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"Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem, was er hat, sondern in dem, was er ist." (Oscar Wilde, 1891)
Frank war in einer Welt notorischer Stille und Repression aufgewachsen, solange er zurückdenken konnte...
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Veröffentlichungsjahr: 2018
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Der Mechanist
Eine Kurzgeschichte
von Katrin Hopper Marks
„Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem,
was er hat, sondern in dem, was er ist“ (Oscar Wilde, 1891)
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Frank
Frank war in einer Welt notorischer Stille und Repression aufgewachsen, solange er zurückdenken konnte. Schockierende wie aufregende Erlebnisse verschwanden gleichermaßen unter einem Schleier des Schweigens. Seine Eltern sperrten sie einfach aus. Zunächst aus ihrem Bewusstsein, dann aus ihren Erinnerungen, bis ihre Vergangenheit irgendwann gänzlich unter der Oberfläche eines Luxuswagens und eines Hauses verschwunden war.
Franks Mutter pflegte zu sagen, nachdem sie elf Jahre lang den in Alkohol getauchten Atem seines Vaters ein- und ausgeatmet hatte: „Die einzig wahre Philosophie im Leben ist harte Arbeit – ehrliche Arbeit – und zur Belohnung ein Auto, ein Haus, und Kinder. Da siehst du, was du vollbracht hast. Denn schließlich bist du, was du hast“. Jedes Mal, wenn sie ihr Weltbild auf diese oder ähnliche Weise in ihres Sohnes Kopf einzupflanzen versuchte, schüttelte dieser nur mit dem Kopf ob der Andersartigkeit des Stoffes, aus der ihre Welt gestrickt war. Dennoch hatte Frank eine gewisse Ahnung, warum sie diesen Typ Traum verfolgte. Kleine Häppchen ihrer Geschichte, Reste ihrer Erinnerung hatte er ab und zu aus ihr heraus gekitzelt. Tränenmeere überfluteten die spärlichen Phrasen, die sie circa einmal pro Jahr aus ihrer Vergangenheit herausriss, um sie in der Gegenwart ihres Sohnes ausbluten zu lassen.