›Diamant‹. Und was kommt dann?«

»Die Arbeit wurde bei ihm zur Manie«, erklärte Toby. »Meine Mutter wäre mit weniger zufrieden gewesen, aber als er einmal angefangen hatte, mußte er weitermachen.«

»Und so schuf er ein unermeßliches Vermögen. Ich schätze, er ist Millionär.«

»Das glaube ich auch.«

»Eines Tages wirst du reich sein, Toby.«

»Alles in Wertpapieren und so angelegt, gebündelt für meine Kinder und deren Kinder und so fort für die nächsten tausend Jahre.«

Ich fand das ungeheuer komisch. Ich war damals leicht zum Lachen zu bringen. Ich stellte mir vor, wie das ganze Vermögen fest in Säcke gebündelt war und nach und nach Toby, seinen Kindern und seinen Enkelkindern ausgehändigt wurde. Der Gedanke, daß Toby einmal Kinder haben würde, war allerdings noch lustiger als die Vorstellung von den Säcken.

Er war ein bißchen beleidigt, als ich ihm das sagte. Ich hatte ihn noch nie so verstimmt gesehen.

Der »Hexenmeister« schien doch nicht so übel zu sein. Er hieß ebenfalls Toby, wurde aber immer Tobias genannt, was auch gut zu ihm paßte. Während er kaum über etwas anderes nachdenken oder reden konnte als über Geld und wie es sich vermehren ließ, sprach Toby gern über das griechische Drama, über die Philosophen und über die einmalige Begabung Shakespeares. Die beiden verstanden sich deshalb nicht besonders, weshalb Tobias der »Hexenmeister« und Toby der Sohn sich nicht so häufig sahen, wie es in einer harmonischeren Beziehung wünschenswert gewesen wäre; doch ich erfuhr, daß sie, wenn sie sich trafen, einander mit Höflichkeit, Respekt und Sympathie begegneten, wobei der »Hexenmeister« seine Enttäuschung verbarg und Toby sich bemühte, seine Unkenntnis und sein mangelndes Interesse an der Kunst des Reichwerdens nicht zu zeigen.

Im Schulzimmer sitzen, im Park reiten, die Plakate aus der Welt des Theaters betrachten, endlose Gespräche führen – ein Tag glich dem anderen so sehr, daß sie unbemerkt dahinglitten.

»Das blonde Mädchen« wurde nach einer aufreibenden Spielzeit abgesetzt. Die Zeitungen hatten zu melden gewußt, daß Irene Rushton noch nie so hinreißend und so gut gewesen war. Die letzte Vorstellung war ein großer Erfolg gewesen, und es hatte Glückwünsche, Blumen und ein Abschiedsdiner gegeben. Das war nun vorbei, und es herrschte wieder Ruhepause.

Sie verlief nach bewährtem Muster, und die ersten Tage waren herrlich. Am Tag nach dem Diner bat ich um die Erlaubnis, meiner Mutter mittags Kaffee und Brötchen bringen zu dürfen. Sie schlief noch, und ich stellte das Tablett auf den Tisch und blickte auf sie hinunter. Sie war sehr schön. Ihr braunes Haar hatte einen kastanienroten Schimmer; sie hatte ein schmales, herzförmiges Gesicht, und wenn sie die Augen schloß, lagen ihre Wimpern wie Fächer auf ihrer blassen Haut Im Schlaf sah sie sehr jung aus – fast wie ein Kind. Ich hatte einen ähnlichen Teint wie sie, aber nicht die delikaten Züge. Mein Gesicht neigte, wie Meg es ausdrückte, zur Plumpheit. Meine Nase war zu lang, mein Mund zu groß, und dann war da natürlich dieses nicht zu bändigende Haar. Allerdings hatte ich ihre dichten Wimpern und Augenbrauen geerbt. Meine waren sogar voller als ihre, was wohl ein Vorzug war, denn sie benutzte einen Stift, um die ihren voller und dunkler erscheinen zu lassen.

Sie öffnete die Augen und lachte mich an.

»Was machst du da, Little Siddons?«

»Dich bewundern. Du siehst so hübsch aus und so ... jung.«

Sie war über alle Maßen entzückt. Sie liebte Komplimente und wurde ihrer nie überdrüssig, obwohl sie gewiß unzählige bekam. Ich muß das richtige Wort getroffen haben, als ich sagte, sie sehe jung aus. Ich hatte den Eindruck, daß ihr Leben ein ständiger Kampf gegen das Altern war, ich aber hielt es für falsch, so viele Geschütze aufzufahren, um gegen einen einzigen Feind zu kämpfen, der noch kaum in Erscheinung getreten war – und der, sobald er sich zeigte, zwangsläufig Sieger sein würde.

»Kaffee!« sagte sie. »Ah, du bist ein Engel.«

»Soll ich dir einschenken?«

»O ja, bitte.« Sie reckte sich. »Ach, welch ein Luxus! War das ein Abend! Hast du die Blumen gesehen?«

»Man kann vor lauter Blumen das Wohnzimmer nicht sehen. Das sind ja ganze Wälder.«

»Himmlisch!«

»Janet sagt, die Blätter fallen auf den Teppich, und Meg ist überzeugt, daß sich in den Blüten Insekten verstecken.«

»Sag ihr, ich hoffe, sie sind voller Spinnen oder Taranteln, die sich nachts in ihr Bett schleichen.«

»So schön und so grausam«, spottete ich.

»Tom Mellor sagt, ich muß mindestens ein halbes Dutzend Texte durchsehen. Mir scheint, meine Ruhepause wird diesmal nur kurz.« Sie lächelte zufrieden. »Ich glaube, diesmal würde mir eine hübsche tragische Rolle gefallen.«

Sie plauderte eine Weile über Rollen und ihre Erfolge. Dann schien sie mich plötzlich zum erstenmal richtig wahrzunehmen. »Du hast dein Haar aufgesteckt«, sagte sie. Ihre Miene verfinsterte sich.

»Gefällt es dir nicht?«

»Nein Sarah, überhaupt nicht.«

Wenn sie mich Sarah nannte, war sie wirklich verstimmt.

Ich nahm die Spangen aus meinem Haar und schüttelte es.

»So ist’s besser. Du bist viel zu jung, um dein Haar aufzustecken. Das hast du frühestens in fünf Jahren nötig.«

Meine Haare hatten sie aufrichtig betrübt. Das glückliche Leuchten, welches beim Geplauder über ihre Erfolge ihr Gesicht umspielt hatte, war verschwunden. Sie sah verängstigt aus, als blicke sie in eine Zukunft, in der eine Tochter mit aufgestecktem Haar der Welt verkündete, daß Irene Rushton alt wurde.

»Dann bin ich neunzehn«, eröffnete ich ihr, denn ich hatte die ärgerliche Angewohnheit, alles, was mir in den Sinn kam, laut zu äußern. Ich solle doch versuchen, mir das abzugewöhnen, hatte Meg mich gewarnt.

Es war töricht von mir gewesen, das zu sagen. Sie wollte, daß ich ewig vierzehn bliebe. Eine Woge der Zärtlichkeit überkam mich; denn sie hätte mich ja ebensogut bei diesem zwielichtigen Ralph Ashington lassen können, und dann wäre ich mit zunehmendem Alter kein Hindernis für sie gewesen.

Einen Augenblick lang wurde sie nachdenklich. Dann sagte sie ernst »Ist es wahr? Neunzehn.« Sie sprach die Worte, als sei die Tatsache, daß ich einmal dieses Alter erreiche, ein großes Unglück wie der Krimkrieg oder der Aufstand in Indien. Ich überlegte, womit ich sie trösten könnte, und versuchte, mich auf eine von Tobys oder gar Megs oder Janets Moralpredigten zu besinnen.

Hatte nicht jemand mal gesagt, Erfahrung sei der Lohn des Alters oder so ähnlich? Doch ich spürte, daß eine solche Bemerkung kaum den erforderlichen Trost spenden würde.

Dann sagte sie langsam: »Also vierzehn Jahre sind es her ...«

Ihre Augen bekamen einen verträumten Glanz, und ich sah, daß ihre Erinnerung zum Tag meiner Geburt zurückgekehrt war. Wie oft hatte ich sie mir ausgemalt, meine Geburt in der Fremde, wo es von Insekten wimmelte, wo Mr. Ralph Ashington residierte und wo meine Mutter es nicht ausgehalten hatte, so daß sie, als ich zwei Jahre alt war, auf und davon ging.

Vielleicht vermittelte ihr der Umstand, daß ich mit aufgestecktem Haar erschienen war – bloß, damit es mir nicht in die Augen fiel –, das Gefühl, es sei an der Zeit, mir mehr über meine Herkunft zu erzählen. Oder aber sie war wieder in dieser pessimistischen Stimmung, die in ihr jedesmal den Wunsch erweckte, ihren Mißmut durch die Erinnerung an jene Zeit noch zu steigern. Ich war mir nicht sicher; jedenfalls fing sie zu erzählen an, und an diesem Morgen erfuhr ich mehr über meinen Ursprung als je zuvor.

»Vierzehn Jahre«, grübelte sie. »Dann habe ich deinen Vater also vor fünfzehn Jahren kennengelernt.«

Sie schlürfte versonnen ihren Kaffee, und ich verhielt mich mucksmäuschenstill, um sie nur ja nicht von ihren Gedanken abzulenken. »Ich war noch nicht ganz siebzehn«, fuhr sie wie in einem Selbstgespräch fort. Das war ein Zeichen, daß sie nicht auf der Hut war. Wenn meine mathematischen Kenntnisse auch nicht gut waren, so wußte ich doch, daß fünfzehn plus siebzehn nicht sechsundzwanzig ergab, das Alter also, zu dem sie sich bekannte.

»Das war eine aufregende Zeit«, sagte sie. »Ich fiel überall auf. Kein Mädchen hatte mehr Verehrer als ich.«

»Natürlich nicht«, meinte ich aufmunternd.

»Ich war jung und frivol. Wenn ich bedenke, was für eine Partie ich hätte machen können ...«

Lord Lummy, dachte ich. Der Herzog von Denton Square, der Graf von Edmonton, der Prinz von Putney ... ja, sie hatte gewiß recht.

»Andere Mädchen haben jemanden vom Hochadel geheiratet«, sagte sie. »Ich nicht. Ich frage mich, warum.«

Und ich fragte mich, wie ich wohl gewesen wäre, wenn ich einen Aristokraten anstatt Mr. Ralph Ashington zum Vater gehabt hätte.

»Es ging alles so schnell«, erzählte sie weiter. Ich beugte mich vor. Ich wollte kein einziges Wort verpassen. Wollte ich doch schon immer, so lange ich denken konnte, dies alles ergründen. Sie schwieg, und ich stieß sanft nach: »Wie war er denn ... mein Vater?«

»Anders«, erwiderte sie. »Gar nicht wie die anderen. Er hatte etwas Trauriges an sich ... so einen tragischen Blick, der mich faszinierte.«

»Hast du herausgefunden, warum er so tragisch dreinblickte?«

»Seine Frau war erst kurz zuvor gestorben. Er war nach England gekommen, um seinen Kummer zu überwinden. Eines Abends nahm ein Freund ihn mit ins Theater. Er ist mir im Parkett aufgefallen. Seine Augen waren die ganze Zeit auf mich gerichtet Am nächsten Abend war er wieder da ... und am folgenden auch.«

Daran war nichts Ungewöhnliches. Ich hörte oft von diesen Männern, die Abend für Abend ins Theater gingen, um die Angebetete anzustarren. Das gehörte zum Klischee der Theater-Johnnys, wie Meg sie titulierte.

»Aber er hatte etwas, das anders war«, half ich nach.

»O ja, ganz anders. Er sah sehr fremdartig aus. Seine Haut war gebräunt, sein Haar von der Sonne gebleicht Das machte ihn ...«

»Außergewöhnlich«, ergänzte ich, »und sehr attraktiv.«

Sie schien die Unterbrechung nicht gehört zu haben. »Wir soupierten zusammen.«

»Im Café Royal«, stieß ich hervor.

Sie nickte. »Und er redete. Er war ein blendender Unterhalter, wenn er aus sich herausging, und es lag ihm viel daran, mit mir zu reden. Seine Familie hatte Besitzungen in der Nähe von Epping Forest, doch er war selten dort. Er hatte eine Teeplantage in Ceylon und hielt sich nur kurze Zeit in England auf. Er erzählte viel von der Plantage und ... nach zwei Wochen machte er mir einen Heiratsantrag.«

»Sehr romantisch«, sagte ich.

»Romantisch? Kein Mensch fand das romantisch. Meg war richtig gehässig. Sie war ganz und gar dagegen. Sie war erst seit einem Jahr meine Garderobiere, man hätte aber meinen können, sie habe mich geschaffen ... und besessen. Sie machte mir bittere Vorwürfe. ›Alle meine Gnädigen haben in den Hochadel eingeheiratet«, hielt sie mir fortwährend vor.« Meine Mutter lachte, und ich stimmte ein. Sie fuhr fort: »Ich sagte zu ihr: ›Tut mir leid, Meg, selbst wenn dein Ruf darunter leidet, ich heirate, wen ich will.‹ Manchmal glaube ich, ich habe mich bloß Meg zum Trotz da hineingestürzt.«

»Bestimmt nicht. Du mußt ihn innig geliebt haben.«

»Wie sentimental du bist, Siddons! Ich bin überhaupt nicht sentimental, mein Kind. Ich habe mich da hineingestürzt, ohne richtig nachzudenken. Ich war fasziniert von dem heißen, dumpfigen Land, von dem er soviel erzählte. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Die prächtigen Farben, das türkisblaue Meer, die Korallenriffe und die wogenden Palmen. Er verstand sich auf Worte. Manchmal glaube ich, das hast du von ihm geerbt Alle sagten, ich würde mich wegwerfen. Aber ich wollte in dieses Land. Ich erinnere mich noch ganz deutlich ... die Aufregung bei den Vorbereitungen, das Schiff, das uns forttrug. Dunkle Nächte mit Sternen, wie Gold auf mitternachtsblauem Samt ... genau wie mein Samtkleid, du weißt schon, das eine. Wenn ich es trage, denke ich immer an das Schiff, mit dem wir damals reisten. Das war alles so romantisch und aufregend. Und dann ... war ich da. Ich weiß noch, wie ich das Haus das erste Mal sah. Als ich eintrat, schauderte ich trotz der tropischen Hitze. Wir kamen um sieben Uhr abends an, und die Sonne war untergegangen ... ganz plötzlich. Die Dunkelheit kommt schnell ... nicht so wie hier. Es gibt keine Dämmerung. In der einen Minute ist noch Tag, und in der nächsten ... Nacht. Zu beiden Seiten der Tür brannten Laternen. Die Luft war vom Summen der Insekten erfüllt. Das Haus leuchtete weiß hinter den Büschen und Bäumen. Alles wächst dort viel schneller als hier. Ein dumpfer Geruch steigt von der Erde auf. Wie eine heiße, feuchte Decke.«

»Es muß überwältigend gewesen sein«, flüsterte ich.

Sie schwieg ein paar Sekunden, dann sagte sie heftig: »Ich hab’s bald gehaßt. Ich dachte an Dinge, aus denen ich mir zu Hause nie viel gemacht hatte. Der Regen ... der sanfte Regen, nicht diese plötzlichen Güsse. Ich wollte die Droschken vorbeirattern hören, ich wollte die Pferdebahnen sehen, die Blumenfrauen und die Obstbuden. Ich wollte die Läden und den Lärm und den Verkehr ... selbst einen Erbsensuppennebel hätte ich freudig begrüßt Ich wollte heim. Ich fühlte mich gefangen ... das war es ... wie in einer Falle. Ach, warum erzähle ich dir das alles, Siddons?«

»Weil ich es wissen muß«, sagte ich. »Es gehört zu meinem Leben. Ich bin dort in diesem Haus geboren, in dieser Luft, die wie eine heiße, feuchte Decke ist«

»Ich habe einen großen Fehler gemacht«, fuhr sie fort, »einen schrecklichen Fehler. Als ich merkte, daß ich ein Kind bekam, wußte ich nicht was ich tun sollte. Wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich fortgehen können. Drei Monate dort waren genug.«

»Tut mir leid. Es war meine Schuld.«

Sie lachte. »Nun, du wurdest in dieser Sache nicht viel gefragt. Du warst ein braves Kind, als du erst einmal da warst Die alte Sheba hatte prophezeit, es würde gutgehen, und du würdest mir keine großen Schwierigkeiten machen.«

»Es freut mich, daß ich so rücksichtsvoll war.«

»Das war nicht dein Verdienst, mein Kind.«

»Wer war die alte Sheba?«

»Ein boshaftes altes Weib. Ich haßte sie. Sie führte den Haushalt. Ich Wäre sie gern losgeworden, aber sie war recht nützlich. Sie schlich leise herum ... Die waren dort alle so leise und immer auf der Lauer. Wenn man aufblickte, stand sie da. ›Missie hat gerufen?‹ fragte sie dann. Es überlief mich eiskalt Aber sie war nützlich. Ich hätte den Haushalt nicht bewältigen können. Ich bin sicher, sie hat in meinen Sachen herumgeschnüffelt und was gesucht ... ich weiß nicht, was. Irgendwas Nachteiliges, dessen bin ich sicher. Ich spürte, daß ich verrückt würde, wenn ich nicht zum Theater zurück könnte. Ralph war häufig außer Haus. Die Plantage ging über alles. In Kandy gab es einen Club und auch ein paar Engländer, aber nicht von der Sorte, mit der ich mich verstand. Siddons, ich hatte das Gefühl, daß ich verrückt würde. Ich hab’ jeden Abend gebetet. Du kannst dir vorstellen, wie verzweifelt ich war. Ich und beten! Laß etwas geschehen, flehte ich. Und dann geschah etwas. Du!«

»Na, immerhin etwas.«

»Schließ die Schublade auf, Siddons. Da drüben liegt ein Schlüsselbund. Hast du ihn? Der da ist es, der kleine. Komm, gib her! Der hier. Mach die obere Schublade auf, da liegt ein Päckchen drin, in Seidenpapier eingewickelt. Bring’s mir her!«

Das war eine atemberaubende Enthüllung. Nie hatte ich sie so ausführlich über die Vergangenheit sprechen hören. Zu Beginn der Ruhepausen war sie mir immer nahe, und das währte eine Woche, zuweilen auch länger, bis sie sich wieder nach ihrer Arbeit sehnte und mich vergaß. Jetzt aber enthüllte sie mehr als je zuvor. Es war, als habe mein Anblick mit aufgestecktem Haar in ihr den Wunsch geweckt, sich mir mitzuteilen.

Ich brachte ihr das eingewickelte Päckchen, und sie machte es langsam auf. Ich saß auf dem Bett und sah zu. Aus dem Seidenpapier kam ein Bild von ihr zum Vorschein. Es war nicht groß, aber wunderschön. Die Farben waren ausgezeichnet, und obwohl die Miniatur nur bis zur Taille ging, erkannte ich, daß meine Mutter einen Sari trug. Eine Schulter war nackt, und über die andere fielen Kaskaden von lavendelfarbenem, mit kleinen silbernen Sternen übersätem Tüll. Ich kannte viele Bilder von ihr – sie wurde unentwegt fotografiert –, aber ein schöneres als dieses hatte ich nie gesehen.

»Drei Monate nachdem ich dich empfing«, sagte sie. »Siehst du die mütterliche Innigkeit in meinen Augen?«

»Nein«, erwiderte ich.

»Die stellte sich erst später ein. In diesem Stadium wurdest du mir unbequem und hinderlich. Du warst ein richtiges kleines Scheusal. Es schien Jahre zu dauern, bist du dich bequemen wolltest, in Erscheinung zu treten und mich von meinem Übel zu erlösen.«

»Ich mußte allerdings die vorgeschriebene Frist einhalten.«

Plötzlich lachte sie. »Als ich dich sah, dachte ich, du seist bestimmt das häßlichste Baby der Welt. Ganz rot im Gesicht, zappelig ... eine kleine Kröte warst du.«

»Du hättest doch einen Seraphim verdient«, sagte ich. »Einen kleinen goldgelockten Engel.«

»Du hast dich ganz gut entwickelt, wenn auch nicht nach seraphischen Maßstäben. Weißt du, mit der Zeit vernarrte ich mich richtig in dich.«

»Das war das Wunder der Mutterschaft«, sagte ich. Ich nahm das Bild in die Hand und betrachtete es. »Die Perlen stehen dir gut. Heute trägst du nie Perlen.«

»Perlen? Das sind die Ashington-Perlen.«

»Kostbar?« fragte ich leichthin.

»Das kann man wohl sagen.«

»Wo sind sie? Ich hab’ sie nie gesehen.«

»Sie gehörten mir nicht. Ich durfte sie nur tragen. Sie gehörtenszu einer ganzen Familiensage. Ich wollte sie nicht haben, das darfst du mir glauben. Eine Zeitlang, ja, da wollte ich sie, aber dann ...«

»Erzähl mir mehr über die Perlen!«

»Das ist eine lange Geschichte. Du hast keine Ahnung, wie stolz diese Ashingtons sind. Die tun gerade so, als stammten sie in direkter Linie vom Königshaus ab. Ralph war nicht so ... aber die anderen. Die Geschichte der Perlen kannte ich bald. Bevor dein Vater und ich nach Ceylon gingen, verbrachte ich drei Wochen auf Ashington Grange, dem Familiensitz bei Epping Forest Ich kann dir sagen, das waren nicht gerade die drei angenehmsten Wochen meines Lebens. Ich hatte nur den einen Wunsch, wegzukommen von der stickigen Atmosphäre aus Tugendhaftigkeit und Familienstolz und von den unaufhörlichen Andeutungen, welch ein Glück es für mich sei, eine Ashington zu werden. Dort habe ich zum erstenmal die Geschichte von den Perlen gehört Meine ältere Schwägerin – die schrecklichere von beiden – hat sie mir feierlichst erzählt Man hätte meinen können, ich legte eine Art frommes Gelübde ab. Die Perlen sind das Heiligtum der Ashingtons. Sie waren seit hundert Jahren in Familienbesitz. Ein Colonel Ashington hatte in Ceylon gedient, als zwischen England und Holland Streit ausbrach und es in Ceylon zu Kämpfen kam. Martha Ashington sagte ihren Spruch auf, als habe sie ihn gut geübt Und so war es auch. Sie muß diese Szene hundertmal gespielt haben. Alles drehte sich um die Tugenden der Briten, insbesondere um die Verdienste Colonel Ashingtons. Es ging irgendwie darum, daß die Könige von Kandy despotisch und so entsetzlich grausam waren, daß die Singhalesen sich danach sehnten, unter die britische Flagge zu kommen, und eben das hat dieser tapfere Colonel getan ... Er brachte die Singhalesen unter die britische Flagge, um sie zu retten. Ich habe an dieser Stelle nicht richtig zugehört. Mich interessierten nur die Perlen.«

»Das hört sich wie ein Theaterstück an.«

»Es kam mir auch wie ein Stück vor, als ich in diesem Dschungel in der Falle saß. Allerdings wie eine Tragödie ... und ich wünschte mir eine Komödie. Ich entnahm der Schilderung, daß die von dem Colonel angeführten tapferen Soldaten den Tyrannen von Kandy gefangengenommen und für den Rest seines Lebens ins Exil geschickt hatten. Seine Familie war zweitausend Jahre lang an der Regierung gewesen. An diesen Teil der Geschichte erinnere ich mich gut. Er ist sozusagen die letzte Zeile des zweiten Aktes, bevor der Vorhang fällt. Und nun tritt der Colonel auf. Er verstand viel von Medizin. Das war auch nötig, denn viel gefährlicher als die Gefolgsleute des bösen Königs von Kandy waren die Krankheiten, von denen die Fremden in diesem Land heimgesucht wurden. Nun, einer von den mächtigen Nabobs hatte einen Sohn, der von einer Kobra gebissen wurde. Der Colonel erschien genau im richtigen Augenblick und tötete die Kobra, doch alle dachten, das Kind müsse sterben. Zum Glück rettete eines der Kräuter aus des Colonels Arzneikiste dem Kind das Leben. Ja, ich glaube, man sollte wirklich ein Stück darüber schreiben. Die Ashington-Perlen! Das wäre ein guter Titel. Perlen, Diamanten, Rubine, die haben schon ihren Reiz, findest du nicht?«

Ich pflichtete ihr bei und wartete ungeduldig darauf, mehr zu erfahren.

»Wie dem auch sei«, fuhr sie fort, »die Geschichte nahm den üblichen Verlauf. Du ahnst sicher schon, wie sie ausgeht Der dankbare, mächtige Nabob fragt sich, was als Entgelt für das Leben seines Sohnes in Frage kommt Nichts ist ihm so wertvoll wie dieses, und es würde den Göttern gar nicht gefallen, wenn er ihnen nicht seine Dankbarkeit erwies, weil sie den Colonel im rechten Augenblick geschickt haben. Er ringt mit sich. Welcher Gegenstand ist ihm, abgesehen von seinen Söhnen und Töchtern, am teuersten? Die Perlen. Also schenkte er deinem Ururur ... – ich weiß nicht genau, wie viele Urs – … großvater die Perlen. Das ist die ganze Geschichte, und das auf dem Bild hier sind die Perlen. Es gab da gewisse Bedingungen. Die Perlen waren unschätzbar, ein Vermögen wert. Die Ashingtons waren nicht nur tapfere Soldaten, sondern auch tüchtige Geschäftsleute. Sie versuchten, die Perlen schätzen zu lassen. Jede einzelne war vollkommen und von beachtlicher Größe, und der Verschluß mit Diamanten und Smaragden ist ein künstlerisches Meisterwerk. Dieser Nabob von Kandy hielt eine Rede, wie sie bei derartigen Übereignungszeremonien wohl angemessen ist. Die Perlen würden Unglück bringen, wenn sie in die falschen Hände gerieten. Nur das Blut eines ältesten Sohnes sei mit ihrem Wert zu vergleichen. Der Nabob hatte gezögert, sich von ihnen zu trennen; denn er fürchtete, er könne sich dadurch ins Verderben stürzen ... Doch die unvergleichlichen Perlen waren der einzige Gegenstand, der ihm kostbar genug schien, als Lohn für das Leben seines Sohnes zu gelten.«

»Wie wundervoll«, sagte ich begeistert.

Sie lächelte mich an. »Liebe Little Siddons, was bist du doch für ein Kind.«

Meiner Mutter zuliebe war ich bereit, dies unwidersprochen hinzunehmen, da es sie in die richtige Stimmung versetzte, um fortzufahren.

»Ich durfte die Perlen eine Zeitlang haben. Die erste Frau deines Vaters hatte sie getragen, und dann bekam ich sie ... aber nicht für immer. Niemand darf die Perlen behalten. Das gehört zu den Bestimmungen. Ich trug sie, wie du siehst, während mein Porträt gemalt wurde.« Sie schloß die Augen. »Es gab dort ein Zimmer, in dem das Licht genau richtig war. Es war nämlich ein dunkles Haus. Die Büsche und Bäume rundherum wuchsen so dicht. Bevor ich fortging, träumte ich immer, daß sie sich nachts, während ich schlief, vermehrten und mich einschlossen, so daß ich dort auf ewig gefangen war. Daran sieht du, welche Wirkung der Ort auf mich hatte.«

»Aber du bist geflohen und hast mich mitgenommen. Erzähl mir mehr über die Perlen!«

»Sobald sie meine Haut berührten, verspürte ich eine gewisse Faszination. Ich mußte an diesen Edelmann aus Kandy und an all die Frauen denken, die das Halsband vor mir getragen hatten. Der Künstler, der mich malte, war ein netter junger Engländer. Er verliebte sich in mich. Er sagte, die Perlen seien wie meine Haut: makellos. Er malte mich vortrefflich, aber mit den Perlen war er nie zufrieden. Er behauptete, sie veränderten sich, wechselten sogar ihre Schattierung, während er sie zu malen versuchte. Als das Bild fertig war, fuhr er mit einem Boot über den Mahaweli Ganga aufs Meer. Das Boot kam zurück, aber ohne ihn. Sheba sagte, die Perlen hätten ihm Unglück gebracht. Oder ich. Ich hatte ihn nie richtig ernst genommen, wenn er von seiner Liebe zu mir sprach.«

»Und danach hast du die Perlen nicht mehr gemocht?«

»Nein, nie mehr.«

»Wo sind sie jetzt?«

»Clytie hat sie vermutlich. Sie fallen ihr zu, es sei denn, dein Vater heiratet wieder und bekommt einen Sohn ... aber wie sollte er, wenn ich noch lebe? Eine Scheidung kommt nicht in Frage. Das würden die Ashingtons nie zulassen. Also ist Clytie jetzt wohl die Auserwählte ... obwohl das irgendwie gegen die Regeln verstößt. Sie ist eine Ashington, und wenn sie heiratet und einen Sohn hat, dann bekommt die Frau ihres Sohnes die Perlen.«

»Das ist ja hochinteressant Wer ist Clytie?«

»Meine Stieftochter, die Tochter der ersten Frau deines Vaters.

Als ich dorthin kam, war sie ein Jahr alt«

»Erzähl mir mehr von Clytie! Wie ist sie?«

»Sie war vier, als ich fortging. Ich habe sie selten gesehen. Sie war die ganze Zeit bei ihrem Kindermädchen. Als du geboren wurdest hattet ihr das Kinderzimmer gemeinsam. Sheba hat sich um euch beide gekümmert.«

»Irene Rushton«, sagte ich feierlich, »ist dir eigentlich klar, daß ich soeben erfahren habe, daß ich eine Schwester habe?«

»Eine Halbschwester.«

»Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht. Clytie! Ein ungewöhnlicher Name.«

»Dein Vater sagte, als sie geboren wurde, war sie wie eine Sonnenblume.«

»Ich weiß. Clytie war eine Wassernymphe, und Apollo verliebte sich in sie. Er verwandelte sie in eine Sonnenblume, damit sie ihm bei seiner täglichen Reise über das Firmament stets zugewandt war.«

»So ein Unsinn«, sagte meine Mutter.

»Er hat sie bestimmt zärtlich geliebt«, erwiderte ich leise.

»Du bist ein romantischer Dummkopf.«

»Im Augenblick komme ich mir eher ein bißchen verwirrt vor.

Ich bin so aufgeregt. Ich habe eine Schwester. Wenn ich sie doch

nur sehen könnte!«

Das hätte ich nicht sagen sollen. Es war meiner Mutter deutlich anzusehen, daß sie bedauerte, mir soviel erzählt zu haben. Ihr Mund war grimmig verkniffen. Sie wickelte das Bild wieder ein und gab mir den Schlüssel. »Sperr es weg«, sagte sie. Das hörte sich sehr endgültig an. Das Bild war ein Symbol. Sie hatte an diesem Vormittag zuviel aus den verborgenen Schubladen der Erinnerung hervorgeholt. Sie würde nicht noch einmal so unbesonnen sein.

Ich hatte recht Sie war nie wieder so unbesonnen.

Es kam, wie es kommen mußte. Die Depressionen setzten ein, dann kamen die Launen. »Sie ist wie ’n Bär mit ’nem Brummschädel«, sagte Meg. »Mit zwei Brummschädeln«, ergänzte Janet und fügte hintergründig hinzu: »Ich schätze, wir könnten aus der Pension schon was Feines machen, Meg.«

Dann kam Tom Mellor mit einem Stück, und diesmal war es das richtige. Die Proben begannen; Wutanfälle begleiteten das lästige Auswendiglernen der Texte, während die Persönlichkeit meiner Mutter sich allmählich in den Charakter verwandelte, den sie zu spielen hatte.

»Eines Tages spielt sie eine Mörderin«, sagte Meg, »und wir müssen uns alle vorsehen.«

»Dann siehst du mich aber wie der Blitz aus diesem Haus flitzen«, bemerkte Janet, und ich hatte den Eindruck, daß es ihr gar nicht ungelegen gewesen wäre, wenn meine Mutter eine solche Rolle übernommen hätte.

Aber sie spielte die verführerische Sirene, was vorzüglich zu ihr paßte, und nach ein paar Wochen, nach den Aufregungen der Premiere und der qualvollen Lektüre der Rezensionen am nächsten Tag – voller Angst, daß irgendeine Kritik sie verletzten könnte –, vergingen die Tage wie eh und je.

Das normale Leben war wieder eingekehrt, und über Clytie wurde kein weiteres Wort gesprochen.

Aber ich konnte sie nicht vergessen.

Ich dachte viel über meine Familie nach und hätte gern mehr über sie erfahren. Aber außer meiner Mutter gab es niemanden, den ich fragen konnte, und wenn ich gelegentlich darauf zu sprechen kam, zeigte sie mir deutlich, daß sie nicht die Absicht hatte, mir mehr zu erzählen. Obendrein ließ sie es sich anmerken, wie sehr sie es bereute, so viel verraten zu haben, so daß mir nichts anderes übrigblieb, als auf einen günstigen Augenblick zu warten.

Ich versuchte Meg auszufragen. Ich war sicher, daß sie reden würde, falls sie etwas wußte. Sie konnte mir aber nur erzählen, was mir ohnehin bekannt war: Meine Mutter hatte alle Welt in Erstaunen versetzt, als sie einen Teepflanzer ehelichte und nach Ceylon ging, von wo sie drei Jahre später mit einem Kind – nämlich mit mir – zurückkehrte.

»Die Leute hatten sie nicht vergessen. Dafür waren drei Jahre zu kurz. Sie wurde mit offenen Armen empfangen, wie man so sagt. Sie sei reifer geworden, hieß es. Dieser Ausdruck gefiel ihr aber nicht. Zur Vollkommenheit erblüht, das klang besser. Nun, sie hat dieses ... wie man’s auch nennt ... was die Leute in Scharen anlockt, weil sie sie sehen wollen. Wenn sie auf der Bühne ist, guckt keiner jemand anderen an. Ob das den anderen Darstellern gefällt? Ich glaube kaum. Aber sie ist eben vom Scheitel bis zur Sohle Schauspielerin. So eine kommt spielend durchs Leben, jawohl.«

Alles, was ich von Meg über sie erfahren konnte, war die Geschichte ihrer Triumphe und der verpaßten Chancen. Ich wollte mit Toby über sie sprechen, doch der wußte nichts. Er hatte sie vor achtzehn Monaten zum erstenmal gesehen und war ihrem Zauber verfallen – so sehr, daß er sich ihr auf die einzige ihm mögliche Art unentbehrlich machte: indem er ihre Tochter unterrichtete.

Ich war sehr viel mit ihm zusammen, auch außerhalb der morgendlichen Unterrichtsstunden. Er zeigte mit London. Einmal schlichen wir frühmorgens aus dem Haus zum Covent Garden. Es war alles so aufregend: das Obst und die Blumen und die geschäftigen Händler. In den Kensington Gardens beobachteten wir, wie die Kinder – und auch ein paar Erwachsene – ihre Schiffchen schwimmen ließen; wir gingen in die Orangerie und wanderten durch die Allee mit ihren verflochtenen Bäumen; wir spazierten durch die Kensington Gardens, den Hyde Park, Green Park und St. James – überall Rasen inmitten der City, so daß uns nur der angenehm gedämpfte Verkehrslärm daran erinnerte, daß wir uns im Herzen einer Großstadt befanden. Wir schlenderten die Pall Mall entlang, wo Charles II. das Spiel gespielt hatte, welches der Straße ihren Namen gab, und wir zollten Whitehall unseren Respekt, wo sein Vater, Charles I., enthauptet worden war. Auf der Themse fuhren wir nach Hampton Court und Windsor.

Wir spielten gern selbsterfundene Spiele. Einer von uns summte ein paar Takte, und der andere mußte die Melodie erraten. Wir hatten uns ein Sprichwörterspiel ausgedacht, bei dem wir zu einem bestimmten Stichwort einen Reim oder einen Spruch finden mußten. Die mit den Tieren gefielen mir am besten. Wenn einer von uns »Esel« rief, antwortete der andere: »Das Gesetz ist ein Esel.« Oder »Bär«, und die Antwort lautete: »Man muß den Bären fangen, bevor man sein Fell verkauft.« Ein großer Teil dieser Sprüche stammte aus der Literatur, in der Toby bestens bewandert war; wir gaben uns Punkte für richtige Antworten und durften dasselbe Sprichwort nicht zweimal verwenden. Auf »Tiger« fiel uns anfangs immer nur »Tiger, Tiger steht in Flammen« ein, bis Toby mit einem Zitat kam, das mir im Gedächtnis haften blieb und auf das ich mich später wieder besinnen sollte:

Und ihre Rach' ist wie des Tigers Satz, Schnell, tödlich und zermalmend ...

»Wessen Rache?« wollte ich wissen, und er zitierte die Verse aus Byrons »Don Juan«:

O Weibes Liebe! Seligkeit und Pein! Du schöner, aber unheilschwangrer Schatz! Sie setzt auf einen Wurf ihr Alles ein, Und, wenn der fehlschlägt, gibt es nie Ersatz: Dann beut die Welt ihr nichts als leeren Schein, Und ihre Rach’ ist wie des Tigers Satz, Schnell, tödlich und zermalmend – dennoch wühlt sie Im eignen Fleisch; was sie verhängt, das fühlt sie.*

Ich war sehr beeindruckt, und wir lasen nun oft Byron.

Ich nahm ihn einfach hin, jenen lieblichen Sommer, der aber das Schlußkapitel eines Lebensabschnittes bildete. In den folgenden Jahren sollte ich mich schmerzlich an ihn erinnern.

Ich war im Grunde meines Herzens ein Kind, ob ich nun mein Haar aufsteckte oder nicht, und es kam mir nie in den Sinn, daß die Wende auf mich lauerte wie ein Tiger auf dem Sprung. Ich dachte – sofern ich überhaupt dachte –, daß diese Sommertage ewig dauern und wir unsere Lektionen auch in den kommenden Jahren fortsetzen würden.

Das heue Stück hatte eine außergewöhnlich lange Spielzeit. Sie würde ein Rekord werden, sagten alle. Wäre sie kürzer gewesen, hätte sich meine Mutter vielleicht wegen meines häufigen Zusammenseins mit Toby Gedanken gemacht. Sie hatte es gern, wenn ihre Bewunderer stets auf Abruf zur Verfügung standen. Nicht, daß Toby sie weniger verehrte. Er hatte nur entdeckt, daß er ihr auf eine Weise dienen konnte, die sich als sehr vergnüglich erwies.

Einmal – es war höchst gewagt – nahm Toby mich mit ins Theater. Wir sagten meiner Mutter nichts davon. Es war die Abendvorstellung, weil Toby fand, am Abend habe das Theater etwas Gewisses, das am Nachmittag fehle. Ich zog ein Kleid meiner Mutter an. Ich war ebenso groß wie sie. »Du wirst ’ne richtige Bohnenstange, ehrlich«, sagte Meg. »Nichts als Haut und Knochen«, fügte Janet hinzu.

»Unsinn«, widersprach Toby. »Du wirst groß und elegant.«

Welch ein Trost war Toby doch!

Es war ein schlichtes blaues Kleid – meine Mutter hatte es in einer Naivenrolle getragen –, das meinen grüngrauen Augen einen bläulichen Schimmer verlieh. Ich steckte mein Haar auf – o schreckliche Sünde –, und wir nahmen eine Droschke.

Welch ein Abend! Wie haben wir uns gefreut! Wir faßten uns an den Händen, wenn meine Mutter auf der Bühne erschien, und waren beide bei ihrem Anblick von Rührung übermannt.

Sie war eine großartige Schauspielerin. Es wunderte mich nicht, daß so viele Leute kamen, um sie zu sehen, und daß man sie bei ihrer Rückkehr »mit offenen Armen« empfangen hatte. Wir entdeckten Everard im Parkett. Er mußte achtgeben, daß er kein Aufsehen erregte, denn er war aufgrund seiner Stellung im Parlament sehr bekannt. Sicher wird er meine Mutter heimbringen und dort bleiben, mutmaßte ich. Ich fand das Stück hinreißend. Ich weinte, wenn Tränen angebracht waren, und Toby reichte mir sein Taschentuch, damit ich mir die Augen trocknen konnte. Es war bezeichnend für mich, daß ich keines mitgenommen hatte. Sobald das Stück zu Ende war und die Darsteller sich verbeugten, drängte Toby mich hinaus.

»Ich würde dich ja gern zum Essen ausführen, um den Abend abzurunden«, sagte er. »Aber wir kommen dann ein bißchen unter Zeitdruck.« Ich pflichtete ihm bei. Ich malte mir aus, wie wir nach Hause kommen würden, wenn meine Mutter bereits dort wäre. Ich wußte, ihr Zorn würde fürchterlich sein, denn ich hatte nicht nur mein Haar aufgesteckt, sondern sah wirklich wie eine Siebzehnjährige aus.

Es war aufregend, inmitten der Menge hinauszugehen. Wir sahen sogar den Prinzen von Wales in der königlichen Equipage. »Diesmal hat er die Prinzessin bei sich«, bemerkte Toby. »Keine aus seinem Harem.«

Ich lachte und kam mir überaus weltklug vor, als wir, über unser Erlebnis kichernd, in der Droschke davonfuhren.

Janet sah uns heimkommen. Sie enthielt sich eines Kommentars, doch ich bemerkte das grimmig-zufriedene Lächeln auf ihren Lippen und wußte, daß sie an meine Mutter dachte, der sie, wie mir inzwischen klargeworden war, keine besondere Sympathie entgegenbrachte. Sie verübelte ihr Megs »Knechtschaft« und stellte unaufhörlich Vergleiche an zwischen dem von ihr so betitelten »verpesteten London«, dem sie und ihre Schwester unnötigerweise ausgeliefert waren, und der frischen Landluft, die sie, wären sie nur ein bißchen vernünftig, genießen könnten.

Ich konnte an diesem Abend nicht einschlafen. Ich lag in meinem Bett und dachte, wie aufregend das Leben war und wie herrlich es war, erwachsen zu werden.

Ich hörte meine Mutter nach Hause kommen. Everard war bei ihr. Ich lag immer noch wach und stellte mir vor, wie sie meinen Vater kennenlernte und in dieses seltsame Haus in Ceylon zog, das ihr, wie ich annahm, ziemlich Angst eingeflößt hatte. Ich dachte an Colonel Ashington und die Perlen, und am allermeisten dachte ich an Clytie. Ich fragte mich, ob ich ihr wohl eines Tages begegnen würde. Aber selbst jetzt dachte ich nicht an eine Wende in meinem Leben.

Wenige Tage nach jenem Theaterbesuch bemerkte ich die Frau in dem schwarzen Umhang. Ich blickte aus meinem Schlafzimmerfenster, und da sah ich sie. Sie fiel mir auf, weil sie das Haus zu beobachten schien. Ich konnte ihr Gesicht nicht gut erkennen, da es von der weit vorgezogenen Kapuze des Umhangs zum großen Teil verdeckt war.

Ich wandte mich vom Fenster ab, räumte meine Kleider weg und war so etwa zehn Minuten beschäftigt Danach ging ich wieder ans Fenster. Die Frau war noch immer da.

Ich verspürte einen unwiderstehlichen Drang, hinunterzugehen und sie zu fragen, ob sie etwas wünsche. Dann wurde mir bewußt, wie kindisch das wäre. Sie war vermutlich mit jemandem verabredet, oder sie wollte irgendwohin und war zu früh gekommen.

»Du bist ’n richtiger Draufgänger«, hatte Meg einmal gesagt. »Du überlegst nicht lange. Was dir in den Sinn kommt, das sagst du oder tust du. Dann ist es gesagt und getan, und es gibt kein Zurück.«

Am Denton Square waren viele Menschen unterwegs. Es war nicht gerade eine abgelegene Gegend. Dann kam ich drauf: Die Frau war natürlich eine Verehrerin meiner Mutter. Das war die Lösung. Eine, die ehrfürchtig das Haus anstarrte, in dem sie wohnte.

Während ich die Frau beobachtete, sah ich Meg heimwärts eilen. Sie kramte ihren Schlüssel hervor, und da überquerte die Frau die Straße und sprach sie an. Meg nickte und wechselte ein paar Worte mit ihr, dann kam sie herein.

Ich blieb am Fenster stehen, nachdem sich die Tür hinter Meg geschlossen hatte. Die Frau war wieder auf die andere Straßenseite gegangen und betrachtete noch eine Weile das Haus. Dann muß sie mich wohl hinter den Spitzengardinen bemerkt haben, denn ihre Augen schienen auf das Fenster gerichtet zu sein.

Ich wußte nicht, warum, aber plötzlich rieselte mir ein Schauer das Rückgrat hinab, und während ich dort stand, überkam mich eine unerklärliche Furcht. Janet hätte gesagt, es sei, als ob »jemand über dein Grab schreitet«.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor – dabei konnte es sich nur um Sekunden handeln –, bis die Frau sich umwandte und rasch davonging. Mein Herz hämmerte wild, als ich ihr nachblickte. Ich spürte, daß irgend etwas mit ihr nicht stimmte. Ich spürte es so heftig, daß ich mich augenblicklich auf die Suche nach Meg begab.

Sie war in der Küche und packte ein paar Schönheitsmittel und etliche Bänder aus, die sie für meine Mutter gekauft hatte.