Die Chroniken der Elemente - Christiane Peters - E-Book

Die Chroniken der Elemente E-Book

Christiane Peters

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Beschreibung

Band 1 Hoffnung <... egal was sie mit dir gemacht haben; du bist immer noch ein Kind. > Dank ihres Elementes ist Sura eine lebende Zielscheibe, sogar für ihren Vater. Nach einem Anschlag flieht sie mit einem fremden Mann ins Unbekannte. Doch das "neue" Leben birgt viele Gefahren und das Schicksal, in Form von Leen. Leen ist ein gleichaltriges Mädchen und auch bei Senai, um zu lernen ihre Kraft zu kontrollieren. Im Gegensatz zu Sura, kann sie es aber schon und deshalb versteht Sura nicht, warum Leen bei Senai ist. Sie wird auch nicht verfolgt oder gefürchtet, ganz im Gegenteil. Ihr Vater besucht sie regelmäßig, und auch an Sura fängt er an Interesse zu zeigen. Sura hingegen ist gänzlich überfordert, weil Leen und Senai in ihrem ganzen Auftreten, ihr gegenüber, so unberechenbar sind. Die Beiden streiten ständig und lassen ihren ärger wohl nur an ihr aus. Als Leen in ihrem Land gebraucht wird, nimmt Senai Sura auf eine Reise mit. Als sie das Ziel ihrer Reise erreichen, eine Stadt Namens Nölern, lässt Senai sie bei dem Geweihten der Stadt und verschwindet. Sura versteht weder Senai und seine Taten. Noch den Geweihten und seine Taten. Generell versteht sie nicht, was genau man von ihr verlangt oder warum man das tut. Die Situation wird immer aussichtsloser und am Ende muss sie den Preis dafür zahlen. Aber nicht nur sie bezahlt für ihr Schicksal. Sura ist gezeichnet vom Schicksal und denkt, sie verstünde jetzt, was sie in dieser Welt zu tun hat. Was das beste für sie und alle anderen wäre. Leens Vater belehrt sie eines Besseren. Am Ende strahlt die Hoffnung und Sura ergreift sie, um ihr Schicksal zu ändern und endlich selbst in die Hand zu nehmen.

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Ich widme dieses Buch meinen Großeltern,

den Lebenden und den Toten.

Auch wenn ich den einen Teil nicht

kennenlernen konnte

lebt ein Stück von ihnen in mir.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ein anderes Leben

Warum brennst du nicht?

Der Auftraggeber

Die Flucht

OC

Neues Leben

Höllenschlucht

Ohne Erklärung

Unsere Hütte, das Chaos

Er zog mich an

Warum? Deshalb

Kleine Fortschritte

Gesund werden

Freunde?

Erster Auftrag

Dayas Aufmerksamkeit

Darum vergesse ich

Lucias Wunsch, meine Stimme

Epilog

Vorwort

Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht erklären. Es gibt Dinge im Leben, die will man nicht erklären, aber es gibt auch die Geschichten, die niedergeschrieben werden müssen.

Die erzählt werden müssen.

Man kann aus meinen Fehlern lernen, die ich begangen habe. Geht nicht den Weg, den ich gegangen bin. Lebt Euer Leben und seid frei. Diskutiert, strukturiert und plant. Überlebt die schlechten Tage, sowie auch ich sie überlebt habe, denn dann steigt ihr auf. Werdet stärker. Kämpft um Euch und um keinen Anderen.

Dieses Buch besteht aus Lügen und aus Wahrheiten. Was wirklich passiert ist, das weiß nur ich und so soll es bleiben. Meine Geschichte, mein Leben begann nach Mutters Tod und das machte mich zu etwas Anderem.

Doch ich wäre nicht ich, wäre ich diesen Weg nicht gegangen. Selbst wenn manches grausam erscheint und kein Licht im Dunklen zu sehen war, es kam immer wieder und hat mir den Weg hinaus gezeigt.

Die Welt da draußen ist so dunkel, wie sie hell ist, und wenn man nicht mehr lachen kann, dann ist das kein Leben mehr.

1. Ein anderes Leben

Die ersten Sonnenstrahlen weckten mich und ich schielte zur ergrauten Decke hinauf. Ich atmete geräuschvoll die stickige Luft ein und sammelte die Kraft dafür, aufzustehen. Schlaftrunken kletterte ich aus dem mir viel zu großen Bett heraus und schlürfte langsam ins Bad. Wie jeden Morgen verfluchte ich meine schwarzen langen Haare, die sich kaum bändigen ließen, dennoch konnte ich mich nicht durchringen, sie abzuschneiden. Mutter hatte sie so sehr geliebt. Es ist mittlerweile zwei Jahre her, und ich kann mich kaum an ihr Gesicht erinnern.

Ihr Lächeln ist das Einzige, was ich jeden Tag in meinen Kopf sehe. Was sich in mein Herz eingebrannt hat. Genau wie ihr Element.

Ihr Erbe an mich. Ich hasse es so sehr, wie ich meine roten Augen hasse. Sie sind das Zeichen dafür, was sich in mir versteckt. Was ich dadurch bin.

Meine Hand spielte mit meinen Haaren, während ich in den Spiegel sah.

Es hat sich so viel verändert. Der Tod hat alles verändert.

<Verflucht bist du.>

<Monster.>

Das sagten sie alle und manchmal glaubte ich ihnen. Wollte ihnen glauben. Das machte es einfacher zu verstehen, warum man mich fürchtete.

Ich nahm eines der Kleider, das nur ein Lumpen war, im Vergleich zu dem was ich vorher besessen hatte. Vater hasst mich. Er hasst mich, weil ich das Feuer nicht beherrschen kann. Alle anderen haben Angst vor mir. Die Glocken der Stadtkirche schlugen und ich trank noch schnell den kleinen Tonkrug mit Wasser leer. Er war von gestern nur noch halbvoll gewesen. Ich zog mir meine viel zu kleinen Schuhe an und flüchtete aus dem Zimmer.

Trotz ihrer Furcht beobachteten sie mich alle verstohlen aus den Augenwinkeln, aber keiner hielt mich auf, als ich durch die Flure des Schlosses nach draußen lief.

Ohne Frühstück, obwohl ich ihre Prinzessin bin. Sie sehen mich als Gefahr und Schande ihres Königreiches an. Mein Vater hatte mir den Titel als Thronerbin ein Jahr zuvor aberkannt.

<Du bist die Würde einer Prinzessin nicht wert. Du besitzt keinen Verkaufswert, weil du ein Monster bist. Du taugst zu nichts.<

Das hatte er geschrien, als er mir alles nahm. Da ich immer um die gleiche Uhrzeit nach draußen ging, waren die Straßen leer. Doch ich spürte die Blicke der besorgten Bürger hinter den Gardinen und Verschlägen. Sie beobachten mich voller Misstrauen und Argwohn. Es gibt niemanden in diesem Stadtteil, der auf mich wartet Keinen einzigen Menschen, der mich versteht und haben will. Ihr Hass begleitete mich jeden Morgen und jeden Abend auf meinem Weg.

Ich bin das Ungeheuer, mit dem sie ihren Kindern Angst machen, damit sie hörig werden. Ich verachte sie nicht mal dafür. Verstehen kann ich sie ebenfalls nicht. Ich habe nie jemanden getötet und trotzdem wird das behauptet. Ich kann mich kaum an das erinnern, was nach Mutters Tod passierte. Doch an einen Mord muss man sich erinnern können. Das vergisst man nicht.

Ich begrüßte die einzigen Personen auf dieser Seite der Stadt, die sich draußen befanden. Es sind die Wachen, die vor den Toren der mickrigen Mauer postiert sind. Die Mauer, die das Armenviertel von dem der normalen Bürger abtrennt. Natürlich kann man es mit dem nötigen Geld oder Gefallen passieren, am einfachsten ist es, wenn man Ihnen genug Angst macht. Sie ignorierten mich oder versuchten es zumindest. Sie zitterten jedes Mal von neuem.

Ich ging an ihnen vorbei. Der Geruch änderte sich, als ich ins Armenviertel vordrang. Ich hatte mich an den Gestank des Unrates gewöhnt.

Dass mich Vater bisher nicht hier reingeschmissen hat, wundert mich. Vielleicht hat er noch Hoffnung, dass ich irgendwann zu etwas nutze sei. Oder er befürchtet, dass ich mich mit den Verbrechern des Viertels einließ. Die Bewohner, die hier leben, nennen ihr Zuhause „Das Viertel der Verdammten“.

Einfach aus dem Grund, dass hier Waisenkinder mit Schwerstverbrechern zusammenleben müssen. Und diese marode Mauer ist alles, was diese Leute von den anderen Bewohnern abtrennte. Sie sind dazu verdammt, jeden Tag das zu sehen, was hätte ihres sein können, wenn sie Eltern gehabt hätten oder den König nicht verärgert hätten. Denn die sogenannten Schwerstverbrecher sind nur Leute, die keine Steuern zahlen konnten oder sich erdreistet hatten, etwas gegen den König zu sagen.

Die Wenigsten waren Diebe oder Auftragsmörder. So etwas wurde schließlich sofort erhängt, wenn man sie erwischte. Wenn wirklich jemand so blöd war, sich von den Wachen erwischen zu lassen.

Auch hier hatte man Angst vor mir, doch man rannte nicht weg. Eigentlich hoffte man sogar darauf, dass ich sie töte. Das ich ihr Leid beende, weil sie selber zu feige dafür waren. Sie beobachteten mich genau wie die „guten“ Bewohner. Ich spürte ihre Präsenz in den dunklen Gassen. Es gab sie auch im Armenviertel, die Menschen die sich wie räudige Hunde in den Gassen und den Ruinen der Häuser versteckten. Ihre Blicke folgten mir.

Doch anders als im Reichenviertel verließen nicht alle den Marktplatz. Ich beobachtete kurz das rege Treiben, bevor ich aus dem Schatten einer Häuserwand trat.

Alle drehten sich zu mir, wenn ich an ihnen vorbeilief und die Waren, die auf dem Markt angeboten wurden, betrachtete. Halb verrottete Äpfel, angeschimmeltes Brot, nichts was ein Bürger von der anderen Seite einkaufen würde. Doch hier gab es nichts anderes, nur Reste und trotzdem kosteten sie mehr als das Schweinefutter von den Bauern.

Und genau hier in diesem stinkendem Loch lebte der einzige Mensch, der mir nach Mutters Tod geblieben ist.

Kelvin.

Ein Waisenjunge, auf den die Welt verzichten will, wie auf mich. Seine blonden Haare waren braun vom Dreck und seine Kleidung noch abgeschlissener als meine. Ich sah die langen dünnen Arme, die mir zuwinkten.

Er lächelte mich an und ich lächelte zurück. Wir rannten los, denn wir verstanden uns auch ohne Worte.

Wir ließen die dreckigen Straßen und die quietschenden Ratten zurück. Wie jeden Tag rannten wir durch den Wald, kämpften und fantasierten uns Welten, in denen wir willkommen sind. Er ein König, ich eine Königin, die ihr Feuer beherrschte. Geliebt und bewundert von der ganzen Welt. Wir besorgten uns Essen und spielten das Wolkenspiel. Ich hatte es von ihm gelernt. Es half mir an den Tagen, wo gefeiert wurde und ich nicht raus durfte. Es war das Einzige, was mich nicht durchdrehen ließ. Er war der einzige Grund, warum ich nicht durchdrehte. Der einzige Grund, warum ich noch lächelte. Er nahm meine Hand, während wir die Wolken beobachteten und uns unsere Welt aufbauten. Er träumte von Essen und ich träumte davon, dass er mein König wurde.

Ich ging jeden Tag um die gleiche Zeit nach Hause und mein Essen stand kalt auf dem Schminktisch. Da ich unempfindlich gegen Temperaturen war, machte mir das nichts aus.

Ich wusste nie ob das, was ich aß kalt oder heiß war. Der Fluch hatte mir jegliches Empfinden für Temperaturen genommen.

Wie immer sah das, was auf den Teller lag, aus wie Reste, die beim großen Mahl übrig geblieben waren. Es wurde jeden Tag ein Festmahl unten im Thronsaal abgehalten.

Und der Rest wurde schnell zusammengekratzt für den räudigen Köter, oben im halb abgefackelten Zimmer.

Als mein Vater die Lust an mir verloren hatte, hatte er mich hier eingesperrt, doch mich kann man nicht einfach einsperren. Ich wollte raus und irgendwann war der Wunsch danach so groß gewesen, dass mein Fluch ihn mir erfüllt hat. Die Tür brannte zuerst, dann fing es beim Bett an und als es die Gardinen erfasste, kamen die ersten Diener mit Wasser zum Löschen.

Nicht wegen mir, sondern damit das Feuer nicht auf andere Zimmer übergehen konnte.

Einer von ihnen hatte mir einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet Er hätte nicht anders gehandelt als ich, wenn man ihn eingesperrt hätte. Deshalb hatte mich das noch wütender gemacht und die Flammen nur verstärkt. Bis ich mich beruhigt hatte, waren die meisten Sachen verbrannt. Seitdem ging ich jeden Morgen um sieben Uhr raus und die Glocken läuteten extra eine Minute vorher, damit sich jeder in sein Haus flüchten konnte. Und abends erklangen sie erneut kurz vor sechs, und es war Zeit nach Hause zu gehen.

Wenn ich dann in meinem Zimmer, bei den letzten Sonnenstrahlen, in die Wanne stieg und meine einzige Mahlzeit, die ich im Schloss bekam, aß, grübelte ich darüber, warum meine Mutter mir so etwas hinterlassen hatte.

Wenigstens schmeckte das Essen und war besser als das, was Kelvin bekam, was seine Leute bekamen. Manchmal brachte ich ihm etwas mit, doch er wollte es nie haben.

So lebte ich Tag ein Tag aus. Hätte ich Kelvin nicht gehabt, wäre ich schon verrückt geworden. Vater ignorierte mich die meiste Zeit, wenn er mich nicht ignorierte, schrie er mich an. Einen anderen Ton schlug er nie an. Ich war die größte Enttäuschung in seinem Leben.

Ich roch die frischen Frühlingsblumen, als ich über den leeren Markt schritt. Heute fühlte sich alles leichter an. Ich sah zum Blumenladen und erblickte die Glockenblumen. Meine Lieblingsblumen, in unendlichen Farben.

Damals hatte mir Vater immer wieder welche geschenkt Sie erinnerten mich daran, dass alles mal anders war. Damals hatte Vater mich nicht gehasst, er hat mir viele schöne Dinge geschenkt, doch über die Blumen hatte ich mich am meisten gefreut. Jetzt.. Jetzt hasst er die nutzlose Göre, die es einfach nicht schaffte, wie ihre Mutter das Element zu bändigen. Mutter war immer sanft und liebevoll gewesen, ganz anders als das Temperament des Feuers in ihr. Sie kam aus einer weit entfernten Wüste, deshalb gab sie mir den Namen Sura. Ihre schwarzen Haare hatte ich geerbt aber nicht ihren wunderschönen dunklen Teint, den sie besessen hatte. Ich war so blass wie mein Vater. Sie hatte mir nie erklärt, wie sie das Feuer bändigte. Wie sie es geschafft hatte mit diesem Fluch zu leben und dennoch so liebevoll zu bleiben.

Alles, was ich ständig spürte, war die Wut, die in mir tobte und die Sehnsucht nach meiner Mutter und ihrer Wärme. Ihrer Liebe.

Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich immer näher zum Blumenladen gelaufen war. Jetzt standen dort in einem Eimer mehr Glockenblumen, als ich tragen konnte und ich zog den Duft ein. Ich liebte diesen Duft, er spendete mir Trost und mich davon zu lösen fiel mir schwer. Doch ich musste weiter. Ich hielt den Betrieb der Stadt auf. Auch wenn ich offiziell nicht mehr ihre Prinzessin war kümmerte es mich immer noch. Ich schaute noch mal sehnsüchtig auf die Glockenblumen und konnte mich nur schwer von ihnen lösen, doch ich musste.

Also drehte ich mich weg und ging zum Mauertor. Ich nickte den Wachen zu. Heute lächelten sie leicht, als ich an ihnen vorbeischritt. Ob es Hoffnung gab? Sah man, dass ich mich bemühte? Das solange mir keiner etwas tat, mein Element nicht ausbrach?

Kelvin rannte auf mich zu.

„Wo bleibst du?“

„Ich habe nur beim Blumenladen angehalten.“

Er schaute mich mit geneigtem Kopf an. Was er jetzt wohl dachte?

„Komm mit.“

Er drehte sich um und rannte los. Ich rannte ihm hinterher.

Die Sonne schien durch die Baumkronen auf uns herab, und wir lagen auf den Waldboden. Der Anblick ließ mich träumen und wäre mein Magen nicht so leer gewesen, hätte ich sofort einschlafen können. Die gestohlenen Äpfel hatte ich, bis auf einen, alle meinem Freund gelassen. Ich wusste, dass, wenn ich ins Schloss zurückkehren würde, eine Mahlzeit auf mich wartete. Auf Kelvin wartete nichts. Deshalb half ich ihm immer, Sachen zu stehlen oder Äpfel von den Bäumen zu holen. Wir waren beide zu klein, um das alleine zu schaffen, doch zu zweit hatten wir schon manchen Baum erklommen. Leider war zurzeit Frühling und Kelvin musste irgendwie überleben.

Wir lagen auf dem Waldboden und wir hörten dem Rauschen der Blätter zu. In diesem Moment war ich glücklich. Ich hörte Kelvin neben mir atmen, seine Präsenz konnte ich spürbar fühlen. Mein Vater verschwand in den hintersten Winkel meiner selbst. Ich fühlte mich so schwerelos . Kelvin unterbrach diesen Zustand.

„Sura?“

„Ja?“

Meine Stimme kam mir fern vor.

„Wir sollten hier abhauen.“

Ich richtete mich überrascht auf und schaute zu ihm. Hatte ich ihn richtig verstanden? Er schaute mir tief in die Augen.

„Wie kommst du gerade jetzt darauf?“

„Wünscht du dir denn nicht jemand anderes zu sein oder Eltern zu haben, die dich lieben. Da draußen muss es doch etwas geben, wo wir hingehören!“

Er stand auf und sein Körper war angespannt.

Als würde er gleich losrennen.

„Ich gehöre zu meinem Volk.“

„Dein Volk hasst dich! Du kannst deinen Fluch nicht beherrschen. Es bricht aus, wann es will.“ „Woanders wäre es doch das Gleiche. Solang man mich in Ruhe lässt passiert nichts. Ich könnte lernen es zu beherrschen. Vater wird dafür jemanden finden und dann kann ich wieder Prinzessin sein und dich ins Schloss holen.“

Ich versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. So überzeugend wie möglich. Fakt war aber, das mein Vater die Suche schon aufgegeben hatte. Jedenfalls redete er nicht mehr davon.

Kelvin reichte mir seine Hand. Ich nahm sie ohne zu zögern und er zog mich hoch.

„Wir gehen jetzt!“

Es gab keine Worte, die ich ihm entgegenzusetzen hatte, sein Blick ließ keine Widerworte zu. Er hatte keine Zweifel an seinem Vorhaben, also folgte ich ihm, Stück für Stück durch den Wald. Soweit waren wir noch nie gelaufen. Die Äste kratzten meine Haut auf und rissen an meinen Haaren. Ich hatte Mühe, ihm zu folgen. Er war zwei Jahre älter als ich und viel schneller. Ich stolperte und meine Knie schlugen gegen eine Wurzel. Ich spürte die Nässe des Erdbodens. Mir wurde schwindlig, als ich mich aufrichtete, doch ich folgte ihm trotz der Schmerzen immer tiefer in den Wald.

Es wurde immer dunkler, als wir durch das Unterholz streiften. Weit ab von Wegen, die uns zurückführen konnten. Wenn ich Kelvin jetzt verlor, dann wäre es für immer. Davor hatte ich Angst, deshalb nahm ich seine Hand und ließ sie nicht mehr los. Meine Beine schmerzten und die Kratzer auf der Haut brannten. Wo wollte er hin? Flohen wir wirklich weit weg von hier? Wovon wollten wir leben? Wo sollten wir die Nacht verbringen?

2. Warum brennst du nicht?

Neben uns knackten trockene Äste. Ich hatte keine Zeit zu reagieren, als Kelvin von mir weggezogen wurde. Etwas riss mich nach hinten und als ich auf den Boden fiel entfuhr mir ein Schrei.

„Na wen haben wir denn da?“

Die Stimme gehörte nicht Kelvin.

Danach packte man mich hinten im Nacken und schleifte mich ein paar Meter über den matschigen Waldboden. Ich bekam erst wieder Luft, als ich nach vorn geschmissen wurde. Ich überschlug mich und meine Wange schrammte über versteckte Steine.

Kelvin schrie gerade, als ich auf den Erdboden aufkam. Alles in mir tobte, doch ich musste es zurückhalten. Ich rollte mich auf den Rücken und wollte aufstehen, doch jemand stand über mir. Er verdeckte den Blick zu Kelvin.

Ich krabbelte von ihm weg und er ließ mich gewähren als ich aufstand.

Ich sah drei junge Männer. Die Gesichter kamen mir bekannt vor. Es waren eindeutig Bewohner aus der Stadt. Die Namen kannte ich nicht. Sie trugen die Ketten mit dem Symbol unseres Reiches und der Geistlichen. Einer hatte sich Kelvin geschnappt und hielt ihm am Handgelenk fest. Kelvin beschwerte sich lautstark und versuchte sich loszureißen aber gegen seinen Gegner hatte er keine Chance. Er schrie erneut vor Schmerz, als sein Peiniger den Griff verstärkte. Alle drei sahen zu mir und in ihren Augen las ich keine Furcht vor mir.

„Lasst ihn los, das ist ein Befehl!“

Ich schrie diese Worte und versuchte meine Verzweiflung zu verbergen.

Sie lachten auf.

„Nur zu eurer Information, ich bin die Tochter des Königs. Wenn mein Vater davon erfährt, bekommt ihr großen Ärger!“

Wieder lachten sie. Ich begann die Geduld zu verlieren und kämpfte darum, mich nicht in meiner Wut zu verlieren.

„Wir wissen wer du bist oder eher, was du bist.“ Der Redner stand vor den zwei anderen. Er war auch derjenige der mich über die Erde geschleift hatte.

„Wenn ihr wisst wer ich bin, dann lasst ihn los.“ Meine Stimme war fordernd und man spürte die Wut in meinen Worten.

Ich brannte innerlich.

„Du bist ein dummes Mädchen. Es ist unser Auftrag und unsere Plicht die Stadt von so einem Monster wie dir zu befreien.“

„Was?“

Meine Wut verflog und Furcht machte sich in mir breit. Sie wollen mich umbringen? Sie wissen, wer ich bin und wollen mich trotzdem beseitigen?

Genau deshalb wollen sie mich beseitigen.

Die Erkenntnis lies mich stocken. Jemand hatte sie beauftragt. Den ersten Schlag sah ich nicht kommen. Seine Faust bohrte sich in meine Wange und ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Kiefer. Ich landete im Dreck und schrie. Ich spürte die Macht in mir, die versuchte auszubrechen.

„Wenn du dich wehrst oder schreist, stirbt der Kleine!“

Kelvin erschrak und meine Augen erfassten seine. Er war blass und zitterte am ganzen Körper. Ich hatte keine Zeit auszuweichen oder mich zu schützen als der Fußtritt kam. Seine Worte halten in mir und ließen den Schmerz nicht in mein Bewusstsein. Wie betäubt hörte ich nur noch seine Worte.

>Wenn du dich wehrst oder schreist, stirbt der Kleine!<

Seine Worte geisterten in meinem Kopf und ich umschlang den Schmerz mit ihnen.

>Wenn du dich wehrst oder schreist, stirbt der Kleine!<

Ich unterdrückte den Schmerzensschrei, der mir in der Kehle lag. Ich hatte Angst. Viel Angst!

Aber Kelvin ist mein Freund. Mein einziger und bester Freund. Ich musste tun was sie mir sagten, um ihn zu retten. Ich rang mit den Tränen und unterdrückte die Verzweiflung in mir. Wenn ich mich nicht beherrschte, würde mein Element ausbrechen. Nein, das durfte nicht geschehen! Kelvin war hier, für ihn würde ich durchhalten!

>Wenn du dich wehrst oder schreist, stirbt der Kleine!<

Ich muss das schaffen. Ich muss es beherrschen. Es verbannen. In den hintersten Winkel meiner selbst und den Schmerz gleich mit. Ich stemmte mich gegen die Macht in mir. Zwang sie zu einer Kugel und grenzte sie von allen anderem ab.

„Steh auf, na los!“

Ich gehorchte und landete wieder auf dem Boden. Den Schmerz, der beim Aufprall auf dem Waldboden entstand, nahm ich in kauf.

Ohne einen Mucks von mir zu geben. Kelvins Augen füllten sich mit Tränen. Er schrie und zerrte an seinem Peiniger, der ihn festhielt und lachte. Sie lachten alle und ihr Anführer schlug dabei unbarmherzig immer wieder zu. Sein Blick war so kalt und entschlossen. Sein Lachen so voller Hass und Abscheu. Ich habe ihnen doch nie etwas getan.

„Was macht ihr! Hört auf, lasst uns in Ruhe!“

Ich spürte Kelvins Verzweiflung.

>Wenn du dich wehrst oder schreist, stirbt der Kleine!<

War alles was ich noch hörte.

Wieder stand ich auf und abermals schlug man mich zu Boden. Der Schmerz wurde immer heftiger und aufzustehen war eine Qual. Doch das Schlimmste war es, den Mund zu halten.

Blut sammelte sich in meinen Mundwinkel und lief mir übers Kinn. Schuld war nicht die Schürfwunden auf meinen Gesicht oder die Wunde neben meinem Auge. Auch nicht meine aufgeplatzten Lippen. Es waren die Bisswunden auf meiner Zunge, die bei jedem aufkeimenden Schmerz mehr wurden. Ich traute mich kaum zu schlucken denn ich wusste, dass es nach Blut schmecken würde. In meinen Kopf existierte nur noch ein Sinn.

Kelvin!

Ich musste ihn retten. Er ist mein Freund.

Meine Angst erlosch mit jedem Schlag, mit jedem Tropfen Blut, der mir übers Gesicht lief. Immer glasiger wurden meine Augen. Zurück blieb Leere und der Wunsch den Menschen zu retten, der mir am wichtigsten ist. Ich hörte wie mein Herz wild schlug, und wie es in der geformten Kugel in mir brodelte. Es war der Fluch, mein Element Ich könnte es hier und jetzt beenden aber was würde aus Kelvin werden? Er würde sterben und ich hätte ihn umgebracht. Nein! Wenn ich sterbe, wird er leben. Ich muss durchhalten, einfach aufstehen und nicht schreien. Alles daran setzen, die Kontrolle nicht zu verlieren. Ich zog das Element mit mir in den Abgrund. Nahm die Kugel mit in die tiefe Finsternis und hinterließ hinter mir nur Leere. Ich werde sterben. Ich bin neun Jahre alt und werde sterben, für Kelvin. Es ist vorbei. Ich schloss kurz die Augen und in mir herrschte Ruhe. Alles verstummte.

„Steh schon auf, nicht so langsam!“

„Kelvin.“

Sein Name war nur ein Hauch.

Ich sammelte meine letzte Kraft. Meine Beine zitterten und drohten unter meinem Gewicht wegzubrechen. Ich hob mein Gesicht und schaute meinen Peiniger direkt in die Augen. Ich war entschlossen hier und jetzt zu sterben und das zeigte ich auch. Er lachte auf und die anderen stimmten mit ein.

„Wie niedlich, opfert sich für ihren Freund. So eine Tat hätte ich von einem Monster nicht erwartet Wie viel Menschen hast du auf dem Gewissen? Denkst du, du kannst durch ein Leben deine Seele retten? Für so eine Bestie wie dich gibt es keine Erlösung. Eigentlich ist es schon fast schade um deine Schönheit aber du bist zu gefährlich und das weiß dein ach so toller Freund auch.“

Es dauerte lange, bis die Worte in die Tiefe drangen.

Ich erschrak und meine Augen weiteten sich.

Warum hat er das Wort „Freund“ nur so komisch betont? Er zog eine schadenfrohe Grimasse. Ich wurde misstrauisch und wachte auf, trat aus der Finsternis hervor. In meinem Inneren zog die Macht des Elementes an meinem Verstand. Es wollte raus und ich krümmte mich unter der Macht. Mir wurde speiübel.

„Er hat dich verraten, Kleine. Aber wer könnte ihm das verübeln.“

Kelvins Handgelenk wurde losgelassen und sein Blick wandte sich von mir ab. Er hatte aufgehört zu weinen, und alles was ich vor mir sah, war ein Haufen Elend. Er sackte in sich zusammen und ich sah das Mitleid in seinen Augen. Mitleid mit dem Monster, was ihm leichtgläubig gefolgt war. Was sich an ihn gekettet hatte und ihm vertraute. „Kelvin? Sag mir dass das nicht wahr ist!“

Ich wollte es nicht hören, ich konnte es nicht hören. Die Wut brachte meinen Lebenswillen zurück.

„Ich wollte nicht, dass es so wird. Es sollte schnell geschehen, damit dein Leid beendet wird. Damit du frei sein kannst.“

„Du hast mich verraten.“

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Er schüttelte mit dem Kopf.

„Ich wollte das alles nicht.“

Ich war bereit gewesen zu sterben, aber nun standen die Dinge anders. Kelvin hatte mich verraten! Wut kroch aus meinen Herzen und setzte sich in jeder Pore meines Körpers fest. Ich versuchte verzweifelt noch etwas Selbstbeherrschung zu behalten.

„Dann bedeutet dir unsere Freundschaft gar nichts?“

Tränen liefen mir über meine Wangen und vermischten sich mit meinem Blut Verzweifelt versuchte ich seine Augen zu erhaschen, es durfte nicht wahr sein!

„Wir waren nie befreundet, du törichtes und naives Mädchen. Ich hab mich bei dir eingeschleimt und dank dir hab ich bald ein Dach über den Kopf. So ein Ungeheuer wie du, wird nie jemand lieben. So etwas wie du ist Abschaum!“

Er fing nicht an zu lachen, als alle Anderen es taten. Sie amüsierten sich über meine Dummheit und ihr Lachen vervielfältigte sich in meiner leeren Hülle. Wie konnte ich auch so dumm sein zu glauben, dass mich jemand mag. Ich sackte zusammen. Aus Wut wurde Schmerz, der mir das Herz zuschnürte. Ich schaffte es nicht mehr, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich sah in Kelvins Augen die voller Schmerz waren, doch das registrierte ich nicht als alles rot vor mir wurde. Alles was mir heute bleiben wird, ist mein Fluch!

Mein Körper fing Feuer.

Es war nicht heiß, nicht für mich. Mein Körper schmerzte. Ich verlor mich im roten tobenden Meer in meinem Geist.

Das Laub und die abgestorbenen Äste der Bäume die auf den Boden lagen, fingen Feuer. Alles um mich herum fing an zu brennen und der Umkreis wurde immer größer. In mir tobten die blinde Wut der Verzweiflung und mein Element, was mich umschlang um mich zu beschützen. Der Schmerz in meinem Herzen wurde unerträglich und ich schrie kurz auf. Meine Peiniger flohen aber es nütze ihnen nichts. Sie würden sterben, denn sie könnten nie so schnell rennen, wie mein Feuer sich ausbreitete. Ein Meer aus tosenden Flammen, bereit die Menschen zu töten die mir Leid zufügten. Ihr werdet sterben und ich werde leben. Die Welt muss ungerecht für euch sein. Die letzte Träne die ich vergoss, nahm mir all meine Trauer. Mein Schrei den ich ausstieß, nahm mir die Schmerzen. Es fühlte sich leer in mir an und ich überließ dem Feuer meinen Körper. Ich zog mich in die Sicherheit zurück und blendete meine ganze Umgebung aus.

So entgingen mir die Schreie der Männer, genauso wie die Schritte des Fremden, der mich plötzlich an der Schulter packte.

„Du musst dich nicht fürchten vor mir, zieh dein Feuer zurück, die Gefahr ist längst vorüber.“

Wie in Trance drehte sich mein Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam.

Verschwommen nahm ich den Umriss neben mir war. In mir tobte mein Element. Es kostete mich all meine Konzentration, den Schleier zu lösen und dem Umriss eine Form zu geben. Das Erste, was mir deutlich ins Auge sprang nachdem sich der Schleier endlich gelöst hatte, waren seine intensiv grünen Augen. Seine braunen Haare hingen ihm ins Gesicht und sahen ungekämmt aus. Ein großer blauer Schal verdeckte den Rest seines Gesichtes. Nur unterbewusst nahm ich den Geruch von Erde auf.

„Wer sind Sie? Wollen Sie mich auch umbringen?“

Meine Stimme schien mir fern und ich blickte an dem Fremden vorbei.

Ich schlug seine Hand, die auf meiner Schulter lag, beiseite und stand auf, um mich von ihm zu entfernen. Träge und langsam bewegte sich mein Körper. Viel zu schwach, um noch für etwas zu taugen. Erst jetzt wurde mir klar, dass er mitten in den Flammen stand. Anstatt zu verbrennen und vor Schmerzen aufzuheulen, schien es ihn gar nicht zu interessieren. Das verwirrte mich.

„Warum verbrennen Sie nicht?“

Er lächelte.

„Weil mein Element mich beschützt, kleine Dame.“

Sein Element? Kann er es kontrollieren?

„Sei beruhigt, du hast nichts vor mir zu befürchten. Ziehe dein Element zurück, sonst verbrennst du noch den ganzen Wald und dich selbst mit.“

Er hatte recht, es war genug. Ein anderer Teil von mir wollte mehr. Mein Fluch wollte mehr und die Wut stieg erneut in mir auf. Mein Magen knurrte und meine Knie wurden weich.

„Sage mir, was du willst!“

Ich vergas meine Manieren vor Wut und blickte ihm finster ins Gesicht.

„Ich will dir helfen, ich kenne den Schmerz den du fühlst.“

„Und wenn ich deine Hilfe nicht will?“

„Du wirst keine andere Wahl haben, wenn du weiterhin leben willst. Außerdem kann ich dir zeigen, wie du deine Macht beherrschen und richtig einsetzen kannst Sodass du nur das angreifst, was du willst und nicht gleich alles in deinem Umkreis mit verbrennst. Schau dich um! Soll das immer so sein, wenn du dich wehrst? Wenn du nicht bald aufhörst, wird das Feuer dich selbst auch verzehren. Du hast nicht die nötige Kraft.“

Er sah mich an. Freundlich aber bestimmt und irgendwie fiel es mir leicht, unter seinem Blick mein Element zurückzuholen. Doch was ich dann sah, brachte mich zum Zittern. War ich das wirklich? Von Kelvin und den Angreifern war keine Spur mehr, als hätte es sie nie gegeben. Von den Bäumen konnte man das Gleiche denken. Nur die Asche auf dem Boden erinnerte noch an etwas, was verbrannt worden ist. Am Rande der kreisrunden ausgebrannten Fläche standen die noch immer mit saftig grünen Blättern behangenen Bäume als wäre nie etwas gewesen. Es stank verkohlt und auch etwas nach verbranntem Fleisch. Ich bemerkte, wie mein Herz begann schneller zu schlagen und mein Hals sich zusammenzog. Mir wurde schwindlig. Was hatte ich nur getan? Langsam zog sich das Feuer zurück in meinen Körper. Kroch in mich hinein als hätte ich die Macht gebändigt. Als könnte ich es beherrschen, meine Knie hörten auf zu zittern.

„Unschuldiges Leben zu verbrennen ist nicht gerade die feine Art des Adels.“

Er lächelte, es sollte wohl besänftigend wirken aber für mich war es wie Hohn. Ich versuchte mich zu beruhigen. Um nachdenken zu können. Was hätte er davon, wenn er mich trainiert? Das ergab alles keinen Sinn. Er ergab keinen Sinn, doch was sollte ich anders tun. Er zog mich mit seinen Augen an und beruhigte meinen Herzschlag.

„Sie wollen mich doch nur entführen, um Lösegeld zu fordern!“

Er lachte laut auf.

„Wie naiv bist du denn Kleine? Wer würde es denn zahlen? Dein Vater? Sieh dich doch mal an, so zerschunden wie du bist. Der einzige Grund warum dein Vater dich behielt, ist deine Schönheit. Er hat lange gehofft einen reichen Trottel zu finden, der dich nimmt und glaube mir, mehr als ein Aushängeschild wirst du für diesen jemand nicht sein. Was denkst du denn, wer auf die Idee kam, die drei auf dich zu hetzen? Dein Vater hat es aufgegeben, für ihn bist du unverkäuflich und daher nicht von Wert. Außerdem bist du ihm zu gefährlich geworden. Er ist auf den Weg hierher. Du bist kaum noch eine Gefahr. Er hat dich hungern lassen, um dich zu schwächen und dann hat er dich dazu gebracht fast auszubrennen. Du solltest mit den anderen hier verbrennen. In deinem zu Hause wartet der Tod auf dich, wenn du sterben willst, dann bleibe.“

„Ich.... sage mir den Grund und den Nutzen.

Was bringt es dir, mich aufzunehmen? Und wie lautet dein Name?“

Mein Misstrauen riss nicht ab, aber eigentlich machte es mir Angst und es verwirrte mich, dass ich mich schon längst dazu entschieden hatte ihm zu folgen. Ich versuchte in seinen Augen zu erkennen, ob er mich belügt. Wollte mein Vater wirklich meinen Tod? Warum überraschte mich das nicht?

„Du hast recht, wo sind nur meine Manieren.“

Er grinste kurz neckend.

„Senai ist mein Name und ich habe jemandem versprochen, die Verfluchten zu finden und ihnen zu helfen. Mir hat man damals geholfen und nun los, wir haben schon zu viel Zeit vergeudet Das du den Wald angezündet hast, war kilometerweit zu sehen und ich spüre, dass jemand auf dem Weg hierher ist.“

Er musterte mich kurz.

„Soll ich dich tragen oder kannst du noch alleine laufen?“

Wie meint er das, dass er es spürt? Wer ist auf dem Weg hierher?

3. Der Auftraggeber

„Ich laufe allein!“

Demonstrativ bedeutete ich ihm mit einem Kopfnicken, voran zugehen. Um dann mit erhobenem Haupt folgen zu können. So kannte ich mich gar nicht.

„Stolz ist schon mal vorhanden.“

Seine Begeisterung darüber hielt sich in Grenzen. Er atmete einmal hörbar aus und fuhr dann fort.

„Es ist nicht weit, ich habe mein Pferd etwas von hier entfernt angebunden. Lass mich kämpfen und halt dich hinter mir.“

Er ging voraus. Kämpfen? Zögerlich folgte ich ihm. Humpelnd und zitternd, aber besser als ich erwartet hatte. Es fiel mir immer noch nicht leicht, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ich werde dich nach dem Kampf in Sicherheit bringen. Du musst mehr essen. So bist du nicht zu gebrauchen. Ich habe noch ein anderes Element in deinem Alter gefunden, wir werden sie abholen.“

„Warum ist sie nicht gleich mitgekommen?“

„Weil es hier zu gefährlich für sie geworden wäre. Zu Hause will sie niemand umbringen, so wie dich.“

„Sie muss ja richtig glücklich sein.“

Ich dachte immer, es gehe anderen Verfluchten so wie mir, aber anscheinend gefiel es dem Schicksal, ausgerechnet mich zu quälen.

Senai lächelte kurz und blieb dann stehen. Er wirkte nicht überrascht, als vor uns eine Gruppe Männer auftauchte. Ich erschrak, als ich die Männer sah und noch einmal, als ich meinen Vater in deren Mitte erkannte. Senai baute sich vor mir auf. Ich blickte auf seinen breiten Rücken, seine Aura beruhigte mich. Doch dann blickte ich meinem Vater in die Augen und alles in mir sträubte sich. Die Ruhe von Senai half nicht dagegen, als ich seinem finsteren Blick begegnete und innerlich um mein Leben bangte. Seine grünbraunen Augen bohrten sich in meine. Er war sichtlich wütend. Wenn er mich erwischte, würde er mich zu Tode prügeln. Ich konnte nicht darauf bauen, dass mich mein Element schützte. Senai hatte Recht, in mir war es still. Ich hatte zu wenig Kraft.

„Denkst du wirklich ich lass dich so einfach gehen, Töchterchen?“

Er sagte die Worte mit so viel Hass und Verachtung, dass es mir einen Stich ins Herz versetzte. In seinem Gesicht war die Gier nach meinem Tod deutlich erkennbar. Also war es wirklich er, der mir die Bande auf den Hals gehetzt hat. Ich spürte seine großen Hände schon an meinem Hals. Seine hasserfüllten Augen die in meine blickten und mir zeigten, wie wenig er mich noch liebte.

„Ich habe dein Feuer gesehen und gehofft es würde dich endlich verzehren. Ich hätte dich doch lieber verhungern lassen sollen, auch wenn das wegen deines Elementes Jahre gedauert hätte. Seit über einem halben Jahr hab ich dir die Nahrung verwehrt. Auf der Straße muss genug Dreck gewesen sein, den du essen konntest.“ Waren es deshalb nur Reste gewesen, die ich bekommen hatte? Hatte sich irgendwer im Schloss erbarmt und mir Essen gebracht, um mein Überleben zu sichern?

Er verzog das Gesicht und seine Verachtung traf mein Herz.

„Du dumme Göre, ich hätte dich nie vor dem Mörder deiner Mutter retten sollen.“

Er blickte zu Senai.

„Du bist selbst schuld daran, dass du meiner Tochter begegnet bist. Was auch immer dein Ziel war, du wirst heute hier sterben.“

Die Wachen zogen ihre Schwerter und kamen auf uns zu. Sie wirkten entschlossen, dem Befehl zu folgen. Ich wich zurück und blickte unsicher zu Senai hoch. Er stand ganz entspannt da. Mein Vater will mich wirklich umbringen, er will mich sterben sehen... Er will, er will meinen Tod von ganzem Herzen. Mein Hals wurde trocken und fing an zu schmerzen.

Das Gefühl zu weinen kroch in mir hoch, doch meine Augen blieben trocken. Ich konnte nicht mehr weinen. Mein Herz pochte wie wild. Mit gesenktem Blick wartete ich auf das Schwert, was zum Tod des Angreifers führen würde. Ob er sich dessen bewusst war, dass mein Element ihn verbrennt wenn er mich angreift? Oder würde es diesmal schweigen? Bin ich ausgebrannt? War es endlich vorbei?

Die Erde begann zu beben und ich verlor das Gleichgewicht. Die Soldaten und mein Vater aber auch. Nur Senai blieb ungerührt stehen. Ich traute mich nicht aufzustehen, bis der Boden wieder stillstand. Als er es tat, richtete ich mich nur etwas auf, denn mir fehlte die Kraft ganz aufzustehen. Es drehte sich alles. Ich spürte die Unruhe, die durch die Soldaten ging. Einige schrien vor Schmerz oder Überraschung auf. Mir wurde schwarz vor Augen. Erst wo sich die Schwärze verzog, lichtete sich mein Blick. Ich sah den Waldboden wieder klar vor mir, dessen Nadeln ich an meiner Haut spürte.

„Was war das?“

Die Stimme meines Vaters klang verärgert, aber dennoch verunsichert. Das passte nicht zu ihm. Er hatte niemals Angst.

Ich blickte auf und sah das Blut, das an meinem Vater klebte. Er schaute erschrocken zur Seite und ich tat es ebenfalls. Der Grund der Schreie von vorher waren Felsspitzen, die sich durch die Körper einiger Soldaten gebohrt hatten. Mein Blick blieb an einem der Unglücklichen hängen und ich konnte mich von dem Anblick nicht losreisen. Blut lief langsam aus der Wunde den Felsen hinunter und sammelte sich zu einer Pfütze unter dem Toten. Mir wurde speiübel. Die noch lebenden Soldaten zitterten vor Furcht und trauten sich nicht, sich zu bewegen. Mir selber ging es nicht besser. Einige verloren die Nerven, schrien und rannten. Dann wurde es ruhig. Keiner traute sich irgendetwas zu tun. Mein Herz raste. Was war geschehen?

„Mein Element ist das Element der Erde.“ Senais ruhige Stimme legte sich über mich und mein Herzschlag beruhigte sich. Sein Element. Seine Kraft. Er konnte damit umgehen. Er konnte mich retten. Vor allem konnte er mir zeigen, wie ich mein Element beherrsche. Aber konnte ich ihm trauen?

„Ich werde jeden, der es wagt, uns zu nahe zu kommen, aufspießen und alles, was ich dafür brauche, ist ein Wink.“

Senai lächelte zufrieden und schien sich zu freuen wie ein kleines Kind. Als würde er gerne töten, oder es freute ihn nur seine Überlegenheit gegenüber normalen Menschen. Was es auch war, es beunruhigte mich. Diesem Menschen soll ich vertrauen? Wie bescheuert bin ich eigentlich? Vaters Miene änderte sich, er lächelte.

„Da du dein Element anscheinend gut beherrschen kannst, ganz anders als meine nichtsnutzige Tochter...“,

er blickte mich kurz verächtlich an, „...würde ich dir raten, dich unter meine Dienste zu stellen. Es wäre sehr viel Geld im Spiel. Bei mir kannst du etwas werden.“

Er meinte das ernst, aber dieses Angebot galt nicht dafür, mich zu trainieren. Er hatte nie vorgehabt mir zu helfen. Er hasste mich. Wieso erkannte ich es jetzt erst in seinen hasserfüllten Augen.

Senai lächelte höhnisch.

, Jemandem wie Ihnen will ich nicht dienen, nicht mal für viel Geld. Sie benutzen Menschen wie Spielfiguren. Unter ihrer Herrschaft gibt es nur Gewalt und Mord, niemals würde ich mich unter solche Dienste stellen.“

Genau das war die falsche Antwort für meinen Vater. Sein Lächeln verschwand und es sprang ihm die Mordlust ins Gesicht, die ich jetzt viel zu gut kannte.

„Törichter Trottel! Dann wirst du halt sterben.“ Verstand er nicht, dass er gegen Senai keine Chance hatte? Dass er rennen sollte? Doch sein Stolz, seine törichtes Machtgehabe ließ das nicht zu.

Senai lächelte wieder.

„Das denke ich nicht, aber wir können es gern testen.“

Ich schnappte nach Luft, es fiel mir immer schwerer zu atmen. Es kratzte im Hals und der Schmerz wurde immer heftiger. Senai drehte sich zu mir und flüsterte.

„Sura, halte noch etwas durch, wir sind bald weg. Du brauchst keine Angst haben, ich bin ab jetzt für dich da.“