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Wie könnte ein Generationen-Gespräch zwischen Eltern, die der Arbeiterklasse angehören, und deren 18-jähriger Tochter, die aus dieser Enge des Bürgertums ausgebrochen ist, aussehen? Der ewige Konflikt zwischen Bürgertum und Bohème wird in diesem Werk thematisiert. Es besteht aus drei Akten und ist in Anlehnung an Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" entstanden. Die Geschichte spielt Mitte der 90er Jahre in einem Dorf im Osten Deutschlands.
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Veröffentlichungsjahr: 2014
Die Damen und Herren Pusillanim
Eine Gute-Nacht-Geschichte in drei Akten
Akt
Die allessagende Stille
Zeit: irgendwann zwischen postmoderner und prähumaner Zeit
Ort: Dorf im Wald, Drei-Familien-Haus der Familie Pusillanim
Die Pusillanims bekommen seit dem plötzlichen und für sie völlig überraschenden Auszug ihrer 18-jährigen Tochter vor ein paar Monaten das erste Mal Besuch von ihr. Ohne großen Umweg begibt man sich zu Tisch und ... Ach! Macht euch selbst ein Bild davon, was dann passiert.
Frau Pusillanim Vor Scham und Angst starrt sie Löcher in die Decke und quält sich folgende Frage heraus, ohne es zu wagen, ihrer Tochter dabei in die Augen zu sehen:
„Und, wie geht es dir so?“
Das kleine Mädchen nickt zurück und blickt ihrer Mutter dabei tief und lange in die Augen.
Frau Pusillanim: „Und, was machst du da jetzt eigentlich so den ganzen Tag?“
Das kleine Mädchen: „Na ja, ich laufe durch die Straßen, beobachte die Menschen bei der Erledigung ihrer alltäglichen Dinge, schieße Fotos von Dingen, die mir gut ins Bild passen, laufe weiter, setze mich auf eine Bank im Stadtpark oder an der Donau, lass mich von der wunderbaren Natur inspirieren und schreibe einfach auf …“
Herr Pusillanim unterbricht sie schroff: „Und, hast du schon richtige Arbeit gefunden?“
Das kleine Mädchen: „Du meinst, einen Beruf? Zeitlich strukturiert und nach Stunden bezahlt? Nein, aber meine Berufung habe ich schon seit ein paar Jahren gefunden.“
Herr Pusillanim: „Und, hast du dich denn wenigstens schon irgendwo beworben?“
Das kleine Mädchen verschwindet hinter einem sarkastischen, schmerzverzerrten Lächeln, was sie immer dann aufzusetzen scheint, wenn alle kommunikativen Bemühungen zu scheitern drohen. Ein Gefühl des Nicht-verstanden-werden-Wollens lässt ihren Kopf zu Boden sinken. Sie läuft rot an und sieht sich mit der Angst konfrontiert, von den Blicken der Andersdenkenden eingeschüchtert zu werden. Gezielt fixiert sie eine Stelle am Boden, um sich besser auf das konzentrieren zu können, was sie da in ihrem Kopf formuliert. Dann fügt sie leise hinzu: „Verstehst du nicht, ich bin nicht mehr auf der Suche. Ich habe schon alles gefunden, was ich zum Leben brauche … Meine Stadt, meine Arbeit, meine große Liebe …“
Ein kurzes „Aha“ kommt den Pusillanims über die Lippen, dann Schweigen. Das Thema Arbeit ist damit abgehakt. Nun heißt es, ein neues Thema finden.
Frau Pusillanim mit ernster, unterdrückter Miene: „Und, wie geht es deiner Freundin so?“
Das kleine Mädchen: „Na ja, wir haben uns jetzt unsere eigene, sagen wir mal, Werkstatt eingerichtet, in unserer Wohnung. An der einen Stirnseite des Tisches sitzt sie und werkelt an ihren neuesten Kreationen herum, am anderen Ende des Tisches sitze ich und mache mein Ding. Das ist genau das, wovon wir immer geträu…“
Ohne das magische Wort aussprechen zu dürfen, wird das kleine Mädchen erneut unterbrochen.
Frau Pusillanim: „Und, wie ist das Wetter so bei euch? Liegt bei euch auch so viel Schnee wie hier?“
Das kleine Mädchen antwortet gequält und genervt von der Art der Frage: „Nicht viel anders als hier auch.“
Mutter und Vater Pusillanim grinsen sich hysterisch an.