Die blaue Hand - Edgar Wallace - E-Book

Die blaue Hand E-Book

Edgar Wallace

0,0

Beschreibung

mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Der Gehilfe des Londoner Staranwaltes Septimus Salter, Jim Steele, ist mit dem plötzlichen Verschwinden der Millionenerbin Dorothy Danton vor 20 Jahren sehr beschäftigt. Kurz zuvor war auch Dorothys Mutter Lady Mary Danton verschwunden. Da Dorothy damals eineinhalb Jahre alt war, meint Jim Steele in seiner Freundin Eunice Weldon die verschwundene Dorothy zu erkennen. Kurz darauf wird Eunice bei Digby Groat, dem jetzigen Erben des Dantonschen Vermögens, angestellt. Nun wittert Jim Steele Gefahr für Eunice.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 362

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die blaue Hand

Edgar Wallace 

Inhaltsverzeichnis
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
Impressum

1

Mr. Septimus Salter drückte schon zum dritten Male die Klingel auf seinem Tisch und brummte unzufrieden.

Er war ein gesetzter, älterer Herr mit großem, rotem Gesicht und weißen Koteletten und glich mehr einem wohlhabenden Landwirt als einem erfolgreichen Rechtsanwalt. Es gab keinen gescheiteren und tüchtigeren Rechtsanwalt in London, aber in seiner Kleidung und seinem Äußeren blieb er der Zeit treu, in der er jung gewesen war.

Er drückte ungeduldig noch einmal auf den Knopf.

»Verdammter Kerl«, murmelte er vor sich hin, erhob sich und ging in den kleinen Raum seines Sekretärs.

Er hatte eigentlich erwartet, das Zimmer leer zu finden, aber er irrte sich. Seitwärts von dem alten, tintenbeklecksten Tisch stand ein Stuhl, auf dem ein junger Mann kniete. Er hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und war in das Studium eines Schriftstückes vertieft.

»Steele«, sagte Mr. Salter scharf. Der junge Mann schnellte auf und sprang auf die Füße.

Er war groß und hatte breite Schultern, aber trotzdem waren seine Bewegungen geschmeidig und biegsam. Sein gebräuntes Gesicht erzählte von Tagen, die er draußen im Freien verbracht hatte. Eine gerade Nase, ein fester Mund und ein hartes Kinn gaben ihm das charakteristische Aussehen eines früheren Offiziers.

Nun war er etwas verwirrt und erinnerte eher an einen bei einer Unaufmerksamkeit ertappten Schüler als an einen schneidigen Offizier, der das Viktoriakreuz erhalten und in hartem Luftkampf zwanzig feindliche Flugzeuge heruntergeholt hatte.

»Sie sind wirklich zu unaufmerksam, Steele. Ich habe nun viermal vergeblich nach Ihnen geklingelt«, sagte Mr. Salter vorwurfsvoll.

»Es tut mir furchtbar leid«, entschuldigte sich Jim Steele und sah Mr. Salter mit dem Lächeln an, dem er nicht widerstehen konnte.

»Was machen Sie denn hier?« brummte der Rechtsanwalt und besah sich die Dokumente, die auf dem Tisch lagen. »Haben Sie immer noch nicht genug von dem Fall Danton?« fragte er seufzend.

»Nein, noch nicht«, war die gelassene Antwort. »Ich habe das Gefühl, daß Lady Mary Danton gefunden werden kann. Und wenn man sie erst gefunden hat, wird sich auch ihr damaliges plötzliches Verschwinden befriedigend aufklären lassen. Dann würde jemand sehr außer Fassung geraten –« Er hielt plötzlich inne, aus Furcht, eine Indiskretion zu begehen.

Mr. Salter sah ihn scharf an.

»Sie mögen Mr. Groat nicht?« fragte er.

Jim lachte.

»Es ist ja nicht meine Sache, ihn sympathisch oder unsympathisch zu finden. Persönlich kann ich solche Leute nicht leiden. Als einzige Entschuldigung für einen Mann von dreißig Jahren, der nicht im Felde war, kann ich nur gelten lassen, daß er zu der Zeit tot war.«

»Er hatte doch ein schwaches Herz«, meinte Mr. Salter, aber er sprach ohne große Überzeugung.

»Das wird schon stimmen«, entgegnete Jim ironisch.

Mr. Salter sah wieder auf die Papiere, die auf dem Tisch umherlagen.

»Legen Sie das ruhig weg, Steele. Sie werden doch keinen Erfolg damit haben, wenn Sie eine Frau suchen wollen, die verschwand, als Sie noch ein Junge von fünf Jahren waren.«

»Ich möchte –«, begann Steele, zögerte dann aber. »Sie haben recht, es ist nicht meine Sache«, sagte er lächelnd. »Ich habe kein Recht, Sie zu fragen, aber ich möchte gern mehr Einzelheiten über das Verschwinden jener Frau hören – wenn Sie einmal freie Zeit hätten und dazu aufgelegt wären. Ich hatte früher niemals den Mut, Sie direkt zu fragen – wie verschwand sie denn eigentlich?«

Mr. Salter runzelte erst die Stirn, dann hellten sich seine Gesichtszüge wieder auf.

»Steele, Sie sind der schlechteste Sekretär, den ich jemals hatte«, sagte er. »Und wenn ich nicht Ihr Patenonkel wäre und mich moralisch verpflichtet fühlte, Ihnen zu helfen, würde ich Ihnen einen kleinen, höflichen Brief schreiben, daß Ihre Dienste ab Ende dieser Woche nicht mehr benötigt werden.«

Jim Steele lachte.

»Das habe ich schon immer erwartet!«

Der alte Rechtsanwalt zwinkerte freundlich mit den Augen. Er hatte Jim Steele außerordentlich gern, obwohl er es nach außen hin nicht eingestehen wollte. Der junge, hübsche Mensch war ihm viel mehr ans Herz gewachsen, als er selbst ahnte. Aber nicht allein aus Freundschaft und einem gewissen Verantwortlichkeitsgefühl heraus behielt der alte Salter Jim in seinen Diensten, der junge Mann war ihm auch sehr nützlich. Und obgleich er die traurige Veranlagung hatte, Klingelzeichen zu überhören, wenn er sich mit seinem Lieblingsstudium beschäftigte, war er doch sehr vertrauenswürdig.

»Schließen Sie die Tür«, sagte Salter etwas schroff. »Wenn ich Ihnen diese Geschichte erzähle« – er hob warnend den Zeigefinger –, »so tue ich es nicht, um Ihre Neugierde zu befriedigen, sondern weil ich hoffe, daß ich Ihr Interesse an dem geheimnisvollen Fall Danton damit für immer beseitige!

Lady Mary Danton war die einzige Tochter des Lord Plimstock – ein Adelsprädikat, das jetzt erloschen ist. Sie heiratete als junges Mädchen Jonathan Danton, einen Reeder, der ein Millionenvermögen besaß. Aber die Ehe war nicht glücklich. Der alte Danton war ein harter, unangenehmer und auch kranker Mann. Wir sprachen eben davon, daß Digby Groat herzkrank sei. Jonathan hatte aber wirklich kein gesundes Herz. Seine Krankheit war wohl auch teilweise dafür verantwortlich, daß er seine Frau so schlecht behandelte. Auch das kleine Mädchen, das ihnen geboren wurde, brachte sie einander nicht näher; sie wurden sich immer fremder. Danton mußte eine Geschäftsreise nach Amerika antreten. Vor seiner Abreise kam er in mein Büro, und an diesem Tisch hier unterzeichnete er ein Testament, das eins der seltsamsten und merkwürdigsten war, die ich jemals aufgesetzt habe. Er hinterließ sein ganzes Vermögen seiner kleinen Tochter Dorothy, die damals drei oder vier Monate alt war. Im Falle ihres Todes sollte das Geld an seine Schwester, Mrs. Groat, fallen, aber erst zwanzig Jahre nach dem Tode des Kindes. In der Zwischenzeit sollte Mrs. Groat nur die Einnahmen aus seinem Landgut erhalten.«

»Warum hat er denn diese merkwürdige Bestimmung getroffen?« fragte Jim verwundert.

»Das ist doch leicht zu verstehen. Er wollte vor allen Dingen, verhindern, daß das Kind in früher Jugend beiseite geschafft wurde. Auf der anderen Seite sah er voraus, daß das Testament von Lady Mary angefochten werden würde. So, wie das Testament aufgesetzt war – ich habe nicht alle Details erwähnt –, konnte es während zwanzig Jahren nicht angefochten werden. Und es ist auch kein Einspruch dagegen erhoben worden. Während Danton in Amerika war, verschwand Lady Mary mit ihrer Tochter Dorothy.

Niemand wußte, wohin sie gegangen war, aber die Spur der kleinen Dorothy und ihres Kindermädchens führte nach Margate. Vielleicht war Lady Mary auch dort. Es steht jedenfalls fest, daß das Kindermädchen, die Tochter eines dortigen Fischers, die sehr gut rudern konnte, an einem schönen Sommertage das Kind in einem Boot mit aufs Meer nahm. Dort wurde sie vom Nebel überrascht. Allem Anschein nach wurden sie von einem Passagierdampfer überrannt. Die Überreste des zertrümmerten Bootes wurden aufgefischt, und eine Woche später wurde die Leiche des Kindermädchens ans Ufer gespült. Man hat aber niemals erfahren, was aus Lady Mary wurde. Danton kam zwei Tage nach dem Unglücksfall zurück, und seine Schwester, Mrs. Groat, brachte ihm die Nachricht von dem Unglücksfall. Das gab ihm den Rest. Er starb.«

»Und Lady Mary hat man nie wieder gesehen?«

Salter schüttelte den Kopf.

»Sie sehen also, mein lieber Junge, selbst wenn Sie durch ein Wunder Lady Mary fänden, könnte das doch nicht den geringsten Einfluß auf die Position der Mrs. Groat oder ihres Sohnes haben. Nur Dantons Tochter könnte die Erbschaft antreten – und die liegt wahrscheinlich auf dem Meeresgrund«, schloß er leise und traurig.

»Ich verstehe jetzt die Zusammenhänge«, sagte Jim Steele ruhig, »nur –«

»Was haben Sie noch?«

»Ich habe den starken Eindruck, daß an der ganzen Sache etwas nicht stimmt, und ich bin fest davon überzeugt, daß das Geheimnis gelöst werden könnte, wenn ich meine ganze Zeit dieser Aufgabe widmen dürfte.«

Mr. Salter sah seinen Sekretär scharf an, aber Jim Steele hielt seinem Blick stand.

»Sie sollten eigentlich Detektiv werden«, meinte der Rechtsanwalt ironisch.

»Ich wünschte nur, ich wäre einer«, erwiderte Jim. »Vor zwei Jahren habe ich Scotland Yard meine Dienste angeboten, als die Bande der Dreizehn die Banken beraubte, ohne daß man einen dieser verwegenen Verbrecher fassen konnte.«

»Sehen Sie einmal an«, sagte Salter ein wenig spöttisch und öffnete die Tür, um zu gehen. Aber plötzlich wandte er sich wieder um. »Warum habe ich Ihnen denn eigentlich geklingelt? Ach so, ich brauche alle Pachtverträge, die sich auf den Grundbesitz des alten Danton in Cumberland beziehen.«

»Will Mrs. Groat die Ländereien verkaufen?«

»Sie kann sie jetzt noch nicht verkaufen. Erst am dreißigsten Mai erhält sie die Verfügung über das Millionenvermögen Jonathan Dantons, vorausgesetzt, daß kein Einspruch dagegen erhoben wird.«

»Oder ihr Sohn erhält das große Vermögen«, meinte Jim bedeutungsvoll. Er war seinem Chef in dessen Zimmer gefolgt. An den Wänden standen viele Aktenregale. Abgenutzte Möbel und ein schon etwas fadenscheiniger Teppich bildeten die weitere Ausstattung des Raumes, in dem es nach staubigen Akten roch.

»Detektiv möchten Sie werden?« fragte Mr. Salter unwirsch, als er sich an seinem Schreibtisch niederließ. »Und welche Ausrüstung bringen Sie denn für diesen neuen Beruf mit?«

Jim lächelte, aber in seinem Blick lag Begeisterung.

»Glauben«, sagte er ruhig.

»Was nützt Ihnen als Detektiv Glaube?«

»Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht.«

Jim zitierte diesen Bibelspruch feierlich, und Mr. Salter schwieg eine Weile. Dann nahm er ein Stück Papier, auf das er einige Notizen geschrieben hatte, und reichte es Jim.

»Sehen Sie einmal, ob Sie mit dem Spürsinn eines Detektivs diese Aktenstücke auffinden können, sie liegen unten in der Stahlkammer.« Aber obwohl er scherzte, hatten Jims Worte doch Eindruck auf ihn gemacht.

Jim nahm den Zettel, las ihn durch und wollte eben eine Frage an Mr. Salter stellen, als ein Schreiber hereinkam.

»Wollen Sie Mr. Digby Groat empfangen, Sir?«

2

Mr. Salter schaute mit einem humorvollen Lächeln in den Augen auf.

»Ja«, sagte er nur kurz und wandte sich zu Jim, der schnell das Büro verlassen wollte. »Sie können ruhig hierbleiben, Steele. Mr. Groat schrieb mir, daß er die Akten durchsehen will, und wahrscheinlich müssen Sie ihn zur Stahlkammer führen.«

Jim sagte nichts.

Der Schreiber öffnete die Tür für einen elegant gekleideten jungen Herrn.

Jim kannte ihn schon von früher, aber je öfter er ihn sah, desto weniger konnte er ihn leiden. Er hätte mit geschlossenen Augen das schmale, wenig freundliche Gesicht mit dem kurzen, schwarzen Schnurrbart, die müden Augen, die blasierten Züge, das große, vorstehende Kinn und die etwas abstehenden Ohren malen können, wenn er Zeichner gewesen wäre. Und doch machte Digby Groat in mancher Beziehung einen guten Eindruck, das konnte selbst Jim nicht bestreiten. Er mußte einen erstklassigen Kammerdiener haben, denn von seiner tadellos glänzenden Frisur bis zu den blitzblanken Schuhen war nichts an seiner Erscheinung auszusetzen. Sein Anzug war nach dem modernsten Schnitt gearbeitet und stand ihm außerordentlich gut. Als er ins Zimmer trat, verbreitete sich ein leiser Duft von Quelques Fleurs. Jim verzog die Nase. Er haßte Männer, die sich parfümierten, so dezent sie es auch tun mochten.

Digby Groat schaute von dem Rechtsanwalt zu Steele, und in seinen dunklen Augen lag jener nachlässige und doch so unverschämte Ausdruck, den weder der Rechtsanwalt noch sein Sekretär vertrugen.

»Guten Morgen, Salter«, sagte er.

Er zog ein seidenes Taschentuch hervor, staubte einen Stuhl damit ab und nahm Platz, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Seine Hände, die in zitronengelben Handschuhen steckten, ruhten auf dem goldenen Knopf eines Ebenholzspazierstockes.

»Sie kennen Mr. Steele, meinen Sekretär?«

Der andere nickte.

»Ach ja, er war doch früher Offizier und hat das Viktoriakreuz erhalten?« fragte Digby müde. »Vermutlich finden Sie es jetzt sehr öde hier, Steele? Eine solche Stelle würde mich zu Tode langweilen.«

»Das glaube ich auch. Aber wenn Sie sich an der Front den Wind hätten um die Nase wehen lassen, gefiele Ihnen die himmlische Ruhe dieses Büros sehr.«

»Da mögen Sie recht haben«, erwiderte Digby kurz. Er fühlte sich peinlich dadurch berührt, daß Jim erwähnte, daß er nicht im Felde gewesen war.

»Nun, Dr. Groat –«, begann der Anwalt, aber der elegante junge Mann unterbrach Salter durch eine Geste.

»Nennen Sie mich bitte nicht Doktor«, sagte er mit einem schmerzlichen Ausdruck. »Vergessen Sie, daß ich ein medizinisches Studium durchgemacht habe und mein Examen als Chirurg bestand. Ich tat das nur zu meiner eigenen Befriedigung, und es wäre mir sehr unangenehm, eine Praxis ausüben zu müssen. Ich würde es nicht aushalten, zu jeder Tages- und Nachtzeit von Patienten gestört zu werden.«

Für Jim war es eine Neuigkeit, daß dieser Stutzer einen medizinischen Grad erworben hatte.

»Ich bin hierhergekommen, um die Pachtverträge der Besitzungen in Cumberland einzusehen, Salter«, fuhr Groat fort. »Es ist mir ein Angebot gemacht worden – ich sollte eigentlich sagen, es ist meiner Mutter ein Angebot gemacht worden, und zwar von einem Syndikat, das ein großes Hotel dort errichten will. Soviel ich weiß, ist eine Klausel in den Verträgen, die einen solchen Bau verhindert. Wenn es so ist, war es niederträchtig gedankenlos von dem alten Danton, solche Ländereien zu erwerben.«

»Mr. Danton tat nichts Gedankenloses und nichts Niederträchtiges«, entgegnete Salter ruhig. »Wenn Sie diese Frage in Ihrem Brief erwähnt hätten, würde ich Ihnen telefonisch darüber Auskunft gegeben haben, und Sie hätten sich nicht hierher bemühen müssen. Aber da Sie nun einmal hier sind, wird Sie Steele zur Stahlkammer führen. Dort können Sie die Pachtverträge einsehen.«

Groat sah argwöhnisch zu Jim hinüber.

»Versteht er denn etwas von Pachtverträgen?« fragte er. »Und muß ich denn tatsächlich in Ihren schrecklichen Keller hinuntersteigen, um mich auf den Tod zu erkälten? Können die Akten denn nicht für mich heraufgebracht werden?«

»Wenn Sie so liebenswürdig sind, in Steeles Zimmer zu gehen, kann er sie Ihnen ja dorthin bringen«, entgegnete Salter, der Mr. Groat ebensowenig liebte wie sein Sekretär. Außerdem hatte er den nicht unbegründeten Verdacht, daß sich die Groats in dem Augenblick, in dem sie in den Besitz des Dantonschen Vermögens kämen, einen anderen Rechtsanwalt zur Verwaltung ihres Eigentums wählen würden.

Jim nahm die Schlüssel und kehrte bald mit einem Paket Akten wieder zu seinem Chef zurück.

Mr. Groat hatte das Büro Mr. Salters verlassen und saß schon in Jims eigenem kleinen Zimmer.

»Erklären Sie Mr. Groat alles, was er über die Pachtbriefe wissen will. Wenn Sie mich dazu brauchen, dann rufen Sie mich.«

Jim fand Digby in seinem Raum. Er blätterte in einem Buch, das er sich genommen hatte.

»Was bedeutet denn Daktyloskopie?« fragte er und sah zu Jim auf, als er eintrat. »Das Buch handelt von diesem Gegenstand.«

»Das ist die Lehre von den Fingerabdrücken«, sagte Jim kurz. Er haßte diese anmaßende Art und war sehr ärgerlich, daß Mr. Groat eines seiner Privatbücher genommen hatte.

»Interessieren Sie sich denn für dergleichen?« fragte Groat und stellte den Band wieder an seinen Platz zurück.

»Ein wenig. Hier sind die gewünschten Pachtbriefe. Ich habe sie eben oberflächlich durchgesehen. Es gibt keine Klausel darin, die die Errichtung eines Hotels ausschließen könnte.«

Groat nahm die Dokumente in die Hand und sah sie Seite für Seite durch.

»Nein«, sagte er schließlich, »es steht nichts davon da – Sie haben recht.« Bei diesen Worten legte er das Aktenstück auf den Tisch zurück. »Sie interessieren sich also für Fingerabdrücke? Ich wußte noch nicht, daß sich der alte Salter auch mit Strafprozessen abgibt. – Was ist denn das?«

Neben Jims Schreibtisch stand ein Bücherbrett, das mit schwarzen Heften gefüllt war.

»Das sind meine Privatnotizen«, erklärte Jim.

Digby wandte sich mit einem maliziösen Lächeln um.

»Worüber machen Sie sich denn Notizen?« fragte er, und bevor ihn Jim daran hindern könnte, hatte er eins der Hefte in der Hand.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich Sie doch bitten, mein Privateigentum in Ruhe zu lassen«, sagte Jim entschieden.

»Tut mir leid – ich dachte, alle Dinge in Salters Kanzlei hätten mit seinen Klienten zu tun.«

»Sie sind eben nicht der einzige Klient«, entgegnete Jim. Er konnte sich im allgemeinen gut beherrschen, aber dieser anmaßende Mensch fiel ihm auf die Nerven.

»Wozu machen Sie denn das alles?« fragte Groat, als er Seite für Seite umblätterte.

Jim stand Mr. Groat am Schreibtisch gegenüber und beobachtete ihn scharf. Plötzlich sah er, daß das gelbe Gesicht des anderen einen Schein dunkler und der Blick der schwarzen Augen hart wurde.

»Was bedeutet das?« fragte Groat scharf. »Was, zum Teufel, haben Sie –« Er hielt inne, nahm sich zusammen und lachte. Aber Jim hörte wohl, wie gekünstelt und gequält es klang. »Sie sind ein prächtiger Kerl, Steele«, sagte er in seinem alten, nachlässigen Ton. »Sie sind töricht, sich über diese Dinge den Kopf zu zerbrechen.«

Er stellte das Schreibheft an den Platz zurück, von dem er es genommen hatte, nahm einen anderen Pachtbrief und gab sich den Anschein, eifrig darin zu lesen. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er schließlich, legte das Aktenstück beiseite und griff zu seinem Hut. »Vielleicht besuchen Sie mich einmal und essen mit mir zu Abend, Steele. Ich habe ein ganz interessantes Laboratorium, das ich mir an der Rückseite meines Hauses am Grosvenor Square erbaut habe. Der alte Salter nannte mich eben Doktor!« Er lachte, als ob das ein guter Scherz sei. »Nun gut, wenn Sie zu mir kommen, kann ich Ihnen verschiedenes zeigen, was zum mindesten meinen Titel rechtfertigt.«

Seine großen, dunkelbraunen Augen waren auf ihn gerichtet, als er in der Tür stand.

»Nebenbei bemerkt, Mr. Steele – Ihre Privatstudien führen Sie auf ein gefährliches Gebiet, für das Sie selbst ein zweites Viktoriakreuz kaum genügend entschädigen könnte.«

Er schloß die Tür behutsam hinter sich. Jim sah ihm stirnrunzelnd nach.

›Was meint er nur damit?‹ überlegte er. Dann erinnerte er sich daran, daß Mr. Groat sein Notizbuch in der Hand gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte ihm das zu denken gegeben. Er nahm das Heft von dem Brett herunter, schlug die erste Seite auf und las: ›Einige Bemerkungen über die Bande der Dreizehn.‹

3

An demselben Nachmittag trat Jim in Mr. Salters Büro.

»Ich gehe jetzt zum Tee«, sagte er.

Mr. Salter schaute auf die altmodische Uhr an der gegenüberliegenden Wand.

»Es ist gut. Sie gehen in letzter Zeit immer sehr pünktlich zum Tee, Steele – warum werden Sie denn rot? Handelt es sich um ein Mädchen?«

»Nein«, erwiderte Jim unnötig laut. »Ich treffe zwar ab und zu eine Dame beim Tee, aber –«

»Machen Sie, daß Sie fortkommen«, sagte der alte Mann ärgerlich. »Grüßen Sie sie von mir.«

Jim mußte lachen, während er die Treppe hinunterstieg und auf die Marlborough Street hinaustrat. Er beeilte sich, weil es schon etwas spät war. Erleichtert atmete er auf, als er in das stille, ruhige Lokal trat und den Tisch, an dem er gewöhnlich saß, noch unbesetzt fand.

Als er am Tisch Platz genommen hatte, kam die Kellnerin strahlend auf ihn zu, um nach seinen Wünschen zu fragen.

»Ihre junge Dame ist noch nicht gekommen, Sir«, sagte sie.

Es war das erste Mal, daß sie Eunice Weldon erwähnte, und Jim war es höchst peinlich.

»Die junge Dame, die manchmal mit mir Tee trinkt, ist nicht meine junge Dame«, erwiderte er etwas kühl.

»Ich bitte um Verzeihung«, sagte die Kellnerin und kritzelte auf ihrem Notizblock, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

»Sie bestellen wohl wie gewöhnlich?«

»Ja. Bringen Sie alles wie sonst.«

In diesem Augenblick trat eine Dame zur Tür herein, und er erhob sich schnell, um sie zu begrüßen.

Sie war von schlankem Wuchs und ging sehr, aufrecht. Etwas Liebenswürdiges und Elegantes lag in ihren Bewegungen, so daß die Herren, die auf den Straßen umherschlenderten, stehenblieben, wenn sie vorbeiging. Eunice hatte ein reines, fast madonnenhaftes Gesicht, aber ihre fröhlich lachenden, blauen Augen und ihre schöngeschwungenen Lippen waren sehr lebhaft und schienen nicht gewillt, das Leben in klösterlicher Abgeschlossenheit zu vertrauern. In ihren Augen lag ein eigentümlicher Glanz, in dem sich eine Bitte und auch zugleich eine Warnung ausdrückte. Es lag Reinheit in ihrem ganzen Wesen, in all ihren Zügen, in dem ausdrucksvollen Mund, in dem runden, jugendlichen Kinn. Es lag wie ein Hauch von Taufrische über ihrer weißen, klaren, fast durchsichtigen Haut. Alle Schönheit der Jugend schien in ihr vereinigt zu sein.

Sie ging Jim mit ausgestreckter Hand entgegen.

»Ich bin etwas spät dran«, sagte sie vergnügt. »Wir hatten eine langweilige Herzogin im Atelier, die ich in siebzehn verschiedenen Stellungen aufnehmen mußte – sie sah nicht besonders schön aus, aber gerade mit den unansehnlichsten Menschen hat man meistens die größte Mühe.«

Sie setzte sich, zog ihre Handschuhe aus und erwiderte freundlich den Gruß der Kellnerin.

»Die einzige Möglichkeit, schön zu sein, besteht für Leute mit Durchschnittsgesichtern in einer effektvollen Fotografie«, sagte Jim.

Eunice Weldon war in einem bekannten fotografischen Atelier in der Regent Street angestellt. Jim hatte sie vor einiger Zeit erst in dem Lokal, in dem sie augenblicklich saßen, beim Tee kennengelernt, und zwar bei einer besonderen Gelegenheit. Die Gardinen am Fenster, in dessen Nähe sie saß, hatten Feuer gefangen. Jim löschte die Flammen und verbrannte sich dabei die Hand. Und Miss Weldon hatte ihn verbunden.

Wenn ein Herr einer Dame einen Dienst erweist, so führt das meistens nicht zu einer näheren Bekanntschaft. Wenn aber umgekehrt eine junge Dame einem Mann hilft, so ist das unweigerlich der Beginn einer Freundschaft.

Seit dieser Zeit hatten sie sich täglich hier beim Tee getroffen. Einmal versuchte Jim auch, sie zum Theater einzuladen, aber sie schlug seine Bitte ab.

»Haben Sie weitere Erfolge gehabt bei Ihrer Suche nach der verlorenen jungen Dame?« fragte sie, während sie sich Marmelade auf ein Brötchen strich.

Jims Stirn legte sich in Falten.

»Mr. Salter hat mir heute klargemacht, daß es wenig an den Verhältnissen ändern würde, wenn ich sie fände.«

»Es wäre aber doch wundervoll, wenn das Kind gerettet worden wäre. Haben Sie jemals an diese Möglichkeit gedacht?«

Er nickte. »Leider dürfen wir uns keine Hoffnung in dieser Richtung machen, so schön es auch wäre. Und am meisten würde ich mich freuen«, meinte er lachend, »wenn Sie die vermißte Erbin wären!«

»Das ist hoffnungslos«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich bin die Tochter armer, aber ehrlicher Eltern, wie es immer so schön heißt.«

»Ihr Vater lebte immer in Südafrika?«

»Ja, er war Musiker. Auf meine Mutter kann ich mich kaum besinnen, sie muß sehr lieb gewesen sein.«

»Wo wurden Sie denn geboren?«

»In Kapstadt-Rondebosch, um genau zu sein. Aber warum geben Sie sich denn solche Mühe, die verlorene Dame aufzufinden?«

»Weil ich nicht will, daß dieser schreckliche, ungebildete Mensch das große Erbe der Danton-Millionen antreten soll.«

Sie richtete sich erstaunt auf.

»Wer ist denn dieser ungebildete Mensch? Sie haben mir bis jetzt seinen Namen noch gar nicht genannt.«

Das stimmte, Jim Steele hatte ihr erst vor ein paar Tagen von dieser Sache erzählt, die ihn so sehr beschäftigte.

»Der junge Mensch heißt Digby Groat.«

Sie schaute ihn verwirrt an.

»Was haben Sie denn?« fragte er erstaunt.

»Als Sie vorhin den Namen Danton erwähnten, erinnerte ich mich daran, daß unser erster Fotograf neulich sagte, Mrs. Groat sei die Schwester Jonathan Dantons«, sagte sie langsam.

»Kennen Sie die Familie Groat?«

»Ich kenne sie nicht«, sagte sie langsam, »wenigstens nicht sehr gut –« Sie zögerte. »Aber ich werde eine Stellung bei Mrs. Groat als Sekretärin annehmen.«

Er sah sie groß an. »Und davon haben Sie mir noch nichts gesagt?«

Aber als sie die Augen niederschlug, erkannte er, daß es falsch von ihm war, so zu fragen.

»Natürlich«, fügte er schnell hinzu, »es liegt ja kein Grund vor, warum Sie mir das sagen sollten.«

»Ich weiß es selbst erst seit heute. Mr. Groat ließ sich fotografieren, und seine Mutter begleitete ihn zum Atelier. Sie waren schon ein paarmal da, aber ich habe kaum von ihnen Notiz genommen. Heute rief mich der Chef zu sich und sagte, daß Mrs. Groat eine Sekretärin brauchte und daß es eine sehr gute Stelle für mich sein würde. Sie will fünf Pfund die Woche zahlen, die ich vollständig sparen kann, denn ich werde in ihrem Hause wohnen.«

»Wann hat sich denn Mrs. Groat entschlossen, eine Sekretärin anzustellen?«

»Das weiß ich nicht – warum fragen Sie mich, danach?«

»Ich habe sie vor einem Monat in unserer Kanzlei gesehen. Mr. Salter machte ihr damals den Vorschlag, sich eine Sekretärin zu halten, um ihre Korrespondenz in Ordnung zu bringen. Sie erklärte aber, daß sie das unter keinen Umständen täte, sie wolle keine Fremde um sich haben, die weder Dienstbote noch Freundin sei.«

»Sie wird ihre Absicht eben geändert haben«, meinte Eunice lächelnd.

»Das bedeutet also, daß wir uns nicht weiter beim Tee treffen können. Wann werden Sie Ihre neue Stelle antreten?«

»Schon morgen früh.«

Jim ging in düsterer Stimmung in sein Büro zurück. Sein Leben schien plötzlich arm und traurig geworden zu sein.

›Du hast dich verliebt, alter Kerl‹, sagte er zu sich selbst.

Es gehörte zu seinen Pflichten, das große Tagebuch zu führen, und wütend blätterte er die Seiten um.

Mr. Salter war schon nach Hause gegangen. Jim steckte seine Pfeife an und trug die Vorgänge nach den kurzen Bleistiftnotizen seines Chefs ein, die er auf dem Schreibtisch zurückgelassen hatte.

Als er fertig war, ging er noch einmal in das Zimmer seines Chefs, um zu sehen, ob er nicht etwas vergessen hätte.

Mr. Salters Schreibtisch war für gewöhnlich in bester Ordnung, aber er hatte die merkwürdige Angewohnheit, wichtige Akten oder Notizen beiseite zu legen, man hätte fast sagen können, sie zu verstecken. Jim hob alle Gesetzbücher auf, die auf dem Tisch standen, ob er nicht noch irgendeine Notiz darunter finden könnte. Ein dünnes, goldgerändertes Notizbuch war zwischen zwei Bänden eingeklemmt gewesen und fiel nun auf die Tischplatte. Er konnte sich nicht besinnen, es früher gesehen zu haben. Als er es öffnete, entdeckte er, daß es ein Tagebuch für das Jahr 1929 war. Mr. Salter pflegte für seinen Privatgebrauch Notizen zu machen und tat das in einer sonderbaren, nur ihm verständlichen Kurzschrift. Keinem seiner Schreiber oder Sekretäre war es jemals gelungen, sie zu entziffern. Auch dieses Tagebuch war in dieser Geheimschrift abgefaßt.

Jim drehte die Blätter neugierig um und wunderte sich, daß ein so vorsichtiger und ordentlicher Mann ein Tagebuch herumliegen ließ. Er wußte, daß in dem großen, grünen Geldschrank ganze Stapel solcher kleinen Bände aufbewahrt wurden. Vielleicht hatte der Rechtsanwalt einen herausgenommen, um sein Gedächtnis aufzufrischen. Es waren Hieroglyphen für Jim. Nur ab und zu stand ein Wort in offener Schrift dazwischen.

Aber plötzlich stutzte er, denn unter dem vierten Juni fand er eine lange Eintragung. Sie schien erst später von dem Rechtsanwalt gemacht worden zu sein, denn sie war mit grüner Tinte geschrieben. Aus diesem Umstand konnte er feststellen, wann sie geschrieben war, denn vor achtzehn Monaten hatte ein Augenarzt Mr. Salter gesagt, daß es ihm leichter fiele, grüne Schrift zu lesen, und seit diesem Zeitpunk hatte der Rechtsanwalt stets grüne Tinte für seine Schriftsätze benutzt. Jim hatte den Absatz gelesen, bevor er sich darüber klar wurde, daß er eigentlich nicht dazu berechtigt war.

»Ein Monat Zuchthaus im Holloway-Gefängnis. Entlassen am 2. Juli. Madge Benson (dieser Name war unterstrichen) 14, Palmer's Terrace, Paddington. 74, Highcliffe Gardens, Margate. Hatte lange Besprechungen mit dem Bootsmann, dem die ›Saucy Belle‹ gehörte.

Keine Spur von –«

Hier endete der Abschnitt in offener Schrift.

»Was, in aller Welt, mag das bedeuten?« murmelte Jim vor sich hin. »Das muß ich mir notieren.«

Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß er im Begriff war, etwas Unehrenhaftes zu tun, aber er war so interessiert an diesem neuen Hinweis, daß er seine Bedenken überwand.

Offenbar bezog sich diese Bemerkung auf die verschwundene Lady Mary. Wer diese Madge Benson war, und was die Erwähnung des Gefängnisses in Holloway bedeutete, wollte er herausbringen.

Als er die Notizen abgeschrieben hatte, ging er in sein Zimmer zurück, schloß seinen Schreibtisch ab, ging nach Hause und überlegte angestrengt, welche weiteren Nachforschungen er anstellen könnte.

Er hatte eine kleine Wohnung in einem Häuserblock, von dem aus man Regent's Park übersehen konnte. Von seinen eigenen Zimmern aus hatte man allerdings keinen Blick ins Freie. Man konnte nur die unangenehmen Rückseiten anderer Mietshäuser sehen, und unten führte die Eisenbahn vorbei. Er hätte von seinem Fenster aus Kupfermünzen auf die vorbeifahrenden Wagen werfen können, so dicht lagen die Schienen bei seinem Hause. Dafür war aber auch die Miete nur halb so hoch wie für ähnliche Wohnungen in besserer Lage. Er hatte ein kleines Privateinkommen von zwei bis drei Pfund wöchentlich, und wenn er sein Gehalt dazunahm, konnte er verhältnismäßig gut leben. Seine drei Zimmer waren mit wertvollen, alten Möbeln ausgestattet, die er aus dem Zusammenbruch seines väterlichen Vermögens gerettet hatte; denn als sein etwas leichtsinniger Vater starb, konnten von seiner Hinterlassenschaft gerade die zahlreichen Schulden beglichen werden.

Jim war im vierten Stock aus dem Lift gestiegen und wollte eben aufschließen, als er hörte, daß die gegenüberliegende Tür sich öffnete. Er wandte sich um.

Die ältere Frau, die heraustrat, trug die Tracht einer Krankenschwester. Sie nickte ihm freundlich zu.

»Wie geht es Ihrer Patientin?« fragte Jim.

»Es geht ihr gut. Das heißt, so gut es einer so kranken Dame eben gehen kann. Sie ist Ihnen sehr dankbar für die Bücher, die Sie ihr schickten.«

»Die arme Frau«, meinte Jim bedauernd. »Es muß doch schrecklich sein, wenn man nicht mehr ausgehen kann.«

»Sicherlich, aber Mrs. Fane scheint es nichts mehr auszumachen. Man gewöhnt sich daran, wenn man schon sieben Jahre krank liegt.«

Es kamen Schritte die Treppe herunter, und sie schaute hinauf.

»Der Postbote kommt«, sagte sie. »Ich dachte, er wäre schon dagewesen. Vielleicht bringt er uns etwas.«

Die Briefträger ließen sich im Fahrstuhl bis zum sechsten Stock fahren und teilten im Hinuntergehen die Post aus.

»Ich habe nichts für Sie, Sir«, sagte er zu Jim, während er das Paket Briefe in seiner Hand durchsah.

»Miss Madge Benson – das sind Sie doch, Schwester, nicht wahr?«

»Jawohl«, entgegnete die Frau schnell, nahm dem Postboten den Brief aus der Hand, verabschiedete sich durch ein kurzes Kopfnicken von Jim und ging die Treppe hinunter.

Madge Benson! Der Name, den er eben in Salters Tagebuch gelesen hatte!

4

»Du langweilst mich zu Tode, Mutter«, sagte Digby Groat, »wenn du mir immer wieder dieselben Geschichten erzählst.« Er goß sich ein Glas Portwein ein. »Es kann dir doch genügen, wenn ich dir sage, daß ich die junge Dame als Sekretärin herhaben will. Ob du etwas für sie zu tun hast oder nicht, ist mir gleichgültig. Aber eins mußt du dir merken: Sie darf niemals den Eindruck bekommen, daß sie aus einem anderen Grund engagiert ist, als deine Briefe zu schreiben oder deine Korrespondenz zu erledigen.«

Die Frau, die ihm auf dem Sofa gegenübersaß, sah älter aus, als sie in Wirklichkeit war. Jane Groat war über sechzig, aber manche hielten sie für zwanzig Jahre älter. Ihr gelbliches Gesicht war von vielen Runzeln und Falten durchzogen, und auf ihren blassen Händen traten die blauen Adern hervor. Nur ihre dunkelbraunen Augen machten noch einen lebendigen Eindruck, und in ihrem Blick lag Neugierde, beinahe Furcht. Ihre Gestalt war gebeugt. Ihr Benehmen ihrem Sohn gegenüber war fast kriechend, Sie sah ihm nicht in die Augen – sie sah überhaupt selten jemand an.

»Die wird hier herumspionieren, sie wird stehlen!« sagte sie mit weinerlicher Stimme.

»Nun sei aber ruhig von dem Mädchen«, sagte er böse. »Und da wir uns nun einmal allein sprechen, möchte ich dir etwas sagen.«

Ihre unsteten Blicke schweiften nach rechts und links, aber sie vermied es ängstlich, seinen Augen zu begegnen. Es lag eine Drohung in seinen Worten, die sie nur allzu gut kannte.

»Sieh einmal hierher!«

Er hatte einen Gegenstand aus seiner Tasche gezogen, der im Licht der Tischlampe blitzte und glänzte.

»Was ist es denn?« fragte sie kläglich, ohne aufzuschauen.

»Ein Diamantenarmband!« rief er vorwurfsvoll. »Es gehört Lady Waltham. Wir waren das Wochenende auf ihrem Gut. Sieh her!«

Seine Stimme war rauh und schrill, und sie senkte den Kopf und begann zu weinen.

»Ich habe es in deinem Zimmer gefunden, du alte Diebin!« zischte er sie an. »Kannst du dir diese entsetzliche Sache nicht abgewöhnen?«

»Es sah doch so schön aus«, schluchzte sie, und die Tränen rannen ihr über die hageren Wangen. »Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, wenn ich schöne Dinge sehe.«

»Du weißt doch, daß das Dienstmädchen von Lady Waltham verhaftet wurde, weil sie in dem Verdacht steht, das Armband gestohlen zu haben. Wenn nichts geschieht, wird sie zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.«

»Ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen«, wiederholte sie mit tränenerstickter Stimme.

Er warf das Armband mit einem Fluch auf den Tisch.

»Jetzt kann ich es der Dame wieder zurückschicken und muß ihr in einem Brief etwas vorlügen, daß es aus Versehen in deinen Koffer gekommen ist! Ich tue es nicht, um dem Dienstmädchen zu helfen, sondern um meines guten Rufes willen.«

»Jetzt weiß ich, warum du das Mädchen ins Haus nimmst – sie soll mich nur ausspionieren!«

Seine Lippen kräuselten sich verächtlich.

»Da hätte sie wohl eine schwere Aufgabe«, erwiderte er ironisch und lachte heiser, als er sich erhob.

Mit harter Stimme sagte er: »Du mußt mit dieser üblen Angewohnheit, alle Dinge zu stehlen, die dir gefallen, unter allen Umständen brechen. Ich habe die Absicht, bei den nächsten Wahlen ins Parlament zu kommen, und ich will meine gesellschaftliche Stellung nicht durch eine alte, verrückte Diebin erschüttert sehen. Wenn in deinem Kopf etwas nicht ganz in Ordnung ist«, fügte er drohend hinzu, »so weißt du, daß ich ein kleines Laboratorium habe, wo wir den Schaden reparieren können.«

Sie zuckte erschreckt zusammen. Entsetzen und Furcht zeigten sich in ihren Zügen.

»Du – das wirst du doch nicht tun – mein eigener Sohn!« stammelte sie. »Ich bin vollkommen gesund – es ist nur –«

»Vielleicht kommt es doch daher, daß du irgendeinen Druck im Gehirn hast«, sagte er kalt. »Dergleichen muß durch Operation entfernt werden –«

Sie hatte ihren Stuhl zurückgeschoben und das Zimmer fluchtartig verlassen, bevor er zu Ende gesprochen hatte. Er nahm das Armband, sah verächtlich darauf und steckte es wieder in die Tasche. Ihre krankhafte Neigung kannte er nun schon seit langer Zeit. Er hatte alles versucht, sie davon abzubringen und glaubte auch, daß es ihm gelungen wäre. Um so mehr war er durch dieses letzte Vorkommnis verbittert. Er ging in die Bibliothek, wo kostbare Bücherschränke aus Rosenholz standen. Ein silbernes Gitter war vor dem Kamin befestigt, und die ganze Ausstattung zeigte den größten Luxus. Er setzte sich nieder und schrieb einen Brief an Lady Waltham. Er packte das Armband und den Brief sorgfältig in einen kleinen Kasten und klingelte dann. Ein Mann in mittleren Jahren mit einem dunklen, abstoßenden Gesicht kam herein.

»Jackson, bringen Sie das sofort zu Lady Waltham. Meine Mutter geht heute abend in ein Konzert – wenn sie fort ist, durchsuchen Sie ihre Räume genau.«

»Das habe ich schon getan, Mr. Groat, aber ich konnte nichts finden.«

Er war im Begriff zu gehen, als Digby ihn zurückrief.

»Haben Sie der Haushälterin – gesagt, daß sie sich um das Zimmer für Miss Weldon kümmert?«

»Jawohl, Sir. Sie wollte ihr zuerst ein Zimmer im obersten Stock geben, wo das Personal schläft, aber das habe ich nicht zugelassen.«

»Sie soll das beste Zimmer im ganzen Haus bekommen. Sorgen Sie dafür, daß der ganze Raum mit Blumen geschmückt ist. Stellen Sie auch noch den Bücherschrank und den chinesischen Tisch in ihr Zimmer, die jetzt bei mir stehen.«

Der Mann nickte.

»Und wie soll das mit dem Schlüssel werden, Sir?« fragte er zögernd.

»Meinen Sie den Schlüssel zu ihrem Zimmer?« fragte Digby und schaute auf.

Der Mann nickte. »Wünschen Sie, daß man die Tür von innen abschließen kann?« fragte er bedeutungsvoll.

Mr. Groats Lippen zogen sich böse zusammen.

»Sie sind verrückt!« sagte er. »Natürlich will ich, daß man die Tür von innen verschließen kann. Bringen Sie auch einen Riegel an, wenn keiner vorhanden sein sollte.«

Jackson schaute erstaunt auf.

Zwischen den beiden schien ein engeres Verhältnis zu bestehen als gewöhnlich zwischen Herr und Diener.

»Ist Ihnen schon jemals ein Mann namens Steele begegnet?« fragte Digby plötzlich.

Jackson schüttelte den Kopf. »Wer ist das?« fragte er.

»Der Sekretär eines Rechtsanwaltes. Tun Sie sich nach ihm um, und beobachten Sie ihn gelegentlich, wenn Sie einmal freie Zeit haben – aber nein, lassen Sie die Sache lieber Bronson machen. Er wohnt ja in Featherdale Mansions.«

Eunice Weldon hatte ihre wenigen Habseligkeiten gepackt, der Wagen wartete vor der Tür. Es tat ihr nicht leid, daß sie die dumpfe, unordentliche Wohnung aufgeben mußte, in der sie nun die beiden letzten Jahre gewohnt hatte. Der Abschied von der etwas nachlässigen Wirtin fiel ihr nicht schwer, und sie konnte Jim Steeles Ansicht nicht teilen, der mit ihrer neuen Stellung so unzufrieden war.

Sie war noch zu jung, um einen neuen Posten nicht als den Beginn eines geheimnisvollen Abenteuers anzusehen, der alle möglichen, wunderbaren Ereignisse in sich barg. Sie seufzte, als sie daran dachte, daß diese kleinen Gespräche beim Tee, die eine so angenehme Unterbrechung ihres alltäglichen Lebens waren, nun aufhören mußten. Und doch war sie davon überzeugt, daß Jim alle Anstrengungen machen würde, sie wiederzusehen.

Sie würde Stunden, ja vielleicht sogar halbe Tage für sich haben. Plötzlich erinnerte sie sich daran, daß sie nicht einmal seine Adresse hatte! Aber er kannte ja ihren Aufenthaltsort. Dieser Gedanke beruhigte sie, denn sie hätte ihn gar zu gern wiedergesehen. Sie sehnte sich mehr nach ihm, als sie es jemals geglaubt hatte. Wenn sie die Augen schloß, erschien ihr sein schönes Gesicht, und seine lachenden, blauen Augen sahen sie treuherzig an. Die Bewegung seiner Schultern, wenn er ging, der Klang seiner Stimme beim Sprechen, alle seine charakteristischen Eigentümlichkeiten standen klar vor ihr.

Und der Gedanke, daß sie ihn nicht wiedersehen sollte –

›Aber ich will ihn sehen, ich muß ihn sehen‹, sagte sie zu sich selbst, als das Auto vor dem imposanten Portal ihrer neuen Wohnung am Grosvenor Square hielt.

Sie war bestürzt, als sie die große Schar der Diener sah, die herauskam, um ihr behilflich zu sein. Aber es tat ihr doch gut.

»Mrs. Groat möchte Sie sehen, Miss«, sagte ein finster dreinschauender Mann.

Sie wurde in einen kleinen Raum auf der Rückseite des Hauses gebracht, der ihr dürftig möbliert erschien, obwohl ihn Mrs. Groat schon für luxuriös ausgestattet hielt.

Die alte Frau lehnte jede Ausgabe für Dekorationen oder schöne Möbel ab. Nur die Furcht vor ihrem Sohn hielt sie davon ab, sich über jeden kleinen Betrag aufzuregen, der für sie ausgegeben wurde. Eunice war enttäuscht über ihre Unterhaltung mit der Frau. Sie hatte Mrs. Groat nur in dem fotografischen Atelier in vornehmer Kleidung gesehen, und nun saß eine alte, dürftig gekleidete Frau mit wachsgelbem Gesicht vor ihr und musterte sie mit feindseligen Blicken.

»Sie sind also die junge Dame, die meine Sekretärin werden soll?« fragte sie vorwurfsvoll. »Haben Sie schon Ihr Zimmer gesehen?«

»Noch nicht, Mrs. Groat.«

»Ich hoffe, daß es Ihnen hier gefallen wird«, sagte Mrs. Groat mit einer Stimme, die vermuten ließ, daß sie am liebsten das Gegenteil gesagt hätte.

»Wann kann ich mit meiner Tätigkeit beginnen?« fragte Eunice, die sich in dieser Umgebung durchaus nicht wohl fühlte.

»Sie können jederzeit beginnen«, erwiderte die alte Frau schnell und sah sie argwöhnisch von der Seite an. »Sie sind sehr schön«, sagte sie mürrisch, und Eunice errötete, denn das Kompliment erschien ihr fast wie eine Beleidigung. »Das wird wohl auch der Grund sein«, sagte Mrs. Groat abwesend.

»Wofür denn?« fragte Eunice liebenswürdig.

Sie hatte den Eindruck, daß diese Frau geistesschwach war, und hatte schon alle Lust an der neuen Stellung verloren.

»Das hat nichts hiermit zu tun«, sagte die alte Frau und entließ sie mit einem Kopfnicken.

Das Zimmer, in das sie jetzt geführt wurde, erschien ihr über alle Maßen schön, und sie war zuerst sprachlos über all diesen Luxus.

»Sind Sie auch sicher, daß ich hier wohnen soll?« fragte sie ungläubig.

»Jawohl, Miss«, sagte die Haushälterin und sah das Mädchen sonderbar an.

»Aber das ist doch eigentlich zu prächtig und schön für mich!«

Der Raum wäre selbst in einem Schloß aufgefallen. Die Wände waren mit Brokatseide überzogen, und die Möbel waren sehr kostbar. Ein französisches Bett, das in der reichsten Weise geschnitzt und vergoldet war, lud zur Ruhe ein. Ein großer Baldachin aus prächtiger Seide war darüber angebracht. Draußen sah sie einen Balkon, der mit farbenprächtigen Blumen geziert war. Sie stand auf einem dicken, dunkelblauen Teppich, mit dem der ganze Raum ausgeschlagen war, und schaute staunend auf diese Pracht.

Der reichgeschnitzte Toilettentisch war im Stil Louis XV. gehalten und hatte eine goldeingelegte Platte. Der dazugehörige Kleiderschrank mußte allein ein Vermögen gekostet haben. In der Nähe des Fensters stand ein hübscher Schreibtisch, und ein prachtvoller Bücherschrank mit wunderbaren Ganzlederbänden war vom Bett aus zu erreichen.

»Aber das ist doch gar nicht möglich, daß ich hier wohnen soll«, sagte sie wieder.

»Doch, Miss. Sehen Sie, das ist Ihr Badezimmer. Wir haben hier bei jedem Schlafzimmer ein besonderes Bad. Mr. Groat hat das ganze Haus umgebaut, als er es kaufte.«

Eunice öffnete eins der bis auf den Boden gehenden Fenster und trat auf den kleinen Balkon hinaus, der sich bis zu einer viereckigen Veranda hinzog, die über der Eingangshalle des Hauses errichtet war. Man konnte sie von dem Podest der Treppe aus erreichen.

Eunice sah Mrs. Groat an diesem Tage nicht wieder. Als sie nach ihr fragte, erfuhr sie, daß die alte Dame sich mit bösen Kopfschmerzen zurückgezogen hatte. Auch Digby Groat begegnete sie nicht und aß ihre erste Mahlzeit ganz allein.

»Mr. Groat ist noch nicht vom Lande zurückgekehrt«, erklärte Jackson, der sie bei Tisch bediente. »Ist alles nach Ihrem Wunsch, Miss?«

»Jawohl, ich danke.«

Sie empfand wenig Sympathie für diesen Mann. Nicht, daß er es an Respekt ihr gegenüber hätte fehlen lassen oder daß er plump vertraulich gewesen wäre – aber es lag etwas Anmaßendes in seinem Benehmen. Sie war froh, als sie ihre Mahlzeit beendet hatte, und ging enttäuscht in ihr Zimmer. Sie hätte Mrs. Groat gern noch so vieles gefragt, vor allem, wann sie ausgehen konnte.

Sie schaltete das Licht aus, öffnete das große Fenster und trat hinaus, um den kühlen, duftenden Abend zu genießen. Die letzten Schimmer des Abendrotes färbten die Wolkenränder. Der Platz unten war schon erleuchtet, und ein endloser Strom von Autos fuhr unter ihrem Fenster vorbei, denn Grosvenor Square war die Hauptverbindung zwischen Oxford Street und Piccadilly.

Die Nacht brach allmählich herein, und der gestirnte Himmel wölbte sich über ihr. Die Dächer und Türme der großen Stadt hoben sich wundervoll von dem magischen Licht des Firmaments ab. Die majestätische Einsamkeit und Schönheit der Nacht bezauberten Eunice so, daß ihr fast der Atem verging. Aber nicht das märchenhafte Licht der Sterne, nicht das melodiöse Rauschen der Bäume ließ ihr Blut aufwallen, sondern das Bewußtsein, daß es noch einen Menschen in der Welt gab, der zu ihr gehörte. Irgendwo in dieser großen, dunklen Stadt lebte ein Mann, der jetzt vielleicht an sie dachte. Sie sah sein Gesicht ganz deutlich vor sich, seine lieben Augen, sie glaubte den festen Druck seiner starken Hand zu spüren . . .

Mit einem Seufzer schloß sie das Fenster wieder und zog die schweren, seidenen Vorhänge zu. Fünf Minuten später lag sie in tiefem Schlummer.

Wie lange sie geschlafen haben mochte, wußte sie nicht, aber ihrer Meinung nach mußten es Stunden gewesen sein. Der lebhafte Verkehr auf der Straße war allmählich verstummt, und das summende Geräusch der Großstadt war verklungen, nur hin und wieder hörte sie eine Hupe. Der Raum lag im Dunkeln, dennoch war sie davon überzeugt, daß jemand im Zimmer war!

Sie setzte sich aufrecht, ein kalter Schauer überlief sie. Es war jemand hier! Sie tastete mit der Hand nach der Stehlampe und hätte beinahe einen Schreckensschrei ausgestoßen, denn sie berührte eine Hand, eine kalte, kleine Hand, die auf dem Nachttisch lag. Einen Augenblick war sie vor Entsetzen gelähmt. Dann wurde die Hand plötzlich zurückgezogen, sie hörte das Rauschen des Vorhangs und sah einen Augenblick lang den Schatten einer Gestalt am Fenster. Sie zitterte am ganzen Körper; dann raffte sie sich zusammen, sprang aus dem Bett und drehte das Licht an. Das Zimmer war leer, und das große Fenster war nur angelehnt.