The Dixon Rule - Elle Kennedy - E-Book

The Dixon Rule E-Book

Elle Kennedy

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Beschreibung

Manche Dinge sind zu gut, um nicht echt zu sein ...

Diana Dixon hat diesen Sommer viel zu tun. Sie probt für einen Tanzwettkampf und muss mit ihrem Ex-Freund fertigwerden, der einfach nicht kapieren will, dass es vorbei ist. Zu allem Überfluss zieht auch noch ihre Nemesis, der Eishockeyspieler Shane Lindley, in die Wohnung nebenan ein. Genervt stellt sie einige Regeln auf: keine gemeinsamen Partys, Finger weg von ihrem Team, und vor allem soll er sie in Ruhe lassen. Diana weiß nicht, dass Shane One-Night-Stands sowieso satthat. Und als seine Ex auftaucht, will er sie mit Diana eifersüchtig machen. Eine Fake-Beziehung könnte auch einige ihrer Probleme lösen, also willigt sie ein. Doch schon bald kann sie nicht mehr leugnen, dass es zwischen ihnen gewaltig knistert ...

»Ich kann kaum in Worte fassen, wie verdammt gut dieses Buch ist. 6 Sterne!« ABOUT THAT STORY

Band 2 des Spin-Offs der BOOKTOK-Sensationen BRIAR U und OFF-CAMPUS

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

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Meet the Cast von Fling Or Forever Staffel 2!

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Epilog

Bonusszene

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Elle Kennedy bei LYX

Impressum

ELLE KENNEDY

The Dixon Rule

Roman

Ins Deutsche übertragen von Bianca Dyck

Zu diesem Buch

Diana Dixon hat in diesem Sommer einiges um die Ohren. Sie probt für einen Tanzwettkampf, jongliert mit zwei Jobs und muss mit ihrem Ex-Freund fertigwerden, der einfach nicht kapieren will, dass es vorbei ist. Zu allem Überfluss ist der Eishockeyspieler Shane Lindley in die Wohnung nebenan gezogen. Ihre Nemesis und eben der Playboy, der in Dianas Cheerleading-Team schon gebrochene Herzen hinterlassen hat. Deshalb stellt Diana einige Regeln auf: keine gemeinsamen Partys, Finger weg von ihrem Team und – das Wichtigste – er soll auch sie in Ruhe lassen. Doch Diana weiß nicht, dass Shane One-Night-Stands sowieso satthat und seiner Ex-Freundin nachtrauert. Und als diese plötzlich wieder auftaucht, will er sie eifersüchtig machen – und wer wäre dazu besser geeignet als seine schlagfertige neue Nachbarin? Eine Scheinbeziehung könnte auch Dianas Problem mit ihrem hartnäckigen Ex-Freund lösen, also willigt sie ein. Doch schon bald kann sie nicht mehr leugnen, dass es gewaltig knistert zwischen ihr und Shane. Und dass die ganze Sache sich ein kleines bisschen zu echt anfühlt für eine Fake-Beziehung …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

1

DIANA

Satan schlägt wieder zu

Juli

Zwei Wassertropfen bilden sich oben an meinem Spiegel, bevor sie ein langsames Wettrennen abwärts starten. Ich wette gegen mich selbst, dass Tropfen Nummer zwei gewinnt, da er minimal größer ist. Alles oder nichts, richtig? Er legt an Geschwindigkeit zu, schert dann allerdings nach links aus. Währenddessen hält Tropfen Nummer eins den Kurs und landet in meinem Waschbecken.

Und genau deshalb wette ich nicht.

Ich schnappe mir einen Waschlappen und wische das Kondenswasser weg, um mein Spiegelbild sehen zu können. Die Haut an meiner Brust und meinen Schultern ist stark gerötet, ein Beweis dafür, wie kochend heiß das Wasser war. Irgendwas stimmt mit meiner Dusche nicht, aber ich habe kein Geld für einen Klempner, und mein Dad meinte, er kann erst zum Ende der Woche in meine Gegend kommen. Was bedeutet, dass ich noch ein paar Tage mit meinem Lavawasser auskommen muss, falls meine Haut nicht schon vorher abfällt.

Wenn Dad die Dusche repariert hat, sinniere ich, kann er vielleicht auch einen Blick auf die Küchenschublade werfen, die sich plötzlich nicht mehr öffnen lässt. Und mir auch gleich noch sagen, warum der Eiswürfelspender am Kühlschrank scheinbar grundlos den Dienst quittiert hat.

Ein Eigenheim zu besitzen ist echt anstrengend. Vor allem, wenn man absolut inkompetent ist. Habe ich erwähnt, dass das ursprüngliche Problem mit der Dusche der tropfende Duschkopf war? Ich habe versucht, ihn mithilfe eines Online-Tutorials zu reparieren, und so wurde aus dem Wasserstrahl ein Vulkan. DIY-Klempnern und ich werden keine Freunde.

Ich wende mich vom Spiegel ab und schnappe mir ein flauschiges rosa Handtuch vom Haken an der Tür, bevor ich aus dem dampfigen Badezimmer in den Flur trete, um wieder normale Luft zu atmen.

»Ich bin da drinnen fast draufgegangen«, erkläre ich Skip, als ich das Wohnzimmer betrete und mir dabei das Handtuch umwickle. Mein Blick geht durch den geräumigen Loft-ähnlichen Bereich zum Fünfundsiebzig-Liter-Aquarium an der gegenüberliegenden Wand.

Der dicke Goldfisch erwidert ihn mit einem tödlichen, nervenaufreibenden Starren.

»Es gefällt mir nicht, dass du nicht blinzeln kannst«, sage ich. »Das macht mich echt wahnsinnig.«

Er starrt weiter, bevor er seine Flossen bewegt und quer durch das Aquarium schwimmt. Eine Sekunde später versteckt er sich wenig unauffällig hinter einer golden bemalten Schatzkiste. Als ich dem Typen im Fischladen ein Foto von Skip gezeigt habe, meinte er, er hätte noch nie so einen großen Goldfisch gesehen. Anscheinend ist mein Fisch fettleibig. Ganz zu schweigen davon, dass er zu still für mein Seelenheil ist. Ich vertraue keinem Haustier, das keine Geräusche von sich gibt.

»Weißt du was, Skip? Irgendwann wirst du auch mal ein Problem haben, und statt dich zu trösten, werde ich einfach wegschwimmen. Kannst es in deine dämliche Piratentruhe stecken oder dran ersticken.«

Ich hasse Fische wirklich sehr. Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich niemals Fischbesitzerin geworden. Diese schreckliche Aufgabe wurde mir von meiner verstorbenen Tante untergeschoben, die mir einfach ihren wertvollen, nutzlosen Goldfisch in ihrem Testament vermacht hat. Der Testamentsvollstrecker schien sich das Lachen verkneifen zu müssen, während er mir und meiner Familie diesen Teil laut vorgelesen hat. Mein jüngerer Bruder Thomas hat sich die Mühe nicht gemacht – er ist in schallendes Gelächter ausgebrochen, bis Dad ihn streng angesehen hat.

Das Gute daran ist allerdings, dass zum Fischglas auch Tante Jennifers Apartment gehört, was mich mit einundzwanzig Jahren zur Eigenheimbesitzerin macht. Mal gewinnt man, mal verliert man eben.

Von der heißen Dusche bin ich geradezu ausgetrocknet. Also ist der Plan, eine ganze Flasche Wasser runterzukippen, bevor ich mich anziehe. Barfuß gehe ich los Richtung Kühlschrank, als mein Handy auf der Granit-Arbeitsplatte plötzlich bimmelt. Erschrocken wirble ich herum, und beim Blick auf den Bildschirm muss ich ein Stöhnen unterdrücken. Es ist eine Nachricht von meinem Ex.

PERCY:

Hey, Lust, dich zum Quatschen mit mir zu treffen? Hab nach 8 Zeit.

Nein. Kein Interesse. Aber so direkt kann ich logischerweise nicht sein. Ich mag vielleicht aufbrausend sein, aber unnötig unhöflich bin ich deswegen nicht. Also muss ich mir eine nette Art überlegen, ihn abzuweisen.

Das ist nicht das erste Mal, dass er mich »zum Quatschen« treffen will. Aber da bin ich wohl selbst schuld, da ich gesagt habe, wir könnten nach der Trennung noch befreundet bleiben. Kleiner Ratschlag am Rande: Bietet niemals an, befreundet zu bleiben, wenn ihr es nicht so meint. Das endet nur in einem Desaster.

Ich lasse mein Handy auf dem Tresen liegen und hole mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Mit Percys Nachricht befasse ich mich, wenn ich angezogen bin.

Gerade als ich die leere Flasche in den Abfalleimer unter der Spüle werfe, ertönt ein vertrautes Miauen durch den Hausflur. Die hauchdünnen Wände halten absolut keine Geräusche von außerhalb meiner Wohnung ab. Ich kann jeden Schritt hören, sogar das Trippeln von Lucys winzigen Pfoten. Außerdem trägt das Ding auch noch eine Glocke am Halsband, die jede seiner Bewegungen ankündigt.

Ich unterdrücke ein Fluchen, während mein Verantwortungsgefühl sich meldet. Ich liebe Priya, meine Nachbarin im Erdgeschoss, aber ihre im Ausbrechen versierte Katze treibt mich in den Wahnsinn. Mindestens einmal die Woche entkommt sie ungesehen aus ihrem Apartment.

Als ich die Wohnungstür öffne, weht ein kalter Luftzug herein. Ich versuche, die Gänsehaut auf meinen Armen abzuschütteln, und trete auf die glatten Fliesen vor meiner Tür.

»Lucy?«, trällere ich fröhlich.

Auf keinen Fall darf auch nur ein Hauch von Frust in meiner Stimme mitschwingen. Beim geringsten Anzeichen von Ärger wird dieses graue Fellknäuel nach unten zur Eingangstür rennen wie ein Meteor, der auf die Erde zurast.

Unser Apartmentkomplex Meadow Hill ist nicht wie andere Gebäude. Es ist keine Monstrosität mit fünfzig Stockwerken und Hunderten von Wohnungen. Stattdessen hat der zuständige Architekt das Design an ein Strandresort angelehnt, weshalb das Grundstück aus fünfzehn zweistöckigen Gebäuden mit je vier Wohnungen besteht. Gewundene Pfade verbinden alle Gebäude miteinander, von denen die meisten einen Ausblick auf den üppigen Rasen, die Tennisplätze und den Pool haben. Als Lucy das letzte Mal ausgebüxt ist, ist mein Nachbar Niall gerade nach Hause gekommen. Und Lucy hat in ihrer Suche nach ewiger Freiheit die Chance genutzt und ist an ihm vorbei durch die Tür gerast.

»Lucy?«, rufe ich wieder.

Das Läuten eines Glöckchens ruft von der Treppe aus nach mir. Mit einem heiseren Miauen taucht die grau gestreifte Katze auf der obersten Stufe auf. Sie setzt sich hin wie eine feine Dame und starrt mich herausfordernd an.

Ja, hier bin ich, spottet sie. Und was willst du dagegen tun, Bitch?

Langsam gehe ich auf die Knie, damit wir auf Augenhöhe sind. »Du bist die Katze des Teufels«, informiere ich sie.

Einen Moment lang mustert sie mich, dann hebt sie eine Pfote und leckt sie sittsam, bevor sie sie wieder absetzt.

»Das meine ich ernst. Du wurdest aus der Hölle hierhergebracht, von den kalten Händen Satans persönlich. Sei ehrlich – hat er dich hergeschickt, um mich zu quälen?«

»Miau«, macht sie süffisant. Ungerührt.

Mir fällt die Kinnlade herunter. Die blöde Kuh hat es gerade bestätigt!

Auf Knien robbe ich vorwärts und halte mein Handtuch oben fest. Ich bin wenige Zentimeter von ihr entfernt, als ohne Vorwarnung Stimmen in der Lobby ertönen und stampfende Schritte von unten die Treppe heraufkommen.

Lucy springt los, über meine Schulter wie eine Hürdenläuferin in den Olympischen Spielen für Katzen. Sie flüchtet durch den Spalt in meiner Tür, und ich bin so überrumpelt, dass ich das Gleichgewicht verliere. Instinktiv strecke ich die Hände noch vorn aus, um mich abzufangen, statt mein Handtuch festzuhalten.

Es landet auf dem Boden, gerade als ein Schatten auf mich fällt.

Überrascht kreische ich auf. Und im nächsten Moment starren drei Hockeyspieler auf mich herab.

Auf meinen nackten Körper. Denn ich bin nackt.

Habe ich erwähnt, dass ich nackt bin?

»Alles okay da unten, Dixon?«, fragt eine tiefe, spöttische Stimme.

Schnell bedecke ich meine Nacktheit mit den Händen, allerdings habe ich nur zwei davon, obwohl ich gerne drei Stellen verbergen würde.

»Oh mein Gott, nicht gucken«, befehle ich und greife mir mein Handtuch.

Sie wenden den Blick sofort ab, das muss man ihnen anrechnen. Ich springe auf und ziehe das Frotteetuch zurecht. Von allen Leuten, die mich in diesem Dilemma antreffen könnten, mussten es natürlich Shane Lindley und seine Freunde sein. Aber was tun sie überhaupt hier …

Da dämmert es mir. Oh nein.

Grauen breitet sich in meiner Magengegend aus, als ich Shanes amüsierten dunklen Blick sehe. »Nein. Heute?«

Er schenkt mir ein breites Lächeln, das seine perfekten weißen Zähne zur Schau stellt. »Oh ja, heute.«

Satan schlägt wieder zu.

Shane zieht hier ein.

Zum Glück nicht in meine Wohnung. Denn das wäre doppelt entsetzlich. Ich könnte niemals so einen arroganten Esel als Mitbewohner haben. Es ist schon schlimm genug, dass wir uns zukünftig eine Etage teilen werden. Shanes Eltern – die reich und offenbar davon überzeugt sind, dass man bescheidene Erwachsene großzieht, indem man sie übermäßig verwöhnt – haben ihrem absolut nicht bescheidenen Sohn das Apartment neben meinem gekauft. Es hat leer gestanden, seitdem meine letzte Nachbarin Chandra sich zur Ruhe gesetzt hat und nach Maine gezogen ist, um näher bei ihrer Familie zu sein.

Meine beste Freundin Gigi, die mit Shanes bestem Freund Ryder verheiratet ist, hat mich vorgewarnt, dass der Umzug irgendwann diese Woche stattfinden würde. Allerdings hätte ich einen genaueren Zeitpunkt sehr zu schätzen gewusst. Oder wenigstens eine kurze Warnung heute. Dann wäre ich vielleicht vorbereitet und nicht nur mit einem Handtuch bekleidet gewesen. Beim Dinner heute Abend kriegt sie dafür definitiv was von mir zu hören.

»Keine Sorge, wir haben nichts gesehen.« Die beschwichtigenden Worte kommen von Will Larsen mit dem Junge-von-nebenan-Gesicht.

»Ich habe deine Titten und eine Pobacke gesehen«, sagt Beckett Dunne hilfreicherweise.

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder stöhnen soll. Mit seinem perfekten Gesicht, dem dezenten australischen Akzent und dem welligen blonden Haar ist Beckett einfach zu sexy, mehr, als gut für ihn ist. Alles, was aus seinem Mund kommt, klingt charmant, obwohl es bei allen anderen Menschen widerlich klingen würde.

»Dann lösch sie aus deinem Gedächtnis«, warne ich.

»Unmöglich«, erwidert er mit einem Zwinkern.

Ich schaue wieder zu Shane, und meine Belustigung verfliegt. »Es ist noch nicht zu spät zum Verkaufen«, sage ich in hoffnungsvollem Tonfall.

Doch ich weiß, das ist nur ein wunderschöner Traum. Er geht nirgendwohin, nachdem seine Eltern vermutlich ein Vermögen für die Renovierung ausgegeben haben. Im vergangenen Monat ist ständig Baulärm aus seinem Apartment gekommen. Der arme Niall von unten hatte täglich einen Nervenzusammenbruch wegen der Bohrmaschine. Dieser Mann ist furchtbar allergisch gegen Lärm.

Ich frage mich, was Shane alles hat ändern lassen. Ich wette, er hat die Wohnung in eine stereotype Männerhöhle verwandeln lassen, die zu seinem Fuckboy-Geschmack passt.

Und glaubt mir, ich kenne seinen Geschmack gut. Dazu gehören (momentan, aber ich zähle noch) zweieinhalb meiner Cheerleader-Kameradinnen – eine halbe, mit der er nur ein bisschen rumgemacht hat. Aber trotzdem, der Typ pflügt durch sie hindurch wie ein Landwirt nach der Erntesaison. Gigi hat mir erzählt, ihm wäre letztes Jahr das Herz gebrochen worden und er wäre das erste Mal seit langer Zeit Single. Sie meinte, er holt jetzt alles nach. Aber für mich klingt das nur nach einem Haufen Ausreden, und ich finde, für Fuckboys braucht man keine Ausreden zu erfinden. Die werden einfach mit diesem Gen geboren.

»Du musst vor den Jungs nicht so taff tun«, sagt Shane zu mir. »Alle wissen, dass du auf mich stehst.«

Ich schnaube. »Ich glaube, der einzige Mensch, der auf dich steht, bist du selbst.«

Ganz ehrlich, ich wäre nicht überrascht, wenn der Typ seine ganze Freizeit damit verbringt, sich im Spiegel zu begaffen. Hockeyspieler sind bekanntermaßen von zwei Dingen besessen: Hockey und sich selbst. Und Shane Lindley bildet da keine Ausnahme.

Seine Attraktivität zieht mich nicht in seinen Bann, auch wenn er unbestreitbar heiß ist. Groß und gut aussehend. Breiter, sinnlicher Mund und schwarzes, kurz geschorenes Haar. Ein durchtrainierter Sportlerkörper und Grübchen, die kleine Einkerbungen bilden, wenn er versucht, dich mit einem frechen Grinsen anzulocken. An diesem Nachmittag ist besagter muskulöser Körper in eine Basketballshorts und ein rotes T-Shirt gekleidet, das seine dunkle Haut betont.

Als mir auffällt, wie Beckett meinem eingewickelten Körper einen weiteren Blick zuwirft, sehe ich ihn stirnrunzelnd an. »Egal, wie lange du starrst – ich verspreche dir, das Handtuch wird nicht noch einmal fallen.«

»Nun, falls doch, würde ich das nur ungerne verpassen.« Seine Zähne strahlen regelrecht im Neonlicht, während er mir sein Schlaf-mit-mir-Lächeln schenkt.

»Ist das dein Apartment?«, fragt Will und zeigt auf die Tür hinter mir.

»Leider.«

»Verdammt. Als Gigi sagte, ihr beiden werdet Nachbarn, habe ich nicht gedacht, dass ihr Nachbarn werdet«, merkt er an, während sein Blick von meiner zur Tür am anderen Ende des Flurs wandert.

»Bitte streu kein Salz in die Wunde«, murre ich. Zu Shane sage ich: »Falls du eine Willkommensparade erwartest, hast du Pech. Mein neues Ziel ist es, mein Leben so zu gestalten, dass ich dir nicht begegne.«

»Viel Glück dabei.« Shanes dunkelbraune Augen funkeln vor Belustigung. »Denn mein neues Ziel ist es, dass wir beide beste Freunde werden und jede Stunde des Tages zusammen verbringen. Oh, hey, apropos – ich schmeiße am Wochenende eine Party. Wir sollten sie zusammen geben. Wir lassen einfach beide die Türen offen und –«

»Nein.« Ich steche mit dem Zeigefinger in die Luft. »Absolut nicht. Das wird nicht passieren. Und überhaupt, ihr zwei«, ich werfe Will und Beckett einen bösen Blick zu, »geht doch schon mal vor in sein Apartment. Lindley und ich müssen die Verhaltensregeln besprechen.«

2

SHANE

Shanes Sommer

In mich hinein lachend folge ich der wütenden Blondine in ihre Wohnung. Als wir aus dem Eingangsbereich in den Wohnraum treten, muss ich ein paarmal blinzeln, denn er sieht ganz anders aus, als ich erwartet habe. Die Möbel im Wohnzimmer passen nicht zusammen, und der burgunderrote Teppich beißt sich mit dem blassblauen Sofa mit Blumenmuster. So eins würde man im Haus seiner toten Großmutter vorfinden, wenn man hinfährt, um ihre Sachen auszumisten. Niemand in der Familie würde sich um dieses Sofa streiten, außer es ginge darum, wer es für einen guten Zweck zu Goodwill bringt.

»Deine Wohnung hat einen richtigen Katzenlady-Vibe«, merke ich an.

»Miau«, jault etwas aus der Küche.

»Heilige Scheiße. Du hast ja tatsächlich eine Katze.« Mir fällt die Kinnlade herunter, als eine grau getigerte Katze hinter der schmalen Kücheninsel auftaucht und mich beäugt, als hätte ich ihre Kätzchen ermordet.

Dianas Ausdruck spiegelt den der Katze wider. »Das ist Lucy. Sie schleicht sich gerne raus, wenn unsere Nachbarin von unten eine Therapiesitzung gibt.«

»Was geht?«, frage ich die Katze und nicke zur Begrüßung.

»Mach dir keine Mühe. Sie ist ein Dämon aus den Tiefen der Hölle«, sagt Diana, und genau in dem Moment kommt Lucy zu mir und reibt sich an meinem Bein.

Die Katze schnurrt, während sie sich mit ihrem flauschigen Körper zwischen meine Schienbeine schlängelt.

Diana funkelt uns wütend an. »Warum überrascht es mich nicht, dass ihr beiden euch gut versteht? Verschwinde, Lucy. Lindley und ich müssen reden.«

Lucy bleibt einfach zu meinen Füßen sitzen und schnurrt weiter.

»Sie hat einen guten Menschen-Geschmack«, sage ich, während ich wieder meine seltsame Umgebung mustere.

Da steht eine antike Vitrine voller Geschirr, die neben dem supermodernen Bücherregal vollkommen fehl am Platz wirkt. Und ist das …

»Oh mein Gott. Du hast einen Fisch? Wer hat einen Fisch als Haustier? Wo bleibt deine Selbstachtung, Dixon?«

Ihre smaragdgrünen Augen schießen Feuerbälle auf mich. Ich kann die Hitze förmlich spüren. »Halt meinen Fisch da raus. Er ist nicht perfekt, aber er gehört mir.«

Ich unterdrücke ein Lachen. Es entgeht mir nicht, dass sie noch immer nichts als ein Handtuch trägt. Und … nun ja, ich will ganz ehrlich sein … Sie sieht verdammt gut aus. Diana ist hinreißend mit ihren weit auseinanderstehenden Augen, dem platinblonden Haar und dem frechen Mundwerk. Sie ist etwas kleiner, als ich es für gewöhnlich bevorzuge, ich tippe auf eins fünfundfünfzig, vielleicht eins sechzig, wenn man großzügig ist. Eine kleine Schönheit mit einer großen Persönlichkeit. Obwohl ein großer Teil dieser Persönlichkeit daraus zu bestehen scheint, meiner Wenigkeit die Hölle heißzumachen.

»Ich gehe mich anziehen. Aber wir müssen reden, also lauf nicht weg.«

»Ich kann dir beim Anziehen helfen«, biete ich unschuldig an.

»Igitt. Niemals.«

Ich verkneife mir ein Lachen. Diana und ich haben eine Art Hass-Liebe: Sie hasst mich, und ich liebe es, sie auf die Palme zu bringen.

Während sie davonstolziert, genieße ich es, wie das Handtuch an den Rückseiten ihrer straffen Oberschenkel hochrutscht. Ich könnte schwören, dass ich die untere Rundung ihrer Pobacken sehe. Ihre helle Haut hat eine tiefe Sommerbräune, was mir verrät, dass sie den Pool draußen zu schätzen weiß. Fuck, ich habe jetzt einen Pool. Dieses Apartment ist der Hammer.

Es ist mir total egal, dass meine Freunde und Teamkollegen mich ständig aufziehen, weil mein »reicher Daddy« mir eine Wohnung gekauft hat. Klar, meine Familie hat Geld, aber ich bin kein verwöhnter, privilegierter Vollidiot. Ich habe Dad nicht darum gebeten, mir eine Wohnung zu kaufen. Es ist ein Investment für ihn – sobald ich den Abschluss an der Briar University gemacht habe und nach Chicago ziehe, um dort in der NHL zu spielen, wird er es vermieten, wie er es auch mit den anderen Immobilien in Vermont und im Norden von Massachusetts macht.

Währenddessen genieße ich meinen Freiraum, nachdem ich drei Jahre lang mit Ryder und Beckett zusammengewohnt habe. Zwei Jahre davon haben wir am Eastwood, unserem ehemaligen College, verbracht. Nachdem die Männer-Hockeyteams des Eastwood und der Briar zusammengelegt wurden, sind wir nach Hastings gezogen, die kleine Stadt, die dem Campus der Uni am nächsten ist.

Diana kehrt in einer winzigen abgeschnittenen Shorts und einem lockeren T-Shirt zurück. Sie trägt keinen BH, und mein Blick fällt unfreiwillig auf die festen Spitzen ihrer Brustwarzen, die sich gegen den dünnen Stoff drücken.

»Hör auf, meine Brüste anzustarren.«

Ich streite es nicht ab, stattdessen wende ich achselzuckend den Blick ab und lasse eine Hand über den Loft-Bereich schweifen. »Abgesehen von der schrecklichen Einrichtung ist deine Wohnung echt nett. Sieht etwas größer aus als meine. Wie viel Miete zahlst du?«

»Ich wohne nicht zur Miete. Und ich werde dir nicht erzählen, wie hoch meine Hypothek ist. Sind wir nicht etwas zu neugierig?«

Meine Augenbrauen schießen in die Höhe. »Sie gehört dir? Das ist krass.«

Sie macht eine Pause, als würde sie nicht darauf eingehen wollen, und sagt dann: »Meine Tante hat sie mir vermacht. Sie hat nur ein Jahr hier gewohnt, bevor sie gestorben ist.«

Ich sehe mich um. Ich will ja nicht fragen, aber …

»Oh mein Gott, sie ist nicht hier gestorben. Sie hatte einen Herzinfarkt in ihrem Büro in Boston.«

»Verdammt. Das ist mies. Tut mir leid.«

»Na jedenfalls, lass uns das Ganze hinter uns bringen. Die Regeln.« Diana verschränkt die Arme. »Nur weil du jetzt in Meadow Hill wohnst, heißt das nicht, dass du hier überall Zutritt hast.«

»Ich glaube, es heißt aber genau das.« Höchst amüsiert spiegle ich ihre Haltung, indem ich ebenfalls die Arme verschränke. »Ich wohne hier.«

»Nein, du wohnst dort.« Sie zeigt auf die Wand hinter sich, hinter der sich mein Apartment befindet. »Du wohnst nicht hier.« Sie wedelt mit der Hand im Wohnzimmer herum. »Also biete nicht einfach an, Partys in meiner Wohnung zu schmeißen.«

»Ich habe es nicht angeboten. Ich habe einfach nur einen Vorschlag gemacht.«

Sie ignoriert mich. »Denn ich werde keine gemeinsamen Partys mit dir ausrichten. Das hier ist meine Zuflucht. Ich weiß nicht, was Gigi dir über mich erzählt hat –«

»Sie hat gesagt, du bist eine Nervensäge.«

Diana schnappt nach Luft. »Hat sie nicht.«

»Und dass du sehr pflegeintensiv bist.«

»Das hat sie auch nicht gesagt.«

»Doch, das hat sie tatsächlich gesagt.«

Sie kneift die Augen zusammen, und ich weiß genau, dass sie Gigi nach diesem Gespräch schreiben wird, um es sich bestätigen zu lassen. Die Ehefrau meines besten Freundes – mein Gott, das klingt immer noch seltsam – hat mich vor Diana gewarnt und mir geraten, ihre beste Freundin in Ruhe zu lassen, wenn ich nicht täglich eine Standpauke hören will. Allerdings ist das gegen meine Natur. Manche Leute schrecken vielleicht vor Konfrontation zurück. Manche können nicht schlafen, wenn sie glauben, jemand könnte sie nicht mögen – und ich weiß ganz genau, dass Diana mich nicht mag. Aber ich habe kein Problem mit Konfrontation, und aus irgendeinem Grund sorgt ihre Abneigung mir gegenüber nur noch mehr dafür, dass ich sie ärgern will. Da kommt der Vorschüler in mir durch. Alle Männer verfallen ab und zu zurück ins Kindergartenalter.

»Hörst du mir zu?«, grummelt sie.

Ich hebe den Kopf. Oh, sie schimpft noch immer. Bin total in meine Gedanken versunken. »Klar. Keine Partys in deinem Apartment.«

»Und keine Partys beim Pool.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Sprichst du jetzt für das ganze Gebäude?«

»Nein. Das Gebäude spricht für das Gebäude. Hast du dein Eigentümerhandbuch nicht gelesen?«

»Babe, ich bin gerade erst hier angekommen.«

»Nenn mich nicht Babe.«

»Ich bin nicht mal bis zu meiner Eingangstür gekommen, bevor du mich hier reingezogen hast.«

»Tja, also lies dein Handbuch. Wir nehmen das Ganze hier sehr ernst, okay? Der Verband trifft sich jeden zweiten Sonntagmorgen.«

»Ja, da mache ich nicht mit.«

»Das habe ich auch nicht erwartet. Und ehrlich gesagt will ich dich da auch nicht haben. Okay.« Sie klatscht in die Hände, als würde sie eins ihrer Cheerleader-Trainings leiten. Diana ist Captain des Teams an der Briar University. »Lass uns die Regeln zusammenfassen: nicht zu viele Partys. Wisch die Geräte im Fitnessbereich nach der Benutzung ab. Kein Sex im Pool.«

»Was ist mit Blowjobs im Pool?«

»Hör mal, es ist mir egal, wem du einen blasen willst, Lindley. Nur mach es nicht im Pool.«

Ich grinse sie an. »Damit meinte ich, dass ich einen bekomme.«

»Ach. Hast du das?« Diana lächelt süß. »Ich glaube, was du dir zuallererst merken solltest, ist, dass wir keine Freunde sind.«

»Aber Geliebte?« Ich zwinkere ihr zu.

»Wir sind weder Freunde noch Geliebte. Wir teilen uns eine Etage. Wir sind ruhige, respektvolle Bewohner des Red-Birch-Gebäudes in Meadow Hill. Wir gehen einander nicht auf die Nerven –«

»Also, du gehst mir gerade irgendwie auf die Nerven.«

»– wir machen keinen Ärger, und am liebsten sprechen wir auch nicht miteinander.«

»Gilt das hier nicht als sprechen?«

»Nein. Das hier ist das Gespräch, das dazu führt, dass wir in Zukunft keine Gespräche mehr führen werden. Also zusammenfassend: Wir sind keine Freunde. Also keine Albernheiten. Oh, und hör auf, meine Teamkolleginnen flachzulegen.«

Ah, darum geht es hier also. Sie ist immer noch stinkig, weil ich letztes Semester was mit einigen ihrer Cheerleaderinnen hatte. Anscheinend hat eine von ihnen – Audrey – sich Gefühle eingefangen und ist beim Training so unkonzentriert gewesen, dass sie von der Pyramide gefallen ist und sich den Knöchel verstaucht hat. Aber warum ist das meine Schuld? Wenn ich auf dem Eis bin, schiebe ich alles beiseite und konzentriere mich nur auf Hockey. Ich blende alles aus, um beim Sport zu brillieren. Wenn Audrey einen Typen nicht ausblenden kann, mit dem sie einmal geschlafen hat, dann scheint mir das ihr Problem zu sein.

»Okay«, sage ich ungeduldig. »Gibt es noch mehr Dixon-Regeln, oder darf ich jetzt gehen? Meine Möbel bauen sich nicht selbst zusammen.«

»Das war’s. Obwohl es eigentlich nur eine wichtige Dixon-Regel gibt: keine Shanes erlaubt.«

»Wo erlaubt?«

»Überall und nirgendwo. Aber vor allem in meiner Nähe.« Sie lächelt wieder, allerdings ohne jeglichen Humor. »Okay, wir sind hier fertig.« Sie zeigt auf die Tür. »Du kannst jetzt gehen.«

»So wird es also laufen, was?«

»Ja, ich habe dir doch gerade eben gesagt, dass es genau so laufen wird. Schöne Einweihungsfeier, Lindley.«

Brav verlasse ich ihr Apartment und gehe in meins, wo Will und Beckett bereits mit dem Zusammenbauen meiner neuen Couchgarnitur angefangen haben. Will schneidet das Plastik auf, in dem die großen Polster geliefert wurden, während Beckett auf dem Parkett hockt und herauszufinden versucht, wie man den Hauptteil mit der Chaise verbindet. Ich habe mich für Dunkelgrau entschieden, da es einfacher zu reinigen ist. Nicht dass ich dazu jemals die Gelegenheit bekommen werde – meine Mutter besteht darauf, alle zwei Wochen jemanden zum Putzen herzuschicken. Dasselbe hat sie auch beim Stadthaus gemacht, das ich mir mit den Jungs geteilt habe. Ihrer Meinung nach sind meine Fähigkeiten beim Putzen nur unterdurchschnittlich. Da muss ich allerdings widersprechen. Ich glaube, ich könnte zumindest den Durchschnitt erreichen. Auch im Putz-Game sollte man Ziele haben.

»Sorry Leute«, sage ich den Jungs. »Dixon musste mich ein bisschen zusammenstauchen. So zeigt sie mir ihre Liebe.«

Will schnaubt.

Beckett sieht mit einem Grinsen zu mir hoch. »Ja, nee, Kumpel. Das Mädel wirst du nicht mit deinen Grübchen für dich gewinnen.«

Da hat er vermutlich recht.

»Alter, sie kann dich echt nicht leiden«, fügt Will hinzu, um es unmissverständlich klarzumachen. »Ich habe letzte Woche mit ihr und Gigi abends zusammen gegessen, und als dein Name gefallen ist, hat Diana so mit den Augen gerollt, dass sie ihr fast aus dem Kopf gesprungen sind.«

»Oh, danke. Das zu hören gibt mir so ein gutes Gefühl.«

»Uh-huh, das verpasst deinem riesigen Ego bestimmt einen richtigen Dämpfer.«

Ich helfe Will mit den Polstern. Dann schieben wir die Couch zu dritt an eine andere Stelle, nachdem Beck beschlossen hat, dass sie nicht am Fenster stehen kann, weil es dort im Winter zu kalt wird. Wir positionieren sie so, dass sie auf die rote Backsteinwand ausgerichtet ist, die sich hinten im Wohnzimmer befindet. Ich trete einen Schritt zurück, um alles zu betrachten. Die Anordnung ist perfekt.

»Den Fernseher sollten wir da hinhängen«, sage ich und zeige auf die Backsteine. »Können wir da reinbohren?«

»Ja, sollte klappen«, antwortet Beckett und geht zur Wand, um sie genauer zu inspizieren. Er streicht sich ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht. »Larsen, hol mal die Bohrmaschine.«

»Sieh mal einer an«, spotte ich. »Mr Handwerker.«

Beckett zwinkert mir zu. »Überrascht es dich wirklich, dass ich talentierte Hände habe?«

Guter Punkt.

Nachdem wir mit der Couch und dem Fernseher fertig sind, geht es im Schlafzimmer mit dem Bett weiter. Es hat Queen-Size, obwohl hier vermutlich auch ein King-Size reingepasst hätte. Will packt die Schrauben aus, während Beckett und ich die verschiedenen Teile des dunklen Kirschholzes zurechtlegen. Beck redet die ganze Zeit über davon, was er alles vorhat, wenn er im Sommer zu Hause ist. Genau genommen ist sein Zuhause in Indianapolis, denn da ist seine Familie hingezogen, als er zehn war. Aber er wurde in Australien geboren und ist dort halb aufgewachsen. Am Sonntag fliegt er nach Sydney.

»Echt ätzend, dass keiner von euch mitkommt«, sagt er mürrisch. »Bei Ryder kann ich’s ja verstehen. Aber im Ernst? Ihr könnt beide nicht hier weg?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ja, sorry. Ich kann nicht einfach nach Australien abhauen. Der Sommer ist die einzige Zeit, in der ich mit meiner Familie abhängen kann.« Das ist die Wahrheit. Den Rest des Jahres liegt mein ganzer Fokus auf Hockey und – in geringerem Maße – auf der Uni, damit ich meine Noten halten kann, um weiterhin spielen zu dürfen.

Beckett nickt. »Kann ich verstehen. Familie ist wichtig.« Ich weiß, dass er seinen Eltern und seinen Cousins und Cousinen in Australien nahesteht. Er ist Einzelkind, also kommen sie Geschwistern für ihn am nächsten.

»Aber ich bin überrascht, dass du nicht mitgehst«, sage ich und sehe Will an.

Er zuckt die Achseln. »Ich arbeite diesen Sommer. Ich will nach dem Abschluss eine Rucksacktour durch Europa machen. Vielleicht sechs bis zwölf Monate dort verbringen.«

»Nice. Kling richtig cool.«

Beckett lacht leise. »Das sagt der Kerl, der nie im Leben einen Rucksack tragen würde.«

»Das stimmt nicht. Ich würde absolut einen Rucksack tragen.«

»Klar«, sagt Beck skeptisch.

»Sicher. Ich würde einen tragen, während wir einen coolen Teil der Stadt erkunden, und ihn dann abnehmen, wenn ich in mein Fünf-Sterne-Hotel zurückkehre.«

»Reicher Schnösel.«

Ich grinse. Aber mal im Ernst, ich habe kein Problem mit so etwas. Camping ist toll. Und eine Rucksacktour durch Europa klingt nach Spaß. Aber warum sparsam reisen, wenn man nicht muss?

»Du hast einen Gärtner-Job oder so, richtig?«, frage ich Will.

»Poolfirma.«

Mir fällt die Kinnlade herunter. »Du bist Poolboy?«

Während Will nickt, seufzt Beckett schwer.

Amüsiert sehe ich ihn an. »Hast du was hinzuzufügen?«

»Nur … Mach dir keine Hoffnungen. Du findest heraus, dass dein Kumpel ein Poolboy ist, und erschaffst schon Geschichten in deinem Kopf, und dann puff – lässt er deine Blase zerplatzen, und deine Träume fliegen davon wie Federn im Wind.«

»Das waren eine Menge Metaphern, nur um zu sagen, dass ich keine Kundinnen ficke.« Augenrollend wiederholt Will den Punkt in meine Richtung. »Ich ficke keine Kundinnen.«

»Aber warum nicht?« Ich stelle mir vernachlässigte MILFs in winzigen Bikinis vor, die Will Gläser mit Limonade bringen, und dann: Oops, mein Bikini-Oberteil ist runtergefallen. Lust zu vögeln?

»Erstens – weil ich gefeuert werden würde«, sagt er trocken.

»Verstehe ich. Aber was ist das Leben schon wert, ohne das Risiko, gefeuert zu werden?«

»Sagt der reiche Schnösel.«

»Ist dein Dad nicht Kongressabgeordneter? Ich glaube, du bist reicher als ich und daher auch der Letzte, der den ganzen Sommer als Poolboy arbeiten muss.«

»Nee. Ich will niemals von meinem Dad abhängig sein. Da verdiene ich lieber mein eigenes Geld.«

Ich schätze, das ist bewundernswert. Und trotzdem werde ich mich nicht darüber beschweren, dass meine Eltern mir noch alles finanzieren. Ich bin einundzwanzig Jahre alt und wunderbar arbeitslos. Es ist der Sommer vor dem letzten Uni-Jahr, und ich werde jede Sekunde davon genießen. Mein Plan ist es, den Fokus schon vor der Hockeysaison auf Kraft- und Konditionsaufbau zu legen. Das heißt, jeden Tag ins Fitnessstudio gehen und Schwimmen in mein Kardiotraining integrieren. Außerdem bin ich einem Golfclub in der Gegend beigetreten, also werde ich auch ein paarmal die Woche dort sein.

Lasst Shanes Sommer beginnen.

Nachdem wir mit dem Zusammenbauen des Bettes und dem Aufräumen fertig sind, fragen die Jungs, ob ich in der Stadt etwas mit ihnen zu Abend essen will, aber ich lehne ab. Ich will noch ein wenig auspacken und alles ordnen.

Für ihre Arbeit heute Nachmittag entlohne ich die beiden mit Bier und einer Party am Samstagabend, woran mich Beckett erinnert, während ich sie nach draußen begleite.

»Vergiss meine Abschiedsparty nicht«, sagt er.

»Ja, klar, die Abschiedsparty, die du dir selbst schmeißt.«

»Na und?«

»Das ist idiotisch. Aber ich freue mich darauf, den Pool einzuweihen, und ein Mein-dämlicher-Kumpel-fährt-in-den-Urlaub-Treffen ist wohl ein guter Grund dafür.«

Er lacht leise. »Was hat deine neue Nachbarin zu der Party gesagt?«

»Dixon? Ach, die freut sich riesig. Kann’s gar nicht erwarten.«

»Sei vorsichtig«, warnt Will mich. »Diana kann fies sein. Und wenn’s sein muss, greift sie zu schmutzigen Tricks.«

»Soll mich das jetzt abschrecken?«, frage ich grinsend. »Je schmutziger, desto besser.«

Nachdem meine Freunde weg sind, trotte ich zur Kücheninsel, um die ganzen Unterlagen durchzusehen, die meine Mom dort hingelegt hat. Meine Eltern waren gestern hier, um vor meinem Einzug schon mal einiges vorzubereiten. Das heißt, meine Mom hat den Kühlschrank gefüllt und dafür gesorgt, dass alle wichtigen Dokumente auf einem Platz liegen, während Dad die Rechnung mit seinem Bauleiter beglichen hat.

Ich setze mich auf einen hohen schwarzen Lederhocker und sehe seufzend den großen Stapel an Papieren durch. Die Informationen darin sind genauso öde, wie ich es erwartet habe.

Ich blättere alles durch, bis ich auf etwas Interessantes stoße. Es ist eine illustrierte Karte des Meadow-Hill-Geländes, und ich stütze mich auf meine Unterarme, um sie genauer anzusehen. Warum wurden alle Gebäude nach Bäumen benannt? Meins heißt Red Birch. Nebenan ist das Silver Pine. Dann White Ash, Weeping Willow, Sugar Maple. Das Hauptgebäude heißt Sycamore, dort sind unsere Postkästen. Außerdem sitzt dort rund um die Uhr ein Wachmann. Das ist gut.

Ich lege die Karte beiseite und versuche, mich auf die nächste Seite zu konzentrieren, aber es klingt ziemlich öde. Wie Diana schon gesagt hat, trifft sich der Eigentümerverband alle zwei Wochen, und ich bin herzlich dazu eingeladen. Aber zweimal im Monat? Welcher Eigentümerverband muss sich denn so oft treffen? Und am Sonntag? Also ich werde ganz bestimmt nicht zu so einem steifen Verbandstreffen gehen, wo Fußballmütter und ihre sexuell ausgehungerten Ehemänner sich über Poolregeln streiten und darüber, wann man den Rasenmäher benutzen darf. So banal werde ich niemals sein.

Die Lärmbeschränkungen ergeben null Sinn. Dort steht: unter der Woche kein Lärm nach einundzwanzig Uhr, außer freitags, da gilt es ab dreiundzwanzig Uhr. An Wochenenden muss es ab Mitternacht ruhig sein, außer an Sonntagen, an denen man nur bis zehn laut sein darf. Also heißt das praktisch, dass weder Freitag noch Sonntag zum Wochenende zählen, und der einzige Abend, an dem man Spaß haben darf, ist Samstag. Na gut.

Nach etwa der Hälfte des Stapels gebe ich auf. Den Rest lese ich später. Mein Gehirn ist für so viel Langeweile nicht ausgelegt.

Stattdessen gehe ich in mein neues Schlafzimmer. Ich habe mein altes Zimmer sehr zweckmäßig zusammengepackt. Zum Entsetzen meiner Mutter habe ich die meisten Klamotten und Bettbezüge einfach in Müllsäcke gepackt. Nicht schön, aber effektiv. Ich wühle im Sack mit den Bettbezügen herum und ziehe ein frisches Laken und Kissenbezüge heraus. Ein anderer Sack liefert mir eine Bettdecke und einen Bezug. Nachdem ich das Bett gemacht habe, setze ich mich auf das Fußende, fische mein Handy aus meiner Tasche und rufe meine Mom an.

»Hallo!«, antwortet sie fröhlich. »Bist du fertig mit allem?«

»Yep, die Jungs sind gerade weg. Couch, Fernseher und Bett sind aufgebaut.«

»Gut. Was ist mit der Wohnung allgemein? Gefällt sie dir? Gefallen dir die Farben, die wir für die Küche gewählt haben? Und der Fliesenspiegel? Ich fand weiße Fliesen geschmackvoller.«

»Sieht alles toll aus«, versichere ich ihr. »Ganz ehrlich. Danke noch mal für alles. Besser hätte ich es selbst nicht einrichten können.«

Mom hat buchstäblich alles ausgesucht: Wandfarbe, Gemälde, den ganzen Kleinkram, an den ich nicht mal gedacht hätte, wie Abtropfgestell und Kleiderbügel.

»Natürlich«, sagt sie. »Alles für mein Kind. Hast du – Maryanne! Nein! Gib mir das Backpulver!« Ihre Stimme klingt gedämpft, während sie mit meiner kleinen Schwester schimpft. Dann ist sie zurück, und ich kann sie wieder deutlich hören. »Sorry. Deine Schwester treibt mich in den Wahnsinn. Sie versucht, eine modifizierte Flaschenrakete zu bauen.«

»Entschuldige, was?«

»Im Camp letzte Woche haben sie gelernt, wie man kleine Flaschenraketen macht, und Maryanne hat einen Weg gefunden, wie man sie modifizieren kann, damit sie noch mehr Kraft haben.« Mom flucht leise vor sich hin. »Das haben wir jetzt davon, dass wir sie ins Space Camp geschickt haben.«

»Ich dachte, sie wollte ins Geologiecamp.«

»Nein, das ist erst im August.«

Nur meine kleine Schwester würde nicht eins, sondern gleich zwei Wissenschaftscamps in einem Sommer besuchen. Zum Glück ist sie trotzdem kein Nerd, denn sie ist wirklich die coolste Zehnjährige, der ich je begegnet bin. Maryanne ist der Wahnsinn. Genau wie meine Eltern. Wir standen uns schon immer sehr nahe.

»Wie dem auch sei, was wollte ich dich noch fragen?«, denkt sie laut. »Ach ja, die drei anderen Wohnungen im Red Birch. Was ist mit deinen Nachbarn? Hast du sie schon kennengelernt?«

»Nur eine. Sie war splitterfasernackt vor ihrer Wohnung, als wir hier angekommen sind.«

»Was? Das ist doch ein Scherz?« Mom keucht.

»Nein. Sie wollte eine Katze einfangen und ihr Handtuch ist runtergefallen. Bester Unfall, den ich je erlebt habe.«

»Nicht so unanständig, Shane.«

Ich lache vor mich hin. »Sorry. Jedenfalls musst du dir keine Sorgen machen. Sie hasst mich abgrundtief, also ist alles gut.«

»Was? Das ist gar nicht gut. Warum mag sie dich nicht?«

»Ach, wir kennen uns von der Uni – sie ist die Freundin eines Freundes. Ist schon okay. Ich sehe sie nicht als richtige Nachbarin. Die anderen sind ganz sicher großartig und überhaupt nicht anstößig.«

Wir quatschen noch eine Weile, und ich kündige einen kurzen Besuch in Vermont fürs Ende der Woche an. Nachdem ich aufgelegt habe, überlege ich, wer diese Woche noch in der Stadt sein könnte. Ob irgendwelche alten Highschool-Freunde im Sommer zu Besuch sind und …

Machen wir das jetzt ernsthaft?, spottet eine Stimme in meinem Kopf. Wir belügen uns selbst?

Oh fuck. Na gut. Ich frage mich, ob Lynsey da sein wird. Und ich weiß, dass ich mich das nicht fragen sollte. Es sollte mir egal sein. Denn wir haben uns vor etwas über einem Jahr getrennt, und das ist verdammt noch mal zu lange her, um noch über jemanden nachzudenken.

Glücklicherweise vibriert mein Handy, bevor ich mich darin hineinsteigern kann, wie armselig ich bin, weil ich immer noch an meiner Ex hänge.

CRYSTAL:

Na, schon alles eingeräumt?

Als die Jungs und ich uns vorhin auf dem Weg hierher Kaffee im Starbucks geholt haben, sind wir Crystal über den Weg gelaufen. Sie ist süß. Dunkles, glänzendes Haar. Tolles Lächeln. Noch tollerer Vorbau. Wir haben in der Schlange Nummern ausgetauscht, was Beckett und Will sehr amüsant fanden.

Da ich sofort auf andere Gedanken kommen muss, verschwende ich keine Zeit mit aufwendigen Formulierungen, um Crystal zu antworten. Das Letzte, was ich heute Abend tun will, ist, obsessiv an meine Ex zu denken. Ich bin besser als das.

ICH:

Lust, heute Abend abzuhängen?

CRYSTAL:

Ja, klar. Hab morgen kein Cheerleading.

Ich sollte wohl noch erwähnen, dass Crystal Cheerleaderin am Briar ist. Yep. Noch eine Kollegin von Diana.

Sieh mal einer an, ich breche alle Dixon-Regeln.

ICH:

Ich schick dir die Adresse.

3

DIANA

Wer hat dir das Leben beigebracht?

»Oh mein Gott, ich mach mir gleich in die Hosen. Zur Seite! Zur Seite, Diana! Geh mir aus dem Weg!«

Gigi Graham platzt durch meine Tür und schubst mich förmlich in den Garderobenschrank. Wir wollen heute Abend essen gehen, doch anstatt in der Einfahrt beim Sycamore-Gebäude auf mich zu warten, wie es abgesprochen war, hat sie ihren Ersatzschlüssel benutzt, um in die Lobby zu gelangen, und ist in Pinkel-Panik vor meiner Tür aufgetaucht.

Ihre Sandalen klatschen über das Parkett, als sie zum Badezimmer rennt. Sie hat es zu eilig, um die Tür zu schließen, also höre ich Sekunden später, wie der Strahl aufs Porzellan trifft.

»Wo sind deine Manieren geblieben?«, rufe ich.

»Die haben mich nach dem dritten Iced Coffee verlassen. Ich habe den Fehler begangen, noch einen zu trinken, bevor ich Boston verlassen habe, um dich abzuholen.«

»Iced Coffee, was? Bist du sicher, dass du nicht … du weißt schon …«

»Was?«

»Schwanger bist, Gigi.«

Ein lautes ersticktes Geräusch ertönt. »Was? Gott, nein! Nur weil ich geheiratet habe, heißt das nicht, dass ich bereit für ein Kind bin. Glaub mir, wenn ich schwanger wäre, wärst du die Erste, die ich anrufen würde. Denn ich würde verdammt noch mal ausflippen.«

Die Toilettenspülung geht. Ich höre, wie sie sich die Hände wäscht, bevor sie sichtlich entspannter in die Küche kommt.

Ihr Blick wandert zu meinem Kaffeetisch und bleibt dort hängen. »Hast du dir eine Katze angeschafft?«

Bei all dem Chaos um Shanes Einzug habe ich Lucy ganz vergessen. Sie kauert unter dem Tisch, wo ihr Schwanz unruhig herumwedelt. Ich habe Priya geschrieben, dass ich sie nach unten bringe, wenn ich zum Abendessen ausgehe.

Als Lucy bemerkt, dass ich sie ansehe, miaut sie jämmerlich.

»Ach, du bist sauer auf mich? Wirklich? Mein Fuckboy-Nachbar erwischt mich nackt im Flur, weil du mich getackelt hast, und jetzt bin ich die Böse?« Ich wende mich zu Gigi um. »Sie gehört meiner Nachbarin, und sie ist ein Dämon. Wir müssen sie auf dem Weg nach draußen unten abliefern.«

»Warte, hast du gerade von Shane geredet?« Gigi bricht in schallendes Lachen aus. »Shane hat dich nackt gesehen?«

»Ich bin gefallen, weil Lucy mir entwischt ist, und habe dabei mein Handtuch verloren, gerade als Shane die Treppe hochgekommen ist.« Ich stöhne. »Ich hasse es, wenn Lindley die Oberhand hat. Und dass er mich nackt gesehen hat, liefert ihm definitiv Oberhand-Munition.« Genervt blicke ich gen Himmel. »Warum ist mein Leben nur so?«

»Warum sprichst du mit der Decke?«

»Ich spreche nicht mit der Decke, sondern mit dem Universum.«

»Warum ist das Universum da oben? Es ist doch überall um uns herum.«

»Gut, dann rede ich eben mit den Göttern. Mit allen fünfzig.«

»Du bist so verdammt seltsam.« Sie tritt vom Tresen weg. »Okay, sollen wir dann los?«

Das Klacken ihrer Sandalen auf den Küchenfliesen ist für meine Ohren kaum lauter als das Fallen eines Stifts, aber für meinen Nachbarn Niall könnten unsere Schritte genauso gut eine Lawine aus Töpfen und Pfannen sein, die von der Decke auf den Boden scheppern.

»Ruhe!«, höre ich seine gedämpfte Stimme von unten.

»Ich wiederhole: Warum ist mein Leben nur so?« Ich trete einmal kräftig auf den Boden. »Wenn du unsere normale Gangart schon nicht magst, Niall«, schreie ich, »dann wird dir das Tanzen morgen Abend ganz und gar nicht gefallen!«

»Also kommt Kenji vorbei?«, fragt Gigi amüsiert.

»Yep.«

Kenji ist ein Freund aus der Schule und – noch viel wichtiger – mein Tanzpartner. Wir sind im dritten Jahr unserer Karriere als aufstrebende Turniertanzmeister, und dieses Jahr treten wir nicht bei irgendeinem Wettbewerb an. Oh nein, es ist nur das größte Tanzevent des Landes, das jährlich in Boston stattfindet.

Genau, Leute. Ich rede hier von den National Upper Amateur Ballroom Championships.

Früher hieß es NABC, ohne das U, aber zu viele Anfänger haben es als spaßiges Event genutzt. Gott bewahre! Daher sind wir jetzt BESSERE Amateure, vielen Dank auch. Das heißt: Joe und Sally von der Straße können nicht einfach mit einem Scheck herumwedeln, um sich den Eintritt zu erkaufen. Die Turniertanzwächter verstehen keinen Spaß. Tatsächlich muss man sogar eine Vorrunde bestehen, um sich für die NUABC zu qualifizieren. Alle potenziellen Teilnehmer müssen ein zweiminütiges Video einreichen, in dem sie eine Routine aus der Liste der zugelassenen Tänze vorführen. Ein Ausschuss aus drei Juroren sieht sich jede Aufnahme an und entscheidet, wer antreten darf.

Also trainiere ich für etwas, von dem ich nicht einmal weiß, ob ich überhaupt werde antreten dürfen. Letztes Jahr haben Kenji und ich uns allerdings qualifiziert, daher habe ich große Hoffnung, dass wir es wieder schaffen.

»Du hast immer so viel um die Ohren«, staunt Gigi. »Cheerleading, das Tanzen …«

»Das sind zwei Dinge.«

»Gut, aber du wirfst dich immer Hals über Kopf in diese Nebenbeschäftigungen. Dein Trainingsplan fürs Cheerleading ist so schon hektisch genug, und dann fängst du zusätzlich noch mit dem Turniertanzen an und schaffst es sogar, dem genauso viel Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn ich neben Hockey noch etwas anderes hätte, für das ich mich genauso anstrengen müsste, wäre ich ein Zombie.« Sie schüttelt den Kopf, als ihr noch etwas einfällt. »Und du hast zwei Jobs! Was zur Hölle. Bist du ein Übermensch?«

Ich zucke mit den Schultern. »Das Leben ist zu kurz, um nicht alles zu machen, was ich machen will.«

»Das Leben ist außerdem anstrengend.« Sie schnaubt. »Für alle außer dich anscheinend.«

Ich besitze tatsächlich einen unheimlich hohen Energielevel, das muss ich zugeben.

Ich greife mir meine Handtasche vom karierten Polstersessel neben der Couch, werfe mir den Riemen über die Schulter und knie mich vor den Kaffeetisch. »Los, komm, Dämon. Zeit, nach Hause zu gehen.«

Lucy versucht zurückzuweichen, doch ich schnappe sie mir unter ihrem wimmernden Protest.

»Nein«, befehle ich. »Ich habe genug von deinem Benehmen.«

Irgendwie schaffe ich es, den kleinen Tiger festzuhalten, während ich abschließe, und dann gehen Gigi und ich die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Lucy jammert genervt, als ich sie einer sehr erleichterten Priya überreiche.

»Danke fürs Aufpassen«, sagt Priya, und in ihren dunklen Augen glänzt Dankbarkeit. »Ich wäre vorhin schon hochgekommen, um sie abzuholen, aber ich konnte meinen Kunden nicht alleine in meinem Apartment lassen.«

»Kein Problem. Obwohl Niall sicher nicht so erfreut war, wie ihr Miauen von den Wänden widergehallt ist, während sie durch den Flur gestreift ist.«

Der Mann mit dem feinsten Hörsinn der Welt bestätigt es. »Es war unerträglich!«, dringt seine gedämpfte Beschwerde durch die Tür von 1B.

»Ach, stell dich nicht so an, Niall!«, ruft Priya zurück.

Meine beste Freundin schüttelt nur den Kopf, während wir die winzige Lobby verlassen und auf den breiten Pfad vor dem Red Birch treten.

»Was denn?«, frage ich.

»Weißt du, vielleicht hat deine Mom recht, was diese Wohnung angeht. Du kannst nicht mal deine eigene Küche betreten, ohne angeschrien zu werden. Das ist lächerlich.«

Nachdem Tante Jennifers Angelegenheiten geregelt waren, wollte meine Mutter, dass ich die Wohnung verkaufe, wie es mein Bruder mit dem Apartment in Boston getan hat. Aber Thomas und ich sind sehr unterschiedlich. Auch wenn die meisten Leute, die mir begegnen, mich wahrscheinlich anders einschätzen, bin ich eher eine Stubenhockerin. Klar, ich gehe gerne aus, aber ich bin vollkommen damit zufrieden und bevorzuge es sogar meistens, einfach zu Hause zu bleiben.

Thomas hingegen ist immer unterwegs. Sein Traum ist es, nach dem Studium für eine internationale Organisation wie Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten. Er hat diesen Frühling die Highschool abgeschlossen und macht jetzt ein Gap Year, um die Welt zu erkunden und bei verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen auszuhelfen. Das Geld vom Verkauf des Apartments wird nicht nur seine Reisen abdecken, sondern finanziert ihm auch das College und die medizinische Hochschule.

Da ich ein Vollstipendium für die Briar habe, muss ich keine Unigebühren zahlen, und ich habe kein Interesse daran, die Welt zu erkunden. Also brauche ich kein Geld. Außer vielleicht für einen richtigen Handwerker. Doch das würde ich meiner Mom niemals sagen. Ich will ihr nicht die Genugtuung geben, zuzugeben, dass meine häusliche Situation möglicherweise nicht perfekt ist.

Sie hatte schon immer eher niedrige Erwartungen an mich. Ich bin es gewohnt. Es nervt mich, sicher, aber ich kann nichts dagegen tun, wie sie mich sieht. Und ganz ehrlich, ich hege meiner Mom gegenüber keinen Groll. Wir stehen uns nur nicht nahe. Nachdem meine Eltern sich haben scheiden lassen, als ich zwölf war, habe ich beschlossen, bei meinem Vater zu leben, da er weniger straff organisiert ist. Mom hatte eine ganze Liste an Regeln, an die ich mich halten musste. Von ihr getrennt zu leben, hat unwiderruflich eine Mauer zwischen uns entstehen lassen. Eine Distanz, die wir nicht überbrücken können.

Es hilft auch nicht gerade, dass sie mich für eine Idiotin hält. Im Ernst. In den Augen meiner Mutter sind alle Menschen mit einem IQ unter einhundertfünfzig unter ihrer Würde.

Gigi und ich gehen in einen Burgerladen in Hastings, wo wir über unsere Pläne für den Sommer reden, während wir auf das Essen warten.

»Und du schaffst es wirklich nicht, mit zum Tahoe zu kommen?« Sie kann ihre Enttäuschung nicht verbergen.

Gigis Familie verbringt jeden Sommer am Lake Tahoe, dieses Jahr bleiben sie allerdings nur zwei Wochen dort, da Gigi am Ende des Monats heiratet. Erscheint mir unnötig, da sie und Ryder schon im April miteinander durchgebrannt sind. Aber ihre Eltern – also eigentlich ihr Dad – haben ihr ein schlechtes Gewissen eingeredet, sodass sie noch eine richtige Hochzeitsfeier veranstaltet.

»Ich kann wirklich nicht«, sage ich reumütig. »Ich muss arbeiten.«

Es ist fast unmöglich, einen Job in Hastings zu bekommen, vor allem während der Unizeit. Wenn man einen richtigen Arbeitsplatz haben will, muss man für gewöhnlich nach Boston fahren, was noch länger dauert, wenn man wie ich kein Auto hat. Als ich diesen Job als Kellnerin im Diner in der Stadt ergattert habe, habe ich nicht zweimal darüber nachgedacht. Es ist ein notwendiges Opfer: Ich arbeite im Sommer beim Della’s, dafür habe ich auch im Herbst einen Job. Außerdem bin ich im Juli und August Coach in einem Cheerleading-Camp für Jugendliche, also hätte ich es so oder so nicht geschafft, einen Trip zum Tahoe zu machen.

»Aber an ein paar Wochenenden habe ich frei und auch an vielen Abenden unter der Woche«, sage ich. »Also kann ich dich definitiv in Boston besuchen oder mit den Hochzeitsvorbereitungen helfen. Zur Kleideranprobe mitkommen und so.«

»Ach, keine Sorge. Meine Tante Summer kümmert sich um alles.« Sie seufzt. »Du kannst mit mindestens zwei Mails am Tag rechnen.«

Sie hat ja keine Ahnung, dass es bereits begonnen hat. Ich plane einen Junggesellinnenabschied mit der anderen Trauzeugin, Mya, Gigis ehemaliger Mitbewohnerin. Und Tante Summer belästigt uns bereits. Sie besteht darauf, in all unsere Pläne miteinbezogen zu werden, obwohl sie nicht mal zur Hochzeitsgesellschaft gehört. Die Frau ist ein Chaos-Tornado in Designerklamotten.

»Ich kann nicht glauben, dass ich keine Begleitung für deine Hochzeit haben werde«, fällt mir ein.

»Du könntest mit Shane gehen.«

Ich lache so laut, dass das Pärchen nebenan zu uns herüberschaut.

»Verstanden. Kein Shane.« Jetzt wirkt sie verlegen. »Ich würde ja vorschlagen, dass du Percy fragst, da ihr ja schließlich Freunde bleiben wollt. Aber ganz ehrlich, mir wäre es lieber, wenn er nicht kommt. Mir wäre es auch lieber, wenn du die Idee mit dem Freundebleiben sein lässt.«

»Keine Sorge. Ich wollte nur nett sein, als ich das gesagt habe.« Ich zögere. »Und jetzt bereue ich es. Er hat mich vorhin gefragt, ob wir abhängen wollen.«

»Ich hoffe, du hast Nein gesagt.«

»Ich habe nicht geantwortet.«

»Gut. Lass es.«

Ich lächele. »Du kannst ihn wirklich nicht leiden, was?«

»Nein. Er war irgendwie ein Arsch«, gesteht sie, und das nicht zum ersten Mal.

Während meiner sechsmonatigen Beziehung mit Percy haben wir wieder und wieder über Gigis Meinung zu meinem Ex-Freund geredet. Ihr größtes Problem war unser Altersunterschied. Wobei das für mich ehrlich gesagt den Reiz ausgemacht hat und ein großer Faktor war, warum ich es überhaupt so lange mit ihm ausgehalten habe, obwohl ich schon nach wenigen Monaten gewusst habe, dass wir nicht zusammenpassen.

Percy ist sechsundzwanzig, und auch wenn fünf Jahre im Großen und Ganzen nicht sehr viel sind, macht es in den Zwanzigern schon einen Unterschied. So viele Typen wirken mit zwanzig oder einundzwanzig noch wie kleine Jungs im Vergleich zu Männern mit fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig.

Percys Reife hat mich angezogen. Ich kann nicht abstreiten, dass es aufregend war, mit einem älteren Mann zusammen zu sein. Er war selbstsicher und geerdet, was seine Meinung und seine Ziele anging. Er war süß und aufmerksam. Er hat mich wie eine wertvolle Partnerin behandelt und nicht wie eine bessere Sexpuppe, wie viele andere Typen, denen ich unglücklicherweise begegnet bin. Er war ein richtiger Gentleman.

Für eine Zeit lang.

Als ich ihn besser kennengelernt habe, wurde mir klar, dass er nicht selbstsicher, sondern dünnhäutig ist. Er hat eine starke Meinung, ja, aber auf eine herablassende Art. Und der süße, aufmerksame Mann hatte die Angewohnheit, zu schmollen, wenn etwas nicht nach seiner Nase ging.

»Er war so besitzergreifend, als wir das eine Mal alle zusammen ausgegangen sind«, erinnert mich Gigi jetzt. Sie verzieht das Gesicht. »Oh, und er hat dir beim Sex gesagt, dass er dich liebt. Das ist so seltsam.«

Da kann ich nicht widersprechen. Percy konnte … intensiv sein, wenn es um das Teilen seiner Gefühle ging. Das erste Mal ließ er das L-Wort fallen, als er gerade dabei war zu kommen. Ich habe es nicht erwidert, und an dem unzufriedenen Aufblitzen in seinen Augen habe ich sofort erkannt, dass ihm das nicht gefallen hat. Ich habe ihm scherzhaft erklärt, dass Liebesbekundungen beim Sex wegen der ganzen Endorphine nicht ernst genommen werden können. Also hat er mich ein paar Wochen später zum Essen ausgeführt, und beim Dessert, das wir auf sein Bestehen hin mit nur einer Gabel aßen, hat er es dann noch einmal richtig gesagt.

Und wieder habe ich es nicht erwidert.

Ich brauche da etwas länger. Ich habe bisher nur einem meiner Freunde gesagt, dass ich ihn liebe, und das erst, nachdem wir sechs Monate zusammen waren. Aber als Percy und ich die sechs Monate geknackt hatten und ich immer noch nicht mehr als »Ich mag ihn wohl« gefühlt habe, war das ein sicheres Zeichen, dass wir nicht zusammenpassen.

Das, und er hat ein Glas an die Wand geworfen.

Yep.

Davon habe ich Gigi nie erzählt, da ich ihr nicht noch mehr Gründe geben wollte, meinen Freund nicht zu mögen. Nach einem Streit am Telefon mit seinem älteren Bruder hat Percy ein volles Weinglas an seine Wohnzimmerwand geworfen, während ich in fassungslosem Schweigen auf der Couch saß und dabei zusah, wie die Glassplitter explodierten und die blutroten Tropfen den Teppich durchtränkten.

Ich will nicht lügen – das hat mich extrem abgetörnt. Schon klar, manche Leute brauchen ein Ventil für ihre Wut. Ich habe von diesen »Wuträumen« gehört, wo Menschen Geld bezahlen, um alte Fernseher und Vasen mit Baseballschlägern zu zerdeppern. Aber obwohl ich selbst aufbrausend bin, habe ich noch nie etwas aus Wut zerschlagen. Mitzubekommen, wie Percy die Beherrschung verlor, weil sein Bruder nicht zu Thanksgiving erscheinen wollte, hat bei mir einen schweren Fall von Bäh ausgelöst. Drei Tage später habe ich dann Schluss gemacht.

Seine Ohren müssen brennen, denn genau in diesem Moment schreibt er mir noch mal. Oh-oh, schon zwei Nachrichten.

Ich weiß, dass ich antworten sollte, aber ich weiß nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Immer wenn ich ihm entgegenkomme, versucht er, mich zurückzugewinnen.

»Mann, er will heute Abend wirklich vorbeikommen«, sage ich mit einem Blick auf mein Handy.

»Er kann sich verpissen.«

Grinsend nehme ich den letzten Bissen von meinem Burger. Nach dem Abendessen machen wir einen langen Spaziergang über die Main Street, gehen in ein paar Läden, um durch handgefertigten Kleinkram und einzigartige Klamotten zu stöbern, und dann fährt Gigi mich nach Hause. Sie muss heute Abend noch zurück nach Boston, da sie bei ihren Eltern wohnt, bis sie und Ryder im September zusammenziehen.

»Ich wünschte, du würdest diesen Sommer im Wohnheim wohnen, dann müsstest du nicht über eine Stunde fahren, um mit mir abzuhängen.« Ich schmolle.

»Ganz ehrlich, ich werde die nächsten Monate eh kaum hier sein. Ich muss die Hochzeit planen. Dann geht’s nächste Woche nach Arizona, weshalb Ryder total gestresst ist. Dann kommt Tahoe mit der Familie, Italien mit dem Ehemann und dann schon die Hochzeit selbst.«

Ich pfeife. »Meine Güte. Weltenbummler-Alarm. Und hör auf, alles rückwärts zu machen, ja? Erst brennst du durch, dann kommen die Flitterwochen und dann erst die Hochzeit? Wer hat dir das Leben beigebracht?«

Sie schnaubt.

Die Reise nach Arizona spreche ich nicht an, da es ein unangenehmes Thema ist. Dort findet die Bewährungsanhörung von Ryders Vater statt. Es ist wirklich tragisch. Er hat Ryders Mom getötet, als Ryder noch klein war. Für ein Geständnis wurde ihm Strafminderung in Aussicht gestellt, weshalb er nun vielleicht nach nur fünfzehn Jahren Bewährung bekommt. Die Staatsanwaltschaft glaubt zwar nicht, dass er wirklich rauskommt, dennoch ist es für Gigis Ehemann eine belastende Situation.

Vor dem riesigen Schild mit der Aufschrift MEADOW HILL wird sie langsamer und fährt auf die runde Einfahrt vor dem Sycamore-Gebäude.

Gigi stellt den Wagen auf Parken. »Wir sehen uns am Wochenende?« Da sind wir wieder zum Abendessen verabredet.

»Auf jeden Fall. Und falls du dich schon vorher von deiner Familie lösen kannst, sag Bescheid. Komm zum Schwimmen vorbei. Vielleicht musst du Kenji und mir beim Tanzen zusehen, aber wir üben nur ungefähr eine Stunde.«

»Ich melde mich. Hab dich lieb.«

»Hab dich auch lieb.«

Ich umarme sie von der Seite und schlüpfe aus dem SUV, bevor ich mir meine Handtasche überhänge. Gerade als Gigi weg ist, fährt ein anderer Wagen auf die Einfahrt. Ich bin von Natur aus wissbegierig – na gut, neugierig –, werfe einen Blick aufs Auto und sehe, wie jemand hinten aussteigt, die ich kenne.

Ich kneife die Augen zusammen. Es ist Crystal Haller, eine meiner Cheerleader-Kolleginnen.

Ach komm.

Dieses verdammte Arschloch. Warum!?! Wir haben doch gerade erst darüber gesprochen.

»Diana. Hey.« Crystal kommt mit einem peinlich berührten Lächeln auf mich zu.

Wir kennen uns nicht gut. Als Captain des Teams bin ich bemüht, mich mit allen Mitgliedern gutzustellen, aber man kann nicht von mir erwarten, dass ich die beste Freundin von Dutzenden Leuten mit unterschiedlichen Persönlichkeiten bin. Zwischen Crystal und mir hat es einfach nie Klick gemacht. Sie ist ein wenig versnobt, um ehrlich zu sein. Wir sind diesen Sommer beide Coaches im Cheerleading-Camp, und seitdem das Camp gestartet ist, hat sie schon mehrfach erwähnt, dass sie das Geld nicht wirklich braucht, es aber nett ist, etwas »Kleingeld« zu haben.

Für mich ist das kein »Kleingeld«. Es finanziert mir meine Hypothek.

Wir gehen auf den Haupteingang des Sycamore zu und bleiben davor stehen. »Ich habe ganz vergessen, dass du hier wohnst«, sagt Crystal. »Ich besuche –«

»Ja, ich weiß schon. Lindley.«

Das überrascht sie. »Woher weißt du das?«

»Er ist mein neuer Nachbar. Und ich habe angenommen, dass es nicht lange dauert, bis die Mädels Schlange stehen.«

Damit ernte ich ein Stirnrunzeln.

»Sorry«, sage ich. »Das habe ich nicht so gemeint.« Ich halte inne. »Eigentlich … schon. Du weißt, dass er ein Player ist, oder?«

Sie verdreht die Augen. »Ja, Di. Mir ist absolut bewusst, dass er ein Player ist.«

Als ich den Spitznamen höre, entspanne ich mich. Das heißt, sie kann nicht allzu sauer sein wegen der Bemerkung mit der Schlange.

»Okay, gut. Nun, du weißt schon, erwarte nicht zu viel. Audrey hat sich wegen dem Typen den Knöchel verstaucht.«

»Das ist unfair. Er hat ihr nicht den Knöchel verstaucht.«

»Nein«, gebe ich widerwillig zu, »nicht persönlich. Aber wegen ihrer Wird-er-oder-wird-er-nicht-Obsession war sie total unkonzentriert. Spoileralarm: Er hat nicht angerufen.« Ich schürze die Lippen. »Okay, er hat angerufen. Aber nur um ihr zu sagen, dass er nicht mehr anrufen wird.« Ich bedenke Crystal mit einem strengen Blick. »Er ist ein sehr gefährlicher Mann.«

»Ist schon gut«, antwortet sie sichtlich amüsiert. »Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Ich bin ein großes Mädchen.«

»Du wurdest gewarnt«, sage ich und benutze meinen Transponder, um die Tür aufzumachen. Sie folgt mir in die gut beleuchtete Lobby.

»Guten Abend, Diana.«

Richard, der Wachmann für die Nachtschicht, begrüßt mich mit einem Lächeln. Er ist in den Fünfzigern und hat blasse Haut, die immer einen rötlichen Unterton hat, als hätte er durchgehend einen Sonnenbrand.

»Hey, Richard.« Ich gehe auf den Empfangstisch zu. »Das ist Crystal. Sie ist hier, um Shane Lindley zu besuchen. Red Birch, Apartment 2B.«

Er nickt und schreibt es in seinen Ordner.

»Komm mit«, sage ich ihr. »Hier geht’s lang.«

Wir gehen hinten durch die Doppeltür nach draußen und betreten den gewundenen Pflasterweg. Red Birch ist vom Sycamore aus das dritte Gebäude. Wir passieren Cherry Blossom und Silver Pine, bevor ich sie in unsere kleine Lobby führe.

»Wir wohnen oben«, sage ich und gehe zur Treppe.

»Oh, du hast nicht gescherzt. Ihr seid wirklich Nachbarn.«

»Uff. Ja.«

»Du klingst nicht sehr begeistert.«

»Ich mag eben keine Hockeyspieler«, murmle ich.

Na ja, das stimmt nicht ganz. Meine beste Freundin ist Hockeyspielerin.

Genau wie ihr Mann, und den mag ich.

Und Beckett mag ich auch.

Und Will.

Huh. Ich schätze, der Einzige, den ich nicht mag, ist Shane. Man lernt nie aus.

Wir kommen oben an, und ich gehe zu meiner Tür, an der eine kleine Silberplakette mit der Aufschrift 2A befestigt ist. Crystal weise ich auf die 2B hin. »Er wohnt dort.«

»Danke.«