Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Anthologie 'Die beliebtesten Klassiker der französischen Literatur' bietet eine umfassende Zusammenstellung der bedeutendsten Werke aus der Feder französischer Literaturgrößen von der Renaissance bis zur Moderne. Die Auswahl der Texte zeugt von einer tiefen Durchdringung und Wertschätzung literarischer Formen, von Dramen und Lyrik bis hin zu epischen Romanen und scharfsinnigen Essays. In dieser Sammlung vereinen sich die Genialität von Schriftstellern wie Voltaire, Victor Hugo und Marcel Proust, deren Werke die Zeit überdauerten und die französische Kultur tiefgehend prägten, mit den weniger bekannten, aber ebenso schillernden Beiträgen von Autoren wie Guillaume de Lorris und Joris-Karl Huysmans, die jeweils einzigartige Perspektiven und Stile in das breite Spektrum der französischen Literatur einführen. Die Autoren dieser Anthologie sind nicht nur ein Zeugnis für die individuelle Brillanz, sondern auch für die kollektive kulturelle und historische Evolution Frankreichs. Von den philosophischen Aufklärungen eines Rousseau und Diderot über die romantischen Verwicklungen eines Chateaubriand und de Musset bis hin zu den gesellschaftskritischen Betrachtungen eines Zola und Flaubert spiegeln diese Werke die vielschichtigen Strömungen der französischen Gesellschaft und ihrer Geschichte wider. Ihre Schreibstile und Themen Kompositionen fördern ein tiefes Verständnis für die Diversität und Entwicklung der literarischen Tradition Frankreichs. Die Sammlung 'Die beliebtesten Klassiker der französischen Literatur' ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die die Meisterwerke und die literarische Vielfalt Frankreichs in einem Band erleben möchten. Diese Anthologie ist eine Einladung, sich der Pracht und dem Reichtum des französischen literarischen Erbes zu nähern, und bietet Lesern die Gelegenheit, in eine Welt voller Poesie, Leidenschaft und Gedankenreichtum einzutauchen. Sie fördert nicht nur die Bildung, sondern auch den kulturellen und dialogischen Austausch durch das Studium literarischer Kunstwerke, die Frankreichs intellektuelle und künstlerische Landschaft definieren.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 25713
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Books
Das ist von der Rose die Geschichte,
Wo Amor's Kunst ich ganz berichte.
Es sagen Manche, daß im Traum'
Durchaus Nichts sei als Lüg' und Schaum –
Doch wahrlich giebt es Träume wohl
Die mehr sind als nur Schäume hohl,
Die sich erfüll'n in Wirklichkeit. –
Auch ist berühmt in alter Zeit
Ein Mann, Makrobius genannt,
Der Träum' als eitel nicht erkannt.
Auch liest man von dem Traum, der schon
Erschienen König Cipio'n1.
Und wer da denkt, und wer da schreit,
Daß Narrheit sei und Albernheit,
Zu glauben, daß der Traum nicht Lug; –
Sag', wenn er will: ich sei nicht klug.
Mir für mein Theil bleibt sicher sta'n,
Daß Zeichen oft im Traum' geschahn,
Von Aergerniß und Lust der Leut'.
Denn Vielen träumt bei nächt'ger Zeit
Manch' Ding' nur dunkel übergleist,
Das nachher deutlich sich erweist.
Ich war kaum zwanzig Jahre voll,
Wo Minne anhebt ihren Zoll
Von Jünglingen. Wie meist ich thu',
Lieg' ich da eine Nacht in Ruh'
Und schlafe ziemlich fest und schwer –
Kommt mir im Schlaf' ein Traum daher,
Der, gar sehr bunt, mir wohl gefällt –
Doch gab's im Traum Nichts in der Welt,
Das dann nicht ganz so wär' gescheh'n,
Als wie es mich der Traum ließ seh'n:
Nun will ich diesen Traum erzähl'n,
Recht Euern Herzen zu empfehl'n,
Wie Minn' im Traum mich hat ergötzt;
Und wollt ihr wissen nun zuletzt,
Wie ich will nennen das Gedicht,
Von dem der Anfang hier geschieht?
S' ist von der Rose die Geschichte, –
Wo Künst' der Minn' ich all' berichte.
Der Stoff ist neu und gut daran. –
Gott geb', daß dies nun leiden kann
Sie, der zu Lieb' ich es erdacht;
Sie hat so hohe Ehr' und Macht,
Hat sich der Lieb' so werth erweist,
Daß sie mit Recht die Rose heißt.
Mir scheint's, als wenn es länger wär',
Doch mind'stens ist's fünf Jahre her;
Im Wonnemond' war's, da träumte ich –
In jener Lustzeit, wonniglich,
Wo freudetrunken jeder Staub,
Wo neu sich decken will mit Laub
Ein jeder Busch, ein jeder Zaun –
Wo Nichts Du schmucklos magst erschau'n:
Die Bäume decken auf ihr Grün,
Das durch den Winter welk erschien;
Die Erd' erhebt sich selbst, ergötzt
Vom Thaue, der sie nun benetzt,
Wo bald die Armuth sie vergißt,
In der den Winter lang sie ist.
So eitel wird die alte Erd', Daß sie ein neu Gewand begehrt.
Sie putzt und schmückt ihr Kleid so sehr,
Daß hundert Farben d'rauf und mehr,
Und indisch' persisch Kraut und Blum' –
Von manch' verschied'nem Färbethum'.
Ich meine, dieses ist das Kleid,
Deß' sich die Erd' am meisten freut.
Und dem Gevögel, das nicht sang
Die herbe Winterkälte lang,
In jener Zeit so arg und trüb';
Dem wird der Wonnemond gar lieb!
Sie zeigen lustig im Gesang,
Wie ihnen Freud' das Herz durchdrang,
Daß nun mit Macht ertönt ihr Schall.
Dort singt gar schön die Nachtigall,
Hier hört man anderes Geräusch,
Und dorten quält sich mit Gekreisch'
Die Kopflerch' und der Papagei,
Dort übt jung Volk sich, wie es sei
Recht lustig und verliebt so weit
In dieser schönen süßen Zeit;
Sehr hart muß sein, wer da nicht liebt,
Wo Lieder jedes Zweiglein giebt,
Der Vögel süßer Lustgesang
Der Brust erregt den gleichen Klang,
Wo aller Gram und Harm vorbei! –
Da träumt mir eines Nachts: es sei
So weit gerade, daß der Tag
Sich dämmernd bald erheben mag.
Vom Bette sprang' ich da behend',
Zog schnell mich an, wusch mir die Händ',
Und eine Silberangel fein
Nahm ich aus schmuckem Angelschrein,
Und fädelte die Angel ein. –
Da treibt mich's aus der Stadt, im Frei'n
Zu hören auf den Vogelsang,
Der durch die Büsche rings erklang
In dieser neuen Frühlingszeit. –
Ich klappe auf die Aermel beid'
Und schlendre fort so ganz allein
Und lausche auf die Vögelein,
Indem sich jed's zu singen müht,
Auf dem Gezweig', das rings erblüht –
Leichtmüthig, wonnevoll und froh.
Zu einem Bach gelang' ich so,
Den ich allda nun rauschen hör' –
Und schöner wüßt' ich's nirgends mehr
Als hier an dieses Baches Rand'
Von einem Hügel, der da stand,
Kam viel des Wassers mit Gewalt
Hell, rauschend und so kühlich kalt,
Wie'n Springquell oder Born zu seh'n,
Viel kleiner wohl nicht als die Seine –
Jedoch viel breiter noch ist die: –
Gesehen hab' ich nun noch nie,
Ein Wasser, das so herrlich floß.
So reizt' es mich und ich genoß
Noch länger diesen schönen Platz.
Des Wassers leuchtend heller Schatz
Mir meinen Muth erfrischt, erweckt; –
Und wohl beschützt und wohl bedeckt
Rinnt fort der Wasserquell im Gries.
Die Wiese schön und räumig, ließ
Nicht ab von dieses Baches Rand.
Gar schön und hell und heiter stand
Der Morgen sanft gemäßigt da.
Ich geh' nun, jener Wiese nah,
Die um die Ufer rings sich zieht
Zu der das schöne Wasser flieht.
1. Scipio, den Cicero zum Träger und Helden seiner philosophischen Phantasie gemacht hat, die unter dem Titel: somnium Scipionis(Traum des Scipio) bekannt ist.
Der Liebende spricht und redet da
Von sieben Bildern, die er sah:
Gemäld' an eines Haines Wand,
Die er für gut zu deuten fand,
Wie jed's gestaltet, wem es gleich',
Die Namen hört Ihr alsogleich:
Das erste Bild, das da man fand,
Dasselbe war der Hass benannt.
Ich war gegangen noch nicht weit,
Sah einen Hain ich, groß und breit,
Rings um ging einer Mauer Lauf –
Ein Bildniß war davor, und drauf
Gegraben auch viel manche Zeil':
Gemäld' und Bilder eine Weil'
Bewundr' ich gern da nach Gebühr.
Und Euch erzähl' und schreib' ich hier
Die Deutung dieser Bilder hin,
Wie sie mir kommen in den Sinn.
Haß.
In ihrer Mitte stand der Haß,
Der jedem Zorn' und Aerger was
Ein Gründer allem Anschein' nach:
Ingrimmig und gar zänkisch jach. –
Von arger Falschheit und Verrath
Dies Bildniß mir den Anschein hat.
Es war nicht allzuwohl geschmückt
Auch schien es etwas wild verrückt,
Und wild und rauh war sein Gesicht,
Die Nase grimm' emporgericht't.
Von großem Graus' ward es bedeckt,
Und war auch eben so versteckt
Von einem Schleier grausig wild.
Verrätherei.
Von gleicher Art ein ander Bild
Sah' ich zur Linken neben ihm,
Am Haupte stand der Name ihm:
Es war benannt: Verrätherei.
Schurkerei.
Ein Bildniß, welches Schurkerei
Von Namen hieß – stand rechter Hand,
Das ich von gleichem Wesen fand
Und an Gestalt auch glich es ihm:
Schien gar ein übeles Gethüm.
Voll Hochmuth war's und Zanksucht schon
Und übelredend und voll Hohn:
Zum Malen schickt es leicht sich an
Für den, der Bilder machen kann.
Es schien dies gar ein übel Ding
Voll Leid's und Streitens nicht gering.
Ein Weib, geneigt nicht allzusehr
Zu leisten die gebühr'nde Ehr.
Habsucht.
Dann war die Habsucht aufgehängt:
Das ist die, die uns Leute drängt,
Daß Jed's gern nimmt, doch Kein's gern giebt,
Die jeden Schatz zu sammeln liebt.
Das ist die, die zu Zinsen schier
Die Hände streckt aus großer Gier,
Zu sammeln was da gilt und gleißt:
Das ist die, die da stehlen heißt
Die Räuber und das Diebgesind'. –
Zu großem Jammer, großer Sünd'
Streckt sie die Hand am Ende aus.
Es ist die, die des Andern Haus
Bestiehlt, beraubet und betrügt,
Und ihn beschummelt und belügt.
Es ist dieselbe, die gar sehr
Mehrt der Betrüger großes Heer,
Daß oft wohl ihrer Kniffe Brauch
Den Wittwen und den Waisen auch
Ihr gutes Erbe ganz benimmt.
Verzwicket waren und gekrümmt
An selbem Bilde auch die Händ' –
Gar recht: weil Habsucht immer brennt,
Zu nehmen, wo sie Fremdes kriegt.
Habsucht gedenkt an Andres nicht,
Als zu ergattern fremdes Gut:
Habsucht ist Fremdem gar zu gut.
Geiz.
Ein andres Bildniß saß zur Zeit
Da mit der Habsucht Seit' an Seit':
Und Geiz war dieses zubenannt:
Gar schmutzig, widerwärtig stand
Dies Bild und mager und gar übel,
Und grünlich gelb wie eine Zwiebel.
Es war so gänzlich farbebar,
Daß mir es schien, als siech' es gar.
Es schien ein ganz verhungert Ding,
Das stets sich nur an Brod verfing',
Aus Sauerteig geknetet fest. –
Und außer dieser Dürrheit läßt
Ganz dürft'ge Tracht es sehen jetzt:
Ein Wamms, zerrissen und zerfetzt,
Als wie zerzerrt von Hunden gar –
So abgetragen schlecht es war.
Dran hing gar manches alte Stück.
Ein Umwurf hing ihm in's Genick
An einem Stab', gar klein zu schau'n.
Der Kutte Farbe, die war braun –
Am Umwurf' war kein' gute Falt',
Von schlechtem Zeuge arm und alt
Von schwarzen Lämmern, schlecht und krank:
Er dient' wohl zwanzig Jahre lang.
Es drängt sich eben nicht der Geiz
Zu Ankauf eines neuen Kleid's.
Denn wißt: das Kleid gar hoch ihm daucht,
So daß er's keineswegs gebraucht;
Denn würde vom Gebrauch es schlecht,
Dem Geize großen Kummer brächt'
Bedürfniß einer neuen Tracht,
Die nur für Geld würd' ihm gemacht.
Geiz hält 'nen Beutel in der Hand,
Den er jedoch gar sorglich band,
Und so verborgen bei sich hält,
Daß es lang' währt und schwer ihm fällt,
Eh' denn daraus er Etwas kriegt –
Doch wird ihm dies auch nöthig nicht.
Er ging ja von dem Sinn' nicht aus, Zu nehmen Etwas je heraus.
Neid.
Dann gab es da das Bildnis Neid,
Der nie gelacht sein' Lebenszeit –
Den Nichts niemalen hat erfreut,
Als wo er Schaden oder Leid
Gesehn hat oder hat gehört;
Und Nichts Gefallen ihm gewährt
Als fehlgeschlagnes, übles Glück –
Und wenn er sieht groß' Mißgeschick
Einbrechen auf den braven Mann,
Das macht ihm großen Spaß alsdann.
Zu froh nur ist sein arger Muth,
Sieht ein Geschlecht von hohem Blut'
Er fallen und zu Schanden geh'n.
Doch sieht er Wen zu Ehr' ersteh'n
Durch hohen Geist und hohe Kraft –
Das ist was größtes Leid ihm schafft.
Denn wisset, daß ihm's schlecht gefällt,
Wenn Etwas gut geht auf der Welt.
Neid ist von solcher Grausamkeit,
Daß er nicht hegen kann Mitleid
Nicht für Genossen, noch Gefährt'.
Und kein Verwandter ihm gehört,
Dem er nicht stets verfeindet blieb';
Denn sicherlich ist's ihm nicht lieb,
Glückt's wem – und wenn's sein Vater wär'.
Doch wisset, daß nur allzuschwer
Und stark er führt die Bosheit aus.
Es macht ihm gar zu großes Graus
Und Leid, wenn wer was Gutes hat,
Was Kleines nur, das er nicht hat.
Sein schlecht' Herz zwickt und quält ihn recht,
So daß es Gott und Menschen rächt.
Der Neid versäumet keine Stund',
Der Welt zu bringen eine Wund'.
Ich wähne, daß er selbst nicht schätzt
Den Klügsten, den es giebt alljetzt
Diesseits der See, jenseits der See –
Dem er nicht Flecken anersäh'; –
Und wäre der auch noch so weis',
Daß er ihm könnt' um keinen Preis
Was Abbruch thun – doch sicherlich
Thät' er alsdann Genüge sich,
Zu schmälern seine Würdigung
Doch mindestens mit seiner Zung'.
Ich sah dem Neid auf dem Gemäld'
Gar schlechten Anblick auch gewählt:
Er blickte gar nicht anders mehr
Als gänzlich schielend schief und quer.
Die üble Sitte ließ ihn nicht,
Daß er hätt' können sein Gesicht
Auf Etwas lenken grader Weis' –
Stets schloß ein Auge er mit Fleiß,
Das er vor Groll und Gall' verzwickt,
Sobald er Einen wo erblickt,
Der schön und würdig ist bestellt;
Geliebt, gelobet von der Welt.
Trübsinn.
Und ganz dem Neide nahe stand
Trübsinn gemalet an die Wand.
Man sah's an seiner Farb' genug,
Daß er im Herzen Trauer trug,
Gelbsucht schien er zu haben gar,
Dagegen selbst der Geiz nichts war
An Blässe und an Magerkeit;
Denn Kummer, Sorge und viel Leid
Und Qual und Aergerniß dazu
Ließ ihn nicht Tag noch Nacht in Ruh.
Das hatte Gelbsucht ihm gebracht
Und bleich und mager ihn gemacht.
Fürwahr in solcher Peinigung
In solcher Herzens-Aufregung
Scheint mir es, war noch nie ein Mann.
Ich wähn' auch, daß nie Einer kann
Das minder thun, was ihm behagt,
Daß er zu flieh'n nicht mal mehr wagt,
Zu widersteh'n auf keine Art
Dem Kampf, der ihm im Herzen ward.
Zu sehr schon war sein Herz gerührt,
Der Kampf zu lang' schon fortgeführt.
Gar leidend schien er da zu sein,
Als wär's ihm nie gefallen ein,
Je aufzuheitern sein Gesicht.
Auch war sein Rock zum Besten nicht,
Am Aermel hatt' er Löcher gar,
Wie Ein's, das viel in Jammer war.
Sein Haar das war verworren viel,
Wie's auf den Nacken niederfiel,
So wie es Ingrimm, leidbewegt,
Und übel Loos zu haben pflegt.
Auch wiss't wohl und wahrhaftiglich,
Daß er geweint hat bitterlich:
Wär' Keiner, der ihn hätt' geseh'n, Dem er nicht thät' zu Herzen geh'n,
Wie er sich selber rauft' und krallt'
Und seine Fäust' zusammenballt',
Wohl war zum Streite aufgeregt
Er jammervoll und leidbewegt.
Nichts ist, das ihm zur Freude dien',
Nicht trösten, stimmen kann man ihn.
Denn wem es trüb' um's Herze ist,
Der hat nicht, sehet zu und wißt,
Zu Tanze Lust und Narrethei'n;
Auch lässet nimmermehr sich ein,
Wer steht im Kampf' – mit Lust und Freud';
Zuwider sind sich Lust und Streit.
Alter.
Dann war das Alter aufgestellt,
Das etwas sich dahinter hält,
So wie es thut gemeiniglich:
Kaum aufrecht halten konnt' es sich
So was gebrechlich es und alt.
Ganz war verkommen die Gestalt,
Und häßlich, allen Schmucks beraubt.
'Ne Glatze war sein ganzes Haupt
Und weiß, als stünd's in Blüthe grad'; –
Es wär' darum nicht allzu Schad',
Sein Tod wär' grad' kein schlimmer Fall:
Verdorret sind die Sehnen all'
Vor Alter und Kraftlosigkeit,
Und seine Stärke, – vor der Zeit
Wohl voll und gut – ist jetzt zunicht.
Von Runzeln voll ist sein Gesicht.
Die Augen sind bedeckt mit Moos,
Der Mund ist längst der Zähne blos.
Da ist kein einz'ger mehr darin;
So sehr ist es vor Alter hin,
Daß schon es nicht mal mehr die Spann'
Von vieren Klaftern gehen kann.
Die Zeit, die fortgeht Tag und Nacht,
Und nimmer Aufenthalt sich macht,
Und die da von uns geht und schleicht,
So unvermerkt, daß leicht es däucht,
Sie bliebe steh'n auf einem Fleck' –
Und bleibt doch nie auf einem Fleck',
Und die nie aufhört fortzugeh'n,
So daß doch nimmer Einer wähn' –
Daß dies die gegenwärt'ge Zeit;
Fragt Ihr die Schriftgelehrsamkeit,
So ist die Zeit, indem ihr's denkt
Dreimal bereits davon gedrängt –
Die Zeit, die nimmer mehr einspricht,
Geht allsofort und kehret nicht,
Wie Wasser, welches ewig fließt
Und keinen Tropfen rückwärts gießt.
Die Zeit, vor der Nichts dauernd harrt,
Sei's Stahl auch oder noch so hart –
Die Alles aufzehrt und besiegt,
Die Zeit, die Alles weiter fügt,
Die Alles wachsen läßt und nährt –
Und Alles aufbraucht und verzehrt;
Die unsre Väter altern ließ. –
Und selbst die Kön'ge altern hieß,
Und die uns All' in's Alter zwingt,
Bis wo der Tod uns weiter bringt; –
Die Zeit hat Völker in Gewalt
Und macht das Alter selber alt
Und hart, daß auch an Hülfe gar
Mit keinem Wort zu denken war;
Zur Kindheit kehrt es so zurück,
Denn sicher hatt's nicht mehr Geschick –
So wähn' ich – noch Sinn und Gewalt,
Als wie ein Kind, zween Jahre alt.
Indeß nach meinem Sinn' und Fug'
War edel einst es wohl und klug –
Als es in besten Jahren stand –
Jetzt, wähn' ich, war es ohn' Verstand
Und ganz verkommen war es jetzt.
Ein Kragenmantel wohlbesetzt
Bedeckte enge ihm den Leib,
Wenn ich's noch richtig weiß und schreib':
Es war bekleidet warm und gut –
Dieweil es sonst zu kalt ihm thut.
Denn warm sind Alte wenig nur:
Das, wisset wohl, ist die Natur.
Heuchelei.
Gemalt war noch ein Bild dabei,
Es schien, daß dies voll Tücke sei,
Die Heuchelei, das ist sein Nam',
Die ist's, die in verstecktem Kram' –
Wenn Niemand sein kann auf der Hut,
Nicht zaudert, und gar Arges thut –
Dehmüthig-einfach, frömmelnd gar
Thut sie, sobald es offenbar –
Und scheint ein Wesen herrlich recht;
Doch unter'm Mond' ist Nichts so schlecht
Das sie nicht leicht in Anschlag nähm',
Das Bild hier gleichet gänzlich dem,
Und ist nach Aehnlichkeit gemacht,
Die niedre Haltung ist bedacht –
Ganz so bekleidet und beschmuzt,
Als wie die Sage selbst es putzt.
Ein Psalmbuch hielt sie in der Hand,
Und wißt, daß sie sich unterwand,
Zu thun, als wenn zu Gott sie fleh'
Und allen Heil'gen in der Höh'.
Sie kann nicht froh noch heiter sein,
Giebt sich gedankenvollen Schein,
Als denk' sie nur an Frömmigkeit. –
So trug sie auch ein hären Kleid;
Und wißt, sie war nicht eben dick;
Vom Fasten, schien's, kam sie zurück,
Von Farbe war sie bleich und todt; –
Des Himmelsgartens Eingang bot
Sich ihr und all' den Ihren nie;
Denn ganz mit Fleiß entstell'n sich die, –
So sagt die Heils-Urkund' uns schon –
Zu haben vor der Welt den Lohn
Und vor der Welt den guten Schein;
Doch Gott läßt dieses nimmer sein.
Dürftigkeit.
Zuletzt war da ein Bild gestellt:
Armuth, die keinen Pfennig Geld
Besitzt, – und gält's das Hängen ihr –
Ihr Kleid sogar verkauft sie schier;
Daß sie so nackt war als ihr Glück.
Wär' etwas noch die Zeit zurück,
Ich wähn', sie wär' erfror'n fürwahr,
Nur eine alte Hülle war,
Mit alten Lumpen Fleck an Fleck,
Ihr einz'ger Rock und ihre Deck'.
Kaum konnte sie verhüllen sich.
Da gab's zu zittern sicherlich.
Sie stand von Jenen etwas weit –
So steht ein schäbiger Hund zur Seit', –
Und so verkroch sie sich dabei.
Ein armes Ding, wo es auch sei
Trägt immer der Verachtung Wucht,
Und jede Stunde sei verflucht,
Die einen Armen mehr gebährt,
Denn solcher wird nie recht ernährt,
Nie gut gekleidet, wohl verseh'n,
Geliebt, gestützt durch irgend wen.
Die Bilder sah gar wohl ich an,
Die, wie ich wohl gemerket ha'n,
Von Gold und blauem Edelstein',
Die ganze Mauer nahmen ein.
Viereckig war die Mau'r, und groß
Und wohl verwahrt mit festem Schloß;
Anstatt der Hecken war ein Hain,
Da kam kein Schäfer je hinein.
Der Hain, der stand gar schön und hold,
So daß ich hätt' hinein gewollt
Durch Leitern oder Steiggerüst' –
Hinein trug ich gar groß Gelüst'.
Denn solche Wonne zu erseh'n
Gelang noch Keinem, wie ich wähn',
Als es in diesem Haine hat.
Da ist den Vöglein ihre Statt,
Ganz ohne Scheu und ohne Schreck.
Es gab auch niemals reichern Fleck
An Bäumen und an Vogelsang,
Der noch dreimal so viel erklang,
Als sonst im ganzen Frankenland;
Den Einklang gar sehr lieblich fand
Von ihren Lauten jedes Ohr –
Die Hügel lauschten selbst empor; –
Ich lauschte auch von Freud' empor
So lange sie vernahm mein Ohr.
Ich nähm' fürwahr nicht vieles Geld, –
Wenn mir der Eingang offenständ, –
Und ich nicht sollte sehen hie,
Wer drinnen war (Gott segne sie!):
Die Vogelschaar, die drinnen sprang,
Und da wohl wechselweise sang –
Die Liebetänz' und Deutelei'n,
Gefällig, artig, zierlich, fein.
Wie ich die Vöglein singen hör',
Fass't mich wohl mächtig das Begehr,
Durch welche Kunst und welche List
Der Garten zu betreten ist? –
Und wisset, daß ich nirgend da
Mir Zugang wußte oder sah,
Und keine Stell' des Eintritts hier. –
Kein Sterbens Mensch auch war, der mir
Was zeigte – ich war ganz allein –
Und litt gar viele Sorg' und Pein.
Zu diesem End' auch kam mir bei,
Daß niemals noch gewesen sei
So schöner Garten ohne Thür
Ohn' Leitern oder Trepp' dafür.
Und Ungeduld erfaßt mich gleich –
Ich ging herum um den Bereich
Des ganzen Vierecks, um die Wand,
Bis ich ein kleines Thürlein fand,
Gar wohl verwahrt und eng' und klein –
Wo anders kam man nicht hinein –
Dagegen richt' ich nun die Schläg',
Denn nimmer war ein andrer Weg.
Wie jetzt Frau Musse so viel that,
Dass sie die Thür geöffnet hat.
Ich schlug und stieß und im Verlauf'
Horcht' ich wohl manchmal wieder auf,
Ob denn gar Niemand hier zur Hand?`
Das Thürlein, das gar lockend stand,
Thät' auf ein edel' Mägdelein,
Das gar sehr lieblich war und fein.
Das Haar so gelb, wie Goldlack schaut,
So zart wie'n Küchlein war die Haut,
Stirn hell – gewölbt die Lider fein,
Die Augenwimpern war'n nicht klein,
Auch war sie ziemlich groß von Maß,
Und wohl gefallen mag die Nas' –
Ihr glänzt das Aug' wie keinem Falken
Zum Neid' und Aerger jedem Schalken.
Ihr Athem würzig war und süß,
Das Antlitz schön gefärbt sich wieß.
Der Mund, der war gar zierlich fein,
Sie hatt' am Kinn' ein Grübchen klein;
Am Hals von gutem Ebenmaß',
Den voll und üppig sie besaß,
Kein Bläschen, keine Warze war –
Und bis Jerusalem fürwahr,
Hatt' einen schöner'n Nacken Kein',
Der so sich zeigte glatt und rein.
Und ihre Haut war glänzend weiß,
Als unterm Zweig' gereiftes Eis,
Das erst gefallen frisch und neu:
Die Brust war wohlgestalt't und frei –
So schönen Weibes Busen fand
Wohl Keiner je in keinem Land'.
Ein schmuckreich Mützchen deckt die Stirn –
So hat es nirgends eine Dirn',
So hübsch und gar so wohl gemacht,
Auch war so schön es angebracht,
Wie all' mein' Lebtag nie ich's schaut'.
Der Rock lag wohl geschnürt und traut.
Ein Kranz von frischen Rosen hing
Auf des gestickten Mützchens Ring',
Ein'n Spiegel hielt sie in der Hand,
Indem das Haar ein Kamm verband,
Der war auf ihrem Haupt gar weit,
Gar passend und gar schön und breit.
Gestickt war'n beide Aermel reich,
Und daß die Hand blieb weiß und weich,
In weißen Handschuh'n sie erschien,
Das Kleid, das war von reichem Grün'
Mit Stickereien schön vollbracht,
Es schien aus ihrer ganzen Tracht,
Daß sie wohl litte wenig Noth;
So war sie anzuschauen roth
Und wohlgeschmückt; und gut gekleid't
Hatt' sie verlebt die Lebenszeit.
In Wonnezeit und Wonnemond
Hat keine Sorg' ihr beigewohnt
Um irgend was, als ganz allein:
Wie sie recht wohl geschmückt erschein'.
Nachdem die schmucke Magd mir hier
Geöffnet alsobald die Thür,
Bedankt ich mich gar süß alhie,
Und fragte sie alsbald auch, wie
Ihr Namen hieß', und wer sie wär'?
Auch war nicht spröd' sie dem Begehr'
Und gönnte Antwort meinem Gruße:
Genennet werd' alhier ich Muße –
Sprach sie, von Jedem, der mich nennt;
Reich, mächtig bin ich, wohl bekennt;
Ich nehm' zu Allem gute Zeit –
Denn an Nichts denk' ich weit und breit,
Als wie ich mich erfreu' und pflege
Und Kamm und Haar zurechte lege,
Wenn ich gekämmt und schon gemacht,
So ist mein Tagwerk auch vollbracht.
Ich bin vertraut und hold und gut
Dem lieblich hübschen Wohlgemuth.
Denn dieser Hain wird sein genannt,
Und aus dem Sarazenenland',
Hat die Gewächs' er holen la'n,
Und sie im Hain' gepflanzet an.
Und als die Bäume er gesetzt,
Ließ er die Mauer, die Ihr jetzt
Erblickt, errichten rings umher
Und ließ bemalen sie nachher
Mit Bildern, die nun an ihr steh'n,
Nicht lieblich freilich oder schön,
Vielmehr trübselig in der That,
Wie Ihr sie vorher selber saht. –
Oft kommt zu Schattens Hochgenuss'
An diesen Ort in den Verschluß
Herr Wohlgemuth und seine Leut',
Die sind voll Lust und Fröhlichkeit.
Auch jetzt ist sicherlich darin
Herr Wohlgemuth und horchet hin
Auf Wettgesang der Nachtigall'n
Mit Lerchen und den Vögeln all'n.
Erholung pflegt und Lust er dort
Mit dem Gefolg', denn schönrer Ort,
Und schönren Stelle sich zu freu'n,
Die könnte nirgend mehr wohl sein.
Die schönsten Leut', das wisset nur,
Die je Ihr seht auf einer Flur,
Sind zur Gesellschaft ihm erkürt,
Bei der er weilet und sie führt.
Als Muße dessen mich belehrt,
Und Alles ich gar wohl gehört,
Da sagte ich: Frau Muße seid
Mir schwierig darum nicht zur Zeit:
Wenn Wohlgemuth auch frohbegnügt
Mit seinem Troß sich hier vergnügt
Im Hain, sei die Gesellschaft schier
Wenn's möglich, nicht entzogen mir,
Daß ich sie mag vor Nacht noch seh'n,
Mich drängt's danach, dieweil ich wähn',
Daß die Genossenschaft gar fein
Und schön und höflich werde sein.
Ich trat ein, und sprach Nichts zuvor,
Wo Muße aufgemacht das Thor.
Und kaum daß ich am Haine war
So war ich froh und lustig gar.
Und wißt, ich wähnt', mir sei bescheert
Der Himmelgarten auf der Erd':
Der Ort, so trefflich fand ich ihn,
Daß er mir himmlisch gar erschien;
Denn so viel jetzt ich Kunde hab':
In keinem Himmelgarten gab
Es solche Lust, als im Gewühl'
Des Haines, der mir so gefiel.
Genug gab's da von Vogelsang
Den ganzen großen Hain entlang;
Der dort voll Nachtigallen war
Und hier voll Elstern oder Staar' –
Da gab es ganze Schul'n und Spiel',
Zaunkön'ge, Turteltauben viel',
Stieglitze, Schwalben allzumal,
Kopflerchen, Meisen ohne Zahl,
Feldlerchen waren da gemein,
Die mit den andren sich erfreu'n,
Nach Lust zu singen und Gebühr,
Und Amseln, Haidelerchen schier,
Wettstreitend da zu überschrei'n
Den Sang der andern Vögelein,
Auch Papageien gab es dort,
Und viele noch die an dem Ort,
In dem Gehölze, wo sie weil'n,
Gar schön zu singen sich beeil'n.
Sie machten trefflich ihre Sach',
Wie ich's Euch zeige allgemach.
Die Vögel sangen all' so schön,
Als wär'n sie aus des Himmels Höhn.
Wißt, daß der Anblick, wie ichs hörte,
Mir lange Zeit viel Lust gewährte,
Wohl war so schön die Weise, wie
Kein Sterblicher sie hörte nie.
So schön und süß war dieser Klang,
Daß er nicht schien nur Vogelsang.
Man könnte achten ihn für wahr
Als wie von der Seereinenschaar1
Die nach dem reinen Sang' zur Hand
Seereinen man hat zu genannt.
Die Vögel war'n mit Fleiß gekehrt
Zum Singen, d'rin sie wohl gelehrt,
Und wahrlich nicht ohn' Kunst im Sang',
Und wißt, als ich gehört den Klang,
Geseh'n das Grüne in dem Hain',
Da mocht ich wohl gar fröhlich sein;
Nie hatt' ich noch so große Freud'
Im Leben, als zu dieser Zeit,
Und von der Lust so hoch ergötzt
War ich gar voll von Wonne jetzt.
Da seh' ich wohl und weiß es gut
Was mir Frau Muße Liebes thut.
Daß, ihrer Freunde Göttin, sie
Versetzt mich in die Wonne hie,
Indem sie aufgeschlossen mir
Des laub'gen Haines enge Thür.
Und was gethan ich da sogleich,
Weiß ich's noch wohl, so sag' ich's Euch.
Zuerst, was Wohlgemuth wohl that,
Und was für Dienerschaft er hatt',
Sag' ich Euch jetzt ohn' viel Geschrei.
Und all' die Gärten nach der Reih',
Und ihre Bildung künd' ich dann.
Da nicht zugleich ich Alles kann,
Will nach der Reihe ich's erzähl'n,
Daß Niemand wisse, drum zu schmähl'n.
Gar großen Dienst, und süß und lieb
Zuvörderst dies Gevögel trieb.
Denn Lieb'- und Minnesänge stets
Sang seinem Schnabel nach ein Jed's,
Das Eine hoch, das And're tief,
Was nur die Lust zu Tage rief. –
Die süße Weise und die Lust
Gab keine kleine Wund' der Brust,
Doch als ein Weilchen ich gehört
Den Saug hab ich mich weggekehrt,
Den Herren selber sehn zu gehn.
Denn gut zu kennen wünscht' ich den,
Sein ganz Betragen, seinen Sinn;
Da ging ich denn zur Rechten hin,
Auf einem Nebengange jetzt,
Mit Münz' und Fenchel dicht besetzt.
Auch traf Herrn Wohlgemuth ich da
In einer Laub', und ziemlich nah
Ging ich zur Stelle, wo er saß,
Daselbst ergötzte er sich baß;
Es war'n bei ihm gar schöne Leut',
Sie sehend, wüßt' ich nicht bescheid,
Wo doch so schöne Leute her
Gekommen, denn es schien, als wär'
Das eine Flügelengelschaar,
So schön sah's Keiner, der je war.
1. Nur so wüßte ich mir das seltsame Wortspiel des alten Dichters mit seraines und Seraines (wie er die Sirenen nennt) wieder zu geben, indem ich auch im Deutschen nach Beispiel älterer Dichter (z.B. Fischarts Don Kühschote) das griechische Wort zu deutschem Anklang entstelle.
Fährmann.
Hier nennt der Liebende Fröhlichkeit,
Das ist 'ne Frau, die führt ohn' Leid
Den Reigen, ausgelassen ganz. –
Und diese führte nun den Tanz.
Die Leute, die ich jetzt genannt,
Die war'n zum Reigen grad' gewandt.
Und eine Frau sang ihnen heut –
Dieselbige hieß Freudigkeit –
Gar süß und schön sie das verstand,
Und wohl wie Keine so gewandt,
Wie Keine mit so schönem Klang' –
Es war ein Wunder, wie sie sang!
Wie hell die Stimm' und laut so recht,
Und nicht im Allermind'sten schlecht.
Zu schlagen wußte sie das Maß
Mit ihrem Fuße, wo sie saß –
Sie war gewohnt, zu sein schon lang
An jedem Ort' die Erst' im Sang'
Denn Singen das war so ihr Fach,
Das trieb sie gerne und gemach.
Dann sah den Reigen ziehen ich,
Die Leute schwenken wonniglich,
Und ziehen manches schöne Rund,
Manch schönen Gang auf grünem Grund'.
Dann sah ich Pfeifenbläser, ja,
Auch Harfner, Tausendkünstler da.
Die Einen sangen Rundgesäng',
Die Andren lotharing'sche Kläng' –
Auch gab es Tänzerinnen und
Auch Beckenschlägerinnen rund,
Die wußten gar zu spielen schön,
Und ließen gar nicht das Getön
Der Becken, daß es stimmte gar
Zugleich, und fehlt' auch nie ein Haar.
Zwei Mädchen, niedlich und gewandt,
In bloßem einfachen Gewand' –
Die führten einen Reigen an
Und ließen den Herrn artig dann
Den Kegel in dem Reigen sein –
Doch davon spricht es sich nicht fein.
Wie sie da schwenkten fügsam sich;
Die Eine kam gar wonniglich
Zur And'ren vor, und war'n sie nah,
Da drückten sie sich beide da
Wohl Mund an Mund, – wie ich bericht',
So küßten sie sich in's Gesicht.
Sie wußten's zu entwirr'n so wohl –
Ich weiß nicht, wie ich's malen soll
Doch nie wohl wollt' ich fort von da,
So lang' ich diese Leute sah.
Die so sich übeten mit Glanz'
In kunstvoll'm Reigen und im Tanz!
Hier gibt der Liebende Bescheid,
Was dieser Reigen wohl bedeut',
Und wie die Adlichkeit er sieht,
Die ihn aus Freundschaft zu sich zieht,
Und die die Weise ganz ihm zeigt,
In welcher sich der Reigen neigt.
Den Reigen dort nun, wie er war,
Beschaut' ich mir, so lang' bis gar
Ein Fräulein, schön und wohl gemeit,
Mich aufgeweckt – die Adlichkeit –
Die stark und zierlich auch. Bewahr'
Dich Gott vor Schaden immerdar! –
Sprach Adlichkeit, wie sie mich sah:
»Nun, guter Freund, was macht Ihr da?«
Spricht Adlichkeit – »so kommt doch näh'r
Und in den Reigen mit hierher,
Hier neben uns, wenn's Euch gefällt.«
Und ohne Zaudern unverstellt
Trat in den Reigen ich nun ein,
Und thät mich dessen sehr erfreun.
Doch wißt, wie ich mich sehr ergetzt,
Daß Adlichkeit mir zugesetzt,
Auffordernd mich zum Tanz mit ihr;
Doch trug zum Tanz ich nicht Begier,
Um keinen Preis nur wagt' ich mich;
Doch macht' ich flugs an's Ansehn mich
Der Reigen, Runde, Gäng' und Kreis',
Des ganzen Tanzes Art und Weis'.
Und aller dieser Tänzer Schaaren,
Die nenn' ich jetzt Euch, wer sie waren:
Herr Wohlgemuth war schön und werth,
Nie möcht' ich schau'n mehr auf der Erd' –
Und nirgends fändet Schöner'n Ihr:
Das Antlitz war wie'n Apfel schier,
So roth und weiß in schönem Bund',
Gar zierlich war es, schön und rund.
Die Augen licht – Mund süß – davon
Stieg hoch und frei die Nas' empor. –
Blond war das Haar und lockig viel
Von Schultern auf die Knie' es fiel,
Und um den Gurt geringelt mild,
Es schien das Ganz' als wie ein Bild;
So war er schön und wohl gefügt,
An allen Gliedern wohl geschmiegt,
Sie waren schwellend, leicht und schnell,
Es lebt kein schönerer Gesell.
Er hat nicht Schnauz- – noch Backenbart,
Kein Zwickelbärtchen keiner Art
Wie's wohl so jungem Burschen ließe,
Mit Stickerei in Sammetfrieße,
Mit Vöglein drauf in Gold gemalt
Sein ganz Gewand gar köstlich stralt.
Es war sein Umrock, wohl umhüllt,
Mit reichlichem Besatz' erfüllt;
Mit Schmuck besetzet drüberhin –
Die Schuh' von einer Meisterin,
Sie war'n mit Schnüren wohl verseh'n,
Aus Gunst und Freundschaft war's gescheh'n,
Daß eine Traut' ihm wand zum Glanz
Von Rosen einen schönen Kranz.
Mißt Ihr, von welcher Traut' es kam?
Frau Heiter, die ihm gar nicht gram –
Sie tanzte heut so froh gerad,
Wie sie vor sieben Jahren that,
Als ihre Lieb' sie ihm gewährt –
Die Hand hält er ihr, lieb und werth
Die liebreich sie im Tanz ihm beut;
Sie liebten sehr sich wechselseit.
Ein Schöner war's und eine Schön',
Der jungen Rose gleich zu sehn
Und all' so zart war ihre Haut,
Daß ich sie leicht zu ritzen traut'
Mit einem ganz, ganz kleinen Dorn' –
Glatt, weiß und rein die Stirne vorn,
Gewölbt und braun die Augenbrau'n,
Die Augen groß, und so zu schaun,
Daß stets sie lachten, ehe noch
Der Mund es that – der's wollte doch.
Und von der Nas', was sag ich jetzt,
Daß sie kein Wachs so fein ersetzt!
Ganz, ganz klein war ihr Mund, es scheint,
Zum Kuss' gemacht für ihren Freund.
Das Haupt stieg blond und licht empor.
Was schwatz' ich Euch noch lange vor?
Sie war gar schön und wohl geschmückt,
Die Kleider reich mit Gold gestickt. –
Sie hat 'nen Hut, 'nen schönen neu'n,1
Ich sähe zwanzig wohl und neun,2
Doch niemals hab' ich noch gesehn,
Ein'n Hut so schön von Seide stehn.
Und eine Kante, gülden ganz,
Erhöh'te ihres Kleides Glanz,
Vom selben Stoff' wie Sein's, jedoch
War's wohl viel malen schöner noch!
1.Nuef, neu und nuef, neun.
2.Nuef, neu und nuef, neun.
Hier sagt der Liebende geschickt,
Mit was der Gott der Lieb' geschmückt.
An sie schloß sich auf einer Seit'
Der Gott der Lieb' – der da gebeut
Den Minnegöttern, wenn er spricht.
Der hält den Liebenden Gericht,
Der dämpft der Leute Stolz fürwahr,
Und Herren werden Knechte gar,
Und Mägdlein werden Mägde dann,
Trifft zu hoffärtig er sie an.
Der Gott der Lieb' von Ansehn glich
Nicht einem Büblein sicherlich.
An Schönheit war er wohl gemeit,
Jedoch zu schließen nach dem Kleid',
Fürcht' ich, daß Manches ihm gebricht.
Sein Kleid, das war von Seiden nicht, –
Ein Kleid von Blumen ihn umschwebt,
Von Minnegöttern schön gewebt,
Mit zierem Schmuck', mit Wappenschild'
Mit Wappenvögeln, Löwenbild'
Und Pardel und noch viel' Gethier,
Das war ringsum des Rockes Zier,
Gemalt mit Blumen jeder Farb',
Mit denen er sich Schmuck erwarb.
Denn aller Blumen Weis' und Art
'Ne Auswahl hier vereinet ward;
Da wuchs wohl eine Blume kaum,
Die hier nicht wär' von Strauch und Baum' –
Nicht veilchen- und nicht himmel-blau,
Nicht roth, nicht weiß, nicht gelb, noch grau.
Manch' Rosen- und manch' Lilien-Blatt
Man auch wohl eingewebet hat.
Von Rosen deckte ihm ein Kranz
Das Haupt. Und Nachtigall'n im Tanz'
Sich flatternd um den Kopf ihm drehn,
Die Blätter zittern von dem Weh'n –
Denn Vögel waren überall –
So Papagei wie Nachtigall,
Ein Lerchen- und ein Meisen-Heer –
Es war, als wenn er 'n Engel wär',
Als kam' er aus des Himmels Mitt'.
Lieb' hatte einen Jüngling mit,
Den hatt' er immer bei der Hand,
Und Süßblick ward er zu benannt.
Er schaute zu, wie da man spielt
Und singt. Zwei türk'sche Bogen hielt
Er aber dar dem Liebegott'.
Von einem Holze war der ein',
Dess' Frucht mag wenig heilsam sein.
Und oben und auch unten schwoll
Der Bogen ganz von Buckeln voll.
Der and're war von Weidenholz',
Gar wohl geschwungen, schön und stolz,
Geglättet war er fein und licht,
Mit Gold beleget reich und dicht.
Da gab's Fraunbilder zier genug,
Und Ritter fein und schön und schmuck.
Die Bogen hielt Süßblick allda,
Der gar nicht wie ein Bub' aussah;
Mit zehen Pfeil'n beim Herrn er stand –
Fünf hielt er in der rechten Hand.
Die Feder und die Kerbe war
An den fünf Pfeilen herrlich gar –
Sie waren all' mit Gold' bespitzt,
Und haarscharf war'n sie zugespitzt,
Um durch und durch zu dringen ein;
Dran thät nicht Stahl noch Eisen sein;
Da hatt' es Nichts, als Gold daran,
Nur grad' die Federn und die Spann':
Da war'n die bärt'gen Pfeil' von Gold'
Hineingefügt und eingerollt.
Der best' und schnellste zum Gebrauch
Von diesen Pfeil'n – der schönste auch –
Und welchem auch am schönsten ließ
Der Schmuck der Feder – Schönheithieß. –
Der zweit' – am Mindsten macht er wund,
Hieß Einfachheit, das ward mir kund,
Und Unbefangenheit genannt
War einer noch, um den sich wand
Als Feder Frisch' und Adlichkeit.
Ein vierter hieß Geselligkeit.
Und das war ein gesenkter Pfeil,
Nicht weit zu fliegen war sein Theil –
Doch wer nur nah ihn in sich trug,
Dem that er immer an genug.
Der fünfte – Artigkeit hieß der,
Der traf von all'n am Mindsten schwer:
Nicht, daß er groß viel Gutes macht,
Doch hat er allso huldvoll Acht –
Daß der, den dieser Pfeil verletzt
Am eignen Weh sich fast ergetzt –
Er lässt beinahe völlig heil,
Drum macht am Mind'sten Schmerz der Pfeil.
Fünf and're Pfeile trug die Link' –
Die hatten Deutung schlechter Ding' –
Und schwärzer war ihr Holz und Stahl
Als wie der Höllenteufel Zahl.
Der erste – Hoffarth nennt sich der,
Der zweite taugte nicht viel mehr,
Es war sein Name Schurkerei –
Und der war von Verrätherei
Durchzogen und mit Gift gebannt,
Der dritte aber hieß nun Schand',
Der vierte hieß Verzweiflung jetzt.
Der fünfte aber und der letzt';
Der war wohl Wahnwitz ohne Frag'.
Die fünfte war'n von einem Schlag'
Und glichen all' sich gänzlich fast.
Und ihnen auch war angepaßt,
Der eine Bogen, der war krumm,
Von Knoten voll und schief rundum;
Der mußte tragen diese Pfeil',
Denn sie war'n ganz das Gegentheil
Ohn' Zweifel von dem andren Bund'.
Ich kann nun thun nicht Alles kund
Von ihrer Stärke, ihrer Macht,
Es wird mit Wahrheit und Bedacht'
Noch Jed's erzählt – was es bedeut'
Geräth nicht in Vergessenheit.
Bevor ich meine Kunde schließ'
Bedeut' ich Euch noch alles dies.
Doch jetzt beschäftigt mich noch ganz
Jene Gesellschaft in dem Tanz'
Daß ich die Wendungen beschreibe
Und all' das Wesen und Getreibe:
Der Gott der Lieb' hat sich gekehrt
Zu einer Fraue hold und werth
Gar traulich hin zu ihr er kam,
Und Schönheit war der Frauen Nam'.
Und wider einen jeden Pfeil
Hatt' sie ein gutes Tugendtheil.
Sie war nicht dunkel, war nicht braun,
Licht war sie, wie der Mond zu schaun,
Dagegen auch die Sternelein
Erscheinen nur als Lichter klein.
Die Haut die war so fein wie Thau
Und einfach war sie wie 'ne Frau,
Die schon verlobt – wie Lilien rein –
Und ihr Gesicht war weiß und fein.
Und wie sie fein und lieblich blinkt,
War sie gesalbt nicht, noch geschminkt,
Auch hatt nicht Grund sie sicherlich,
Zu putzen, zu verstellen sich.
Das Haar war blond und war so lang,
Daß tief es zu den Fersen drang –
Schön war die Nas' und Aug' und Mund.
Mich faßte Wonn' in Herzens Grund',
So Gott mir helf' – so oft ich denk',
Wie schön jed' Glied' und jed' Gelenk;
So Schöne gab's nicht unter'm Mond.
Kurzum sie war ganz jung, ganz blond,
Herzlieblich, offen, frei und zier,
Und voll und niedlich – edel schier.
Der Liebende nennt Reichthum jetzt,
Der war gar adlich hoch gesetzt,
Doch war von solchem Hochmuth er,
Dass sich kein Armer waget her,
Weil er zurück sie scheuchen thut,
So ist auch Keiner ihm recht gut.
Bei Schönheit schritt Reichthum einher –
Das war ein Mann gar stolz und hehr,
Von großer Geltung, Macht und Werth,
Ihm und den Seinen widerfährt
Es nie, daß Wer ihm Unrecht thut;
Er war gar stolz und hochgemuth –
Und schaden, nutzen kann er weit.
Es ist von gestern nicht und heut',
Daß Reiche haben viel Gewalt
Zu Druck' und Hilfe dergestalt.
Da gibt es Nichts – hoch noch gering,
Das nicht dem Reichthum Ehre bring'.
Und Alles drängt zum Dienst sich hin,
Daß seine Neigung es gewinn'.
Und jeder nennt ihn seinen Herrn,
Denn alle Welt ja schaut ihn gern,
Die ganze Welt gewährt ihm Zoll.
Sein Tisch macht manchen Schmeichler voll,
Verräther viel, und Neider mehr,
Die da begierig hinterher,
Herabzusetzen und zu schmäh'n,
All', die sich's lassen besser gehn.
Sie trügen ihn durch Schmeichelei
Und täuschen ihn durch Heuchelei.
So streu'n sie Weihrauch mit dem Wort,
Doch all' ihr Schmeicheln sticht sofort
Von hinten bis auf's Mark geführt.
Und so ihr Lob den Werth verliert.
Denn sie entehren, die geehrt,
Und ehren wieder, die entehrt.
Manch' Wackren haben sie verklagt
Und seine Ehre abgesagt –
Die Heuchler durch die Heuchelei.
Den sie erhoben hoch und frei,
Der sollt' bescheiden abseits gehn. –
So wär'n wohl lieber nicht gesehn,
Die Schmeichler hier mit ihrem Neid',
Kein Biedermann liebt solche Leut'.
Ein Scharlachkleid hatt' Reichthum an,
Da sehet ja nicht Spott daran,
Wenn ich Euch kurz und gut bericht',
Es geb' so schön und reiches nicht
In aller Welt und das so paßt.
Mit Scharlach war's ganz überfaßt.
Geschichten hatt' es im Verlauf, –
Von Fürsten, Kön'gen Bilder drauf.
Am Halse war es zugesetzt
Mit einem Band mit Gold besetzt
Gar schön und reich – das wißt für wahr
Und an dem Gurte ringsum war
Von reichen Steinen große Zahl,
Die gaben manchen lichten Strahl.
Reichthum hatt' einen Gürtel reich
Um dieses Scharlachkleid's Bereich.
Von Steinen hatt' er eine Schnall',
Gar tugendlich und stark zumal.
Denn wer da hat den Gürtel an,
Den auch kein Gift befangen kann,
Der konnte nie vergiftet sein,
Und liebenswürdig macht der Stein.
Der ist dem Wackern mehr wohl werth
Als selbst die ganze röm'sche Erd'.
Ein Heft von andren Steinen klar
Half wohl vor aller Zahngefahr.
Und wer besitzet solchen Schatz,
Bei dem hat nie mehr Unglück Platz,
An keinem seiner Lebenstag',
Was immer ihm begegnen mag.
Mit Gold' war Alles ausgelegt,
Und all' Gewebe, gold belegt.
Sie waren groß und reich beschwert
Und allzumal viel Goldes werth.
Reichthum hatt' unter'm Kleid 'nen Ring
Von Gold' – es ward kein schöner Ding
Jemals gesehn – so viel' ich wähn',
Denn er war ganz in Gold' zu sehn.
Der müßt' ein guter Zähler sein,
Der Euch mit Namen all' die Stein', –
Wie viel' da war'n, zu zählen weiß;
Denn Niemand wüßte da den Preiß,
Den haben möchten die Gestein',
Die dort das Gold gefasset ein.
Granat, Rubin und Saphir schwer,
Perlmutter, als zehn Unzen mehr.
Doch vorn hatt' als der größte Schatz
Noch ein Karfunkel seinen Platz.
Und dieser Stein so helle macht,
Daß man zu jeder Zeit der Nacht,
Ihn völlig sieht und brauchen kann
Wohl eine ganze Meile dann.
Der Stein, der gab so reichen Schein,
Daß Reichthum stralt in Glanze fein
Im ganzen Antlitz' und Gesicht',
In Allem auch, was unten liegt.
Reichthum an seinen Händen führt
Gar schöne Fraue, huldgeziert,
Die ist sein ächtes Lieb fürwahr.
In schönem Hause immerdar
Hat diese ihren Aufenthalt
Die hält gar zierlich die Gestalt –
Auch hatte sie gar schöne Pferd',
Und hielt sie sich gewißlich werth; –
Heißt mich 'nen Mörder oder Dieb,
Wenn ihr im Stall 'ne Mähre blieb.
Drum liebt sie auch die Gunst vor all'n
Des Reichthums und sein Wohlgefall'n,
Damit sie stets 'ne sich're Statt
Für ihren großen Aufwand hat –
Auch kann er tragen wohl am Ende,
Was sie auch immerhin verschwende,
Die Thaler giebt er immer her.
Als schöpf' aus einem Speicher er.
Freigebigkeit saß hinter ihr,
Die war flink und gelehrig hier,
Daß Ehr' und Gunst sie gerne gab.
Sie stammt von Alexander ab;
Und Freude sie an nichts ersah,
Als, wenn sie sagen konnte: da!
Und Geiz, der filzige sogar
So gierig nicht um Nehmen war,
Als zum Verschenken die; es trennte
Von allem Gut' sie leicht sich, könnte
Sie nicht verschenken sich recht satt,
So lang' sie irgend Mehr noch hat.
Freigebigkeit hat Lob und Werth;
Die Narr'n und Weisen dieser Erd',
Wohl jeder sich zu ihr bekennt,
Denn keinen läßt sie unbeschenkt.
So kommt es, daß sie Keiner haßt;
So wähn' ich, daß auch Alle fast
Um ihre guten Dienst' ihr freund.
Und darum hat sie auch vereint
Die volle Gunst von Arm' und Reich'.
Wer knickert ist dem Narren gleich.
Kein Laster kennt ein großer Mann, Das so wie Geiz ihn schänden kann.
Ein Knicker nie sich unterwand
Zu nehmen Herrschaft oder Land.
Denn er hat nie zur G'nüge Freund',
Die da vollführten, was ihm scheint,
Wer wünschet, daß er Freunde habe,
Der hab' zu lieb nicht seine Habe,
Durch schöne Gab' erwirbt man Freund',
So daß es eben so erscheint,
Wie der Magnet der gleicher Weise,
Das Eisen anzieht flink und leise;
So zieht der Leute Herzen an
Gold, Silber, das man geben kann.
Es hatte die Freigebigkeit
Von sarazen'schem Zeug' ein Kleid.
Sie war gar schön und wohlerweckt,
Doch war ihr Nacken unbedeckt,
Da sie das Heft an wen verschenkt –
Mit dem das Kleid zusamm' gehenkt –
Sie hatt's verschenket eben recht,
Und dieses stand ihr gar nicht schlecht,
Daß da ihr Nacken ohne Hehl
Und unverborgen ihre Kehl' –
Denn weiß und schön hervor nun schaut
Das Hemd auf ihrer weichen Haut.
Freigebigkeit, gar klug und groß
Hatt' einen Ritter, der entsproß
Vom König Artus von Britann' –
Das war der, der da trug die Fahn'
Der Tapferkeit und die Standart.
Er war von solcher Ehr' und Art,
Daß man erzählt von ihm die Mähr'n,
Vor Kön'gen, Grafen und vor Herrn.
Der Ritter war erst jüngst auf's Neu
Hierher gekommen vom Turnei',
Wo er bestand für seine Frau'n
Manch' Ringelstechen und manch Hau'n,
Wo er gebrochen manchen Schild
Und manchen lieben Helm zerspillt,
Und manchen guten Rittersmann
Durch Kraft und Tugend abgethan.
Freimüthigkeit ging hinterher,
Die weder braun noch grau, vielmehr
So weiß von Haut, wie Schnee. Die Nas'
Auch wahrlich nicht von Orleans was,
Sie war gar schlank und zart zu schau'n,
Das Auge lacht; die Augenbrau'n
Gewölbt, die Haare blond und lang,
Einfach wie eine Taub' ihr Gang.
Ihr Herz, das war gar sanft und gut.
Und was sie spricht und was sie thut,
Das ist durchaus nur, daß sich's schickt,
Und wenn sie einen Mann erblickt,
Der trübe war aus Lieb' zu ihr,
Dem schenkt sie Mitleid gleich allhier,
Ihr Herz ist Mitleid zugekehrt,
Sie ist so süß und liebewerth,
Daß Kein's um sie betrübet noch,
Dem sie nicht hilft, und fürchtet doch,
Sie hab' ein heillos Arg' gethan.
Ein linnen Kleid nur hatt' sie an,
Kein Fädchen Woll' war dran zu sehn,
Bis Arras gibt's keins mehr so schön.
Es war so schmuck und hübsch und knapp,
Daß dran es auch kein Spitzlein gab,
Das nicht an seinem Flecke saß.
Also nun die bekleidet was.
Denn kein Gewand steht einer Meid
So schön, als wie ein linnen' Kleid.
Im Unterkleide sind die Frau'n
Weit schöner als im Rock zu schau'n.
Das linnen' Unterkleid, so weiß,
Bezeichnete gar zart und leis',
Wie so auch wäre, die es trug.
Ein Knabe aber jung genug
Freimüthigkeit zur Seite stand –
Ich weiß nicht, wie er war genannt,
Doch war er schön, als wär' er schon
Dem Herrn von Gundesor1 sein Sohn.
1. Windsor.
Hier nennt der Dichter Adlichkeit,
Die adlich ist und All'n gemeit –
Dass Jeder wohl sein Lob ihr gibt
Und Adlichkeit vor Allem liebt.
Nach diesen kam nun Adlichkeit,
Die war' auch Allen wohl gemeit,
Da sie nicht stolz und thöricht war.
Sie war's, die aus des Reigens Schaar.
Mit ihren Hulden mich empfing
Wie keine – als dahin ich ging.
Sie war nicht dumm und ungewandt,
Vielmehr gar weis' und ohne Schand,
Wohl sprechend, wohl erwidernd jetzt –
Und Niemand ward von ihr verletzt,
Mit Hader Keinem je sie lohnt,
Sie war so helle, als der Mond
Ist unter andern Sternelein,
Die Lichter scheinen nur zu sein.
Einnehmend war sie, schmuck und zier,
An Reiz' kein Weib vergleich' ich ihr.
So war sie werth in jedem Sinn,
Zu sein Kön'gin und Kaiserin
Ein Ritter schreitet bei ihr dicht
Der zierlich geht und zierlich spricht,
Weiß zu erzeigen Jedem Ehr' –
Der Ritter war ein feiner Herr.
Und in den Waffen wohl geübt,
In seine, Freundin baß verliebt.
Da kam Frau Muße wieder an,
Die trat zu mir ganz nah heran,
Von der ich Euch schon hab' gemalt
Das Wesen all' und die Gestalt
Sie ist's, von der ich Euch gesagt:
Wie mir durch ihre Gütigkeit
Die Huld kam, daß geöffnet mir
Desselben Blumengartens Thür.
Von Jugend ist die Red' allhie
Wie plauderhaft und närrisch die.
Darnach kam Jugend, und mir däucht
Daß ihr das Antlitz glänzt und leucht't.
Ich wähn', daß sie nicht älter war,
Bei alle dem, als wie zwölf Jahr'.
Sie ist gar einfach und sie ist
Ganz ohne Arg' und ohne List,
Doch heiter war und lustig sie.
Ein junges Ding das grämt sich nie
Als um sein Spiel, das glaubet mir.
Ihr Freund war so vertraut mit ihr,
Daß er sie bei dem Führen küßt,
So oft es ihm gefällig ist,
Daß es der vorige Reigen sah,
Und Keinem war's zum Aerger da;
Denn da sie noch nicht reif zur Zeit,
Sah ohne Arg' mau alle Beid'
Sich küssen als ein Taubenpaar.
Gar schön und jung; der Bube war,
Von gleichem Alter immerhin,
Als die Geliebt', von gleichem Sinn.
Also nun tanzten hin und her
Die Leutchen da, und And're mehr;
Die ihnen folgeten zur Zeit,
Gar wohl gezog'ne hübsche Leut',
Und Leute fein, und wohl entstammt
War'n eben, auch sie insgesammt.
Wie nun der Liebegott sich müh't,
Dass weit im Garten vor ihm flieht
Der Liebende, dass nicht verletzt
Er von den Pfeilen werde jetzt.
Wie ich geseh'n nun die Gestalt
Von Jedem, der im Tanze wallt,
Da fand ich Lust, mir diesen Hain
Zu nehmen noch in Augenschein,
Zu seh'n die schönen Maulbeerbäume,
Die Fichten, Nuß- und Lorbeerbäume,
Auch bog dahin der ganze Zug.
Da Jeglicher wohl Sorge trug,
Zu führ'n die Braut in Schatten's Kühl',
Zu kosen unter'm Baumgewühl'.
Gott, wie sie lebten da beglückt!
Ein Narr ist, wer's ohn' Neid erblickt.
Wem solches Leben wiederfährt,
Jed' ander Glück wohl gern entbehrt.
Kein Himmel ist so hoch von allen,
Als frei mit der Geliebten wallen.
Darnach ging abgesondert ich,
Lustwandelnd und allein für mich
In diesem Haine auf und ab. –
Der Liebegott die Weisung gab
Dem Süßblick, flugs zur Hand zu sein.
Er hat nur um die Pfeil' allein
Den Dienst. Jetzt spannen ohn' Verzug
Heißt er den Bogen, den er trug.
Und dieser ohne Säumen spannt
Den Boden schleunigst ihm zur Hand.
So legt er auf da die fünf Pfeile,
Die stark und weit gehn manche Meile.
Der Liebe Gott nahm da auf's Korn
Von ferne mich, die Hand am Horn.
So wahr' mich Gott vor Tod's Gefahr!
Uebt er Verrath an mir sogar,
Wird er verwunden mich gar heiß,
Mich, der so etwas gar nicht weiß.
So floh nach Rettung ich im Hain',
Doch dacht' er mich zu holen ein.
Und nirgend hielt ich da mich auf,
Und überall hin drang mein Lauf.
Der Garten nun im Durchschnitt war
Ein gleiches Viereck ganz und gar,
So lang wie breit auch angelegt.
Da war kein Baum, der Früchte trägt,
Kein Baum, wie seltsamlich er sei,
Von dem nicht einer oder zwei
Und mehr da war'n, so wie sich's thut:
Viel' Apfelbäum' – das weiß ich gut –
Mir reichlicher Granatenwucht.
Gar gut für Kranke ist die Frucht –
Nußbäum' auch gab's da, groß und breit,
Die tragen auch zu ihrer Zeit,
Als wie Muskatnüss' solche Nüss',
Die sind nicht herb' noch schlecht gewiß.
Auch Mandelbäum' war'n da gepflanzt.
So war auch in dem Hain' gepflanzt,
Ein Feigen und ein Dattelbaum.
Man sah, da hatte Pflege Raum.
Manch schöne Würze war dabei
Und faßt sie ein – Süßholz, Levkoi,
Vom Himmelgarten Sämerei'n,
Würz', Anis und Kamillen fein,
Und manches treffliche' Gemüs',
Das auf dem Tisch' gar gut und süß.
Im Haine war'n auch Bäum' zu sehn,
Mit Quitten, Pfirschen wohl versehn, –
Kastanie, Nuß-, Birn-, Apfel-Baum,
Und Mispel, weiß' und schwarze Pflaum',
Und rothe Kirschen, frisch und schwer,
Spierling', Wallnüsse und Elsbeer',
Und hoher Lorber, hoher Tann',
Die füllten all' den Garten an.
Oelbäume und Zypressen auch,
Die sonst doch gar nicht hier in Brauch'.
Und Ulmen, stark und wohl verzweigt,
Und Buchen, eben so erzeugt,
Und Haselsträucher, grad' und krumm,
Und Ahorn, Tann' und Esch' ringsum.
Wie nennt' ich ihrer all' Gewühl'? –
Der Bäume gab es hier so viel',
Daß, eh' ich sie gezählet, schon
Wär'n eingegangen viel' davon.
Das wißt, die Bäume war'n geführt
Im Zwischenraum, der sich gebührt.
Der eine stand vom andern gern
Wohl fünf, ja auch sechs Klaftern fern.
Breit ging und lang das Baumwerk fort,
Die Hitz' zu wehren von dem Ort',
Es war ringsum so stark und dicht,
Daß wohl niemals kein Sonnenlicht
Durchdringen konnte auf den Grund,
Zu machen da ein Gräslein wund.
Dammhirsch' und Rehe gab's zumal,
Eichhörnchen eine große Zahl,
Die hüpften da von Ast zu Ast,
Und die Kaninchen liefen fast
Fortwährend außer ihren Höhlen,
Wohl dreißig Arten könnt' ich zählen,
Auf die sie bockten rings und rund
Und weideten auf grünem Grund'.
Da gab's auch Springquelln, frisch und rein,
Ohn' Frösch' und Schnecken insgemein,
Von Laub beschattet allzumal,
Doch weiß ich nicht mehr ihre Zahl.
In Wasserröhr'n, die Wohlgemuth,
Erbau'n ließ, floß gar schön und gut
Ein reicher Wasserguß zu Thal,
Und machte süßen lieben Schall,
Und zwischen Bächen da und Quell'n,
Und Springquell'n, reinlichen und schnell'n,
Schwoll'n rings die Gräser grün und frisch,
Sie konnten all' in dieser Frisch'
Sich pflegen als in einem Bette,
Die Erde bot gar weiche Stätte
Rings um den Springquell, und es ragte
Das Gras hervor, wie ihm behagte.
So kam es, daß auf diese Art
Der Platz gar sehr verschönert ward,
Und reich und schön ward da geschaut
Des Winters wie des Sommers Kraut.
Da gab es Veilchen, schön und fein,
Und Eppich, frischen und immer neu'n,
Da gab es Blumen, roth und weiß
Und gelb zu Wunder und zu Preis',
Die Erde war fast zu beengt,
Da sie gestickt war und besprengt
Von Blumen, die gar bunt zu sehn,
Und duften ringsum herrlich schön;
Ich sag' Euch nicht mehr lange Mähr'
Von dieses Platzes Schönheit her.
Es ist wohl besser, daß ich schweige,
Dieweil ja doch ich nimmer zeige
Des Haines ganze Herrlichkeit
Und seine große Lieblichkeit.
Bald war ich hier, bald war ich dort,
So daß im Garten jeden Ort
Gesehn ich hab' und durchgemacht, –
Der Gott der Liebe hatt's gemacht,
Herum mich treibend grad' und krumm,
So jagt ein Jäger wohl herum
Ein Thier, das dann an schöner Stelle
Erwarten muß des Pfeiles Schnelle. –
Da kam ich auf ein schönes Land,
An dessen letztem End' ich fand
'Nen Springquell unter einer Föhr'.
Seit Karl, Pepins Sohn, ward nicht mehr
So schöne Fichte wo gesehn,
Noch wächst je eine mehr so schön,
So schön war kein Baum mehr im Hain'. –
In einem Born' von Marmelstein
Hatt' da Natur mit Meisterschaft
Den Springquell unter'm Baum geschafft.
Gegraben auf dem Becken stand
Auch eine kleine Schrift am Rand' –
Die lautete so: Allhier bot
Sich schön' Narzissus selbst dem Tod'.
Der Dichter von Narzissus lehrt,
Der überrascht ward und bethört,
Verliebt in's eig'ne Spiegelbild,
Das sich im Wasser ihm enthüllt,
Als er an diesen Springquell kam.
Die Liebe macht' ihm vielen Gram,
So dass er auch noch starb nachher
Am Springquell' unter dieser Föhr'.
Narzissus war ein Jüngling weich,
Den Amor hielt in seinem Reich',
Dann macht' ihn Amor toll zum Spiel',
Und ließ ihn schrei'n und klagen viel,
Daß er ihn an sein Ende treib',
Denn Echo, gar ein hohes Weib,
Liebt ihn, wie Kein' auf Erden mehr.
Sie hatte er betrübet schwer,
Als sie ihm sagte, daß sie werbe
Um seine Liebe, oder sterbe,
Doch in dem Eigendünkel hegt
Er Stolz zu viel, ganz unbewegt;
So gab er nimmer ihr Gehör,
Wie sie auch fleh' und schmeichle sehr.
Wie sie sich so verschmähet sieht,
Sie so von Zorn' und Rache glüht,
Und in Verzweiflung so verdirbt,
Daß sie da ohne Weit'res stirbt.
Doch wie's mit ihr zum Tode geht,
Die Götter sie ersucht und fleht,
Daß man Narzissus Herz bethör',
Den sie von Liebe fand so leer,
Daß er auch fall' an einem Tage,
Erschöpft von einer Liebe Plage,
Die ihn verderbe sicherlich,
Daß er's empfinde auch an sich,
Wie heft'ger Kampf ein Herz zerwühlt,
Von solcher Liebegluth erfüllt.
Vernünftig war ja wohl ihr Fleh'n,
Drum ließ es Gott ihr auch geschehn.
So kommt Narzissus ungefähr
Zum reinen, hellen Springquell' her,
Wo er sich in den Schatten legt,
Nachdem er erst der Jagd gepflegt,
Und große Müh' gehabt zumal
Im Laufe über Berg und Thal.
Auch hatte Durst er zu der Zeit
Von Hitze und von Müdigkeit,
Die ihm den Athem fast benahm.
Und als er zu der Quelle kam,
Die von der Fichte Laub' bedacht,
Da hatte er zu trinken Acht.
Und über'm Quelle tief genung
Beugt' er sich nieder zu dem Trunk'.
Wie da Narzissus sich verzückt
Am Brunnen und verzweifelt blickt
Aus Liebe – bis er seinen Geist
Ganz unverweilet scheiden heisst.
Auf hellen Wassers lauterm Grund'
Sieht er sein Antlitz, Nas' und Mund.
Von Staunen ward er da erfüllt,
Denn so verhext hatt' ihn das Bild,
Daß es ihm war, als wenn er finde
Ein Bild von einem schönen Kinde.
Da nahm nun Amor große Rach'
Für jenen Hochmuth und die Schmach,
Die ihm Narzissus zugefügt!
Das ward vergeltend arg gerügt
Daß er nun weilte an der Stelle,
Und liebt' sein Schattenbild im Quelle.
So starb allhie er allgemach,
Das ist das Ende von der Sach'.
Denn da er sah, er könne nicht
Vollbringen, was ihn so anficht,
Da das Geschick ihn so umtost,
Daß er nicht findet Rast noch Trost
In keiner Art, in keinem Sinn,
Verliert aus Grimm er seinen Sinn.
Und stirbt allda in kurzer Weil' –
So hatt' er sein vergeltend' Theil
Für seine Bosheit, die der Thor
Dem Amor zugefügt zuvor.
Frau'n, nehmt dies Beispiel wohl in Acht Wo die Verehrer ihr veracht't, Wo ihr sie überlaßt dem Tod; Wird schlimm es Euch vergelten Gott.
Als so die Schrift mich unterwies,
Daß schön' Narzissus Brunnen dies,
Der hier an diesem Ort zu sehn,