Die Burgen von Athlin und Dunbayne - Ann Radcliffe - E-Book

Die Burgen von Athlin und Dunbayne E-Book

Ann Radcliffe

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Beschreibung

Band 1 der ersten deutschsprachigen Ann-Radcliffe-Gesamtausgabe, herausgegeben von Maria Weber. Osbert, Earl von Athlin, wird von dem leidenschaftlichen Wunsch getrieben, den Mord an seinem Vater zu rächen, der einst durch die Hand Malcolms, Baron von Dunbayne ermordet wurde. Der junge Alleyn, ein Freund des Earls aus dem Volke, steht diesem in Rat und Tat zur Seite und verliebt sich unglücklich in dessen gesellschaftlich weit über ihm stehende Schwester Mary. Die tugendhafte und zarte Mary erwidert Alleyns Gefühle schon bald, versucht aber, ihren Gefühlen für ihn zu widerstehen. Daß der von bösen Leidenschaften getriebene Malcolm sie ebenfalls zur Frau begehrt und nicht einmal vor Entführung und Mord zurückschreckt, um ihre Hand zu bekommen, macht die Situation nicht einfacher, und schon bald werden die Burgen mit all ihren Geheimnissen zum Schauplatz erbitterter Kämpfe, gefährlicher Verfolgungsjagden und von Szenen leidenschaftlichen Gefühls ... "Die Burgen von Athlin und Dunbayne", erstmals im Jahre 1789 erschienen, war Ann Radcliffes erster Roman. Die Handlung des Romans ist im Mittelalter angesetzt und spielt vor einer Kulisse der melancholischen Schönheit der Berge, alter verwinkelter Burgen und den schroffen Küsten des schottischen Hochlands. Mit der darin enthaltenen Romantik und Spannung, den Mysterien und Beziehungsverflechtungen, und nicht zuletzt mit ihrer herausragenden Wortgewalt schuf Ann Radcliffe einen Bestseller, und ebnete sich den Weg zu dauerhaftem Ruhm. Erstmals ins Deutsche übersetzt von Maria Weber

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Denn die Gerechtigkeit entblößte den Arm Gottes, Und die gefaßte Rache wartete nur auf sein Nicken. Cawthorn

1789

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

1. Kapitel.

AN der nordöstlichen Küste Schottlands, im romantischsten Teil der Highlands, stand die Burg Athlin; ein Gebäude, das auf dem Gipfel eines Felsens erbaut worden war, dessen Sockel im Meere lag. Dieses Gemäuer war ehrwürdig wegen seines Alters und seines gotischen Baus, aber noch ehrwürdiger wegen der Tugenden, die es beinhaltete. Es war die Residenz der schönen Witwe und der Kinder des edlen Earls von Athlin, der von der Hand des stolzen und tyrannischen Malcolm, eines benachbarten Clanführers, rachsüchtig erschlagen worden war, welcher noch immer in allem Pomp feudaler Größe, einige Meilen von der Burg Athlin entfernt residierte. Grenzverletzungen des Gebietes von Athlin waren der Anlaß der Feindseligkeit, die zwischen den Clanführern bestand. Häufige Zusammenstöße waren zwischen ihren Clans vorgefallen, in denen der der Athlins gewöhnlich siegreich gewesen war. Malcolm, dessen Stolz von der Niederlage seiner Leute aufgebracht wurde, dessen Ehrgeiz durch die Autorität gebremst wurde und dessen Größe die Macht des Earls entgegenstand, entwickelte bald jenen tödlichen Haß auf ihn, welchen das Verhindern seiner liebsten Leidenschaften gewöhnlich in einem Geist wie dem seinen erregt, der hochmütig und nicht daran gewöhnt war, beherrscht zu werden; und er dachte über seine Zerstörung nach. Er plante sein Vorhaben mit all jenem Geschick, das seinen Charakter so bedeutend auszeichnete, und in einer Schlacht, die von den Clanführern jeder Partei persönlich besucht wurde, bewerkstelligte er es, den Earl durch eine besondere Finesse, in Begleitung einer kleinen Abteilung in seine Falle zu locken, und dort zu töten. Es folgte ein allgemeiner Rückzug seines Clans, dem sich ein schreckliches Gemetzel anschloß; und nur wenige entkamen, um Matilda von den schrecklichen Ereignissen zu erzählen. Von den Nachrichten überwältigt und jener Anzahl an Männern beraubt, die eine Rache erfolgreich gemacht hätten, verbot Matilda, das Leben ihrer wenigen verbliebenen Leute einem schwachen Versuch der Vergeltung zu opfern, und mußte schweigend ihre Leiden und Verletzungen ertragen.

Untröstlich über seinen Tod hatte Matilda sich aus der Öffentlichkeit in diesen alten Sitz der feudalen Regierung zurückgezogen, und sich dort, im Schoße ihres Volkes und ihrer Familie, der Erziehung ihrer Kinder gewidmet. Ein überlebender Sohn und eine Tochter waren alle, die in ihrer Obhut verblieben, und ihre wachsenden Tugenden versprachen, all ihre Zärtlichkeit zu entgelten. Osbert war in seinem neunzehnten Jahr: Die Natur hatte ihm einen feurigen und empfindsamen Geist gegeben, dem die Erziehung eine Verfeinerung und Erweiterung hinzugefügt hatte. Die Visionen des Genies glänzten in seiner Phantasie, und sein Herz, ungekühlt von der Berührung der Enttäuschung, glühte mit der ganzen Wärme der Menschlichkeit.

Wenn wir zum ersten Male das Welttheater betreten und beginnen, seine Eigenschaften zu bemerken, erhöht die junge Phantasie jede Szene, und das warme Herz dehnt sich um alles um es herum aus. Die glückliche Nächstenliebe unserer Gefühle veranlaßt uns zu glauben, daß jedermann gut ist, und es erregt unsere Verwunderung, daß nicht jedermann glücklich ist. Unsere Empörung wird angefeuert bei der Empfindung einer ungerechten Tat, und bei den gefühllosen Lastern, von denen uns erzählt wird. Bei einer kummervollen Erzählung fließen unsere Tränen in vollem Tribut des Mitleids; bei einer tugendhaften Tat öffnet sich unser Herz, unsere Seele strebt empor, wir segnen die Handlung und fühlen uns selbst als den Täter. Während wir im Leben fortschreiten, ist die Phantasie gezwungen, einen Teil ihrer süßen Umnachtung aufzugeben; wir werden widerstrebend durch die Pfade der Erfahrung zur Wahrheit geführt, und die Gegenstände unserer liebenden Aufmerksamkeit werden mit einem strengeren Auge betrachtet. Hier erscheint eine veränderte Szene. Stirnrunzeln, wo zuvor Lächeln, tiefe Schatten, wie zuvor Sonnenschein war; niedere Leidenschaften oder abscheuliche Gleichgültigkeit beflecken die Züge der wichtigsten Figuren. Wir wenden uns empört von einer so miserablen Aussicht ab und hofieren wieder die süßen Illusionen unserer frühen Tage. Aber ach! sie sind für immer geflohen! Solcherart gezwungen, die Gegenstände in ihren wahrhaftigeren Farben zu sehen, ist ihre schrittweise Veränderung für uns weniger schmerzhaft. Das feine Gefühl der Empfänglichkeit für Moral wird durch häufige Reizungen gefühllos; und nur zu oft vermischen wir uns mit der Welt, bis wir der Zahl ihrer Jünger hinzugefügt sind.

Bei Mary, die erst siebzehn Jahre alt war, vermischten sich die Errungenschaften reiferer Jahre mit der rührenden Einfachheit der Jugend. Die Reize ihrer Gestalt waren nur denen ihres Geistes unterlegen, die ihr Gesicht mit unnachahmlichem Ausdruck erleuchteten.

Zwölf Jahre waren nun seit dem Tod des Earls vergangen, und die Zeit hatte die scharfe Schneide des Kummers abgestumpft. Matildas Leid war einer sanften, nicht unangenehmen Schwermut gewichen, die der natürlichen Würde ihres Charakters eine weiche und interessante Tönung verlieh. Bisher war ihre Aufmerksamkeit nur darauf gerichtet gewesen, jene Tugenden zu erhöhen, die die Natur mit einer solchen Freigiebigkeit in ihre Kinder eingepflanzt hatte und die unter dem achtsamen Blicke ihrer Mutter erblüht und sich zu Schönheit und Kraft entwickelt hatten. Eine neue Hoffnung und neue Sorgen entstanden nun in ihrer Brust; diese geliebten Kinder waren in einem Alter angelangt, das wegen ihrer zarten Empfindlichkeit gefährlich war, und wegen des Einflusses, den die Phantasie zu jener Zeit über die Leidenschaften hat. Es würden sich bald Eindrücke bilden, die ihr Schicksal für das Leben prägen würden. Die ängstliche Mutter lebte nur für ihre Kinder, und sie hatte noch einen anderen Grund zur Sorge.

Als Osbert die Geschichte vom Tod seines Vaters erfuhr, dürstete sein glühendes junges Herz danach, die Tat zu rächen. Der verstorbene Earl, der mit der wahren Würde der Macht regiert hatte, wurde von seinem Clan angebetet. Sie waren begierig, seine Kränkungen zu rächen, doch unterdrückt durch das großmütige Mitleid der Gräfin, verstummte ihr Murren; dennoch hegten sie heimlich die Hoffnung, daß ihr junger Lord sie eines Tages zur Eroberung und Rache anleiten würde. Die Zeit war nun gekommen, als sie diese Hoffnung, den Trost vieler qualvoller Augenblicke, verwirklicht sahen. Die zärtlichen Ängste einer Mutter gestatteten Matilda nicht, den Hauptteil ihrer letzten verbliebenen Bequemlichkeiten zu riskieren. Sie verbot Osbert zu kämpfen. Er unterwarf sich schweigend, und bemühte sich, durch die Hinwendung auf seine Lieblingsstudien die Empfindungen zu ersticken, die ihn zur Handlung antrieben. Er triumphierte in den verschiedenen Bereichen seines Ranges, vor allem aber in den kriegerischen Übungen, denn sie harmonierten mit dem Adel seiner Seele, und er hatte eine geheime Lust daran, zu glauben, daß sie ihm einmal helfen würden, dem Andenken an seinen toten Vater gerecht zu werden. Seine erhitzte Einbildungskraft führte ihn zur Poesie, und er folgte, wohin sie führte. Er liebte es, durch die romantischen Gegenden des Hochlands zu wandern, wo die wilde Vielfalt der Natur ihn zu aller Begeisterung seiner liebsten Kunst anregte. Er zeigte größeres Entzücken über die Schroffheit und die Größe, als über die sanftere Landschaft; und verlor sich oft, in die strahlenden Visionen der Phantasie eingehüllt, in schrecklichen Einöden.

Bei einer dieser Wanderungen, bei der er einige Meilen weit über mit Heide bedeckte Hügel gewandert war, von wo aus sich dem Auge nur die kühnen Umrisse ungebändigter Natur, Felsen, Wildbäche und ausgedehnte Moore darboten, die unberührt vom Fuß des Reisenden waren, kam er vom Wege ab, den er sich ausgemacht hatte. Er suchte vergeblich nach den Gegenständen, die ihn geleitet hatten, und sein Herz spürte zum ersten Male einen Anflug von Furcht. Keine Spur eines Menschen war zu sehen, und die schreckliche Stille des Ortes wurde nur von dem Dröhnen der fernen Ströme und den Schreien der Vögel, die über seinen Kopf hinwegflogen, unterbrochen. Er rief, doch seine Stimme wurde nur von dem düsteren Echo der Berge beantwortet. Er wartete einige Zeit in stummer Furcht, welche nicht gänzlich unangenehm war, sich aber bald zu einem gewissen Grade des Schreckens steigerte, der nicht zu ertragen war; und er wandte seine Schritte zurück, verlassen und niedergeschlagen. Sein Gedächtnis spiegelte ihm kein Bild von der Vergangenheit wider; nachdem er eine Zeitlang gewandert war, kam er zu einem engen Paß, den er betrat, von Müdigkeit und fruchtloser Suche überwältigt. Er war nicht weit vorgerückt, als ihm jäh eine schroffe Öffnung im Felsen einem Blick auf den schönsten romantischen Ort gewährte, den er je gesehen hatte. Es war ein Tal, das von einem Wall wilder Felsen beinahe umgeben war, deren Fuß von dicken Kiefern– und Tannenwäldern beschattet wurde. Ein Sturzbach, der aus den Höhen hinabfiel und zwischen den Wäldern hervorblitzte, stürzte mit erstaunlichem Ungestüm in einen schönen See, der durch das Tal floß, und in den tiefen Einbuchtungen der Berge verloren ging.

Unten weideten Viehherden, und die erfreuten Augen von Osbert waren wieder mit dem Anblick von menschlichen Behausungen gesegnet. Am Ufer des Baches standen bis in die Ferne hier und da ein paar hübsch anzusehende Hütten. Sein Herz war so erfreut über die Aussicht, daß er vergaß, daß er noch den Weg finden mußte, der zu diesem himmlischen Tal führte. Er war gerade zu dieser peinvollen Wirklichkeit erwacht, als seine Aufmerksamkeit von der männlichen Gestalt eines jungen Hochland–Bauern wieder geweckt wurde, der ihm in wohlwollender Weise entgegenkam, und, nachdem er von seiner Not erfahren hatte, anbot, ihn zu seiner Hütte zu führen. Osbert nahm die Einladung an, und sie gingen, über einen dunklen und komplizierten Pfad, gemeinsam den Hügel hinab. Sie kamen zu einer der Hütten, die der Earl von der Höhe aus betrachtet hatte; sie traten ein, und der Bauer stellte seinem Gast seinen Vater vor, einen ehrwürdigen alten Hochländer. Ein hübsches junges Mädchen breitete Erfrischungen auf dem Tisch aus, und nachdem Osbert sich an ihnen gelabt und eine Weile geruht hatte, brach er auf, von dem jungen Bauern Alleyn begleitet, der angeboten hatte, sein Führer zu sein. Die Länge des Weges wurde durch ein angenehmes Gespräch versüßt. Osbert war überrascht, in seinem Gefährten eine Neigung zur Nachdenklichkeit und Empfindsamkeit zu entdecken, die der seinen glich. Auf ihrem Wege gingen sie in einiger Entfernung an der Burg Dunbayne vorbei. Das Gebäude erweckte in Osbert ein bitteres Gefühl und ihm entrang sich ein tiefer Seufzer. Alleyn sprach darüber, wie schlecht die Politik der Unterdrückung einem Clanführer anstand und führte Baron Malcolm als Beispiel an. Diese Ländereien, sagte er, seien seine, und sie reichten kaum aus, um seine elenden Leute zu ernähren, die unter den hohen Abgaben leidend, Gebiete unbebaut ließen, die sonst ihrem Herrn Reichtum verschaffen würden. Sein Clan, bedrängt durch die Belastungen, drohe sich zu erheben und mit Waffengewalt Gerechtigkeit zu erzwingen. Der Baron lache in hochmütiger Zuversicht, lache über ihren Trotz, und sei sich seiner Gefahr gar nicht bewußt; denn sollte ein Aufstand geschehen, so gebe es noch andere Clans, die nur zu gern zu seinem Untergang beitragen und den Tyrannen und Mörder mit derselben Waffe bestrafen wollten. Überrascht über die kühne Freiheit dieser Worte, die mit ungewöhnlicher Energie ausgesprochen wurden, raste Osberts Herz, und seinen Lippen entflohen die Worte: „O Gott, mein Vater!“

Alleyn blieb erschrocken und ungewiß über die Wirkung stehen, die seine Rede hervorgebracht hatte; in einem Augenblick durchfuhr ihn die ganze Wahrheit: er erblickte den Sohn des Herrn, den er zu lieben gelehrt worden war, und dessen traurige Geschichte sich in frühen Kindheitstagen in sein Herz geprägt hatte. Er sank ihm zu Füßen und umarmte mit heftiger Inbrunst seine Knie.

Der junge Earl half ihm auf, und die folgenden Worte erlösten ihn aus seiner Verwunderung und erfüllten seine Augen mit Tränen der Freude und des Kummers: „Es gibt andere Clans, die bereit sind, das Unrecht des edlen Earls von Athlin zu rächen; die Fitz-Henrys waren immer Freunde der Tugend.“ Das Antlitz des Jünglings glühte, während er sprach, vor selbstbewußter Würde, und aus seinen Augen leuchtete der Stolz der Tugend.

Osberts Brust entbrannte vor edler Entschlossenheit, aber das Bild seiner weinenden Mutter schob sich vor sein Auge und bremste den drängenden Eifer.

„Die Zeit mag kommen, mein Freund“, sagte er, „wo Euer großzügiger Eifer mit der wärmsten Dankbarkeit angenommen werden wird, die er verdient. Es gibt gewisse Umstände, die mir gegenwärtig nicht gestatten, mehr zu sagen.“ Die warme Zuneigung Alleyns gegenüber seinem Vater sank tief in sein Herz.

Es wurde Abend, bevor sie die Burg erreichten, und Alleyn blieb für diese Nacht des Earls Gast.

2. KAPITEL.

DER folgende Tag wurde für die Feier eines jährlichen Festes bestimmt, das der Earl für sein Volk veranstaltete, und er wollte nicht zulassen, daß Alleyn abreiste. Im Saal waren viele Tische aufgestellt worden, und Tanz und Heiterkeit hallten durch die Burg. Es war an diesem Tage üblich, daß der Clan sich bewaffnet versammelte, und zwar wegen eines Angriffs, der zwei Jahrhunderte zuvor durch einen feindlichen Clan versucht wurde, um sie auf ihrem Fest zu überrumpeln, und an den nun gedacht werden sollte.

Am Morgen wurden die kriegerischen Übungen durchgeführt, in welchen der Ehrgeiz durch die Ehrenprämien, die verliehen wurden, erweckt wurde. Die Gräfin und ihre schöne Tochter beobachteten von den Wällen der Burg die Kunststücke, die auf den Ebenen unten vollführt wurden. Ihre Aufmerksamkeit und Neugierde wurde durch die Erscheinung eines Fremden erregt, der Lanze und Bogen mit so exquisiter Geschicklichkeit handhabte, als wolle er jeden Ritterpreis davontragen. Es war Alleyn. Er empfing die Siegespalme, wie dies üblich war, aus den Händen des Earls; und die bescheidene Würde, mit der er sie entgegennahm, bezauberte die Betrachter.

Der Earl ehrte das Fest mit seiner Gegenwart, bei dessen Abschluß sich alle Gäste erhoben, und, ihre Kelche mit der Linken ergreifend und mit der Rechten ihre Schwerter ziehend, zum Gedenken auf ihren verstorbenen Herrn tranken. Der Saal hallte einstimmig wider. Osbert fühlte, wie der Klang sein Herz zum Krieg rief. Dann reichten die Leute einander die Hände und tranken zu Ehren des Sohnes ihres verstorbenen Herrn. Osbert verstand das Signal, und von Gefühlen übermannt, verblaßte alle Überlegung, bis nur der Gedanke an Rache für seinen Vater bestehen blieb. Er erhob sich und hielt mit dem ganzen Feuer der Jugend und entrüsteten Tugend eine Ansprache vor dem Clan. Als er sprach, flammte das Antlitz seines Volkes vor freudiger Ungeduld. Ein tiefes Murmeln des Beifalls lief durch die Versammlung, und als er schwieg, schwor jeder Mann, indem er sein Schwert mit dem seines Nachbarn kreuzte, den heiligen Treuebund, niemals von der Sache abzugehen, in der sie sich nun verbündeten, bis ihr Feind die Schuld der Gerechtigkeit und der Rache mit seinem Leben bezahlt habe.

Am Abend kamen die Frauen und Töchter der Bauern zur Burg und schlossen sich dem Feste an. Es war üblich für die Gräfin und ihre Damen, von einer Galerie des Saales aus die verschiedenen Aufführungen von Tanz und Gesang zu beobachten; und es war ein Brauch der Alten für die Tochter der Burg, die Gelegenheit zu ehren, indem sie mit dem Sieger des Vormittags einen schottischen Tanz aufführten. Dieser Sieger war diesmal Alleyn, der die reizende Mary erblickte, die vom Earl in den Saal geleitet und ihm als seine Tanzpartnerin vorgestellt wurde. Sie empfing seine Huldigung mit süßer Anmut. Sie war in die Tracht eines Hochlandmädchens gekleidet, und ihre schönen kastanienbraunen Locken, die in ihrem Nacken wippten, waren nur mit einem Kranz aus Rosen verziert. Sie bewegte sich im Tanze mit den leichten Schritten der Grazien. Während der Vorstellung herrschte tiefes Schweigen im Saal, und als sie endete, erhob sich ein leises beifälliges Gemurmel. Die Bewunderung der Zuschauer wurde zwischen Mary und dem siegreichen Fremden aufgeteilt. Sie zog sich auf die Galerie zurück, und die Nacht endete zu aller Zufriedenheit, außer für den Earl und Alleyn; doch die Ursache und der Schluß ihrer Unzufriedenheit waren ganz verschieden. Die Gedanken von Osbert drehten sich um die wichtigsten Vorkommnisse des Tages, und seine Seele brannte vor Ungeduld, die Vorsätze kindlicher Frömmigkeit zu verwirklichen; doch fürchtete er die Wirkung, die die Mitteilung seiner Entwürfe auf das zärtliche Herz von Matilda haben könnte. Am Morgen aber, so beschloß er, wollte er sie mit ihnen bekannt machen und in wenigen Tagen seine Angelegenheit mit Waffen erheben und verfolgen.

Alleyn, dessen Herz bis jetzt nur den Schmerz anderer empfunden hatte, begann sich nun seiner eigenen bewußt zu werden. Sein Geist, beklommen und rastlos, zeigte ihm nur das Bild der edlen Mary; er versuchte, ihre Vorstellung zu verdrängen, aber mit einem so schwachen Erfolge, daß sie sich ihm immer noch aufdrängte! Erfreut und doch traurig, wollte er nicht einmal vor sich selbst anerkennen, daß er liebte; so scharfsinnig sind wir darin, alle Erscheinungen des Bösen vor uns zu verbergen. Er stand mit der Morgendämmerung auf und verließ die Burg von Dankbarkeit und heimlicher Liebe erfüllt, um seine Freunde auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten.

Der Earl erwachte aus unruhigem Schlummer und sammelte all seine Kraft, um der zarten Opposition seiner Mutter zu begegnen. Er betrat ihre Gemächer mit zögernden Schritten, und sein Antlitz verriet die Empfindungen seiner Seele. Matilda wurde bald darüber unterrichtet, was ihr Herz vorausgesagt hatte, und versank, von Schrecken überwältigt, leblos in ihrem Stuhl. Osbert flog zu ihrer Hilfe, und Mary und die Bediensteten erweckten sie bald wieder zu ihrem Bewußtsein und Elend.

Osberts Brust wurde von dem grausamsten Konflikt zerrissen: kindliche Pflicht, Ehre und Rache geboten ihm zu gehen; kindliche Liebe, Bedauern und Mitleid baten ihn zu bleiben. Mary fiel zu seinen Füßen, und umklammerte seine Knie mit all der wilden Energie der Trauer, bat ihn, seinen tödlichen Zweck aufzugeben und seinen letzten überlebenden Elternteil zu verschonen.

Ihre Tränen, ihr Seufzen und die sanfte Schlichtheit ihres Benehmens sprachen eine noch stärkere Sprache als ihre Zunge; doch die stille Trauer der Gräfin war noch rührender, und in seinen Bemühungen, sie zu beruhigen, war er bereits auf dem Punkte, in seiner Entschlossenheit nachzugeben, als die Gestalt seines sterbenden Vaters vor seiner Phantasie entstand und seinen Entschluß unwiderruflich befestigte. Die Angst einer zärtlichen Mutter stellte Matilda das Bild ihres blutenden und geisterhaften Sohnes vor; und der Tod ihres Gemahls wurde in ihrem Gedächtnis mit dem ganzen quälenden Schmerz wiederbelebt, den das traurige Ereignis in ihrem Herzen eingeprägt hatte, und dessen verhärtete Züge die nachsichtige Hand der Zeit fast verwischt hatte. So lieblich ist das Mitleid in seinem ganzen Verhalten, daß die Zuneigung uns dazu veranlaßt, zu glauben, daß es niemals sündigen kann; doch es wandelt sich in ein Laster, wenn es die Absichten der stärkeren Tugend überwältigt. Unnachgiebigere Grundsätze bestärkten Osberts Herz nun gegen seinen Einfluß und trieben ihn dazu, zur Waffe zu greifen. Er rief ein paar der Fähigsten und Vertrauenswürdigsten des Clans herbei und hielt einen Kriegsrat, in dem beschlossen wurde, daß Malcolm mit aller Kraft angegriffen werden sollte, die sie zusammenbringen konnten, und mit aller Geschwindigkeit, die die Dringlichkeit der Vorbereitung erlauben würde. Um zu verhüten, daß der Baron mißtrauisch und beunruhigt werde, war man sich einig, daß diese Vorbereitungen so aussehen sollten, als daß sie für den Clanführer eines fernen Landesteils gedacht wären. So daß sie, wenn sie zum Feldzug aufbrächen, eine Zeitlang eine entgegengesetzte Richtung verfolgen sollten, aber unter der Gunst der Nacht plötzlich ihren Weg ändern und sich zur Burg Dunbayne wenden sollten.

In der Zwischenzeit übte sich Alleyn unermüdlich darin, seine Freunde für die Sache zu gewinnen und war in diesem Unternehmen so erfolgreich, daß sie in wenigen Tagen eine nicht unerhebliche Anzahl gesammelt hatten. Zu der hitzigen Begeisterung der Tugend wurde nun ein neuer Grund der Anstrengung hinzugefügt. Es war nicht länger nur eine Verbundenheit zur gerechten Sache, die ihn zum Handeln weckte; der Stolz, sich in den Augen seiner Angebeteten auszuzeichnen und ihre Wertschätzung durch seine eifrigen Dienste zu verdienen, verlieh dem ersten Impuls des Wohlwollens verstärkte Kraft. Die süße Vorstellung, ihren Dank zu verdienen, wirkte heimlich auf seiner Seele, denn er wußte noch nichts von ihrem dortigen Einfluß. In diesem Zustand erschien er wieder auf der Burg, und sagte dem Earl, daß er selbst und seine Freunde bereit seien, ihm zu folgen, wann immer das Signal gegeben werden sollte. Sein Angebot wurde mit der warmen Güte akzeptiert, die es verdiente, und er wurde gebeten, sich bis dahin in Bereitschaft zu halten.

Nach ein paar Tagen waren die Vorbereitungen abgeschlossen, Alleyn und seine Freunde wurden zusammengerufen und der Clan in Waffen versammelt; dann brachen sie, mit dem jungen Earl an ihrer Spitze, zu ihrem Feldzug auf. Der Abschied zwischen Osbert und seiner Familie kann man sich leicht vorstellen; doch konnte der ganze Stolz der erwarteten Eroberung nicht den Seufzer unterdrücken, der Alleyn entfleuchte, als seine Augen sich Mary zuwandten, die mit der Gräfin auf der Terrasse der Burg stand und mit schmerzlichem Blicke den Zug ihres geliebten Bruders verfolgte, bis die Entfernung ihn vor ihrem Blick verschleierte. Dann wandte sie sich weinend und künftiges Unglück ahnend in die Burg. Sie bemühte sich jedoch, einen Anschein von Ruhe zu wahren, damit sie die Ängste Matildas täuschen und ihre Sorgen besänftigen konnte. Matilda, deren Geist so stark war wie ihr Herz zärtlich, raffte, da sie dieses gefährliche Unternehmen nicht verhindern konnte, all ihre Kraft zusammen, um den Gefühlen fruchtlosen Kummers zu widerstehen und das Gute zu suchen, das die Gelegenheit ihr bieten möchte. Ihre Bemühungen waren nicht umsonst: sie fand es in der Aussicht, die das Unternehmen zu Ehren der Erinnerung an ihren ermordeten Gemahl und zur Vergeltung auf den Kopf des Mörders gewährte.

Es war Abend, als der Earl die Burg verließ; er verfolgte einen entgegengesetzten Weg, bis die Nacht seine Entwürfe begünstigte, worauf sie sich zur Burg von Dunbayne wendeten. Die völlige Finsternis der Nacht unterstützte ihren Plan, die Mauern zu erklimmen, die Wache zu überraschen, sich mit ihren Schwertern den Weg in die Innenhöfe zu bahnen, und den Mörder aus seinem Schlupfwinkel zu zwingen. Sie waren viele Meilen ohne den geringsten Lichtschein durch die trostlose Wildnis marschiert, als plötzlich der düstere Ton einer Glocke ihr Ohr traf, die die Stunde der Nacht läutete. Jedes Herz schlug schnell bei diesem Klange. Sie wußten, daß sie in der Nähe des Wohnsitzes des Barons waren. Sie hielten an, um über ihre weiteren Handlungen zu beraten, als vereinbart wurde, daß der Earl mit Alleyn und wenigen Auserwählten die Burg erkunden sollte, während der Rest in einer geringen Entfernung auf das Signal zur Annäherung warten sollte. Der Earl und seine Leute verfolgten ihren Weg schweigend; sie sahen ein schwaches Licht, von dem sie vermuteten, daß es aus dem Wachturm der Burg hervorschien, und waren jetzt fast unter ihren Mauern. Sie blieben eine Weile stille stehen, um Atem zu schöpfen, und zu horchen, ob sich irgendetwas rühre. Alles war in die Dunkelheit der Nacht gehüllt, und es herrschte Todesstille. Sie hatten nun Zeit, die Lage der Burg und die Höhe der Mauern zu untersuchen, soweit es die Dunkelheit erlaubte, und sich auf den Angriff vorzubereiten. Das Gebäude war in gotischer Pracht auf einem steilen und gefährlichen Felsen erbaut. Seine hohen Türme ragten noch immer in stolzer Erhabenheit empor, und die gewaltige Größe des Baus stand für die frühere Bedeutung seiner Besitzer. Der Felsen war von einem breiten, nicht allzu tiefen Graben umgeben, über den zwei Zugbrücken gingen, eine auf der Nordseite, die andere auf der Ostseite. Sie waren beide hochgezogen, da sie aber in der Mitte geteilt waren, blieb jeweils eine Hälfte der Brücke auf der Seite der Ebene. Die Brücke auf der Nordseite führte zum großen Burgtor, die im Osten zu einem kleinen Wachturm. Dies waren die einzigen Eingänge. Der Fels verlief fast senkrecht zu den Mauern, die stark und hoch waren. Nachdem sie die Lage überschaut hatten, einigten sie sich auf eine Stelle, an welcher der Felsen am meisten zugänglich erschien, und die an das Haupttor angrenzte, und gaben dem Clan das Signal. Sie näherten sich schweigend und stießen vorsichtig die Reisigbündel, die sie für den Zweck mitgebracht hatten, in den Graben herab, machten daraus eine Brücke, über die sie sicher schritten, und schickten sich an, die Höhe zu erklimmen. Es war beschlossen worden, daß einige Leute, unter denen Alleyn war, die Mauern übersteigen, die Wachen überraschen und dem übrigen Clan, der mit dem Earl warten sollte, die Pforten öffnen sollten. Alleyn war der erste, der seine Leiter