Die - die nicht aufgeben - Wilhelm Jäger - E-Book

Die - die nicht aufgeben E-Book

Wilhelm Jäger

4,8

Beschreibung

Nick Baker und Robert T. Johansen sind zwei Agenten, die von der Regierung nach Afrika geschickt wurden, um der Wilderei ein Ende zu setzen. Eigentlich ein ganz normaler Auftrag. Aber es kam alles anders. Afrika hat seine eigenen Gesetze. Sie machten Jagd auf Verbrecher und wurden selbst gejagt. Sie gingen durch die Hölle und entdeckten per Zufall den eigentlichen Grund ihrer Reise durch den schwarzen Kontinent. Eine monatelange Odyssee begann, die sie durch halb Afrika trieb.

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*

Alles begann mit dem blöden Anruf vom Hauptquartier und dem beknackten Auftrag danach. Wenn ich daran zurückdenke, sträuben sich mir heute noch die Nackenhaare. Ich erzähle die Geschichte mal von Anfang an.

Es war in einem Herbst. Ich war in meinem englischen Landhaus, in der Nähe von Boscastle. Boscastle ist ein Küstenort der Gemeinde Forrabury, im Norden der englischen Grafschaft Cornwell, an der Atlantikküste. Das Landhaus ist ein Erbe meines verstorbenen Onkels. Seit zwei Jahren gehörte mir dieses Anwesen, das in der Tat in einem einwandfreien Zustand war.

Mein Ursprungsort war Leer in Ostfriesland, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte. Mit bürgerlichem Namen heiße ich Robert Theodor Johansen. Hier in England nannten mich alle nur Robert T. Jonsen.

Ich saß völlig entspannt in einem der großen Sessel in meinem Kaminzimmer, in denen ich schon als Kind gerne gesessen hatte, wenn ich in den Ferien bei meinem Onkel zu Besuch gewesen war. Ich trank genüsslich einen der alten Cognacs, die in meinem Keller bei gleichbleibender Temperatur in Eichenfässern lagern und reifen konnten. Das Feuer im Kamin knisterte und eine wohltuende Wärme erfüllte den Raum.

Der Abend war noch jung, als Nick Baker, ein alter Kollege und Freund, vorbeischaute. Nick kam aus den USA. Genauer aus Tusa Oklahoma. Ich freute mich riesig, denn Nick hatte ich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.

„Wie hast du mich gefunden?“, wollte ich von meinem besten Freund wissen. „Ich wohne doch erst knapp zwei Jahre hier.“

Nick zog seinen Trenchcoat aus und legte ihn sorgfältig, wie es seine Art war, auf einen der Stühle im Flur des Hauses. „Ich habe im Hauptquartier nachgefragt. Die wussten, wo du steckst. Und außerdem solltest du doch wissen, dass ich jeden aufspüren kann. Robert – ich war vielleicht nicht so ein Scharfschütze wie du, aber wenn ich jemanden gesucht habe, dann habe ich ihn auch gefunden.“

„Oh ja. Das hast du.“ Ich wusste, wozu er fähig war. Ich habe Einsätze mit diesem Mann erlebt, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde. Nick war einer der Männer, die erst schossen und dann redeten. Nichts desto trotz lud ich ihn zu einem Glas Cognac ein. Wir setzten uns in mein Kaminzimmer und erzählten uns aus vergangenen Zeiten.

Als ich Nick kennenlernte, kamen wir frisch von der Armee. Wir waren jung und suchten das Abenteuer. Kurzum, wir meldeten uns zeitgleich bei einer Spezialeinheit zur Bekämpfung von Terroristen. Das Training war die reinste Schinderei. Und das über Monate. Wie ich schon sagte, die reinste Schinderei. Mit der Zeit gewöhnte man sich aber an das Trainingsprogramm und die Herausforderung, immer ein bisschen besser zu sein als der andere.

Die Schwerpunkte lagen in Nahkampf, Menschenkenntnis und das Überleben mit einfachsten Mitteln in der Wildnis. Nach einiger Zeit trainierten wir zusammen. Es entwickelte sich eine großartige Freundschaft, die uns über die Jahre zusammengeschweißt hat.

Es mögen vielleicht zwei Stunden vergangen sein, als in meinem Arbeitszimmer das Telefon klingelte. Nick schaute mich etwas verwundert an. Ich zuckte mit den Schultern, ging mit einem unwohlen Gefühl zum Telefon und meldete mich nur mit einem schlichten „Hallo“. Am anderen Ende der Leitung hörte ich nur wie jemand sagte, dass es Ärger in Afrika gäbe und dass wir uns morgen im Hauptquartier melden müssten. Ich versuchte mehr Informationen zu erfahren, aber ich bekam nur die Aussage, dass wir uns zum gegebenen Zeitpunkt im Hauptquartier zu melden hätten.

„Afrika. Was ist denn in Afrika so wichtig, dass die uns noch am Abend anrufen? Die sind doch alle crazy“, schnaufte Nick.

„Keinen blassen Schimmer“, sagte ich etwas nachdenklich. „Aber was es auch ist, es muss etwas sein, womit sie in Afrika nicht fertig werden.“

„Ja, aber haben die denn nur unsere Telefonnummern im Schrank liegen? Ich bin gerade aus Kolumbien zurück. Ich habe meinen Koffer noch nicht einmal ausgepackt, da rappelt das Scheißtelefon schon wieder. Ich weiß gar nicht, wofür wir alle die Jungs ausgebildet haben. Sind die alle schon pensioniert? Sind wir denn die einzigen, die auf dem Globus herumlaufen und den Job machen können?“ Nick kriegte sich kaum ein.

„Weißt du was? Hier hast du die Flasche Cognac zur Beruhigung und ich versuch mal, das Bett im Gästezimmer auf Vordermann zu bringen. Da kannst du dich heute Nacht hinhauen und morgen sieht die Welt anders aus“, winkte ich lässig ab und verschwand im Gästezimmer.

„Wetten, dass ist wieder so ein Job für Doofe? Ich wette, die im Hauptquartier lachen sich jetzt schon kaputt, dass sie wieder zwei Idioten gefunden haben, die die Kastanien aus dem Feuer fischen.“ Nick schnaufte noch immer. Er war eigentlich ein ruhiger Charakter. Aber er hatte Recht. Wo sind die anderen Agenten und Spezialeinheiten? Wir haben in den Jahren dutzende Rekruten ausgebildet und man hat das Gefühl, keiner ist mehr da.

„Morgen wissen wir mehr. Jetzt gibt es noch einen Happen zu essen und dann verschwinde ich ins Bett. Keine Ahnung, was da auf uns zukommt. Ich will morgen fit sein.“

Nick schob nur die Augenbrauen hoch und verzog etwas sein Gesicht, als wollte er damit sagen, dass ich nur schön reden konnte.

In der Nacht konnte ich nicht richtig schlafen. Merkwürdig, ich konnte nachts eigentlich immer gut schlafen. Aber in dieser Nacht hatte ich Alpträume. Ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen. Da saß Nick im schwachen Schein einer Lampe, die auf der Ecke der Sitzbank platziert war. Er schaute ins Leere. Ich konnte in seinen Augen lesen was er dachte. - Afrika -

„Was die wohl von uns wollen?“, fragte ich mit ruhiger Stimme.

„Keine Ahnung“, sagte er. „Eins ist klar. Die rufen uns nicht zum Bananen pflücken. Und jetzt wird es dort Sommer. Wenn wir in die richtige Gegend kommen, werden uns die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit kaputt machen.“

Ich ging nachdenklich zurück ins Bett und machte mir etwas Sorgen um meinen Partner. Nick war immer der Kühnere von uns. Sein Verhalten machte mich unruhig. Das Aufbrausen am Abend zuvor nach dem Telefonat, das nachdenkliche Sitzen in der Küche. Das alles war nicht seine Art. Ich wollte Klarheit und ging nochmal in die Küche zurück.

Nick saß noch immer dort. „Willst du darüber reden?“, fragte ich ihn.

„Was gibt’s darüber zu reden? Wir werden morgen früh zum Hauptquartier fahren, unseren Auftrag abholen und ihn wie gewohnt ausführen. Ich habe nur so ein Scheißgefühl bei der Sache.“

Nick stand langsam auf und schaute mich mit sorgenvollen Augen an. Danach ging er ins Gästezimmer. Ich stand noch eine ganze Weile in der Küche und dachte über seine Worte nach. Ich löschte das Licht der kleinen Lampe und ging selbst schlafen.

Am nächsten Morgen wurde ich wach. Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor zehn. Ich hatte verschlafen … oder auch nicht. Ich zog mich an und ging in die Küche. Am gedeckten Tisch saß mit guter Laune und einer heißen Tasse Kaffee Nick.

„Alles gut?“, fragte ich etwas besorgt.

„Alles super“, entgegnete er mit lächelnder Miene.

„Und letzte Nacht?“, fragte ich etwas verwundert.

„Letzte Nacht war ich nur müde“, beruhigte er mich.

Ich kannte meinen Partner. Letzte Nacht war es nicht nur Müdigkeit, da war noch mehr als Nicht-Schlafen-Können.

Ich schaute Nick fragend einen Augenblick an. „Komm, setz dich, trink 'nen Kaffee und schieb dir ein Brötchen rein. Nachher fahren wir zum Hauptquartier und hören erstmal was sie zu melden haben.“ Ich setzte mich. Immer noch mit einem unwohlen Gefühl in der Magengegend.

Gegen elf Uhr fuhren wir zum Hauptquartier. Die Fahrt dauerte etwas über eine Stunde. In der ganzen Zeit diskutierten wir über den Anruf des vergangenen Abends. Am Ziel angekommen, zeigten wir nichtssagend am Tor unsere Ausweise. Der Pförtner machte die Schranke auf und wir fuhren zum Gebäude 625. Dieses war auch die Kommandozentrale, in der alle Informationen reingingen und auch die einzelnen Aufträge befehligt wurden.Wir stellten den Wagen auf einer der dafür vorgesehenen Parkplätze ab, marschierten geradewegs durchs Hauptportal und meldeten uns im Empfangsbereich. Die Empfangsdame telefonierte kurz und erklärte uns, dass wir uns im dritten Stock, Zimmer 341, beim Kommandanten Parker zu melden hätten. Er würde uns schon erwarten.

Der Fahrstuhl war nur einige Meter entfernt. Nick drückte den Knopf. Wir warteten und warteten. Aber nichts tat sich.

„Der ist defekt“, rief die junge Dame am Empfang.

„Na super. Und wieso hängt kein Hinweisschild an diesem Ding?“, wollte ich leicht genervt wissen.

„Der Hausmeister ist seit zwei Tagen krank. Er konnte sich noch nicht darum kümmern“, bekam ich zur Antwort.

„Und Sie waren nicht in der Lage, einen Zettel an die Aufzugtür zu nageln?“, kam es jetzt sehr barsch aus mir raus.

„Ich hatte keine Order, so ein Hinweisschild dort anzubringen“, zickte sie mich an.

Nick zog mich am Ärmel und meinte nebenbei: „Für so einen Blödsinn haben wir keine Zeit. Wir nehmen die Treppe und fertig.“

Ohne dieses zu kommentieren folgte ich ihm. Nick ging zügig, nein er rannte förmlich die Treppe hinauf. Oben angekommen war er nicht mal außer Atem. Erstaunlich. Er war über vierzig, aber noch fit wie eine junge Katze. Ich dagegen merkte die zwei Jahre ohne Training, die ich auf meinem Landsitz verbracht hatte. Ich war, zugegeben, etwas außer Atem.

Wir kamen zu Zimmer 341. Ich klopfte an und eine Stimme forderte uns herein. Im Raum saßen eine Frau und drei Männer an einem ovalen Tisch. Wir machten unsere Meldung. Der leitende Kommandant begrüßte uns und lud uns ein, am Tisch Platz zu nehmen.

„Was ist in Afrika?“, fragte ich den Kommandanten. Einen Augenblick war Stille im Raum. Einer der Männer stand auf und holte eine Karte, die er auf dem Tisch ausbreitete. Auf der Karte war Afrika abgebildet.

„Hier in mitten Afrikas ist der Kongo. Genauer gesagt die Demokratische Republik Kongo. 2,35 Millionen Quadratkilometer groß. Die Hauptstadt ist Kinshasa. Sie liegt im Westen des Landes. Dort werdet ihr euch bei unserem Mittelsmann melden. Von dort aus geht’s Richtung Nordosten nach Itoko. Das liegt am Fluss Lomela.“

Ich schaute Nick an, der sich ganz nachdenklich ruhig, aber mit großer Aufmerksamkeit den Vortrag anhörte. Ich beobachtete nur, wie seine Augen schnell zwischen Redner und Karte hin- und herwanderten.

„Was ist in Afrika?“, fragte ich ein zweites Mal. Aber jetzt mit Nachdruck.

„Wilderei im ganz großen Stil“, antwortete einer kurz von den Vieren, die am Tisch saßen. Nick fragte verwirrt: „Und was haben wir damit zu tun?“

Der Sprecher schaute uns erstaunt an und fragte vorsichtig: „Wurdet ihr nicht über diese Mission unterrichtet?“

„Nur, dass wir nach Afrika sollen“, entgegnete ich ihm. „Sonst gab es keine Informationen.“

„Wir hatten gehofft, ihr würdet uns beiden eine Safari schenken und einen Wellnessurlaub obendrauf als Dank, dass die uns beinahe in Kolumbien den Arsch abgeschossen hätten. Jetzt kommt ihr uns mit Afrika, wo ein paar Vollpfosten Jagd auf irgendwelche Viecher machen“, entgegnete Nick mit erhobener Stimme.

Der Redner der kleinen Truppe sah etwas erschrocken aus und konnte ein paar Sekunden nichts sagen. Ich hatte meine Hand auf Nicks Arm gelegt, um ihn zu beruhigen.

„Also, wir haben keine Informationen zu diesem Projekt bekommen. Wir wissen noch gar nichts. Was sind das für Wilderer? Wo kommen sie her? Wie sind sie bewaffnet oder wer ist der Führungskopf der Bande? In welchem Umfeld agieren diese Leute? Ich brauche alle Informationen“, sagte ich mit ruhiger Stimme.

„Das sind Informationen, die Sie uns beschaffen sollen“, forderte die Frau. „Die Regierung Kongos bat uns um Mithilfe, da sie nicht über Mittel und Personal verfügt, um die Sache in den Griff zu bekommen. Sie haben genug Erfahrung und Wissen, um diese Mission erfolgreich zu leiten.“

Nick ging langsam zum Fenster und schaute eine Weile nachdenklich hinaus. „Afrika. Scheiße“, zischte er leise durch die Zähne. Dann drehte er sich langsam um. Alle schauten ihn gespannt an. „Wann geht die Reise los?“, fragte er etwas lustlos.

„Wir haben heute Dienstag. Am Freitagmorgen um fünf Uhr werden Sie von uns abgeholt und zum Flughafen gebracht. Von dort nach Kinshasa. Mit dem Mittelsmann fliegen Sie nach Itoko. Von da an sind sie auf sich gestellt.“

„Na super“, sagte Nick leise vor sich hin. „Dann ist ja alles geregelt.“ Nachdem alles besprochen war, verabschiedeten wir uns und gingen zum Auto zurück.

Auf dem Flur blieb Nick plötzlich stehen, schaute mich einen Moment an und meinte: „Wenn wir diesen Auftrag überleben, dann gehe ich in Rente.“

Als wir durch das Hauptportal kamen und die Treppe hinuntergingen, blieb Nick wiederum nachdenklich stehen. Ich schaute ihn etwas ratlos an. Dann sagte er mit ruhiger Stimme: „In Kolumbien hatte ich ein gutes Gefühl bei der Sache. Es war schwierig, aber ich hatte ein gutes Gefühl. Bei diesem Auftrag habe ich ein ganz ganz schlechtes Gefühl in der Magengegend.“

Nach ein paar Sekunden Bedenkzeit meinte ich etwas lapidar, um die ganze Sache nicht noch mehr unnötig aufzuwerten: „Lass uns, wie früher, zu Carlo gehen und den Kummer runterspülen.“ Nick lächelte etwas, meinte aber, es sei besser, nach Hause zu fahren. Er müsse nachdenken.

*

Es war der Morgen des 6. Oktober als die Maschine vom Flughafen Heathrow London abhob und uns Richtung Afrika brachte. Nach etwa neun Stunden Flug erreichten wir den Airport de Ndjili. Die Maschine setzte auf der Landebahn ruhig auf und rollte anschließend zum Abfertigungshangar.

Die ganze Flugzeit saß Nick ruhig, aber gedanklich abwesend neben mir. Selbst das Essen mochte er nicht. Ich wollte fragen, ob er krank wäre, denn Nick aß eigentlich immer gut. Doch ich ließ es. Ich wusste ja, dass er sich Sorgen machte.

Wir kamen in die Abfertigungshalle. Am anderen Ende der Rolltreppe erblickten wir einen Mann in einem weißen Anzug und einem Strohhut. Dieses war unser Erkennungszeichen.

„Das muss unser Mittelsmann sein“, sagte ich zu Nick. Der schaute sich um und meinte: „Ich sehe keinen anderen im weißen Anzug mit Strohhut. Wir gehen mal hin und schauen uns den Burschen genauer an.“

Als wir zu dem Mann kamen, schaute er uns nur an, machte eine kurze Kopfbewegung und ging zu einer Seitentür. Wir folgten ihm hinaus zu einer kleinen einmotorigen Cessna.

Der Pilot saß bereits in der Maschine und machte den check-up. Erst jetzt stellte sich unser Mittelsmann vor. Er hieß Andre und kam aus Frankreich. Jack, unser Pilot, kam aus Kanada. Er flog dort als Buschpilot und brachte Post und Versorgungsgüter zu den Goldminen im Nordterritorium.

Wir standen noch mit unserem Gepäck in der Hand vor der Maschine, als Nick ein paar Schritte zurück ging und die Cessna begutachtete. Er stellte sein Gepäck ab und ging mit langsamen Schritten um das Flugzeug herum. Erst jetzt bemerkte ich, in was für ein runtergekommenes Gerät wir da einsteigen sollten.

„Seid ihr sicher, dass sich der Motor noch dreht, geschweige denn, dass der Schrott noch fliegt?“, fragte Nick etwas lautstark.

Jack machte das Seitenfenster auf und schaute Nick von oben nach unten abfällig an. Dann meinte er: „Ich habe dieses Baby schon fünfzehn Jahre und brauchte bis jetzt nicht einmal einen Schraubenschlüssel anlegen.“

Nick verdrehte die Augen und erwiderte: „Genau so sieht die Karre auch aus.“ Er kam auf mich zu und seine Augen verrieten, dass er stinksauer war.

„Sind die bekloppt, uns in so einen Trümmer einsteigen zu lassen? Welcher Vollpfosten kam eigentlich auf die saublöde Idee, uns in so einem Misthaken umkommen zu lassen?“ Nick trat vor Wut gegen seine Tasche. „Die Scheiße fängt schon gut an“, schnaufte er.

Jack saß noch immer fassungslos im Cockpit und wusste in diesem Moment nichts zu entgegnen. Andre stand leichenblass neben dem Fluggerät. Ich ging langsam auf ihn zu. „Andreeee“, sagte ich etwas angesäuert. „Du bist doch unser Mittelsmann, oder? Du bist doch für diesen Scheiß verantwortlich, oder?“

Andre ging ein paar Schritte zurück, als ich auf ihn zu ging. „Wo willst du denn hin?“, fragte ich genervt. Andre blieb stehen. Ich legte meinen Arm um seinen Hals und zeigte mit dem Finger auf die Cessna. „Ist das dein Werk?“, fragte ich mit ruhiger Stimme.

„Ja – ich konnte nichts anderes kriegen“, keuchte er unter der Last meines Armes. „Ich habe alles versucht. Jack ist der einzige, der uns fliegen kann.“ Ich ließ den kleinen schwitzenden Franzosen langsam wieder los.

„Und was ist mit einem Gerät auf vier Rädern, dass man auch Auto nennt?“, Nick war kurz vorm Platzen. „Oder gibt es so etwas nicht auf diesem Kontinent?“

„Doch doch“, entgegnete Andre. „Nur keine Straßen nach Itoko. Wir müssen ein paar hundert Kilometer über Urwald, Busch und Landschaft fliegen. Da gibt es keine Wege, geschweige denn Straßen. Da kommt ihr nicht mal zu Fuß durch.“

Nick und ich schauten uns einen Augenblick an. Dann meinte ich nur kurz. „Wir steigen ein.“

„In den Schrott soll ich einsteigen?“, brüllte Nick.

„Steig jetzt ein. Nützt ja nichts.“

Nick nahm seine Tasche, knallte sie in den hinteren Teil der Maschine und setzte sich wütend auf den Sitz. „Hey, bleib mal locker.“ Jack war etwas genervt.

„Halt einfach die Schnauze und bring den Müll in die Luft.“ Nick war jetzt auf hundertachtzig. „Und wenn irgendwas mit dem Vogel nicht in Ordnung ist, dann verfüttere ich dich an die Affen!“

Als wir alle in diesem sogenannten Flugzeug saßen, die Starterlaubnis erteilt bekamen und mit viel Lärm und Geschüttele in die Lüfte abhoben, bekam auch ich ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Ich hielt mich an Gurt und Sitz fest. Nick und ich hatten auf den hinteren Sitzen Platz genommen und in unserem Leben das erste Mal Angst.

Als unsere Flughöhe erreicht war, und wir immer noch nicht fassen konnten, dass das Ding überhaupt fliegen konnte, lehnte ich mich nach vorne, um den Piloten zu fragen, wie lange der Horrortrip dauern könnte. Da bemerkte ich, dass Jack eine Fahne hatte. Der Pilot war alkoholisiert. Im Klartext: Wir hatten zu allem Überfluss auch noch einen besoffenen Piloten. Ich sagte Nick nichts. Der wäre im Stande gewesen, Jack während des Fluges den Hals umzudrehen.

Nach etwa zwei Stunden Flug ohne Probleme, für uns immer noch ein Wunder, passierte genau das, was Nick befürchtet hatte – der Motor stotterte. Ich hielt die Luft an und hoffte auf ein Wunder. Dann war der Motor aus.

Stille, absolute Stille. Kein Motorgeräusch, kein Propeller, der sich drehte. Keiner sagte was. Mein Herz klopfte wie verrückt. Meine Hände verkrampften sich am Sitz. Ich bekam keinen Ton heraus. In meiner Verzweiflung sah ich zu meinem alten Wegbegleiter Nick. Der schaute mich nur mit großen Augen an. Wohl wissend, dass die Situation, in der wir steckten, aussichtslos war.

Wir waren in der Luft, ca. dreitausend Meter

über dem sicheren Boden, ein Motor der nicht lief und ein Pilot, der vor Alkohol nicht wusste, was er machte. Das waren die besten Voraussetzungen, um an diesem sonnenreichen Tag seinem Leben ein Ende zu setzen.

Jack versuchte verzweifelt den Motor zu starten, keine Chance. Nick schrie Jack an: „Schmeiß den verdammten Motor an.“

„Geht nicht“, erwiderte dieser panisch. In diesem Moment war unser Pilot total nüchtern. Aber das nützte uns jetzt nichts. Der Motor war aus und machte keine Anstalten wieder anzuspringen. „Mach die verdammte Maschine an.“ Nick brüllte den Piloten noch einmal an. Aber egal, was Jack auch machte, die Maschine wollte nicht.

Wir verloren schnell an Höhe. Das Flugzeug war nicht mehr zu halten. Andre schrie aus Panik, aber das nützte ihm nichts. Der Pilot wusste nicht mehr, was er machen sollte. Nick und ich saßen auf den hinteren Sitzen und konnten nichts tun. Wir sahen quasi auf unser Ende.

„Ich wusste, dass Afrika scheiße wird“, schrie Nick.

Jack versuchte eine geeignete Landebahn zu finden. Er machte noch eine leichte Drehung und setzte zur Landung an. Ich hörte nur noch wie es krachte.

*

Als ich zu mir kam, sah ich nur einen großen Felsen über mir. Der Schein eines Feuers ließ erkennen, dass ich unter einem Felsvorsprung lag. Ich überlegte, ob ich tot oder am Leben war. Dann versuchte ich langsam, meine Gelenke zu bewegen. Ich stellte zu meiner Überraschung fest, ich funktionierte noch.

Ich setzte mich auf. Da wusste ich, was mir fehlte. Kopfschmerzen. Enorme Kopfschmerzen. Ich fasste meine Stirn an und fühlte eine riesige Beule an meinem Schädel und übel war mir auch.

Ich schaute mich langsam um. Ich sah Nick an einem Lagerfeuer sitzen. Ein paar Meter weiter lag ausgebrannt unser Flugzeug. „Hallo Nick“, sagte ich etwas schwer.

„Hi“, antwortete er.

„Wo sind die anderen?“, fragte ich etwas verwundert.

„Sitzen noch drin“, antwortete Nick.

„Wo drin?“, wollte ich wissen.

„Na da drin.“ Er zeigte auf das Flugzeug. „Sind beide umgekommen. Haben es nicht geschafft. Ich habe es geahnt. Der Schrott da taugte nichts. Aber du musstest ja in dem Trümmer einsteigen. Und jetzt sitzen wir hier am Arsch der Welt und haben keine Ahnung, wo wir sind und wie wir hier wieder raus kommen.“

„Du hast recht“, gab ich zu. „Aber wir hatten keine andere Wahl.“

„Wir hatten eine Wahl“, entgegnete Nick. „Wir brauchten nur nicht einsteigen.“

Ich sah Nick an, hielt mit einer Hand meinen Kopf und mit der anderen fühlte ich meine Beule. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich wieder aufwachte, schien die Sonne. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich schon ohnmächtig im Sand lag, aber eins wusste ich, hier liegen bleiben ging gar nicht. Also versuchte ich, mich aufzuraffen und auf meine wackligen Beine zu stellen.

Ich ging ein paar Schritte unter dem Felsvorsprung weg, rüber zur ausgebrannten Maschine. Allmählich wurden meine Schritte wieder fester und sicherer. Ich schaute mich um, aber Nick war nicht zu sehen. Ich schaute auf das Flugzeug. Da saßen sie noch auf ihren Sitzen. Andre, unser Mittelsmann, und Jack der Buschpilot. Verkohlt und verbrannt. Ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Als ich dort so stand und mir die verkohlten Überreste der zwei Männer ansah, fiel mir auf, dass Nick immer noch nicht da war.

Ich fing an, mir Sorgen zu machen und legte etwas Holz auf das Feuer, um es nicht ausgehen zu lassen. Ich wartete eine Stunde oder zwei. Ich weiß es nicht mehr. Ich hatte überhaupt kein Zeitgefühl. Irgendwann hörte ich Schritte. Mir schoss es durch den Kopf – Wilderer. Diejenigen, die wir eigentlich aufspüren sollten.

Ich ging zurück zum Felsvorsprung, schaute mich noch mal kurz um und versteckte mich so gut es ging unter ihm. Mein Herz raste wie wild. Wenn die mich hier finden, dann bin ich geliefert. Die Leute kannten kein Erbarmen. Die knallten einen ab, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Schritte kamen immer näher. Ich kroch noch tiefer in mein Versteck. Ich presste mich ganz an die Wand und hielt den Atem an. Dann – ich konnte es kaum glauben, hörte ich Nicks Stimme und wie er meinen Namen rief.

Vor Erleichterung schloss ich meine Augen und atmete tief durch. Als Nick mich ein zweites Mal rief, gab ich mich zu erkennen. Er schaute in meine Richtung und fragte etwas verwirrt: „Wo warst du denn?“

Ich kam unter dem Felsvorsprung hervor und sagte: „Das könnte ich dich auch fragen. Ich dachte, es sind Wilderer, die hier ihren Streifzug machen.“

„Ich war Abendessen holen“, entgegnete Nick.

„Aus dem Supermarkt?“, fragte ich etwas spöttisch.

„Ach Quatsch“, winkte Nick ab. „Ich war auf der Jagd.“

„Und warst du erfolgreich?“, wollte ich neugierig wissen.

„Ich hatte Glück. Ein Rebhuhn hat sich in ein Dornendickicht verfangen. Ich brauchte nur noch zugreifen. Wie in der Wühlkiste im Supermarkt.“ Nick bekam dieses schelmische Lächeln im Gesicht, wenn ihm ein Plan geglückt war.

Als das Rebhuhn über dem Feuer hing und vor sich hin garte, schaute ich rüber zu unserem verkohlten Flugzeug. „Hast du etwas retten können?“, fragte ich mit ruhiger Stimme.

„Ja, dich“, antwortete Nick.

„Sonst noch irgendetwas Brauchbares?“

„Du warst das einzig Brauchbare, das ich finden konnte“, entgegnete Nick. Und wieder hatte er dieses verschmitzte Lächeln im Gesicht. Ich schaute ihn einen Augenblick an, fing an zu lachen und sagte nur: „Idiot“. Dann kehrte wieder Stille ein.

Nachdenklich stocherte ich mit einem Ast in der Glut. Nach einer Weile des Schweigens wollte ich doch wissen, was geschehen war. Ich schaute Nick an. Er sah mir ins Gesicht und sagte: „Der Motor fiel aus und der besoffene Pilot war nicht mehr in der Lage, das Ding vernünftig runterzubringen. Als wir dann aufschlugen, hab ich nur noch gesehen, wie du mit deinem Schädel auf den Hinterkopf von Andre knalltest. Dein Gurt funktionierte wohl nicht richtig. Ich weiß es nicht. Als wir zum Stehen kamen, fing die Karre an zu brennen. Ich schrie noch - raus hier – aber du warst bewusstlos. Ich konnte deinen Gurt nicht lösen. Ich schnitt ihn einfach mit meinem Messer durch. Dann musste ich mich etwas beeilen, denn die Flammen waren schon vorne im Cockpit und wir hatten keine Zeit mehr. Ich wollte die dämliche Tür öffnen, aber das Miststück klemmte. Ich trat mehrmals mit aller Kraft dagegen, bis sie endlich aufsprang. Ich schleppte dich dann unter diesen Felsvorsprung und sah noch, wie der Schrott mit Inhalt ausbrannte.“

Ich schaute Nick an und konnte nur ein „Danke“ herausbringen.

„Du hast mir so oft den Arsch gerettet. Jetzt war ich mal dran“, winkte er nur ab.

In der Nacht hatte ich Alpträume. Ich wachte schweißgebadet auf. Mein Mund und Hals waren trocken. Ich hatte Durst. Ich schaute mich um und sah Nick, wie er neben dem Feuer saß und nachdenklich in die Flammen starrte.

„Nick“, flüsterte ich. Aber er hörte nicht. „Nick“, flüsterte ich etwas lauter.

Er schaute hoch und sah mich fragend an. „Hast du etwas zu trinken?“ Meine Stimme war kratzig. Nick stand auf, nahm einen brennenden Ast aus dem Feuer, den er als Fackel nutzte, und sagte ruhig: „Ein paar Schritte von hier habe ich einen Bach gesehen.

Ich habe auch Durst.“

Nick ging voraus und ich dackelte hinter ihm her, wie ein Hund hinter seinem Herrchen. Nach ca. fünfzig Metern durch Sand, Steine und Busch hörte ich das Plätschern von Wasser. Nick zeigte mir eine Stelle, von der man gut an das Wasser herankommen konnte. Ein flacher Felsen, der ins Wasser ragte, gab mir die Möglichkeit, mich flach hinzulegen und den Durst zu löschen. Ich steckte den ganzen Kopf in das kühle Nass und ließ wenigstens zwei Liter in mir hineinlaufen.

Nachdem ich wieder hoch kam, schnappte ich nach Luft. Ich fühlte mich zehn Jahre jünger. Als ich mir die Tropfen aus dem Gesicht wischte, sah ich Nick neben mir stehen und dachte, gut dass ich einen Freund und Kameraden wie Nick Baker hatte.

Ich war mit ihm schon viele Jahre unterwegs. Ohne ihn wäre ich schon lange tot. Er war ein Mann, dem man zu hundert Prozent vertrauen konnte. Das war einer der Sorte Mensch, die nicht lange redeten, die handeln. Er redete nur, wenn es sein musste oder wenn er stinksauer war. Wir verweilten noch ein paar Minuten auf dem Felsen. Vorsichtig befühlte ich meine Beule am Kopf.

„Ist noch ein ganz schönes Ei, das du am Kopf hast“, bemerkte Nick.

„Macht nichts, wird schon wieder.“ Ich stand auf und wir gingen zurück zu unserem Lager.

In den letzten Stunden der Nacht konnte ich gut schlafen. Am nächsten Morgen waren meine Beule und die Kopfschmerzen weg. Bis auf das ich allmählich Hunger bekam, ging es mir gut. Nick schlief noch, als ich aufstand, um mich ein wenig umzuschauen.

Ich ging um den Felsvorsprung herum und kletterte etwa hundert Meter den Berg hinauf, um eine bessere Übersicht von der Gegend zu bekommen. – Busch – soweit das Auge reicht nur Busch. Die Sonne brannte jetzt schon in den frühen Morgenstunden und wir hatten keine Ahnung, wie weit es bis ins nächste Dorf war. Geschweige denn, in welcher Richtung es lag.

Und dann noch die Gefahr, dass wir von den Wilderern überrascht werden könnten. Ohne Ausrüstung und Waffen ein schwieriges Unternehmen. Ich ging wieder herunter, um Nick unsere Lage zu erklären.

Unten angekommen sah ich, wie er auf ein großes Blatt Beeren und Nüsse gelegt hatte.

„Wo hast du die denn her?“, fragte ich überrascht.

„Hängen überall herum. Brauchte nur ein paar Meter da rüber gehen.“ Nick zeigte mit seinem Finger in eine Richtung.

Auch dieses beherrschte er – organisieren. Einer wie Nick wusste immer, wo man was bekam. In diesem Fall unser Frühstück.

Ich erklärte ihm während des Essens unsere Lage. „Ich weiß“, sagte Nick mit ruhiger Stimme. „Ich bin vorgestern schon oben gewesen. Keine gute Sache.“

Ich schaute ihn fragend an. „Wie lange war ich denn bewusstlos?“

„Drei Tage. Ich hatte schon gedacht, du kommst nicht durch. Dieser Buschpilot. Wenn der seine Kiste besser aufgepasst hätte, wären wir jetzt in Itoko und er noch am Leben.

„Drei Tage?“, fragte ich fassungslos. „Drei Tage habe ich hier rumgelegen?“

„Drei Tage“, beteuerte Nick.

„Und was hast du in der Zeit gemacht?“, bohrte ich weiter.

„Die Gegend erkundigt und aufgepasst, dass dich kein großes Tier vernascht.“

Ich schaute Nick fassungslos an und dachte nur, wir haben wegen dem Crash drei Tage verloren. So ein Scheiß. Und jetzt sitzen wir hier am Arsch der Welt und haben keine wirkliche Idee, wie wir aus dem Schlamassel rauskommen können.

*

Nach dem Frühstück stand Nick auf, musterte mich und fragte: „Bist du okay?“

„Ja. Wieso?“

„Wir werden jetzt losmarschieren und versuchen, uns bis nach Itoko durchzuschlagen. Da wir im geheimen Auftrag unterwegs sind, werden wir die nächste Zeit von keinem Menschen vermisst“, erklärte er kurz.

„Diese Situation hatten wir zur Genüge. Aber du hast recht, wenn wir nicht allmählich loslaufen, dann sind wir noch Weihnachten hier.“

Wir löschten das Feuer, ermittelten anhand von Zeit und Sonnenstand die Himmelsrichtung und marschierten los. Wir liefen Richtung Nordosten und vermuteten, dass dies die richtige Richtung war. Die Karte von dieser Gegend bestand nur aus der Erinnerung. Wir sahen sie das letzte Mal bei der Besprechung im Hauptquartier.

Das Kartenmaterial und all unsere Sachen sind bei dem Flugzeugabsturz verbrannt. So liefen wir also los. Ohne geeignete Ausrüstung und ohne Waffen, die wir zu unserem Schutz benötigt hätten.

Wir kamen an dem kleinen Bach vorbei, aus dem ich gestern meinen Durst gelöscht hatte. Dort tranken wir noch einmal ergiebig und liefen dann schnurstracks Richtung Nordosten. Es war Mittag und die Sonne brannte erbarmungslos. Der Weg, den wir gewählt hatten, bestand hauptsächlich aus Fahnen und Dickicht. Wenn man einen Bambus halb aufspaltet, dann bekommt man eine scharfe Seite. Für eine gewisse Zeit konnten wir dies als Machete benutzen. Abwechselnd schlugen wir uns den Weg frei.

Nach Stunden mühevoller Schwerstarbeit, sich einen Weg durch Dornenbüsche, Fahnen und andere verwachsener Schlingpflanzen durchzuarbeiten, kamen wir erschöpft und mit blutigen Händen an einer kleinen Lichtung an. Hier beschlossen wir, unser Nachtlager aufzuschlagen.

Ich sammelte trockenes Holz für ein gutes Lagerfeuer. Nick dagegen versuchte aus Ästen und Schlingpflanzen Fallen zu bauen, um mit diesen etwas Essbares zu organisieren. Beides erwies sich als schwierig.

Nach etwa drei Stunden hatten wir etwas Essbares auf dem Feuer. Aus Bananenblättern bauten wir uns ein Nachtlager. Als die Nacht einbrach und wir so am Feuer saßen, erinnerte ich mich an meine Anfangszeit beim Militär.

Es war im Herbst 1986. Ich war im zweiten Ausbildungsjahr. Als ich eines abends von der Arbeit kam, sagte meine Mutter zu mir, dass ein Brief von der Bundeswehr auf dem Wohnzimmertisch läge. Ich öffnete ihn und las jede Zeile sorgsam durch. – Musterung zum militärischen Wehrdienst am Mittwoch, den 15. Oktober 1986.

„Na klasse, bin noch nicht mit der Ausbildung fertig und die schreiben mir schon Willkommensbriefe.“ In drei Wochen kann ich die Hosen runter lassen und so ein Militärarzt schaut sich an, ob du für den Job die richtigen Beine hast. Ich hatte an allem Lust. Aber zur Bundeswehr? Dort sollte ich meine kostbare Zeit vergeuden? Es nützte nichts. Der 15. Oktober kam und zu meinem ganzen Überfluss wurde ich auch noch mit Eins gemustert. Die konnten mich für jeden Blödsinn gebrauchen.

Nach meiner Ausbildung konnte ich noch ein paar Wochen in meinem alten Betrieb arbeiten. Dann lag er da. Wieder auf dem Wohnzimmertisch - die Einberufung -. Bevor ich den Brief öffnete, hoffte ich, dass ich heimatnah eingezogen würde. Ich öffnete den Brief und musste feststellen, dass ich über siebenhundert Kilometer von zu Hause als Gebirgsjäger eingesetzt wurde. „So ein Scheiß“, sagte ich laut.