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Clay Shelton ist tot. Gehängt. Und doch scheint es, als lebe er noch. Alle, die Sheltons Tod verursachten, traf sein Fluch: den Staatsanwalt, den Richter, den Henker. Auch sie mußten sterben. Aber da ist noch Inspektor Long von Scotland Yard … Er war es, der Shelton gejagt hatte. Kann er der Rache des Toten entgehen?
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Seitenzahl: 299
The terrible People
PeP eBooks erscheinen in der Verlagsgruppe Random House
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2000by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House
ISBN 3-89480-303-7
www.pep-ebooks.de
Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Über das BuchCopyright
Ulanen-Harry betrat die Burton-Polizeistation, um seinen Entlassungsschein vorzulegen. Er war an diesem Montagmorgen aus Dartmoor entlassen worden, nachdem er dort sieben Jahre weniger 21 Tage verbüßt hatte.
Einen finsteren Ausdruck auf dem gelben, narbigen Gesicht, schlenderte er herein und hielt dem Oberwachtmeister seinen Schein hin.
»Henry Beneford, entlassener Strafgefangener. Soll mich hier melden ...«
In diesem Augenblick bemerkte er Inspektor Long – oder den Wetter, wie man ihn nannte – und seine Augen begannen zu funkeln. Es war ein Zufall, in mancher Hinsicht ein äußerst unglücklicher Zufall für Ulanen-Harry, daß er den Wetter hier antraf. Der Inspektor war nur eben schnell vorbeigekommen, um die Personalien eines gesuchten Ladendiebes festzustellen.
»Morgen, Inspektor! Immer noch am Leben?«
»Und ob!« Inspektor Arnold Long lachte ungezwungen.
Ulanen-Harrys häßliche Lippe zuckte, und in seinen Augen glomm es drohend auf.
»Es wundert mich, daß Ihr Gewissen Sie noch schlafen läßt – sieben Jahre haben Sie mir durch niederträchtige Hinterlist ver- schafft!«
»Und hoffentlich verschaffe ich Ihnen noch weitere sieben Jahre!« gab der Wetter erheitert zurück.
Die lange Oberlippe Harrys zuckte krampfhaft. Früher hatten Leute, die ihn gut kannten, bei diesem gefährlichen Warnzeichen Deckung gesucht; doch obgleich Arnold Long ihn recht gut kannte, schien es ihn nicht sonderlich zu beunruhigen.
Ulanen-Harry hatte tatsächlich anderthalb Jahre als Ulan in Seiner Majestät Armee gedient und dann drei Jahre gefaßt, weil er einen Unteroffizier bis zur Bewußtlosigkeit mit den Füßen getreten hatte. Er war ein Rohling, ein Dieb – ein gefährlicher Kerl. Aber auch der Wetter wurde gefürchtet, war als rücksichtslos verschrien.
»Hören Sie mal – drohen liegt mir ja nicht, aber Sie werden keine Gelegenheit haben, mich nochmals dorthin zu schicken, und soviel möchte ich Ihnen jedenfalls sagen: Passen Sie auf!«
Der Wetter grinste freundlich.
»Sie reden zuviel, Ulan! Eines Tages werden Sie noch im Parlament Reden halten wollen.«
Harrys Oberlippe zuckte von neuem gefährlich. Er kehrte sich dem Tisch des Oberwachtmeisters zu und legte mit zitternder Hand seine Papiere hin.
»Oh, Sie sind schlau – ihr alle seid schlau! Leute wie mich zu fangen, ist nicht allzu schwer, aber warum habt ihr Shelton noch nie erwischt, he? Alle verfluchten Spürhunde Englands können ihn nicht zur Strecke bringen.«
Long erwiderte nichts. Clay Shelton interessierte ihn wenig, und der Vorwurf berührte ihn überhaupt nicht. Er war ein tüchtiger Beamter, was Ulanen-Harry nur zu gut wußte.
Als der Wetter jedoch nach Scotland Yard zurückkehrte, mußte er erfahren, daß Mr. Shelton noch eine sehr wesentliche Rolle in seinem Leben spielen sollte.
Tatsächlich gab es keinen Kriminellen in der ganzen Welt, der Clay Shelton gleichkam. Schon seit fünfzehn Jahren beschäftigte er sich damit, Kreditbriefe, Wechsel und andere Handelspapiere zu fälschen und in Umlauf zu bringen. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit. Clay Shelton – das war der Name, den ein hagerer, kurzsichtiger Mann am 3. September 1918 ins Fremdenbuch des White Hart Hotels in Dorking eintrug. Auf diesen Namen, mit dem er in die Kriminalakten einging und fortan auf den Karteikarten des Polizeipräsidiums geführt wurde, hob er durch den einfachsten Kniff der Welt und eine ganz gewöhnliche Fälschung bei der Sussex Bank 7200 Pfund ab.
Oberstleutnant Hillerby vom Zahlmeisteramt, der mittels einer gefälschten Vollmacht 25000 Pfund bei der Bank of Africa abhob, war entschieden derselbe Herr, hatte aber einen Schnurrbart und trug ein Monokel. Dem in militärischen Dingen sehr bewanderten Bankdetektiv kam der neue Oberstleutnant verdächtig vor, er verfolgte ihn nach Wynberg und wurde in einem Fichtenwald bei Kenilworth erstochen aufgefunden. Clay verband Scharfsinn mit Gewalttätigkeit.
Flottenzahlmeister Corban Smith, der einen ähnlich hohen Betrag von der Portsmouth and Southern Bank in Empfang nehmen konnte, hatte keinen Schnurrbart, trug jedoch eine Marineoffiziers – Uniform, auf deren linker Brustseite die bunten Bänder militärischer Auszeichnungen prangten. Der Kassenbote, der bei der Bank von England für die Midland Western Bank 65000 Pfund abhob, hatte einen grauen Schnurrbart und sprach mit schottischem Akzent. Frederic G. Tennycold aus Chicago, der von einer Zweigstelle der Midland Western aufgrund eines Kreditbriefes 6000 Pfund bekam, trug eine Hornbrille und das Abzeichen der Knights of Columbus. Noch viele andere Namen hatte die Polizei in die Akten dieses einen Mannes eingetragen, doch amtlich galt er einfach als Clay Shelton.
Inspektor Vansitter, ernst und gedrückt dreinschauend, saß seinem Vorgesetzten gegenüber, der ihn hatte rufen lassen.
»Es tut mir außerordentlich leid«, sagte der weißhaarige Polizeioberst, »Sie haben eben die gleiche Erfahrung machen müssen wie Ihre Kollegen zuvor. Das Beste, was ich für Sie tun kann ist, daß ich Sie dieser Aufgabe enthebe und jemand ändern damit betraue. Ein Trost für Sie, daß noch jeder, der sich mit den Shelton – Fälschungen befaßte, den kürzeren gezogen hat.«
Vor drei Monaten hatte Mr. Shelton mit einer gefälschten Kabelüberweisung die Auslandsabteilung der City of London Bank dazu gebracht, ihm 18320 Pfund auszuhändigen. Alle Sachverständigen stimmten darin überein, daß es das sauberste Stück Arbeit war, das er je geliefert hatte. Wenn auch die Polizei dem Gaunerstückchen eine gewisse Bewunderung nicht versagen konnte, lag ihr umso entschiedener daran, eine Wiederholung zu verhindern.
»Wir können ihn nicht fassen, weil wir ihn nicht kennen«, sagte Vansitter. »und die Hauptschwierigkeit ist, daß er allein arbeitet. Sogar die: Kabelsache hat er selbst durchgeführt. Sowohl der telegrafische Auftrag als auch die Bestätigung waren gefälscht. Ein Mann, der geschickt genug ist, dies allein zu bewerkstelligen, kann nur mit Gottes Hilfe ergriffen werden! Wenn irgendein weibliches Wesen im Spiele wäre, wenn er eine Frau oder einen Mittäter hätte, könnte er seine Gaunereien nicht ungestraft fünfzehn Jahre lang fortsetzen.«
Es entstand ein peinliches, man könnte sagen, schmerzliches Schweigen. Der Polizeioberst, der den Inspektor schätzte und es ihm leicht machen wollte, beschloß, die Unterredung abzubrechen.
Vansitter konnte keine weitere Rechtfertigung für seinen Mißerfolg vorbringen, aber einen Rat wollte er doch anbieten.
»Ich glaube nicht, daß er gefaßt werden kann, wenn er nicht einen Fehler begeht. Wenn überhaupt, dann könnte ihn nur einer ...« Er wartete auf eine Aufforderung, doch Oberst Macfarlane, der genau wußte, wen er meinte, schwieg. »Der Wetter -«, schloß Vansitter.
Der Oberst verzog das Gesicht.
»Hm! Der Wetter!« Er schüttelte mißbilligend den Kopf.
Long, obschon Polizeibeamter, war ein Mann, der die Universität besucht hatte, und Sohn eines Millionärs. Wie es dazu gekommen war, daß Sir Godley Longs Sohn die Polizeilaufbahn einschlug, ist eine zu lange Geschichte, um sie hier zu erzählen. Eines düsteren Tags hatte ihn der entrüstete Vizekanzler von Cambridge entlassen, weil er sich mit einem Universitätsdiener herumgeschlagen und ihn verprügelt hatte. Er wurde schleunigst zu seinem Vater zurückgeschickt, der ihn, über die Affäre sehr aufgebracht, aus dem Hause wies, damit er sich seinen Unterhalt selbst verdiene. Arnold Murray ging. Aber einen Monat später sprach er in der Uniform eines Beamten der Metropolitan Police im Hause seines Vaters in Berkeley Square vor, und alle Bitten und Beschwörungen Sir Godleys konnten ihn nicht bewegen, sie wieder abzulegen.
Dies ist die Geschichte in aller Kürze. Ich wette ... war seine ständige Redensart – darum nannte man ihn den Wetter.
Der Vater ließ jedoch den Sohn nicht fallen, sondern verfolgte seine Überspanntheiten mit einem gewissen Stolz. In seinem vornehmen Club pflegte er von meinem Sohn, dem Polypen zu sprechen. In einer nebligen Nacht hatte er Arnold an einer Ecke der Hill Street aufgelauert und ihm ein Glas Bier angeboten. Jedermann im Club wußte zu berichten, wie Arnold das Glas behaglich ausgetrunken und dann dem Vater angedroht habe, ihn wegen Vagabundierens zu verhaften.
Die Behörden hatten Arnold die übliche Zeit beim Patrouillendienst belassen, da sie seiner Herkunft wegen einen Vorwurf der Begünstigung befürchteten, wenn er außer der Reihe befördert worden wäre. Nach zwei Jahren war er bereits Oberwachtmeister. Bösartige Fragen konnten nicht gestellt werden, denn gerade ihm war die Ergreifung Lew Freddings geglückt, der sich von der New York Security Bank eine Viertelmillion Dollar erschlichen hatte.
Dieser Tat ließ Long, unbewaffnet, wie er im Augenblick war, die Festnahme der berüchtigten Revolverhelden Sullivan und Veilt folgen, kurz, nachdem sie den Spitzel Parlyvoo Smith getötet hatten. Niemand konnte ihm daraufhin die Tressen vorenthalten. Scotland Yard versetzte ihn in die Kriminalabteilung, wo er von anderen tüchtigen Männern überschattet wurde. Aber als er an einem nebligen Abend nach Hause fuhr, überholte er einen hinkenden Mann, der sich des günstigen Wetters wegen aus seinem Versteck herausgewagt hatte, um sich etwas Bewegung zu machen. Der Wetter hielt seinen Wagen an, sprang hinaus und verhaftete, nachdem ihn wie durch ein Wunder zwei Kugeln verfehlten, Ernie Budlow, den Bankräuber und Erpresser, der sechs verschiedener Delikte wegen gesucht wurde.
Glück! sagte man in Scotland Yard, aber man war gezwungen, ihn zum stellvertretenden Inspektor zu ernennen, da der Minister des Innern höchstpersönlich seine Unterschrift unter die Empfehlung gesetzt hatte.
In Scotland Yard betrachtete man ihn nicht als Ideal. Auch hielt man ihn jüngeren Detektiven keineswegs als Vorbild hin. Er selbst gab an, daß er schon so oft im Vorzimmer seines Vorgesetzten gewartet habe, daß der Teppich davon eigentlich ein Loch haben müßte. Eine einstweilige Amtsenthebung und ein scharfer Verweis befleckten seine Laufbahn, und einmal zog er sich den Tadel eines Richters zu, weil er verfassungswidrige Hilfsmittel angewandt hatte.
Er war fast zwei Meter groß, machte aber dennoch einen ziemlich schmächtigen Eindruck. Er konnte laufen wie ein Hase – nur mit mehr Verstand. Zwei Jahre war er Amateur – Meisterschaftsboxer gewesen. Er konnte klettern wie eine Katze und besaß etwas, was dem Instinkt der Katze Nahekahm. Er bezeichnete sich als Engländer, um Macfarlane, den Obersten, zu ärgern, der nie das Wort englisch zuließ, wo britisch gebraucht werden konnte.
Als ihn die Boylans in einer Nebengasse von Limehouse Reach abpaßten und ihm fünf Minuten gaben, um sich auf die Beförderung in eine andere Welt vorzubereiten, verzog er sein langes, hageres Gesicht zu einem Grinsen und zeigte seine weißen Zähne.
»Ich wette einen Tausender, Ihr werdet mich nicht erledigen!«
Und sie brachten es nicht zustande. Zwei Meilen schwamm er mit gebunden Händen und Füßen, und als ihn die Themse – Flußpolizei rettete, waren die ersten Worte, die er zwischen den klappernden Zähnen hervorstieß – es war Mitte Januar und Eisstücke trieben im Fluß -:
»Ich wette einen Tausender, daß ich Joe Boylan innerhalb vierundzwanzig Stunden fassen werde.«
Und Joe Boylan mußte dran glauben.
Oberst Macfarlane mochte wohl bei dem Gedanken, dem Wetter Long die Shelton – Sache zu übertragen, die Nase rümpfen. In England ist der dritte Grad unbekannt, aber der Wetter hatte einen vierten Grad erfunden. Hielt er damals nicht den Kopf Lew Brayleys so lange zwischen seine Arme geklemmt, bis dieser eingestand, wo er den entführten und gegen Lösegeld festgehaltenen kleinen Sohn des Millionärs und Reeders John Brisbane versteckt hielt? War es nicht gleichfalls der Wetter gewesen, der sich den Tadel eines Landrichters zuzog, weil er den Geldschrank eines gewissen Lester Glommen erbrochen hatte? Er holte sich daraus den einzigen Nachweis heraus, der die Verbindung mit dem Texts – Öl – Schwindel entlarven konnte – von Transaktionen also, die so einträglich gewesen waren, daß Glommen sich wenige Monate später als ungewöhnlich reicher Mann hätte zurückziehen können.
»Der Wetter?« wiederholte der Oberst und zog grübelnd an seiner Unterlippe. »Ich darf es nicht tun! Der Wetter würde etwas Schreckliches anstellen, und das fiele auf mich zurück ... Aber ...«
Den ganzen Tag dachte er über die Sache nach. Um fünf Uhr abends jedoch wurde Arnold Long ins Büro seines Vorgesetzten gerufen.
Der Wetter hörte mit entschlossenem Lächeln zu.
»Nein, Sir, ich brauche die Akten nicht zu sehen, ich kenne Shel- tons Laufbahn auswendig. Geben Sie mir drei Monate Zeit, und ich bringe ihn dorthin, wo er regelmäßige Mahlzeiten einhalten muß.«
»Seien Sie nicht zu sicher, Mr. Long!« warnte der Oberst.
»Ich wette – das heißt«, verbesserte sich Arnold respektvoll, »ich glaube, ich bin ziemlich sicher.«
Mit vielen Ermahnungen, Warnungen und guten Ratschlägen versehen ging der Wetter Long und meldete sich beim Vorsitzenden des Bankierverbandes.
Auf dem Weg dorthin vergegenwärtigte er sich noch einmal alles, was er von Shelton wußte. Aber dieses Wissen allein genügte nicht, einen solchen Mann zur Strecke zu bringen.
An einem herrlichen Frühlingsmorgen spazierte Mr. Shelton langsam durch die Lombard Street und blieb vor einem Gebäude stehen, das trotz der polierten Granitverkleidung traurig und nichtssagend aussah. Er starrte, wie jeder Passant es tut, zu den einförmigen Fensterreihen hinauf.
»Was ist das für ein Gebäude?«
Diese Frage richtete er an einen Citypolizisten, der der Fahrbahn zugewandt auf dem Randstein stand, denn Citypolizisten sind ebenso gute Fremdenführer wie vortreffliche Verkehrsregler.
»Die City and Southern Bank, Sir.«
»Mein Gott!« flüsterte Mr. Shelton und starrte das Gebäude mit doppelter Hochachtung an.
Ein Auto fuhr vor, der Chauffeur sprang heraus, riß die Tür auf dem Wagen entstiegen ein sehr hübsches Mädchen, dann eine blasse Dame und zuletzt ein gut aussehender junger Mann mit schwarzem Schnurrbart und einem Monokel im Auge. Den glänzenden Zylinder hielt er in der Hand, denn das niedrige Verdeck machte es unmöglich, ihn im Wagen auf dem Kopf zu behalten.
Die drei verschwanden in der Bank, und der Polizist trat zum Chauffeur an den Wagen.
»Wie lange wird es dauern, bis sie herauskommen?« fragte er.
»Fünf Minuten«, antwortete der Chauffeur, indem er sich behaglich streckte.
»Wenn sie länger bleiben, müssen Sie auf dem Parkplatz warten.«
Der Polizist gab dem Fahrer noch einige Anweisungen und wandte sich wieder dem Passanten zu.
»Sie scheinen in London fremd zu sein?«
Mr. Shelton nickte.
»Ja, ich bin eben aus Südamerika zurückgekommen. Bin fünfundzwanzig Jahre dort gewesen. Die Argentinische Bank ist irgendwo hier, nicht wahr?«
Der Polizist zeigte auf ein Gebäude in der Nähe, aber Mr. Shelton machte keine Anstalten, weiterzugehen.
»Es fällt einem schwer, zu glauben, daß in dieser Straße Millionen und aber Millionen Gold liegen.«
Der Polizist lächelte hämisch.
»Ich habe sie nie gesehen«, meinte er, »aber ich zweifle nicht ...« Er vollendete den Satz nicht, seine Hand machte eine Bewegung, als ob er grüßen wollte.
Ein Taxi war hinter dem wartenden Auto stehen geblieben. Der lange, junge Mann, der herauskroch, musterte verärgert den Citybeamten, warf Mr. Shelton einen kurzen Blick zu und verschwand im Portal der Bank.
»Wer war das? Ein Polizeibeamter?«
Shelton hatte den unterbrochenen Gruß bemerkt.
»Nein, Sir, es war ein Geschäftsmann, den ich kenne.«
Als Wetter Long die Halle betrat, fiel ihm ein hübsches Gesicht an einem der Schalter auf, doch er begab sich sofort ins Heiligtum des Hauptgeschäftsführers. Ein kleiner, dicker Mann, vollständig kahlköpfig, empfing ihn und drückte ihm kräftig die Hand.
»Darf ich Sie bitten, einen Augenblick zu warten, Long – ich muß noch schnell mit einem Kunden ...«
Er schoß aus dem Zimmer. Nach wenigen Minuten kehrte er, sich die Hände reibend, ein Lächeln auf dem roten Gesicht, zurück.
»Eine charaktervolle Frau!« sagte er bewundernd. »Haben Sie sie bemerkt?«
»Vor allem bin ich der Meinung, daß sie sehr hübsch ist«, erwiderte der Wetter.
Mr. Monkford schüttelte nachsichtig den Kopf.
»Das ist die Sekretärin. Ich meine die ältere Dame – Miss Revelstoke. Seit dreißig Jahren ist sie meine Kundin. Sie sollten ihre Bekanntschaft machen, sie ist eine ganz eigenartige Persönlichkeit. Der junge Mann, der sie begleitet, ist ihr Anwalt. Er wirkt etwas geckenhaft, hat aber eine aussichtsreiche Praxis.«
Vom Privatkontor des Geschäftsführers aus konnte man die Schalterhalle überblicken und die drei Personen beobachten. Die ältere Dame zählte bedächtig ein Bündel Banknoten nach, das ihr der Schalterbeamte ausgehändigt hatte, und das Mädchen schaute – etwas gelangweilt, vermutete Long – zur Stuckdecke hinauf. Ein ungewöhnliches Gesicht – das war auch sein zweiter Eindruck. Hübschen Mädchen begegnete man täglich, aber hier kam ein bestimmtes Etwas hinzu, ein Ausdruck, der fesselte. Er hatte nur Augen für die Sekretärin, den lächelnden jungen Mann neben Miss Revelstoke bemerkte er kaum. Plötzlich trafen sich ihre Blicke, eine Sekunde lang sahen sie sich forschend an. Schnell wandte sie sich ab. Jetzt erst merkte er, daß der Bankier zu ihm sprach.
»Ich zweifle sehr, daß Sie ihn erwischen werden. Der Kerl ist wie ein Aal – das heißt, meine persönliche Meinung ist, daß es sich um eine der gerissensten Banden handelt.«
»Ich wollte, Sie hätten recht.« Der Wetter lächelte. »Aber Sie können diese Idee fallen lassen, Mr. Monkford. Der Mann arbeitet allein, das ist seine Stärke.«
Der Bankier holte eine große Mappe aus einer Schublade und legte sie auf den Tisch.
»Hier sind alle Unterlagen. Sie finden darin nicht nur die Protokolle der City and Southern, sondern jeder anderen Bank, die dieser Mann geschädigt hat. Auch alle Originalunterschriften liegen hier vor, aber ich glaube kaum, daß sie Ihnen viel nützen werden. Die m sind ähnlich ...«
»Alle m sind ähnlich«, unterbrach Long. »Das ist ein Buchstabe, der gewöhnlich keine besonderen Merkmale aufweist.«
Eine Viertelstunde lang blätterte er in den Akten, ohne irgendwelchen Nutzen daraus zu ziehen.
»Wie ich sehe, sind die Beweisstücke auf Fingerabdrücke hin geprüft worden.«
»Das macht man immer bei Urkundenfälschungen. Die linke Hand, die das Dokument hielt, war jedes Mal behandschuht.«
Als der Wetter das Bankgebäude verließ, schaute er links und rechts, unschlüssig, nach welcher Seite er sich wenden sollte. Zu guter Letzt entschied er sich, durch die Gracechurch Street zu gehen und im Büro einer Schifffahrtsgesellschaft in der Fenchurch Street vorzusprechen. An der Ecke der Gracechurch Street und Lombard Street bemerkte er einen schmächtigen, älteren Herrn, der stehen geblieben war, anscheinend, um den vorüberflutenden Verkehr zu betrachten. Von der Seite her warf er einen Blick auf den herannahenden Wetter. Long erkannte die Absicht dieses forschenden Blickes. Er dauerte nur eine Sekunde, aber deutlicher als Worte sagten diese grauen, beobachtenden Augen: Ich kenne dich, du bist ein Detektiv!
Den Wetter durchzuckte es unwillkürlich. Er überquerte die Straße in Richtung Fenchurch Street, um eine Zeitung zu kaufen. Der Mann stand immer noch da. Im gutsitzenden Sommeranzug und dem weißen Filzhut sah er aus wie ein jovialer Infanterieoberst in Zivil. Long gab dem Zeitungsjungen absichtlich einen Shilling, um durch das Geldwechseln Zeit zu gewinnen und den Fremden genauer betrachten zu können. Sicherlich war es irgendein Cityschwindler. Für einen Augenblick hatte er Lust, umzukehren und sich mit dem Mann in eine Unterhaltung einzulassen. Aber er war Beamter von Scotland Yard und befand sich in der City von London. Die City jedoch hatte ihre eigenen Detektive und sah Übergriffe nicht gern.
Während er noch überlegte, rief der grau gekleidete Mann ein durch die Lombard Street fahrendes Taxi an und bestieg es. Der Wetter sah es und nahm, ohne zu überlegen, ebenfalls ein Taxi.
»Halten Sie sich hinter dem gelben Wagen! Sie werden ihn bei der Verkehrsstauung am Mansion House einholen.«
Hinter der aufgeschlagenen Zeitung, die sein Gesicht verbarg, beobachtete er, wie sein Opfer durchs Heckfenster des Taxis spähte.
Als an diesem Abend Oberst Macfarlane sein Büro verließ, lief ihm der Wetter in sehr aufgeräumter Stimmung in den Weg.
»Sie können es Glück nennen – «, rief er außer Atem, »aber ich habe Clay Shelton getroffen!«
Der Oberst lachte.
»Ich glaube es nicht!«
»Ich wette!« sagte Arnold Long.
Als Mr. Clay Shelton eine Woche später durch die kleine, schmutzige Stadt Chelmsford fuhr, überkam ihn eine Vorahnung. Eine unbegreifliche Furcht bedrückte ihn auf einmal so sehr, daß er kaum atmen konnte. Ein Stück weit hinter der Stadt trat er langsam auf die Bremse und hielt seinen Wagen auf der Landstraße an. Rechts von ihm erhob sich eine hohe, schmutzigrote Mauer, in die sich, etwas zurückgesetzt, ein grimmiges schwarzes Tor wölbte. Mr. Shelton strich seinen weißen Schnurrbart, den er seit sechs Wochen mit äußerster Sorgfalt pflegte.
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