Die - die durch die Hölle gingen - Wilhelm Jäger - E-Book

Die - die durch die Hölle gingen E-Book

Wilhelm Jäger

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Beschreibung

Nick Baker und Robert T. Johansen, zwei Agenten, bekamen den Auftrag, Pedro Kordales, einen der größten Drogenbarone in Kolumbien, aufzuspüren und festzunehmen. Bei dem Einsatz wurde Robert angeschossen und verschleppt. Er geriet in die Hände korrupter Milizen. Bei einem Gefangenentransport gelang ihm die Flucht. Wochenlang suchte er verzweifelt seinen Freund Nick Baker. Um auch Pedro Kordales zu stellen, bekam er ungewöhnliche Hilfe.

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*

Ich weiß gar nicht, womit ich so recht beginnen soll. Es war schon eine Weile vergangen, seit dem letzten Auftrag, den ich mit Nick bewältigen musste. Die ganze Sache mit Afrika saß mir immer noch in den Knochen. Wir bekamen erst mal eine Auszeit. Und so saß ich mit einem großen Pott Kaffee auf meiner Veranda in Boscastle und genoss die Ruhe. Nick ist, was ich noch wusste, zurück nach Tusa, Oklahoma, zu seiner Familie geflogen, oder ich glaubte es zumindest.

Ich saß also auf meiner Veranda, genoss den heißen Kaffee und die Nachmittagssonne. Dann fiel mir ein, dass ein paar Kekse die ganze Sache noch abrunden würden. Also ging ich in die Küche und kramte in meinen Schränken herum. Ich fand sie auch. War ja klar, ganz unten in der letzten Ecke. Ich musste ganz tief in dem Schrank herumkramen, bis ich sie endlich fand.

Da rief einer meinen Namen. Ich stutzte, denn die Stimme kam mir bekannt vor. Es war Nicks Stimme, die ich vernahm. Aber das konnte ja nicht sein, da er ja in den Staaten war.

„Robert!“, hörte ich nur.

Ich glaubte es nicht. Es musste Nick sein. Ich ging zurück auf die Veranda. Nicht zu glauben, da stand er vor mir, in voller Länge.

„Was ist mit deinem Telefon? Hast du die Rechnung nicht bezahlt oder warum klemmt das Ding?“, wollte er unverblümt wissen.

Ich stand mit meinen Keksen und offenem Mund noch vor ihm und konnte kaum fassen, dass mein bester Freund schon wieder zurück aus den USA war. Er stand immer noch fragend vor mir.

„Was ist?“, bohrte er weiter. „Hast du einen Stockfisch im Hals? Oder magst du nicht mehr mit mir reden?“

„Ääämm ääämm“, stammelte ich. Und dann fing ich mich wieder. „Was machst du in England? Hat dich deine buckelige Verwandtschaft vor die Tür gesetzt oder ist Oklahoma in Rauch aufgegangen? Was ist passiert? Hat dich deine große Liebe verlassen?“ Dabei konnte ich mir ein unverschämtes Grinsen nicht verkneifen.

„Darf ich mich setzten? Oder muss ich die ganze Zeit stehen?“, fragte Nick. Dabei schaute er mich mit einem strengen Blick an. Als wollte er sagen 'Noch so ein Spruch und ich bin wieder weg'.

Noch immer unter dem Eindruck, dass Nick wieder da war, sagte ich schnell: „Na klar. Setz dich doch.“ Ich wollte die Sache ja auch nicht auf die Spitze treiben. Aber necken unter Freunden, meine ich, ist erlaubt. Nick setzte sich und ich gab ihm einen Pott Kaffee und ein paar Kekse.

„Warum hast du nicht angerufen?“, wollte ich nun wissen.

„Schlauberger“, rief er. „Wie denn? Wenn keiner abnimmt oder wenn dein Telefon nicht funktioniert. Weißt du, wie oft ich versucht habe, dich anzurufen? Ich hab schon Blasen an den Fingern vom Wählen.“ Dabei zeigte er mir vorwurfsvoll seinen Zeigefinger.

Da fiel mir ein, dass Nick den Stecker vom Telefon vor Wochen herausgezogen und ich ihn noch nicht wieder eingesteckt hatte. Da kann man mal sehen, wie wichtig für mich in dieser Zeit ein Telefon war.

Ich zeigte mit dem Finger auf ihn. Dabei machte ich eine ernste Miene. „Du hast ihn doch raus gezogen!“, gab ich zur Antwort.

„Ach so“, verteidigte sich Nick. „Und du warst nicht in der Lage, einen gewöhnlichen Telefonstecker wieder einzudrücken?“

Ich musste schmunzeln. „Und ich hab mich schon gewundert, warum in der letzten Zeit keine Anrufe eingingen.“ Dabei kratzte ich mich verlegen am Hinterkopf.

Jetzt lachte Nick voll los. „Du bist unverbesserlich.“

Ich schnalzte mit der Zunge und meinte lässig: „Wer kann, der kann.“

Wir ließen uns den Kaffee und die Kekse schmecken und genossen die Nachmittagssonne.

Nach ein paar Minuten meinte Nick: „Das Hauptquartier hat mich geschickt. Die haben mal wieder eine Aufgabe für uns beide.“

Ich spitzte die Ohren und sagte Anfangs nichts. Ich war ganz gespannt, was jetzt wieder kommen würde. Nick zögerte einen Moment und suchte nach den richtigen Worten, um mir die ganze Sache schonend beizubringen.

„Spuks schon aus.“, meinte ich. „Viel schlimmer wie der letzte Trip kann dieser auch nicht werden.“

Nick lehnte sich nach vorne und rieb sich verlegen die Hände. „Tja“, fing er an. „Die Sache ist die. Du weißt doch, dass ich, bevor wir nach Afrika fuhren, in Kolumbien war.“

Ich überlegte kurz und dann fiel mir ein, dass Nick dies vor einiger Zeit erwähnte.

„Ja und?“, fragte ich. „Was will das Hauptquartier jetzt von uns?“

„Pedro Kordales ist ein Drogenhändler, Waffenschieber, Zuhälter und weiß der Henker womit der noch sein Geld verdient. Er hat sozusagen ganz Kolumbien unter seine Fittichen.

Und weiß der Henker wie weit noch sein Radius geht. Vor Afrika hatte ich ihn mit der dortigen Polizei in den Knast gesteckt. Die Gerichte in Kolumbien waren der Meinung, dass Pedro Kordales zwar kein ehrenwerter Bürger sei, ihn aber mangels Beweise auf freien Fuß lassen mussten. So konnte er weitermachen wie bisher. Und jetzt kommen wir ins Spiel. Die Staatsanwaltschaft Kolumbiens bat uns um Mithilfe, den Verbrecher ein für alle Mal hinter Schloss und Riegel zu stecken.“

'Na super', dachte ich bei mir. 'Keine drei Wochen zu Hause und die schicken uns wieder in die Wüste.'

Nick las meine Gedanken. „Genau das hab ich auch gedacht. Aber,“ fuhr er fort, „wir bekommen eine fette Prämie, wenn wir den Mistkerl stellen.“ Dabei hob er seinen Zeigefinger wie ein Schulmeister in die Luft. „Und wenn alles gut läuft, dann sind wir spätestens in sechs bis acht Wochen hier zurück auf deiner Veranda und trinken deinen leckeren Kaffee.“

Ich schaute ihn einen kurzen Moment an und dann fragte ich: „Wann geht’s los?“

„Übermorgen“, sagte er kurz und schmerzlos. „Es ist schon alles vorbereitet.“

„Na super“, sagte ich mit ruhiger Stimme. „Ich hab vielleicht ne Lust auf so einen Scheiß.“ Dann überlegte ich kurz. „Wie hoch ist denn die Prämie, von der du eben sprachst?“

Nick lehnte sich grinsend zurück. Dabei bekamen seine Gesichtszüge so ein überhebliches Lächeln.

„Spucks schon aus. Wie viel?“, wollte ich wissen, denn die Sache mit der Prämie fand ich schon sehr interessant.

„Fünfzigtausend Dollar für jeden!“, rief Nick. Dabei schlug er vor Freude mit der flachen Hand auf die Stuhllehne.

Lässig winkte ich ab. „Für fünfzigtausend Dollar schaffen wir den Kerl auch in vier Wochen in den Knast.“

„Jeep! So kenn ich dich“, rief Nick siegessicher.

Ich dagegen nahm in aller Ruhe meine Tasse Kaffee und trank genüsslich den Rest.

„Also bist du dabei?“, fragte Nick voller Erwartung.“

„Ob ich dabei bin, fragst du? Ich kann dich doch nicht mit so viel Geld allein lassen.“ Dabei konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Nachdem wir uns allmählich beruhigt hatten, fragte ich meinen besten Freund, um etwas vom Thema abzulenken: „Wie war es denn in Oklahoma?“

„Ich bin noch gar nicht zu Hause gewesen. Am Flughafen haben die mich abgefangen. Seit zwei Wochen bin ich im Hauptquartier und hab mitgeholfen, die ganze Sache vorzubereiten.“

„Du warst noch gar nicht zu Hause?“ Ich war verblüfft. „Und du arbeitest schon seit zwei Wochen an dem Fall? Warum hast du nichts gesagt?“ Ich war fassungslos.

„Kannst du dich vielleicht schwach daran erinnern, dass dein Telefon nicht funktioniert?“

„Ach ja, dass scheiß Telefon“, sagte ich leise und winkte verlegen ab. „Und ihr hattet keine andere Möglichkeit mich zu erreichen?“ Ich wollte es nun doch genauer wissen.

„Wir hatten keine Zeit noch lange hinter dir her zu laufen“, meinte Nick. Dabei trank er genüsslich seinen Kaffee und schaute irgendwie schelmisch über den Tassenrand.

„Alles gut“, meinte er dann. „Wir hatten nur gedacht, dass wir die Vorbereitungen schnell selbst erledigen könnten und dich noch etwas in deinem wohlverdienten Urlaub ließen. Aber die im Hauptquartier meinten auch, dass wir zwei noch einmal dort auftauchen sollten, um die letzten Details zu besprechen.“

Mir passte das zwar gar nicht, aber Job ist Job.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Wagen zum Hauptquartier. Als wir dort ankamen, war der Parkplatz gerammelt voll. Wir fuhren schon das zweite Mal über diesen völlig überfüllten Platz. Aber keine Lücke in Sicht. Und wenn jemand aus einer Parklücke herausfuhr, war garantiert ein anderer schneller und belegte den Platz.

„Ich möchte mal wissen wo die ganzen Leute herkommen.“ Ich war verzweifelt. „Haben die kein Zuhause?“

„Ich gehe davon aus, dass es sich um das alljährliche Veteranentreffen handelt“, gab Nick kurz zur Antwort.

„Wenn wir hier noch länger herum kreiseln, sind wir selber Veteranen bevor wir unsere Karre abgestellt haben“, rief ich aus Verzweiflung.

Nick lachte laut auf. „Wir werden unser Vehikel schon irgendwo abstellen können.“

Er versuchte mich zu beruhigen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis wir ein Plätzchen für unser Gefährt gefunden hatten.

„Na endlich“, seufzte ich erleichtert. Nur Nick war immer noch guter Dinge. Er sagte nichts, versprühte dennoch eine gewisse Heiterkeit. Ich dagegen hatte den Kaffee auf und wollte den Tag so schnell wie möglich zu Ende bringen.

Auf dem Weg zur Anmeldung sprach uns ein hagerer Mann mit südländischem Aussehen an. Er stellte uns merkwürdige Fragen. Ob wir hier arbeiten würden und wie lange schon und wie viele Einsätze wir schon getätigt hätten. Und noch so ein paar verrückte Fragen, auf die wir keine Antworten gaben. Wir wiesen ihn auf die Pressestelle hin. Die konnte alle Fragen beantworten.

Irgendwie hatte der Fremde unsere Anweisung wohl nicht richtig verstanden, denn er fragte weiter. Ich merkte, wie Nicks Nackenhaare langsam hochgingen und er allmählich stinksauer wurde. Wir hatten zwar keine Zeit und auch keine Lust, uns mit dem Mann zu beschäftigen, der einen Haufen Fragen stellte, die ihn gar nichts angingen. Um keine Eskalation auf dem Parkplatz auszulösen, nahm ich den Mann an die Seite und erklärte ihm nochmals in ruhiger Stimme, aber deutlich, dass wir keine Auskünfte erteilen und er sich an die Pressestelle zu wenden hätte. Jetzt wiederum wollte ich von dem Fremden wissen, woher er kam und wer er war. Er zeigte mir einen Ausweis und erklärte mir wiederum, dass er für eine Zeitung in Spanien schrieb, da ja heute das Veteranentreffen sei.

Nick ging auf den Mann zu, musterte ihn von oben bis unten und meinte nur: „Dann musst du den Veteranen auf die Nerven gehen. Wir sind noch nicht so alt. Und jetzt verschwinde, sonst werde ich ungemütlich.“

Der Mann bekam ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht und entfernte sich, ohne noch ein Wort zu sagen.

„Ich hab das Gefühl, die Reporter werden immer frecher,“ schnaufte Nick.

Ich dagegen schaute dem Mann noch kurz hinterher und meinte: „Und ich hab das Gefühl, bei dem Kerl stimmt irgendetwas nicht. Niemals ist das ein Reporter eines spanischen Verlages.“

„Ist mir scheißegal, wo der Typ herkommt.“ Nick war immer noch aufgebracht. „Wenn ich sage, geh zur Pressestelle, dann hat er, ohne ein Wort zu verlieren, die Pressestelle aufzusuchen. Oder sonst wohin zu marschieren und mir nicht ein Kotelett ans Ohr zu quatschen.“

Ich legte beruhigend meine Hand auf Nicks Schultern und sagte mit leicht säuselnder Stimme: „Ruhig Brauner. Das schaffst du schon. Alles wird gut.“

Erst verdrehte er die Augen, dann schloss er sie, schüttelte den Kopf und zuletzt wollte er noch irgendetwas sagen. Aber außer ein „Ach“ und eine abwertende Handbewegung kam aus Nick nichts mehr raus.

Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, marschierten wir mit schnellen Schritten durch das Hauptportal. Bei der Anmeldung stand eine Traube von Menschen. Jeder musste sich anmelden und viele von denen hatten Fragen zum Programm. Es dauerte vielleicht nur fünfzehn Minuten, bis wir an die Reihe kamen. Aber ich hatte das Gefühl, wir warteten eine halbe Ewigkeit, bis wir uns endlich anmelden konnten.

Die nette Dame am Empfang erklärte uns, dass wir uns in Zimmer 341 zu melden hätten. Bei einem gewissen Parker.

Ich stutze kurz. „Parker?“, fragte ich verblüfft.

„Exakt, bei dem Kommandanten Parker“, versicherte die junge Dame meine Frage.

Ich schaute Nick von der Seite an und flüsterte ihm ins Ohr: „Das ist doch der Knaller, der uns das letzte Mal nach Afrika in die Wüste geschickt hat.“ Nick bestätigte meine Frage mit einem simplen Kopfnicken.

Wir gingen zum Fahrstuhl. Aber der war noch immer nicht zu gebrauchen. Fünfzigtausend Dollar versprechen, aber kein Geld um den scheiß Aufzug zu reparieren. „Typisch Behörde,“ zischte ich durch die Zähne.

Wie schon gesagt, ich fand den Beitrag von Parker überflüssig. Aber er war halt unser Kommandant.

Die Besprechung dauerte den ganzen Nachmittag. Ich hätte besser auf meiner Veranda bleiben sollen. Wenn Nick nicht gewesen wäre und mich nicht ab und zu in die Seite gestupst hätte, ich wäre garantiert schlafend vom Stuhl gefallen. Es wurde sechs Uhr abends, als wir das Hauptquartier verließen.

Irgendwie hatte ich Kopfschmerzen vom ganzen Diskutieren, Erklären und um den heißen Brei herumreden. Auch Nick schien mir angeschlagen zu sein. Also beschlossen wir kurzerhand zu Carlo zu fahren. Eine Kneipe, nicht weit vom Hauptquartier, in der wir schon früher als Kadetten so manche Nacht durchgezecht hatten.

Wir saßen noch keine zehn Minuten am Tresen, da kam ganz unverhofft der kleine hagere Südländer rein, der angeblich für eine spanische Zeitung oder Zeitschrift schrieb. Ich war noch mit meinem Drink beschäftigt, als Nick mich anstupste und auf den Spanier zeigte. Ich hätte mich beinahe verschluckt, als ich ihn wiedererkannte. Und schon hatte ich wieder dieses unwohle Gefühl in der Magengegend.

Der Mann setzte sich an einen der Tische und bestellte sich etwas zu Essen und ein Glas Wasser. Er aß und trank und machte sich Notizen auf einem kleinen Schreibblock. Als der Wirt bei ihm vorbeischaute, um nach seinem Befinden zu fragen, sprachen die beiden ein paar Worte zusammen und schauten anschießend zu uns herüber. Das war der Auftakt, uns mal näher mit dem Südländer auseinanderzusetzen.

Wir setzen uns unaufgefordert an seinen Tisch. Einer rechts und der andere links von ihm. Wieder bekam er sein verschmitztes Lächeln wie zuvor auf dem Parkplatz des Hauptquartiers. Eine Schweißperle rann ihm von der Stirn. Jetzt waren wir diejenigen, die die Fragen stellten. Wo er herkam, für welche Zeitung er schrieb und noch eine ganze Menge Fragen mehr. Er machte auf uns einen soliden Eindruck. Alle Fragen konnte er präzise beantworten. Entweder war dieser Mensch gut vorbereitet oder er sagte schlichtweg die Wahrheit. Nach etwa einer Stunde ausquetschen und der Versuchung, mehr aus ihm heraus zu finden, verließen wir Carlos Lokal.

„Was will der Kerl?“, fragte ich Nick, als wir draußen vor unserem Wagen standen.

„Keine Ahnung. Aber eins ist sicher, den knorrigen Arsch sehen wir bestimmt noch mal wieder.“

*

Am nächsten Tag saßen wir im Flieger nach Bogota Kolumbien. Nach knapp elf Stunden Flugzeit landeten wir auf einer der Rollbahnen des Airports 'El Dorodo'. In der Empfangshalle begrüßte uns der dortige Polizeichef persönlich. Ich fand das etwas merkwürdig, da so ein Polizeichef meistens keine Zeit für einen Abholdienst hatte. 'Aber vielleicht handhaben die das ja hier anders. Wer weiß das schon', dachte ich so bei mir.

Als wir aus dem Flughafengebäude herauskamen, standen dort fünf gepanzerte Fahrzeuge. Zwanzig Mann, bis an die Zähne bewaffnet, saßen bei laufenden Motoren und warteten darauf, dass wir losfuhren.

Als ich zu den Fahrzeugen ging, sah ich, wie ein Mann gegenüber der Straße in ein Taxi stieg, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem spanischen Zeitungsfritzen hatte. Ich meldete meine Beobachtung Nick, der sich noch immer mit dem Polizeichef unterhielt. Nick schaute mich einen kurzen Moment nachdenklich an. Dann sagte er mit ruhiger Stimme: „Ich hab doch gesagt, wir werden den knorrigen Arsch wiedersehen. Damit hab ich schon gerechnet.“ Wir setzten uns in einen der Wagen und fuhren aus der Stadt.

„Was glaubst du? Welche Rolle spielt der Spanier in diesem Spiel? Wenn es überhaupt ein Spanier ist,“ sagte ich zu meinem Freund.

„Ich vermute, dass der Kerl nur ein Spitzel ist, nur ein Wasserträger für Pedro Kordales. Und Spanier ist der bestimmt nicht. Dafür würde ich meine ganze Prämie verwetten“, meinte Nick.

„Was ich nur nicht verstehe, wenn Pedro Kordales so viel Geld hat, warum engagiert er so einen Blindgänger? Denn so wie der sich anstellt, ist das nicht die hellste Kerze auf der Torte“, gab ich zu bedenken.

Nick lachte laut los. „Robert! In jeder Firma gibt es Leute, die nicht so clever sind. Ich vermute auch, dass der Kerl nicht der schnellste Denker ist. Aber ich rechne damit, dass dieser Mann genau weiß, was er tut. Und ich rechne damit, dass er versuchen wird, uns eine Falle zu stellen. Aber die Suppe werden wir ihm gehörig versalzen.“ Er lehnte sich zurück und fing an zu schlafen. Glaubte ich zumindest.

Aber als wir an einem großen Anwesen vorbeikamen, welches ringsherum mit alten Bäumen und dichten Hecken bepflanzt war, konnte man kurz durch eine Allee ein großes Haus erkennen.

„Das ist die Residenz von dem Ganoven“, sagte Nick mit ruhiger Stimme. Dabei öffnete er nicht mal seine Augen.

„Du bleibst ganz schön ruhig bei dieser Sache“, meinte ich.

Nick winkte lässig ab. „Wir werden dem Fuchs eine Falle stellen, ihn vor Gericht bringen und dann geht's ab nach Hause.“

Ich sagte darauf nichts. Zum einen war Nick bereits schon einmal hier und wusste, was auf uns zukommen würde und zum anderen konnte ich mir nicht vorstellen, dass Nick Baker sich so irren konnte. Die einzige Sorge die ich hatte, war der Spanier oder wo der auch immer herkam, oder wer er auch immer sei.

Nach etwa zwei Stunden Fahrt durch die Wildnis Kolumbiens kamen wir zu einem Militärlager. Dort zeigte man uns unser Quartier. Es war eine der vielen Hütten, die im Camp standen. Einfach gehalten. Zwei Zimmer mit Betten und eine Toilette mit Dusche. Gegessen wurde im Haupthaus.

*

Nach einem Monat enger Zusammenarbeit mit den Behörden hatten wir so viel Beweismaterial zusammenbekommen, dass wir Pedro Kordulas für Lebenslang hinter Gitter stecken konnten.

„Das war ja einfach“, freute ich mich.

„Sag ich doch“, meinte Nick und rieb sich die Hände. „Jetzt müssen wir nur noch hinfahren, den Kerl an die Kette nehmen und die ganze Sache ist geritzt. Dann geht es endlich nach Hause.“

Ich konnte es kaum fassen. Es war alles so einfach. Zu einfach. Ich hatte so ein unwohles Gefühl. Ich war noch vor einigen Wochen in Afrika und da ging nur schief was schief gehen konnte. Jetzt war ich hier und sollte den mächtigsten Mann der Unterwelt von Kolumbien festnehmen. Ich hatte zwar die Hoffnung, dass alles schnell über die Bühne gehen würde, aber ein bitterer Beigeschmack blieb.

Der nächste Morgen war kühl. Nebelschwaden lagen über dem Camp. Der Convoy setzte sich in Bewegung. Nick und ich saßen in einer der vordersten Wagen. Mit dem Haftbefehl in der Tasche hatten wir gute Hoffnung, dass der Job schnell erledigt sei.

Die Fahrt zur Villa von Pedro Kordales verlief ohne Zwischenfälle. Ein großes Tor am Anfang der Allee, die zum Haus führte, war mit einer dicken Kette verschlossen. Vier Männer sprangen aus dem Wagen. Drei sicherten mit Schnellfeuergewehren die Fahrzeuge, während der vierte mit einem Bolzenschneider die Kette durchtrennte.

Wir fuhren rein und erwarteten eigentlich heftigen Widerstand. Aber nichts. Wir fuhren direkt zum Haus. Die Tür stand einen Spalt auf. Mit vorgehaltener Waffe und durch die Absicherung hinterm Haus, gingen wir vorsichtig hinein.

Kein Mensch da. Nicht einmal eine Katze war zu sehen. Ziemlich ratlos stand die ganze Truppe auf dem Gelände von dem Schurken und wusste nicht, was sie davon halten sollte.

So wie es schien, war der Vogel schon eine ganze Weile ausgeflogen. Wir durchsuchten das ganze Haus. Vom Dachstuhl bis in den Keller suchten wir nach Hinweisen, wohin Pedro Kordales verschwunden war. Auch nach Beweisen für die Staatsanwaltschaft, um ihre Anklage zu untermauern. Keiner konnte sich erklären, wie er flüchten konnte. Wochenlang wurde das Haus überwacht. Aber keiner hatte gesehen, wie der Verbrecher mit Mann und Maus verschwunden war.

Nick und ich setzten uns auf die Veranda und beratschlagten, wie es weiter gehen sollte. In dem Augenblick, als keiner mehr eine Idee hatte, sah ich eine Maus über die Veranda huschen. Sie verschwand durch ein kleines Loch in der Wand. Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf. Nick war etwas irritiert.

„Ich hab's“, schrie ich.

„Was ist los?“, fragte er verwundert.

„Ich hab's“, wiederholte ich mich. „Kannst du dich noch an Jans Haus erinnern?“, wollte ich von Nick wissen.

„Ja kann ich“, sagte er, noch immer nicht wissend, worauf ich hinauswollte.

„Na vom Tunnel spreche ich. Der hat einen Tunnel im Keller, wie Jan ihn hatte.“

Nick sprang ebenfalls auf und sofort machten wir uns auf die Suche nach dem unterirdischen Fluchtweg. Wir suchten alles akribisch genau ab. Nichts zu finden. Jede Wand, die wir abklopften und nach einem Hohlraum dahinter suchten, ergab keinen Erfolg. Wieder einmal standen wir da und wussten nicht mehr weiter. Bis einer der Männer seine Finger nicht bei sich lassen konnte und an einer Schlaufe zog. Es war die Schlaufe einer Angelschnur, die sich links oberhalb des Türbogens befand. Kaum sichtbar.

Es machte 'klick' und vor uns senkte sich die Wand wie von Zauberhand in den Boden. Wir standen direkt in einer Tiefgarage. Ein Tunnel von ungefähr drei Metern Breite tat sich vor uns auf. Ein kleiner Jeep stand noch verlassen in einer Ecke.

Sofort machten sich Nick und ich daran, den Wagen zu starten und durch den Tunnel zu fahren. Um die Länge des Tunnels zu ermitteln, stellten wir den Tageskilometerzähler auf null und fuhren los. Nach endlosen sechs Kilometern kamen wir am Tunnelende an. Aber der war zu.

Langsam fuhr Nick den Wagen an das Ende heran. An einer Schranke machten wir halt. Vor uns öffnete sich erst der Tunnel und dann die Schranke. Wir konnten fahren und hielten auf einem Waldweg an. Hinter uns schloss sich der Tunnel und der Ausgang war nicht mehr zu erkennen. Die perfekte Tarnung.

Nach einem halben Kilometer kamen wir wieder zur Hauptstraße. Jetzt wussten wir, wie Pedro Kordales flüchten konnte. Wir fuhren wieder zum Haus, nahmen noch Beweismaterial auf, versiegelten alles und machten dann den Rückzug zum Basislager.

Es ergab sich, dass Nick, ich und noch zwei Mann von der Truppe im ersten Wagen saßen. Nick und ich saßen hinten und überlegten, wie wir weiter vorgehen sollten.

Plötzlich schrie Nick: „Sofort anhalten.“

Der Fahrer verstand nicht sofort was Nick meinte.

„Du sollst die Karre anhalten!“, schrie er noch einmal.

Erst jetzt bremste der Fahrer das Fahrzeug abrupt ab. Die Kolonne kam zum Stehen. Nick sprang mit einem Satz aus dem Wagen und ging mit zügigen Schritten nach vorn. Mit einem Fernglas beobachtete er die ganze Gegend. Der Fahrer schaute mich ungläubig an und fragte etwas verwirrt: „Ist dein Kumpel immer so drauf?“

Ich zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Ich weiß nicht was er hat. Aber wenn mein Kumpel sagt anhalten, dann hat das seinen Grund. Ich gehe raus und schau mir die Sache mal genauer an.“

Währenddessen ich aus dem Wagen stieg und alle gespannt waren, was geschehen war oder noch geschehen würde, hupte der letzte Wagen wie ein Irrer. Nick, der noch immer durch sein Fernglas schaute, wurde allmählich sauer über das blöde Hupen. Er zischte nur durch seine Zähne: „Wenn der Knallkopf nicht gleich aufhört, dann weiß jeder Bergbauer in der Gegend, dass wir hier sind!“

Plötzlich schrie er los: „Volle Deckung!“ Dabei schmiss er sich flach auf den Boden. Instinktiv schmiss ich mich ebenfalls hin, nicht wissend, was eigentlich geschehen war.

Erst verstand ich nichts. Aber eine Sekunde später zischte etwas an uns vorbei und traf den letzten Wagen. Es gab eine heftige Detonation und das Gefährt explodierte. Dabei flogen uns Teile und Splitter um die Ohren. Die anderen Männer rannten in Panik umher. Bis sich alle beruhigt hatten, dauerte es einen Moment. Die Männer verschanzten sich im Graben oder hinter Felsen.

Keiner wusste, ob nicht noch ein zweiter Angriff gestartet würde.

Der Anblick der toten Kameraden und die Trümmer des Militärfahrzeuges ließ keinen kalt. Alle waren betroffen und mussten die ganze Sache seelisch erst mal verdauen. Warum der Mann im letzten Wagen so wild herum hupte, wird für immer ein Geheimnis bleiben. Ich vermutete, er wollte uns warnen. Nick, der gesehen hatte, aus welcher Richtung das Geschoss kam, gab den Befehl, sofort die Wagen zurückzusetzen und Schutz hinter der letzten Kurve zu suchen. Ein zweites Geschoss flog auf uns zu. Es verfehlte das Ziel nur um einige Meter. Jetzt konnte ich auch die Richtung ausmachen und erkannte, dass mit einer Panzerfaust auf uns geschossen wurde.

Als die Kolonne geschützt hinter der Kurve stand, sagte Nick zu mir: „Komm Robert, den Schafschützen krallen wir uns.“

Ich fand das zwar keine so gute Idee, direkt über die Straße, die auch noch weit einzusehen war, mit Vollgas drauf zu fahren, aber der Angriff ist manchmal die beste Verteidigung.

Nick meinte, dass wäre ihm scheiß egal. Also fuhr er mit allem, was die Karre hergab, auf den Schützen zu. Der lag etwa einen halben Kilometer in einer Senke hinter einem Strauch. Noch einmal flog ein Geschoss auf uns zu und verfehlte uns nur um Haaresbreite. Dann sahen wir, wie ein Mann hinter dem Strauch herkam und versuchte mit seinem Jeep, den er keine zehn Schritte von sich stehen hatte, zu flüchten.

Ohne Rücksicht auf Verluste brachte Nick unseren Wagen bis an seine Grenzen. Wir kamen dem Schützen schnell näher. Als dieser versuchte auf die Straße zu kommen, rammten wir ihn mit voller Wucht. Er überschlug sich und der Mann wurde herausgeschleudert. Wir kamen zum Stehen. Mit einem Satz sprang ich heraus und überwältigte den, der die ganze Zeit auf uns geballert hatte.

Er entpuppte sich als ein fünfzehn Jahre alter Teenager, der den Befehl hatte, uns auszuschalten. Ich konnte es nicht fassen und ich werde es auch nie verstehen, wie erwachsene Menschen Kinder und Jugendliche für den Terror missbrauchen konnten.

Über Funk riefen wir unsere Kolonne, die immer noch im sicheren Abstand wartete. Die Männer waren richtig sauer über unseren Scharfschützen. Schließlich hatte er einige Kameraden von ihnen auf dem Gewissen. Ich musste die Männer beruhigen und darauf aufmerksam machen, dass wir es hier mit einem Fünfzehnjährigen zu tun hatten. Der einzige Feind war Pedro Kordales. Auf ihn und seine Komplizen mussten wir uns konzentrieren und nicht auf Kinder und Jugendliche. Die Männer hatten Einsehen, behandelten den Kleinen dennoch nicht sanft.

Im Basislager angekommen, wurde der kleine Mann stundenlang verhört. Aber nichts was von Bedeutung wäre, bekamen wir aus ihm heraus. Er wurde nur abgerichtet, um uns aufzuhalten. So allmählich gingen Nick und mir die Ideen aus. Keiner konnte uns sagen, wohin Pedro Kordales verschwunden war.

*

Wie sehnte ich mich zurück nach Boscastle. Nach einem Pott Kaffee auf der Veranda mit Keksen oder einem schönen saftigen Stück Käsekuchen. Aber die hatten nicht mal einen Kaffee hier, geschweige denn Kekse oder ein Stück Käsekuchen. Hier war nur Busch. Sonst nichts! Man konnte froh sein, wenn es zum Frühstück Rühreier auf den Tellern gab. Selbst den Speck vergaß der Koch. Dafür hätte ich ihn schon erschlagen können. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass der dicke Koch den Speck an seine Hunde verfütterte, oder nachts selbst aufgegessen hatte.

Meine Hoffnung war nur, dass wir Pedro Kordales schnell finden, ihn in den Knast stecken, nach Hause fliegen und einen gewaltigen Strich unter die ganze Sache machen konnten. Aber was wir auch anstellten, um eine Spur von dem Verbrecher zu bekommen, ich spreche jetzt nicht von konkretem Wissen von seinem Standort, kamen wir keinen Schritt weiter. Es war wie verhext. Jedes Mal, wenn wir glaubten, einen Anhaltspunkt zu haben und wir der Sache auf den Grund gingen, war der Kerl weg. Wie vom Erdboden verschluckt.

Es vergangen zwei, drei Wochen, so genau weiß ich das nicht mehr, bei dieser Affenhitze konnte man schon mal eine Woche vergessen, saß ich auf einem Liegestuhl. Die Füße steckten zur Kühlung in einem Kinderplanschbecken, dass mit Wasser und Eis aus dem Eiscrusher kam. Ich hatte ein Handtuch, wie einen arabischen Turban, gegen die Hitze um den Kopf gewickelt und eine Augenklappe auf, die ich im Flugzeug bekommen hatte. Diese hatte ein Kamerad aus Langeweile mit zwei großen Augen und langen Wimpern versehen. Was macht man nicht alles, um die Zeit zu verkürzen.

So hatte ich die Augen geschlossen und vor der Sonne geschützt. Aber von weitem sah es aus, als würden zwei große Augen in die Gegend starren. Ich weiß nicht warum, aber die Kameraden lachten und fanden es witzig. Ich ließ ihnen ihren Spaß. War ja sonst nichts los in dieser trostlosen Gegend.

So saß ich da, bis eine Stimme meine wohlverdiente Ruhe störte. Lustlos hob ich meine linke Augenklappe ein wenig auf und blinzelte unter ihr hervor. Erst konnte ich niemanden erkennen, so sehr stach die Sonne in mein Auge. Es dauerte einen Moment, bis ich Nick erkannte. Schnell schloss ich die Klappe und rückte sie wieder zurecht.

„Was willst du, Gesindel?“ fragte ich Nick und tat so, als wäre ich ein König auf einem Thron.

„Mach dich fertig! Wir fahren in die Stadt,“ kam es wie ein Befehl von ihm.

Ich spielte meine Rolle weiter wie ein König. „Hinfort von mir du kleines Gewürm. Wie kannst du es wagen? Siehst du nicht, dass dein Herrscher ruht?“

Ich hatte noch immer diese blöde Augenklappe auf und sah nicht, was um mich geschah. Ein Schwall kaltes Wasser erwischte mich voll. Vor Schreck bekam ich kaum Luft. Ich riss mir die Augenklappe vom Gesicht und war im Begriff laut Protest gegen diese brutale Vorgehensweise vorzubringen. Da erwischte mich eine zweite Welle und stieß mich von meinem selbst ernannten Thron. Ein paar Männer standen umher und lachten sich krumm. Und mein bester Freund Nick Baker stand mit einem Wassereimer vor mir und lachte mit den anderen. Wer der Täter war, war ja klar. Da biss die Maus keinen Faden ab. Da stand ich nun in meinem Kinderplanschbecken, triefend nass bis auf die Haut. Erst wollte ich voll losmeckern, aber dann spielte ich meine Rolle einfach weiter. Das Handtuch auf dem Kopf, die Arme ausgebreitet, schrie ich: „Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd.“

„Du bekommst kein Pferd. Wir nehmen den Land Rover,“ dabei zeigte Nick mit dem Finger auf den Geländewagen, der vor dem Haupthaus stand.

Noch immer stand ich triefend in diesem bunten Planschbecken und wusste erst nichts zu sagen, bis Nick wie ein Feldheer den Befehl aussprach: „In fünfzehn Minuten ist Abfahrt!“

Ich knallte die Hacken zusammen und salutierte wie ein Soldat. „Jawohl Sir! Zu Befehl Sir!“, brüllte ich aus Leibeskräften, den Turban immer noch auf dem Kopf. Nick verdrehte nur seine Augen.

„Oooh Mann,“ seufzte er, schmiss den Wassereimer hinter sich und meinte nur: „Komm endlich aus dem Wasser, wir fahren in die Stadt.“

Pitschnass wie ich war, marschierte ich schnurstracks in Richtung Unterkunft. Auf halbem Weg blieb ich stehen, drehte mich um und fragte Nick, der auf dem Weg zum Wagen war: „Haben wir eine Spur?“

„Eine ganz heiße,“ meinte er prompt. „Mach dich hübsch und beeile dich. Wir haben noch einiges vorzubereiten.“

„Okay,“ rief ich.

Nach zehn Minuten ging ich trocken, in kurzer Hose und einem Hawaiihemd zum Geländewagen. Nick war noch nicht da und so setzte ich mich auf den Beifahrersitz, lehnte mich zurück und schloss vor Müdigkeit die Augen. Nach kurzem dahinvegetieren fiel mir ein, dass Nick irgendetwas von einer Vorbereitung sagte. Also stieg ich mit meinen müden Knochen wieder aus. Kaum war ich draußen, kam er um die Ecke.

„Wir können los,“ sagte er, lief an mir vorbei, setzte sich auf meinen Sitz und schloss die Tür. Ich stand wie hypnotisiert vor dem Wagen und glaubte es nicht. Ich klopfte an die Fensterscheibe. Nick, der in irgendwelchen Akten blätterte und so tat, als würde er wichtige Unterlagen studieren, schaute mich mit einem fragenden Blick an. Ich machte eine kreisende Handbewegung, um ihm zu signalisieren, dass er das Fenster mal öffnen sollte. Das machte er auch mit einer unverständlichen Mimik.

„Du sitzt auf meinem Platz,“ flüsterte ich ihm zu.

Nick schaute sich hektisch um, als wollte er ein Namensschild suchen.

„Glaub ich nicht,“ bemerkte er. „Dies ist ein Armeelaster und da werden keine Plätze vergeben. Ich mach die Vorbereitungen und du fährst.“

Widerwillig lief ich um das Fahrzeug und stieg ein.

„Schöne Freunde hab ich da,“ meckerte ich herum und startete den Wagen.

„Ich mach die Vorbereitungen und du fährst. So einfach ist das,“ erklärte Nick mir die Situation.

„Ich könnte die Vorbereitungen auch machen“, rief ich.

„Wie denn?“, fragte Nick mit lauter Stimme. „Sitzend im Kinderplanschbecken mit Augenklappen auf den Augen oder wie jetzt?“

Das traf mich hart. Erst wollte ich noch Protest einlegen, aber dann ließ ich es. Nick hatte ja recht. In letzter Zeit hatte ich nicht viel dazu beigetragen, um den Verbrecher Pedro Kordales ein für alle Mal hinter Gitter zu bringen. Also musste ich wohl oder übel die alte Karre selbst fahren.

Wir fuhren nach Tunja, etwa fünfzig Kilometer westlich von unserem Lager. Auf dem Weg kamen wir an einem See vorbei. Er nannte sich Rio Chulo. An diesem See lag das Gefängnis mit dem Namen Carcel de Combita.

„Hier müssen wir kurz anhalten“, gab Nick die Order.

Ich lenkte ohne Bemerkung den Wagen auf den Besucherparkplatz. 'Er wird schon wissen, was wir hier wollen', dachte ich so.

„Wir haben einen Termin beim Gefängnisdirektor“, sagte er mit ruhiger Stimme.

„Aha“, kommentierte ich kurz. Es war schon erschreckend, wie Nick meine Gedanken lesen konnte.

Wir stiegen aus und meldeten uns an der Pforte. Nach langem hin und her mit der Wache und einer gründlichen Unterweisung, wie man sich in diesem Gebäude zu verhalten hatte, führte uns ein Wachmann durch mehrere Gänge und Hallen bis wir schlussendlich vor dem Büro des Direktors standen.

Der Wachmann klopfte an die Tür und trat in das Büro ein. Wir folgten ihm. Der Direktor empfing uns mit überheblicher Freundlichkeit. Nach meinem Geschmack zu freundlich. Und zu aller Überraschung stand der Mann in einer Ecke, der uns vor ein paar Wochen vom Flugplatz abgeholt hatte. Der Polizeichef persönlich.

Wir waren eine geschlagene Stunde in diesem Büro und diskutierten über den Fall Pedro Kordales. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Polizeichef uns durch die Blume mitteilen wollte, dass wir besser nach Hause fahren sollten und die Angelegenheit ihm überlassen. Zum Schein hielten wir dies für eine gute Idee. Wir sprachen dann noch über dieses und jenes und verabschiedeten uns. Der Polizeichef schenkte uns jedem zum Schluss noch eine Pistole aus Silber mit Elfenbeingriff und persönlicher Gravur unserer Namen. Jetzt waren wir diejenigen, die sich überschwänglich bedankten.

Zurück im Wagen fragte Nick mich nach meiner Meinung. Ich sagte, dass die zwei Vögel uns ganz schön zum Narren gehalten hatten. Das meinte er auch.