Die Blinde und die Vogelscheuche - Ludwig Ziermeier - E-Book

Die Blinde und die Vogelscheuche E-Book

Ludwig Ziermeier

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Beschreibung

Gezeichnet von einem tragischen Unfall, der seinen Vater das Leben kostete und seine Mutter querschnittsgelähmt zurückließ, lebt Michael als Außenseiter mit dem Aussehen einer Vogelscheuche. Freunde und Liebe bleiben ihm fremd – bis er der blinden, wunderschönen Ellen begegnet. Als ein mutiger Augenchirurg Ellen das Augenlicht zurückgibt, scheint das Glück zum Greifen nah. Doch die dunkle Legende der "weißen Frau" im Ebersberger Forst wirft ihre Schatten auf ihre Liebe. Können Michael und Ellen den Fluch überwinden und ihre Liebe retten? Eine fesselnde Geschichte von Mut, Liebe und der Kraft, die dunkelsten Zeiten zu überstehen.

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Die Blinde

 

und die Vogelscheuche

 

Ludwig Ziermeier

 

Impressum:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB

1. Auflage

Juni 2024

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2024 Infinity Gaze Studios

Texte: © Copyright by Ludwig Ziermeier

Lektorat: Barbara Madeddu

Cover & Buchsatz: Valmontbooks

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von Infinity Gaze Studios AB unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.

Infinity Gaze Studios AB

Södra Vägen 37

829 60 Gnarp

Schweden

www.infinitygaze.com

 

Prolog

 

Dies ist die Geschichte eines jungen Mannes, der als Kind einen schrecklichen Unfall miterlebte. Sein Vater verstarb bei dem Unfall und seine Mutter war seitdem querschnittsgelähmt. Seit dem Unfall lebten sie in Armut und er kümmerte sich immer liebevoll um sie.

Er ging nie zum Friseur und seine Kleider kaufte er sich immer auf dem Flohmarkt. Da er stark kurzsichtig war, trug er immer eine alte Nickelbrille mit Drahtgestell und sehr dicken Gläsern. Zudem hatte er krumme Schneidezähne, welche an der Vorderlippe hervorstanden.

Aufgrund seines Aussehens wollte kein Mitschüler seiner Klasse mit ihm etwas zu tun haben. Durch sein Aussehen hatte er keine Freunde und auch noch nie ein Mädchen. Er wurde immer nur „Die Vogelscheuche“ genannt.

Doch er war ein sehr liebenswerter und hilfsbereiter Mensch und arbeitete in einer Pfarrei als Messdiener. Aufgrund seines Aussehens und weil er keine Freunde hatte, wollte er Priester werden.

Als er jedoch einer blinden, hübschen jungen Frau das Leben rettete, verliebte er sich in sie. Diese junge blinde Frau hatte aber noch ein Geheimnis!

Auf dem Oktoberfest in München rettete er sie erneut. Diesmal vor einer Entführung und auch sie verliebte sich in ihn.

Sie nahm ihm seine Schüchternheit, denn er hatte noch nie ein Mädchen und dadurch machte sie den Weg frei für eine große Liebe. Aus Liebe zu ihr verzichtete er auf sein Priesterstudium und schlug den Weg eines Religionslehrers ein. Dann gab es Probleme mit den näheren Verwandten (Schwester, Vater) seiner Geliebten, die aufgrund seines Aussehens gegen eine Verbindung waren.

Die Schwester seiner Geliebten war genau das Gegenteil von ihr. Sie liebte Whisky und Männer und war schon viermal verheiratet gewesen.

Die Ereignisse überschlugen sich, als ein Augenchirurg der blinden jungen Frau die Augen operierte und sie daraufhin wieder sehen konnte. Dass sie wieder sehen konnte, hatte sie indirekt ihm zu verdanken, da sie durch ihn seinen Pfarrer kennengelernt hatte, bei dem er als Messdiener arbeitete und dessen Bruder der Augenchirurg war.

Das Geheimnis der jungen Frau war, dass sie sehr reich und ihre Eltern Millionäre waren. Sie war nun darauf bedacht, aus ihm einen hübschen jungen Mann zu machen.

Er bekam einen modischen Haarschnitt und elegante Kleider. Seine Zähne wurden durch eine Zahnschiene korrigiert und anstelle seiner Brille bekam er Kontaktlinsen.

Dann heirateten sie und es wurde eine märchenhafte Hochzeit. Geheiratet wurde im Dom in der Frauenkirche von München.

Nach der Hochzeit wäre er fast ums Leben gekommen, aber die Schwester seiner Frau rettete ihm das Leben. Schuld daran war „Die weiße Frau“, welche der Legende nach auch noch heute im Ebersberger Forst spuken soll. Die meisten tödlichen Autounfälle passieren nach wie vor bei der Hubertuskapelle im Ebersberger Forst.

Aber auch die Schwester seiner Geliebten, die schon viermal verheiratet gewesen war, fand endlich den Mann ihrer Träume.

 

Ein schrecklicher Unfall

 

Wir schreiben das Jahr 1985, es ist der Monat August. Mitten in München wohnt eine glückliche Familie. Es ist die Familie Huber und sie haben einen zwölfjährigen Sohn mit Namen Michael. Durch seine starke Kurzsichtigkeit trägt er eine modische Hornbrille. Der Vater, Ralf, ist als kaufmännischer Angestellter in München tätig und die Mutter, Maria, ist zur Erziehung ihres Kindes zu Hause bei ihrem Sohn.

Endlich ist der Tag im August gekommen, an dem der Vater Urlaub hat und die Familie in den Süden in den Urlaub fahren kann. Alle freuen sich schon auf die Urlaubsreise an die Adria nach Italien. Sehr frühzeitig geht die Familie zu Bett, da sie schon am Morgen um 03:00 Uhr wegen des Urlaubsverkehrs aufbrechen wollen. Vater Ralf steht schon um 02:30 Uhr auf und verstaut die Urlaubskoffer in seinem Auto. Dann weckt er seine Frau Maria. Seinen Sohn lässt er weiterhin schlafen und trägt ihn von seinem Bett aus in das Auto auf den Rücksitz, wo er ihn mit dem Sicherheitsgurt anschnallt. Pünktlich um 03:00 Uhr beginnt ihre Urlaubsreise nach Italien.

Gegen 05:45 Uhr befinden sie sich bereits hinter dem Brenner auf der italienischen Seite. Ralf muss sich besonders gut auf den Verkehr konzentrieren, denn die Autobahnen sind hier in einem schlechten Zustand.

Mit seiner Frau Maria unterhält er sich fortlaufend. Ralf dreht sich kurz um, um nach seinem Sohn zu sehen. Als er sich wieder umdreht, kommt plötzlich auf seiner Fahrbahnseite auf der rechten Fahrspur ein Lkw mit Anhänger entgegen. Der Fahrer dieses Lkws war eingeschlafen. Obwohl Ralf noch versuchte, dem Lkw auszuweichen, wird sein Fahrzeug frontal erfasst und durch die Luft geschleudert. Es überschlägt sich mehrmals und stürzt die Böschung hinunter. Durch den Frontalzusammenstoß bohrte sich das ganze Lenkrad in seine Brust und Ralf ist sofort tot.

Seine Frau Maria wird durch das Blech des Fahrzeugs bis zur Hüfte eingeklemmt und spürt ihre Beine nicht mehr, da ein Teil des Autoblechs ihre Wirbelsäule zum Teil durchtrennte. Lediglich Michael überlebte den gefährlichen Unfall leicht. Nur seine Brille ging bei dem Unfall zu Bruch. Für ihn war es schrecklich, den Tod seines Vaters mit anzusehen sowie die schwere Verletzung seiner Mutter.

Kurz darauf sind auch schon die Polizei, Feuerwehr und der Notarzt am Einsatzort. Der Notarzt kann nur noch den Tod seines Vaters feststellen und kurz darauf muss Michael auch mit ansehen, wie sein Vater mit dem Leichenwagen abtransportiert wird. Die Feuerwehr musste seine Mutter aus dem Auto herausschneiden und anschließend kam sie mit dem Hubschrauber ins Klinikum Schwabing nach München, wo auch er mitflog.

Im Klinikum Schwabing kam seine Mutter sofort in den Operationssaal und auch er wurde untersucht. Da er fast keine Verletzungen hatte, verweilte er mit einer Krankenschwester in einem Aufenthaltsraum. Kurz darauf erschien sein Onkel Ernst und nahm ihn mit in seine Wohnung. In seiner Wohnung teilte er Michael mit, dass er in ihre Wohnung ziehen werde, da seine Mutter durch den Unfall querschnittsgelähmt geworden ist und er sie nun versorgen werde. Doch er könne dies nur vorübergehend tun, da er in absehbarer Zeit nach Australien auswandern werde, sobald er dort ein zugesagtes Stellenangebot bekommt. Er werde sich aber immer schriftlich melden und er sagte noch: „Dein Vater wird immer von oben herab auf euch sehen und euch schützen, damit ihr auch ohne ihn eine glückliche Familie werdet.“

 

Die Vogelscheuche

 

Sieben Jahre sind seit dem schrecklichen Unfall vergangen. Michael ist jetzt ein junger Teenager von 19 Jahren, der in München das Gymnasium besucht. Er stand kurz vor dem Abitur.

In seiner Schulklasse war er ein Außenseiter und wegen seines Aussehens wurde er wie ein Aussätziger behandelt, denn sein äußeres Erscheinungsbild war mehr als hässlich. Immerzu trug er alte und abgetragene Klamotten, die er sich am Flohmarkt kaufte, denn er war finanziell immer knapp bei Kasse.

Er hatte eine altmodische Beatle-Frisur mit langen Haaren. Zum Friseur ging er nie, um Geld zu sparen. Wenn er unterwegs war, trug er stets einen braunen Eimerhut. Doch was ihn ganz und gar entstellte, war, dass er eine alte, billige Nickelbrille mit Drahtgestell trug, welche sehr dicke Gläser hatte, denn er war sehr stark kurzsichtig. Hinzu kam noch, dass er krumme und weit vorstehende Schneidezähne hatte, welche man an der Oberlippe hervorragen sah.

Auf der Straße drehten sich oft die Leute nach ihm um, schüttelten den Kopf oder belächelten ihn. Aber Michael machte das nichts aus und ignorierte es einfach, wenn die Leute ihn ansahen.

Von seinen Mitschülern wurde er immer nur „Die Vogelscheuche“ genannt. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben.

In seiner Klasse saß er allein auf der Schulbank in der letzten Reihe. Ging er in die Mensa zum Essen, dann saß er auch hier immer allein an einem Tisch.

Vom Charakter her war Michael aber ein sehr liebenswürdiger und hilfsbereiter Mensch mit einer sehr freundlichen, sanften und angenehmen Stimme. Jeden, den er auf sich zukommen sah, begrüßte er mit seiner freundlichen Art. Meistens wurde aber seine Begrüßung nie erwidert und wenn doch, dann hieß es nur: „Hallo Vogelscheuche“.

Er hatte nur einen einzigen Freund und das war seine Katze, Kater „Carlo“.

 

Die Mutter der Vogelscheuche

 

Michael wohnt mit seiner Mutter in einer kleinen Zweizimmerwohnung und sie leben beide sehr bescheiden, denn sie sind auch arm. Seine Mutter ist Mitte fünfzig und heißt Maria. Er nennt seine Mutter immer liebevoll „Mutter Maria“. Sie sitzt im Rollstuhl und muss von einer kleinen Rente leben.

Seine Eltern hatten vor ca. sieben Jahren einen schweren Autounfall, den sein Vater nicht überlebte. Die Mutter ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt und kann nur noch ihren rechten Arm bewegen.

Wenn Michael nach Hause kommt, kümmert er sich immer mit voller Hingabe um seine Mutter. Er geht einkaufen, macht den Haushalt, kocht, putzt und hilft seiner Mutter, wo es nur geht.

In jeder freien Minute, die er zur Verfügung hat, ist er bei seiner Katze und dann wird geschmust.

Seine Mutter ist die einzige Person, mit der er über seine auftretenden Probleme spricht und sie hat sehr viel Verständnis für ihren Sohn.

Am Tag seines 20. Geburtstages, er war gerade vom Gymnasium nach Hause gekommen, überrascht ihn seine Mutter mit einem Käsekuchen, da dies sein Lieblingskuchen ist, und mit einem kleinen Geschenk. Seine Mutter überreicht ihm eine kleine Geschenkschachtel.

Mutter Maria: „Für mehr hat es leider nicht gereicht, aber ich hoffe, dir gefällt mein kleines Geschenk und es soll dir Glück bringen.“

Michael: „Das hätte doch nicht sein müssen, der Käsekuchen hätte doch schon längst gereicht, das ist doch mein Lieblingskuchen.“

Michael öffnet die kleine Geschenkschachtel und darin befindet sich eine kleine Silberkette mit einem silbernen vierblättrigen Kleeblatt-Anhänger. Bei drei dieser Kleeblätter war jeweils ein Name eingraviert. Auf dem ersten Kleeblatt stand sein Name „Michael“, auf dem zweiten der Name seiner Mutter „Maria“ und auf dem dritten der Name seines verstorbenen Vaters „Ralf“. Nur das vierte Kleeblatt war leer.

Er sieht sich die Kette ganz genau an und sagt zu seiner Mutter: „Das ist aber ein schönes Geschenk, ein schöneres Geschenk hättest du mir gar nicht zu meinem Geburtstag machen können.“

Dann hängt er sich die Kette um seinen Hals, bedankt sich bei seiner Mutter mit einem Kuss auf die rechte Wange.

Nur mit seiner Mutter verbrachte er an diesem Tag seine Geburtstagsfeier, denn sie hatten beide keine Bekannten oder Freunde. Lediglich einen Onkel hatte er, es war der Bruder seiner Mutter, doch er war vor vielen Jahren nach Australien ausgewandert und seitdem hatten sie nichts mehr von ihm gehört.

Um seine Mutter finanziell zu unterstützen, arbeitete Michael oft an den Wochenenden in der Kirche von St. Bonifatius als Messdiener. Die Pfarrei mit dem Namen Augustus und der Kirche St. Bonifatius wurde von einem Pfarrer Hubertus geleitet. Für seine Tätigkeit als Messdiener bekam Michael 100 DM im Monat. Der Pfarrer Hubertus war immer sehr freundlich und nett zu ihm. Michael sah in ihm einen Vaterersatz.

Als er wieder einmal in der Kirche als Messdiener seinen Dienst versah, kam Pfarrer Hubertus auf ihn zu und bat ihn, mit in sein Büro zu kommen.

Hier sagte er zu ihm: „In 14 Tagen machst du dein Abitur. Hast du dir schon einmal überlegt, welches Studium du dann einschlagen wirst? Was würdest du von einem Theologiestudium halten, Priester werden, und ich werde mich dann für dich einsetzen, dass du hier einmal mein Nachfolger wirst?“

Als Michael dies hört, strahlt er: „Die Idee ist nicht schlecht.“

Zu Hause erzählt er es seiner Mutter und er fragt sie, was sie von dieser Idee halten würde.

Daraufhin sagt sie zu ihrem Sohn: „Du musst stets deinem Herzen und deinen Gefühlen folgen, nur dann bist du immer auf dem richtigen Weg. Wenn du glaubst, dass dies der richtige Weg ist, Priester werden zu wollen, dann hast du meinen Segen.“

Als Michael sein Abitur gemacht hatte, stand nun die Abiturfeier an. Schnell hatte es sich bei den Schülern herumgesprochen, dass Michael Priester werden will.

Bei der Abiturfeier saß er wieder ganz allein an einem Tisch, trank eine Cola und sah mit traurigen Blicken, wie sich alle Schüler aus seiner Klasse bei dieser Feier amüsierten, lachten und tanzten.

Dann kam plötzlich ein Schüler aus seiner Abiturklasse auf ihn zu, er hieß Peter und setzte sich an seinen Tisch.

Peter: „Ich habe gehört, du willst ein Pfaffe werden. Ich werde Medizin studieren. Wenn ich mit meinem Studium fertig bin, werde ich als Schönheitschirurg eine eigene Praxis in München aufmachen. Du kannst dann gerne bei mir in meine Praxis kommen, ich würde dir dann dein Gesicht sogar umsonst operieren.“

Lachend steht Peter auf und geht.

 

Eine blinde junge Frau

 

In der unmittelbaren Nähe der Universität, wo Michael Theologie studierte, war ein kleines Café. Dort verkehrte er, wenn die Uni zu Ende war. Hier hatte er schon einen Stammplatz und saß immer am gleichen Tisch. Dieser befand sich direkt rechts neben dem Eingang und er hatte dort einen Fensterplatz.

Trotz seines Erscheinungsbildes war er hier immer ein gern gesehener Gast aufgrund seiner höflichen und netten Art. Michael fühlte sich hier sehr wohl und er trank meistens nur eine Cola, denn zu mehr reichte oft sein Geld nicht.

Wieder einmal sitzt Michael in seinem Café. Nachdem er seine Cola ausgetrunken hatte, bezahlt er die Cola, nimmt seinen Eimer Hut, setzt ihn auf und verlässt das Café, um den Nachhauseweg anzutreten.

Gleich in unmittelbarer Nähe befindet sich eine Kreuzung, die er überqueren musste. Als er sich dieser Kreuzung nähert, sieht er, dass die Fußgängerampel Rot aufleuchtet. Kurz bevor er an dem Fußgängerüberweg zu dieser Kreuzung kommt, steht vor ihm eine junge Frau mit langen blonden Haaren. Plötzlich geht die Frau los, um die Straße zu überqueren, obwohl die Ampel noch Rot aufleuchtete. Sie befindet sich schon ca. 2 m in der Fahrbahn.

Dann sieht Michael, wie von links ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf die Frau zurast. Blitzschnell rennt er in die Fahrbahn, packt die Frau mit der Hand hinten an ihrem Kragen und will sie wieder von der Fahrbahn auf den Gehweg zurückziehen. Dabei stürzen sie beide zu Boden, aber zum Glück landen sie auf dem Gehweg. Sein Hut, der beim Sturz heruntergefallen war, kullert auf die Fahrbahn. Er wird vom vorbeifahrenden Auto platt gefahren und um ein Haar hätte das Fahrzeug ihn und die Frau auch noch erfasst, wenn er nicht so schnell reagiert hätte.

Als sie beide am Boden liegen, sieht Michael, dass es sich hier um eine junge blinde Frau handelt, mit einem wunderschönen Gesicht. Rechts neben ihr liegt ihre Blindenbrille sowie ihr Blindenstock. Michael hilft der jungen Frau wieder auf die Beine. Er gibt ihr die Brille und den Blindenstock und sagt zur blinden Frau: „Sie müssen schon vielmals entschuldigen, aber ich musste so handeln, denn sonst hätte das Auto Sie erfasst und Sie wären jetzt vielleicht tot. Haben Sie sich wehgetan?“

Die junge Frau ist noch ziemlich verstört und sagt: „Nein, es geht schon.“

Dann sieht Michael, dass ihre Hände durch den Sturz schmutzig geworden sind.

Michael: „Kommen Sie mit, gleich in unmittelbarer Nähe befindet sich ein Café, hier können Sie sich Ihre Hände waschen und sich von dem Sturz erholen. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie als Entschädigung auf eine Cola einladen.“

Die junge Frau hängt sich am Arm von Michael ein und beide marschieren zum Stammcafé von Michael. Im Café führt er die junge Frau vor die Tür zur Damentoilette.

Michael: „Hier ist die Damentoilette. Da können Sie sich Ihre Hände waschen. Ich werde hier auf Sie warten.“

Nachdem sie sich die Hände gewaschen und die Toilette verlassen hatte, wartete Michael sehr geduldig vor der Tür auf die junge blinde Frau. Er nimmt sie am Ellenbogen und führt sie zu seinem Stammplatz. Beim Vorbeilaufen an der Theke bestellt er zwei Cola bei der Bedienung. Als sie beide am Tisch Platz genommen hatten, stellt sich Michael der jungen Frau vor: „Mein Name ist Michael.“

Daraufhin sagt die junge Frau: „Und ich heiße Ellen und ich muss mich recht herzlich bei Ihnen bedanken. Vermutlich haben Sie mir sogar das Leben gerettet. Ich war zu sehr in Gedanken und dadurch hatte ich nicht aufgepasst.“

Michael: „Mein Einsatz war doch selbstverständlich und auch ich bin oft in Gedanken, da kann so etwas schon einmal passieren. Als ich Sie am Boden ohne Ihre Blindenbrille liegen sah, dachte ich zunächst nicht, dass Sie blind wären, denn Sie haben so wunderschöne blaue Augen und auch ein bezauberndes Gesicht.“

Ellen: „Was ist blau und wieso ist mein Gesicht bezaubernd? Ich habe mein Gesicht noch nie gesehen.“

Als Michael dies hört, wechselt er sofort das Thema.

Michael: „Darf ich Sie etwas fragen?“

Ellen: „Aber natürlich.“

Michael: „Was machen Sie beruflich?“

Ellen: „Ich studiere Musik und Sie?“

Michael: „Ich studiere Theologie und möchte einmal Priester werden.“

Als Ellen dies hört, ist sie sehr erstaunt.

Ellen: „Sie wissen schon, dass Sie dann nie heiraten dürfen, eine Frau und Kinder haben werden. Dabei gibt es doch nichts Schöneres als eine glückliche Familie mit Kindern.“

Michael: „Ich weiß, aber vielleicht will mich keine Frau haben.“

Ellen: „Hatten Sie denn noch nie ein Mädchen?“

Doch auf diese Frage schweigt Michael.

Ellen: „Da Sie mir keine Antwort geben, bedeutet dies ein ‚Ja‘. Es gibt viele Millionen Frauen auf dieser Welt in Ihrem Alter und da ist doch bestimmt eine Frau dabei, die zu Ihnen passen würde. Man muss sie nur finden.“

Michael: „Nein, es spielen noch andere Gründe eine Rolle, aber diese möchte ich nicht nennen.“

Ellen: „Ja, es geht mich auch alles nichts an. Ihre Gründe sind Ihr Geheimnis, denn auch ich habe meine Geheimnisse und deshalb verstehe ich Sie sehr gut.“

Michael: „Wohnen Sie hier in München?“

Ellen: „Ja, ich wohne hier in München mit meiner Schwester in einer Drei-Zimmer-Wohnung.“

Michael: „Wohnen Sie denn dann nicht mehr bei Ihren Eltern?“

Ellen: „Nein, meine Eltern leben jetzt in Amerika. Mein Vater war viele Jahre in München als amerikanischer Soldat stationiert. Er spricht perfekt Deutsch. Hier lernte er dann auch meine Mutter, sie ist eine Deutsche, kennen. Vor einem Jahr gingen dann meine Eltern nach Amerika, und zwar musste dies mein Vater aus beruflichen Gründen tun. Meine ältere Schwester und ich wollten nicht, denn wir wurden beide in München geboren und sind hier aufgewachsen.“

Ellen und Michael unterhalten sich laufend weiter und merken überhaupt nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Ellen hat schon längst ihre Cola ausgetrunken, während das Glas mit der Cola von Michael noch fast voll war. Michael sieht zwar, dass ihr Glas schon leer ist, kann aber keine weitere Cola für Ellen bestellen, weil er wusste, dass er in seiner Geldbörse nur noch 3 Geldmünzen hatte. Dies waren je 2 DM sowie eine 10-Pfennig-Münze und eine Cola kostete 2 DM.

Dann kommt plötzlich die Bedienung an seinen Tisch und fragt, ob sie noch eine Cola bringen soll.

Verlegen sagt Michael: „Nein, wir müssen gleich gehen, ich habe noch einen Termin. Vielleicht könnten Sie so gut sein und in 10 Minuten zum Bezahlen kommen!“

Ellen: „Sie haben heute noch einen Termin?“

Michael: „Ja, ich muss noch zur Mutter Maria.“

Ellen: „Sie wollen heute noch in die Kirche zum Beten?“

Michael lacht: „Nein, meine Mutter heißt Maria und deshalb nenne ich sie immer Mutter Maria. Sie braucht mich, sie ist querschnittsgelähmt bis zur Hüfte und kann nur noch ihren rechten Arm bewegen.“

Ellen: „Oh, das tut mir aber leid. Wie kam es zu dieser Lähmung?“

Michael erzählt, dass seine Eltern vor vielen Jahren einen schweren Autounfall gehabt hatten.

Michael: „Seitdem ist meine Mutter querschnittsgelähmt. Mein Vater überlebte diesen Unfall nicht. Nun muss ich mich um meine Mutter kümmern. Ich mache den Haushalt, koche, putze, wasche und gehe zum Einkaufen. An den Wochenenden arbeite ich in der Kirche als Messdiener und verdiene mir dabei 100 DM im Monat. Davon gebe ich meiner Mutter immer die Hälfte des Geldes, um ihre kleine Rente aufzustocken, damit sie sich auch eine Kleinigkeit leisten kann.“

Ellen ist derart gerührt von Michael, dass ihr eine Träne vom rechten Auge unterhalb der Blindenbrille an der Nase herunterkullert.

Michael sieht die Träne: „Haben Sie Augenschmerzen?“

Ellen: „Nein.“

Mit dem rechten Zeigefinger wischt sie sich die Träne weg.

Nachdem die 10 Minuten um waren, kommt die Bedienung zum Kassieren. Michael sieht, wie Ellen gerade ihre Geldbörse aus ihrer Handtasche holen will.

Michael: „Nein, Sie waren von mir eingeladen worden und ich möchte nicht, dass Sie die Cola bezahlen. Ich würde mir auch sonst nie etwas von einer Frau bezahlen lassen.“

Als Ellen dies hört, macht sie einen erstaunten Gesichtsausdruck. Michael legt der Bedienung 4 DM und die 10-Pfennig-Münze auf den Tisch und sagt: „Das stimmt so!“

Die Bedienung bedankt sich, aber als sie das Trinkgeld mit der 10-Pfennig-Münze sieht, schüttelt sie den Kopf, nimmt das Geld vom Tisch und geht.

Als die Bedienung gegangen war, sagt Ellen zu Michael: „Warum haben Sie der Bedienung nur 10 Pfennige als Trinkgeld gegeben?“

Michael wird wieder verlegen: „Ich hatte es nicht passend, aber woher wussten Sie, dass es 10 Pfennige waren?“

Ellen: „Ich hatte es an dem Klang der Münze gehört.“

Ellen und Michael stehen auf, um zu gehen. Unbemerkt holt Ellen eine 2-DM-Münze aus ihrer Handtasche und in dem Moment, wo Michael ihr den Rücken zudreht, um anschließend die Türe für Ellen aufzuhalten, legt sie schnell diese 2-DM-Münze auf den Tisch für die Bedienung. Die Bedienung, die dies gesehen hatte, läuft freudestrahlend zum Tisch und holt sich das Geld.

Vor dem Café fragt Ellen Michael, ob er wisse, wo hier in der Nähe ein Taxistand ist.

Michael: „Oh, das trifft sich ausgezeichnet, ca. 10 Minuten von hier ist ein Taxistand und dies ist auch meine Richtung.“

Ellen hängt sich bei Michael ein und beide gehen unterhaltend Richtung Taxistand.

Als sie gerade 5 Minuten unterwegs sind, bleibt Ellen plötzlich stehen.

---ENDE DER LESEPROBE---