4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €
Wales, 1205. Der "Bär von Brecon" soll ihr Ehemann werden? Verzagt reist Lady Roslynn nach Wales, wo sie auf Befehl den Königs den berüchtigten Kriegsherrn Sir Madoc of Llanpowell heiraten soll. Die junge Witwe fürchtet das Schlimmste - doch beim Anblick ihres walisischen Bräutigams schwinden alle Zweifel: Sir Madoc erweist sich als ritterlich und dazu verwegen attraktiv! In seinen Armen erlebt Roslynn nie gekannte Leidenschaft. Allzu bald scheint Madocs Verlangen nach ihr jedoch zu erkalten. War es nur ihre Mitgift, die ihn der Heirat zustimmen ließ? Oder steckt ein schreckliches Geheimnis hinter seinem abweisenden Verhalten?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 388
Veröffentlichungsjahr: 2014
IMPRESSUM
HISTORICAL GOLD erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2009 by Margaret Wilkins Originaltitel: „The Warlord’s Bride“ erschienen bei: HQN Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLDBand 282 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Charlotte Gatow
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733761639
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, MYSTERY, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
Wales, 1205
Lord Alfred de Garleboine brachte seinen Schecken zum Stehen. Er spähte durch den Regen, der von seiner Bundhaube tropfte. Die Kiefern links und rechts neben ihm verströmten noch immer einen kräftigen Duft, obwohl die Zweige vom schweren Wasser niedergedrückt waren. Der Weg war an den Rändern aufgeweicht, nichts als Matsch und gurgelnde Rinnsale, die immer stärker wurden. So grau, wie der Himmel war, würde der Regen kaum aufhören, jedenfalls nicht so bald. Geradeaus konnte man auf eine Landschaft blicken, die auch wenig erfreulich wirkte, eine Mischung aus schmuddeligem Grün und trübem Grün, die wenigen Felsen sahen aus wie Zwerge, die sich zusammengekauert hatten, um das Wetter möglichst trocken zu überstehen.
„Gelobt sei der Herr! Dort liegt Llanpowell“, murmelte der Adelige, er befand sich in den mittleren Jahren. Mit diesen Worten trieb er sein Pferd an, dessen Hufe Schlamm und kleine Kiesel aufwirbelten.
Ziemlich durchnässt folgte die junge Dame, die an seiner Seite ritt, seinem Blick. Sie trug einen Umhang, dessen Kapuze mit Fuchspelz verbrämt war, jetzt aber durch die Nässe kaum noch als solcher zu erkennen war. Das da vorn war wirklich eine Burg und keine weitere dieser Felszungen, von denen es hier im Süden von Wales reichlich zu geben schien.
„Oh Gott!“
Lord Alfred und Lady Roslynn de Werre drehten sich um, als sie den Aufschrei hörten. Ein schwerer hölzerner Wagen steckte in der Fahrspur fest und neigte sich bedrohlich zur Seite. Der zahnlose Kutscher lehnte sich in die Gegenrichtung und trieb die beiden Zugpferde an. Die Tiere schnaubten und setzten sich in Bewegung, doch die Wagenräder versanken nur tiefer im Matsch.
„Sitz nicht da wie ein Getreidesack!“, befahl Lord Alfred. „Steig ab und bring die dummen Biester dazu, sich zu bewegen.“ Er zeigte auf die sechs Soldaten, die das Gefährt eskortierten. „Bleib beim Wagen, bis er die Burg erreicht hat. Die anderen kommen mit uns.“
Er lehnte sich vor und blickte Lady Roslynn mit seinen grauen Augen an. „Habt Ihr irgendwelche Einwände, wenn wir es so handhaben, Mylady?“
„Ihr habt hier das Kommando“, sagte sie mit einem sanften Lächeln, das einen eigenartigen Gegensatz zu dem Aufruhr um sie herum bildete. In Wahrheit würde sie lieber draußen im Regen bleiben, als nach Llanpowell zu gelangen. „Ist es wirklich notwendig, sechs Männer bei solchem Wetter zurückzulassen, immerhin sind wir in der Nähe einer Burg und damit eines Edelmannes?“
„Ich will kein Risiko eingehen“, antwortete Lord Alfred. Dann hob er seine Hand und winkte seinem Gefolge, ein eindeutiges Zeichen, dass es weiterreiten sollte.
Lady Roslynn unterdrückte einen Seufzer. Sie wusste nicht, warum König Johns Höfling überhaupt nach ihrer Meinung fragte. Sie hätte sich die Mühe sparen können, darauf zu antworten.
Die Gruppe setzte ihren Weg fort. Niemand sprach, so war das Geräusch des weiterhin strömenden Regens zu hören, dazwischen vernahm man noch das Klirren, das die Kettenhemden der Soldaten verursachten, sowie das Schmatzen der Pferdehufe im Matsch. Jeder Schritt brachte sie der Burg des Herrn von Llanpowell näher. Das Gebäude wirkte nicht so, als sei es von Menschen erbaut worden. Es schien eher ein natürlicher Teil der Landschaft zu sein – wie die Felsen, die der Zeit und dem Wetter trotzten.
Die gesamte Gegend bildete einen starken Gegensatz zu Lincolnshire, wo Roslynn aufgewachsen war. In ihrer Heimat erstreckten sich die Moore meilenweit, und der Himmel schien endlos, hier jedoch gab es Hügel und Täler, unerwartete Wasserläufe mit Farnkraut, Geröll und Felsen. Das Land schien wild und ungezähmt, fremdartig und atemberaubend – so wie die Festung in Sichtweite. Na ja, atemberaubend war sie vielleicht nicht gerade.
Roslynn versuchte, ihre Befürchtungen zu unterdrücken, als sie sich dem eisenbeschlagenen Tor aus massiver Eiche näherten. Was auch immer hier geschehen würde, sie war zumindest weit weg vom Königshof. Und die Räume waren sicher komfortabler als alle, in denen sie sich während ihrer Reise aufgehalten hatten.
Vom Vorwerk aus ließ sich eine Stimme vernehmen. Der Mann sprach das Französisch der Normannen mit einem deutlichen walisischen Einschlag. „Wer seid Ihr, und was wollt Ihr auf Llanpowell?“
„Ich bin Lord Alfred de Garleboine und im Auftrag des Königs unterwegs“, rief Lord Alfred hinauf.
„Im Auftrag des Königs?“, wiederholte der Mann auf der Mauer. „Welcher König?“
„Ist der Mann ein Einfallspinsel?“, murmelte Lord Alfred. Er hob die Stimme. „John. Durch die Gnade Gottes König von England, Herrscher über Irland, Herzog der Normandie und Aquitaniens und Graf von Anjou.“
„Ach, der Thronräuber, der seinen Neffen umgebracht hat.“
Obwohl der Mann auf der Mauer nur das sagte, was die meisten Menschen für die Wahrheit hielten, war es kein gutes Vorzeichen für ihre Aufnahme auf Llanpowell.
Drei weitere Männer, die ebenso wie der erste Mann barhäuptig und mit Tuniken statt mit Kettenhemden bekleidet waren, traten dazu.
„Was will John?“, rief einer von ihnen herunter.
„Darüber werde ich nur mit Eurem Lehnsherrn sprechen“, antwortete Lord Alfred.
„Vielleicht seid Ihr gekommen, um uns anzugreifen“, rief der erste Mann zurück.
Lord Alfred erhob sich ungeduldig aus seinem reich verzierten Sattel. „Sehen wir aus wie eine Horde Wegelagerer?“
„In dieser Zeit kann man sich da nie sicher sein“, antwortete der erste Mann. Die wachsende Ungeduld des Adeligen schien ihn nicht zu beeindrucken. „Wir Waliser sind erst neulich einigen gut gekleideten normannischen Dieben begegnet.“
„Öffnet die Tore oder der König wird von Eurem Verhalten ebenso erfahren wie Euer Herr.“ Es schien fast, als habe der Besitzer von Llanpowell weniger Spaß daran, seine normannischen Besucher und ihren König zu verspotten als seine Wachleute. Die massiven Tore öffneten sich langsam.
Was sagte das über den Herrn von Llanpowell aus? War er einer, der seine Macht auf Angst und strenge Strafen gründete? Oder war er jemand, der geachtet und respektiert wurde und mit dem man nicht leichtfertig umgehen sollte?
Welchen Charakter ap Gruffydd auch haben mochte, jetzt war es zu spät, kehrtzumachen oder davonzulaufen.
„Widerwärtige Zeiten. Freche Wilde“, grummelte Lord Alfred, während er seine behandschuhte Hand hob und seinen Männern das Zeichen gab, die Burg zu betreten.
Hinter der äußeren Mauer erstreckte sich ein mit Gras bewachsener, etwa fünfzig Meter langer Bereich. Dahinter erhob sich abermals eine Mauer, höher als die erste, mit einem weiteren Tor und einem Wachturm.
Das innere Tor war geöffnet. Gerade rollte ein großer hölzerner Wagen, den zwei breitbrüstige Ochsen zogen, durch dieses. Ihm folgte eine Gruppe von zwanzig Mann mit Schwertgehängen, Bögen und Köchern. Sie trugen keine Kettenhemden, sondern ein Lederwams, Hosen und Stiefel. Keine Helme. Fast alle hatten dunkelbraunes oder schwarzes Haar. Die meisten von ihnen auch einen Bart.
Trotz ihrer Kleidung gehörten sie wohl zur Burg, denn sie gingen in zwei Reihen in den inneren Bereich.
Lord Alfred presste seine Lippen zusammen. „Der König wird von dieser Beleidigung erfahren.“
„Ich glaube, es handelt sich um eine Ehrengarde“, wandte Roslynn leise ein. „Schauen Sie sich ihre Formation an, und wie sie stillstehen.“
Der einzige Kommentar, den Lord Alfred dazu abgab, war ein leises Knurren.
Sie war sicher, dass sie recht hatte, denn die Männer, die sie hereingelassen hatten, blieben, wo sie waren. Stumm blickten sie geradeaus, während der Zug an ihnen vorbei in den Burghof ritt.
Dort wurden Gebäude verschiedenster Größe sichtbar. Einige waren aus Stein erbaut und hatten Schieferdächer, andere waren holzverkleidete, mit Flechtwerk durchzogene Lehmbauten. Sicher die Ställe. Manche wirkten eher wie Verschläge, die sich an eine Wand lehnten. Immerhin war der Burghof mit Kopfsteinen gepflastert. Auch wenn hier und da große Pfützen standen, so war er doch keine morastige Lache.
Leider standen auch hier bewaffnete Soldaten und beobachteten sie grimmig.
Bevor sie absteigen konnten oder ein Stallknecht erschien, um ihnen die Pferde abzunehmen, flog die Tür des größten steinernen Gebäudes mit einer Wucht auf, als habe sie ein starker Wind aufgerissen. Ein rundlicher grauhaariger Mann kam rasch die Treppe herunter. Er trug ein dunkelgrünes Hemd, schlichte Hosen, abgewetzte Stiefel und einen dunkelbraunen Umhang, den er über die Schultern geworfen hatte. Sein Haar war wie bei den anderen Männern lang und sein Gesicht unrasiert, im Gegensatz zu ihnen trug er aber keine sichtbaren Waffen. Er lächelte und hielt einen großen Becher in der Hand. Den Regen schien er kaum zu bemerken.
„Willkommen, Mylord und Mylady!“, rief er in einem Französisch, das einen deutlichen walisischen Akzent hatte. Er ignorierte die Pfützen und ging geradewegs durch sie hindurch. „Willkommen auf Llanpowell! Willkommen in meinem Heim! Es ist eine Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen!“
In Roslynns Magen schien ein Wackerstein zu drücken, als ihr klar wurde, dass dieser Mann Madoc ap Gruffydd, der Herr von Llanpowell sein musste.
Sie hatte angenommen – dummerweise, wie es ihr jetzt erschien –, der „Bär von Brecon“ sei ein junger Mann. Sie hatte auch angenommen, er trage seinen Spitznamen wegen seiner Wildheit im Kampf und nicht wegen seiner zotteligen grauen Haare, die ihm bis auf die Schultern fielen, oder wegen seines buschigen Bartes oder des Umfangs seines Bauches.
Vielleicht hatte er diesen Namen aber schon in seiner Jugend erhalten.
Der Waliser rief ein paar Befehle, und sofort kamen Stallknechte und Stalljungen herbeigelaufen, um den Gästen die Pferde abzunehmen.
Offensichtlich waren die Bediensteten des Herrn von Llanpowell ebenso gut ausgebildet wie seine Soldaten, aber sein joviales Äußeres und sein freundliches Verhalten konnten auch täuschen.
„Kommen Sie ins Trockene!“, rief der Waliser und machte eine einladende Bewegung in Richtung des steinernen Gebäudes. Auf den Becher, dessen Inhalt dabei herausschwappte, achtete er nicht. Dort drinnen musste die Halle sein.
Roslynn hoffte inständig, dass Madoc ap Gruffydd kein Trunkenbold war.
Mit einem grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht schwang sich Lord Alfred aus dem Sattel und trat zu ihr, um ihr vom Pferd zu helfen. Sie atmete tief durch und schüttelte den nassen Rock ihres graublauen Kleides aus, als sie Boden berührte. Steif griff Lord Alfred nach ihrem Arm, um sie in die Halle zu begleiten.
Die Soldaten im Hof blieben regungslos. Sie beobachteten sie aufmerksam und argwöhnisch.
Die Halle war klein, eng und alt. Die Dachbalken waren durch die Jahre und den Rauch fast schwarz. Anders als in neuen Hallen lag die Feuerstelle in der Mitte des Raums. Das Dach wurde nicht von Steinsäulen gehalten, sondern von Säulen aus Holz. Manche davon waren glatt, andere mit Schnitzarbeiten verziert, die Weinreben, Blätter oder Tierköpfe zeigten. Auf dem Boden lagen Binsen. Drei große Jagdhunde, die ebenso zottelig wie ihr Besitzer aussahen, strichen um ihre Beine und beschnüffelten die Eintretenden.
Auch hier standen Soldaten an den Wänden Wache. Sie beobachteten sie, während ihr Gastgeber sie zur Herdstelle führte, um die Bänke und einige Holzstühle gruppiert waren.
Die Befestigungen der Burg hatten Roslynn vermuten lassen, dass die Wohnräume von Llanpowell modern und behaglich sein würden. Es war eine üble Überraschung, dass sie sich geirrt hatte. Aber immerhin würden die Kammern trocken sein.
Aber wie primitiv auch die Unterbringung sein mochte – es war besser, hier zu sein als am Königshof, wo sie weder vor den Nachstellungen König Johns noch vor denen seiner Hofleute sicher war, die auch noch glaubten, sie sollte für diese Art von Aufmerksamkeit dankbar sein.
„Setzen Sie sich ans Feuer, Mylady“, sagte ihr Gastgeber. Er zog seinen Umhang von den Schultern, behielt den Becher aber weiterhin in der Hand. Er schien nicht zu bemerken, dass der Umhang auf den mit Binsen bedeckten Boden fiel, bevor ein Bediensteter danach greifen konnte.
„Bron, was stehst du da herum?“, bemerkte er zu einer Dienstmagd, die sich in der Nähe an einer Wand aufhielt und um die achtzehn Jahre alt sein mochte. „Nimm der Lady ihren Umhang ab.“
Die junge Frau sprang vor und stellte sich neben Roslynn, die das durchnässte Kleidungsstück augenblicklich auszog. Nachdem die Magd es an sich genommen hatte, eilte sie rasch zu einem Wandpflock, an dem sie den Umhang am Fuchspelz aufhängte. Danach kehrte sie zu ihrem Posten zurück.
Es war angenehm, die Wärme des Feuers zu spüren. Roslynn war zwar richtig angezogen – sie trug ein Wollkleid und feste Stiefel –, dennoch zitterte sie. Sie schlang die Arme um ihren Körper, als sie sich auf eine der Bänke setzte.
Mit einem breiten Lächeln platzierte der Waliser seine Körperfülle auf einen der Stühle. Er grinste Lord Alfred an, der so steif dastand, dass man meinen konnte, er sei nicht in der Lage, sich zu setzen.
„Sie fragen sich zweifellos, was uns hierher bringt“, begann er nicht minder steif.
„Aye, mache ich, aber setzen Sie sich erst einmal!“, befahl der Waliser kichernd. „Essen und Trinken kommen vor den Geschäften. Ich kann nicht über wichtige Dinge nachdenken, wenn mein Magen knurrt. Bron, hol gewärmten Wein für unsere Gäste! Dazu Brot und etwas vom weichen Käse, nicht den harten. Kein Met! Jedenfalls jetzt noch nicht.“
Als die junge Frau dort verschwand, wo wahrscheinlich der Flur zur Küche war, wandte sich der Waliser zwinkernd an Roslynn. „Unser Met ist stark, Mylady. Daher bleiben wir fürs Erste besser bei Wein.“
Sie schaffte es, sein Lächeln zu erwidern. Madoc ap Gruffydd war weder jung noch stattlich, aber das war vermutlich gut so. Hatte sie nicht gelernt, wie trügerisch ein junges, hübsches Gesicht sein konnte? Außerdem konnte es sein, dass ein Mann seines Alters Gier und Ehrgeiz hinter sich gelassen hatte. Vielleicht war er froh, seine letzten Tage zurückgezogen auf seinem Besitz leben zu können. Das wäre eine Erklärung dafür, warum Madoc ap Gruffydd so fröhlich und gastfreundlich war: Er hatte einfach keinen Grund, es nicht zu sein.
„So, Mylord. Wie geht’s denn dem König dieser Tage?“, fragte er, während er den nun leer getrunkenen Becher einem Bediensteten zuwarf. Der fing ihn derart geschickt auf, dass Roslynn annahm, dass so etwas öfter passierte. „Ist er immer noch glücklich mit seiner kleinen französischen Frau?“
„King John geht es bestens, und ja, er ist glücklich verheiratet. Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass demnächst ein Thronerbe geboren wird“, antwortete Lord Alfred kühl. „Nun, wenn Sie mir gestatten, mich vorzustellen, Mylord. Ich bin Lord Alfred de Garleboine, und das hier ist …“
„Lord Alfred de Garleboine? Klingt gut! Ich kann nicht behaupten, dass ich je von Ihnen gehört habe. Ich kümmere mich allerdings wenig um den englischen Hof und den Unfug, den sie dort ausbrüten.“ Der Waliser tätschelte Roslynns Hand. „Es ist sehr viel angenehmer, am Feuer zu sitzen und Lieder von tapferen Männern zu singen, nicht wahr, Mylady?“
„Ein Adeliger sollte dem Hof und dem, was dort geschieht, Aufmerksamkeit schenken. Schließlich muss er dem König helfen und dessen Familie schützen“, antwortete sie. Sie wollte seine nachlässige Haltung nicht unterstützen, vor allem nicht in diesen Zeiten und nicht mit diesem König.
„Ach, ich weiß genug. Wir leben ja nicht am Ende der Welt“, bemerkte Madoc. Dann hob er die Stimme und rief nach Bron. Sofort erschien sie mit einem gehetzten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht in der Tür. „Wo bleibt das Essen, Mädchen? Und die Getränke? Unsere Gäste sind hungrig und durstig! Es wird ihnen guttun, einen Happen zu essen, nachdem sie im Regen gereist sind.“
Die Magd sagte etwas auf Walisisch. Dann verschwand sie wieder.
„Es ist nicht so, dass wir nicht genügend Vorräte haben, Mylady“, erklärte der Herr von Llanpowell, als sei das eine Sache von größter Wichtigkeit. „Ihr habt uns nur zwischen den Mahlzeiten erwischt. Außerdem warten wir auf die Rückkehr einer Patrouille. Wir hatten ein bisschen Ärger mit denen hinterm Berg.“
Er war Madoc ap Gruffydd? Dieser junge, starke, arrogante Bursche war der Mann, den sie nach dem Willen von König John heiraten sollte?
Sie ließ sich auf die Bank fallen. Sie konnte sich vorstellen, einen älteren Mann zu heiraten, vor allem, wenn er freundlich und großzügig war. Aber einen vor Kraft strotzenden, eingebildeten Krieger, der sich als ebenso gewalttätig und grausam zeigen konnte wie ihr Ehemann? Das konnte sie nicht hinnehmen.
„Onkel, was hast du gemacht?“, fragte der junge Waliser den Mann, von dem sie angenommen hatten, er sei Madoc ap Gruffydd.