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Verwicklungen von Tod, Gefahr und Monstern. Elliana und ihre sexy Gestaltenwandler müssen der Rache einer Hexe entkommen. Im Alter von acht Jahren verlor Elliana ihren Vater, ihre Zukunft und ihre Freiheit im Austausch gegen ewige Gefangenschaft. Ganz zu schweigen von unvorstellbar langem Haar. Gefangen in einem Turm, bewacht von einem magischen Wasserspeier, wagt Elliana einige kühne, vom Unglück verfolgte Fluchtversuche auf der Suche nach einer mächtigen, versteckten Waffe, welche sie befreien und die Steinkreatur ein für alle Mal töten könnte. Um dies aber zu tun, muss sie einen durchtriebenen Drachenwandler, einen wilden Löwenwandler mit viel zu viel seelischem Ballast und einen verschlagenen Tigerwandler herbeirufen. Aber die Hexe, die Elliana verzaubert hat, kehrt zurück, um Elliana den Rest zu geben. Kann sie sich und die drei heldenhaften Gestaltenwandler, an die sie allmählich ihr Herz verliert, retten, bevor sie alle sterben? Drachen, Löwen, magisches Haar und eine Liebe vereinen sich in diesem herzzerreißenden Märchen, welches sein eigenes, einzigartiges ‚glückliches Ende‘ findet.
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Seitenzahl: 514
Die Diebestochter von Wildfire © Urheberrecht 2020 Mila Young
Einbandkunst von Covers by Christian
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Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Fünf Jahre später
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Neunzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Kapitel Dreiundzwanzig
Kapitel Vierundzwanzig
Kapitel Fünfundzwanzig
Kapitel Sechsundzwanzig
Kapitel Siebenundzwanzig
Kapitel Achtundzwanzig
Vier Tage später
Kapitel Neunundzwanzig
Eine Woche später
Wie Man Eine Fee Fängt
Über Mila Young
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Die Diebestochter von Wildfire
Verwicklungen von Tod, Gefahr und Monstern. Elliana und ihre sexy Gestaltenwandler müssen der Rache einer Hexe entkommen.
Im Alter von acht Jahren verlor Elliana ihren Vater, ihre Zukunft und ihre Freiheit im Austausch gegen ewige Gefangenschaft. Ganz zu schweigen von unvorstellbar langem Haar.
Gefangen in einem Turm, bewacht von einem magischen Wasserspeier, wagt Elliana einige kühne, vom Unglück verfolgte Fluchtversuche auf der Suche nach einer mächtigen, versteckten Waffe, welche sie befreien und die Steinkreatur ein für alle Mal töten könnte. Um dies aber zu tun, muss sie einen durchtriebenen Drachenwandler, einen wilden Löwenwandler mit viel zu viel seelischem Ballast und einen verschlagenen Tigerwandler herbeirufen. Aber die Hexe, die Elliana verzaubert hat, kehrt zurück, um Elliana den Rest zu geben. Kann sie sich und die drei heldenhaften Gestaltenwandler, an die sie allmählich ihr Herz verliert, retten, bevor sie alle sterben?
Drachen, Löwen, magisches Haar und eine Liebe vereinen sich in diesem herzzerreißenden Märchen, welches sein eigenes, einzigartiges ‚glückliches Ende‘ findet.
Die Königreiche von Haven lagen über Jahre hinweg im Krieg. Verzweiflung herrschte über das Land sowie auch seine Bewohner. Um dem Töten und der Zerstörung ein Ende zu bereiten wurde das Reich in sieben Königreiche aufgeteilt, eines für jede Rasse, beherrscht vom Adel, der damit betraut wurde die Waffenruhe zu wahren. Über Jahrhunderte hinweg erhoben sich Königreiche und fielen, die Mächte der Regierenden nahmen zu und schwanden. Und der Frieden zwischen den Ländern bestand. Aber die Korruption wuchs, brachte Dunkelheit über die Königreiche und es drohte die Rückkehr von Krieg und Leiden nach Haven.
Als ich aus dem Fenster des Turms kletterte, rieb ich meine geschwollene Lippe und wimmerte kurz vom stechenden Schmerz. Mein Rücken zwickte noch von den Peitschenhieben, die mir letzte Nacht zugefügt wurden, doch ich hielt nicht an. Heute brach ich aus. Ich würde alles riskieren, um meinem Entführer zu entkommen, um in Freiheit zu gelangen. Und um den Wahnsinn, der sich in den letzten acht Jahren geformt hatte, davon abzuhalten, meinen Verstand aufzufressen.
Die Sonne versank hinter dem Horizont aus Bäumen, den Himmel in blutrote Streifen tunkend. In der Ferne segelte der Bastard, der mich jedes Mal beim Verlassen des Turms geschlagen hatte, durch den Himmel. Er griff alles an, was sich dem Turm näherte, schlug mit seinen Flügeln aus Stein und sein scheußliches Wasserspeiermaul stand offen. Die Vögel pickten das Futter, das ich gestern nahe dem Wald ausgestreut hatte, damit ihr Auftauchen als Ablenkung für meine Flucht dienen konnte und er sich auf sie stürzte. Außerdem hatte ich noch mehr Essen auf dem Feld verteilt, sodass es noch Dutzende weitere Unruhen durch die Tiere gab, die sich zu den Gerüchen hingelockt fühlten.
Mir drehte sich der Magen um und meine Hände zitterten, aber ich konnte mich nicht zurücklehnen und aufgeben. Ich rutschte an dem behelfsmäßigen Tau, das ich aus Bettlaken zusammengeknotet hatte, hinunter.
Die Hexe mit den violetten Augen hatte mich vor acht Jahren in den Turm gesperrt und war nie zurückgekehrt, um nach mir zu sehen oder um sich darum zu kümmern, das einzige Fenster des Turms zu vergittern. Wieso sollte sie dies auch, da sie einen furchtbaren Wasserspeier dazu verdammt hatte, über mich zu wachen? Offensichtlich war ich ein Niemand und sie hatte mich wahrscheinlich bereits vergessen. Anderseits aber hatte sie dafür gesorgt, dass auf magische Weise Nahrung im Turm erschien, fast so, als hatte sie geplant, dass ich dort für alle Ewigkeit sitzen sollte. Schon oft hatte ich versucht zu fliehen, aber jedes Mal endete es damit, ausgepeitscht und zurück in den Turm geworfen zu werden. Ich hasste sie und eines Tages würde ich meine Rache bekommen.
Beeile dich. Das ist deine Chance, wiederholte die Stimme meines Unterbewusstseins in meinem Kopf, so wie sie es immer tat. Sie erinnerte mich an meine Fehler, was ich tun sollte und andere nervende Dinge. Dieses Mal aber hatte sie Recht damit, dass ich mich beeilen sollte. Die Stimme in meinem Kopf war an meiner Seite, seit ich in den Turm geworfen wurde. Ich nannte sie meine imaginäre Freundin, aber ich war nicht dumm und wusste, dass es nur eine Eigenart meines verdrehten Verstands war, mit der Einsamkeit fertigzuwerden. Ja, ich redete mit mir selbst und meine Gedanken antworteten, aber sie leisteten mir einen Hauch von Gesellschaft. Alles was half, um den Wahnsinn, mit mir alleingelassen worden zu sein, aufzuhalten.
Ich kraxelte aus dem Fenster. Der Rucksack auf meinem Rücken hüpfte während ich Stück für Stück nach unten kletterte.
Über mir glitt der Wasserspeier auf das Dach des Turms zu und ich erstarrte. Schweiß bildete sich auf meiner Haut und mein Hemd klebte an meinem Körper fest, als ich anfing zu zittern. Meine Arme schmerzten vom Festhalten, aber wenn ich mich auch nur einen Millimeter bewegte, würde er mich sehen. Ich kniff meine Augen zusammen und betete, dass er weiterflog und ein wehrloses Tier im Wald tötete, oder irgendetwas in der Art.
Abgebrochene Steine fielen vom Dach. Ich öffnete meine Augen.
Er war verschwunden und ich rutschte eilig nach unten. Plötzlich erschlaffte aber der Stoff in meinen Händen, ich fiel und fuchtelte mit meinen Armen wild um mich. Ein kurzer Aufschrei erstickte in meinem Hals. Das Seil fiel aus dem Fenster, zusammen mit dem Tisch, an dem ich es festgebunden hatte. Dumpf traf ich auf den großen Büschen auf und die Luft entwich aus meinen Lungen. Ich stöhnte. Der Stoff landete sofort auf mir und ich schützte meinen Kopf mit meinen Armen. Der Tisch schlug nur Zentimeter von mir entfernt auf. Als er in Dutzende Stücke zerbrach krachte das Holz laut.
Mein Herz raste und es war unmöglich zu atmen. Ein Schatten tauchte über mir auf und ich ließ mich unter die Büsche rollen. Ich hatte eine Gänsehaut beim Gedanken daran, dass das Monster kam, um mich zu holen, und mich schlagen würde, bis ich mich in meinem eigenen Blut winden würde.
Aber es passierte nichts.
Ich lugte aus meinem Versteck heraus und sah, wie der Wasserspeier noch ein paar Vögel jagte. Also raffte ich mich auf und rannte um den Turm herum. Überreste der Ruine waren auf dem Feld verteilt und ich sprang über sie, während der Wind an meiner Kleidung riss. Ich schob die Träger meines Rucksacks, in den ich mein wahnsinnig langes Haar gestopft hatte, wieder auf meine Schultern hoch.
Niemals stehenbleiben. Das ist deine Chance.
Mein Puls pochte in meinen Ohren. Gänsehaut arbeitete sich an meinen Beinen hinauf. Ich blickte zurück. Keinerlei Anzeichen. Die Kreatur würde lang genug abgelenkt sein, damit ich ein gutes Stück Strecke zurücklegen konnte.
Bei meinem letzten Fluchtversuch war ich jemandem begegnet. Einer Magieformerin, die zugestimmte hatte, eine Zauberformel zu schaffen, die dem Wasserspeier den Rest geben würde, aber ich musste die Mixtur bei ihr Zuhause abholen. Sie verlangte den saftigen Preis von zehntausend Goldmünzen, wofür man sich ein kleines Herrenhaus leisten konnte. Natürlich hatte ich das Geld nicht, was ich der Hexe auch versucht hatte klar zu machen. Stattdessen hatte ich ihr versprochen, sie in Raten zu bezahlen. Andernfalls hätte sie sich mein Blut geholt. Falls ihr Zauber funktionierte und ich den Wasserspeier loswurde, war ich endlich meinem Gefängnis entkommen. Das bedeutete, dass ich jede Beschäftigung aufnehmen konnte, um das Geld, welches ich ihr schuldete, zu verdienen.
Ich rannte in den dichten Wald. Der Wasserspeier würde mich früher oder später finden. Er hatte mich immer nach einer gewissen Zeit aufgespürt und ich kam zu dem Schluss, dass er riechen musste, wo ich hinging. Doch jetzt musste ich Zeit gewinnen, um das Haus der Hexe zu erreichen. Furcht drückte mir auf die Lungen, da ich das letzte Mal, als ich mit der Hexe Geschäfte gemacht hatte, wieder im Turm gefangen endete. Konnte ich einer anderen Magieformerin wirklich vertrauen?
Die Nacht legte sich über die Wälder. Ich sprang über einen toten Baumstamm und duckte mich unter einem tiefhängenden Ast hindurch. Als ich endlich den Pfad in den Wald erreicht hatte, bog ich links ab und rannte los. Meine Lungen brannten vor Sehnsucht nach Luft. Um die nächste Biegung herum sah ich die Rückseite einer Kutsche. Das war meine Mitfahrgelegenheit.
Ich stand in der Nähe von Ghost, einem kleinen Dorf, welches nur nachts für jeden, der sich in die Tiefen Darkwoods traute, geöffnet war. Niemand lebte hier. Es war lediglich ein Vergnügungszentrum für jene, die Wetten abschließen oder sich betrinken wollten, oder eine Dame für nur eine Nacht suchten.
Aber ich hatte auch herausgefunden, dass die Kutsche, die aus Tritonia hierhergekommen war, Rum lieferte. Das schwarze Fahrzeug hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Der Wagen war mit einem straffen Baldachin bespannt und die Rückseite stand offen. Perfekt. Ich rannte schneller, aber die Kutsche war einfach zu flott.
„Wartet!“, rief ich und sprintete ihr hinter her. „Bitte, wartet!“
Der Karren verschwand in den Schatten und ich begann vor Verzweiflung zu weinen. Um Luft ringend blieb ich in der Mitte des Wegs stehen und mein Magen vollführte Saltos.
Er wird dich holen. Lauf weiter.
Ich beobachtete die leeren Wälder hinter mir und erschauderte. Vor mir lag das kleine Dorf, zusammengedrängt zwischen den saftigen grünen Bäumen, in dem es quasi nur zwei Geschäfte gab: eine Taverne und einen Massagepalast. Ich konnte das Trampeln der Hufe der Pferde hören und eilte voran, als eine weitere Kutsche hinter der Taverne auftauchte. Gelächter schallte aus dem Inneren des Gebäudes.
Die Kutsche wurde von zwei furchterregenden schwarzen Hengsten gezogen. Beide hatten je zwei rote Hörner auf der Stirn und spuckten Feuer. Es gab keinen Reiter, der diese Bestien lenkte. Ich begann zu zittern und wich zurück.
Drachenpferde. Sie waren größer und schneller als ein durchschnittliches Pferd. Sobald sie gelernt hatten, einem Weg zu folgen, ritten sie, ohne für irgendjemanden anzuhalten. Ich hatte in Büchern über sie gelesen, da die Hexe, die mich eingesperrt hatte, einen Sinn für Humor hatte. Sie hatte den Turm mit Möbeln ausgestattet, erschuf auf magische Weise Essen, Kleidung und Wände voller Bücher. Vielleicht dachte sie sich, wenn ich schon von der Welt abgeschnitten war, konnte ich wenigstens über sie lesen.
Beweg dich. Bereite dich vor.
„Ja, ich weiß.“ Ich eilte den Weg an die Stelle entlang, wo er sich mit dem Pfad, der ins Dorf führte, vereinte und wartete hinter einem Baum.
In dem Moment, als die Kutsche vorbeifuhr sprang ich hinten an der Stelle, an der die Abdeckplane im Wind flatterte, auf. Darin begrüßte mich die Dunkelheit und während die Kutsche unter mir polterte krabbelte auf allen Vieren nach vorne. Leere Holzkisten waren an den Seiten der Kutsche festgebunden, also hockte ich mich in eine Ecke, kauerte mich zusammen und umklammerte meine Knie. Ich betete, dass der Wasserspeier noch nicht gespürt hatte, dass ich verschwunden war, und dass wir schnell genug vorankamen, um dem Monster zu entkommen… zumindest, für längere Zeit als jemals zuvor.
Der Mond ging hinter den aufkommenden Wolken auf und tunkte die offenen Felder in eine unheimliche Dunkelheit. Bereits vor einiger Zeit war ich aus der Kutsche gesprungen und hatte eilig die Wälder durchquert. Nur wenige Sterne glitzerten am schwarzen Himmel. Trotz meines abgehackten Atems und meiner schmerzenden Muskeln setzte ich einen Fuß vor den anderen. Den ganzen letzten Tag war ich schon auf der Flucht.
Halte niemals an.
Ein rascher Blick über meine Schulter und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Zu meinem Erstaunen bewegte sich hinter meinem Rücken keine einzige Silhouette durch den Wald. Der Himmel blieb ruhig und friedvoll. Keine Bewegung. Das musste aber nichts bedeuten. Er kam jedes Mal hinter mir her, fand mich und schlug mich. Allein bei dem Gedanken daran musste ich nach Luft schnappen und noch schneller rennen. Ich musste ein gutes Stück Weg zwischen ihn und mich bringen.
Die Träger meines Rucksacks umklammernd rannte ich auf die Lichter zwischen den hohen Bäumen vor mir zu. Sie funkelten wie Glühwürmchen. Mein Ziel war Wakefield, ein Dorf in diesem gottverlassenen Tritonia Königreich. Schweißtropfen perlten auf meiner Oberlippe. Ich wischte sie fort und verabscheute diese Luftfeuchtigkeit, während die Insekten versuchten, mir meine Augenlider wegzufressen. Ich war bereits die meiste Zeit des Tages und die halbe Nacht auf der Flucht. Aber das war meine Chance, mich aus meinem Gefängnis zu befreien, um niemals mehr eingesperrt und vergessen zu werden. Verzweiflung kroch durch mein Innerstes.
Die heiße, stickige Luft hinter mir wurde von einem kreischenden Heulen durchzogen.
Ich zuckte zusammen und wirbelte herum. Mein Atem stockte und meine Hand legte sich um den Dolch an meinem Gürtel. Dieser gnadenlose Ort war still, von der Nacht verschluckt, und meine Zuversicht von vorhin wich dahin.
Halte niemals an! Wenn der Wasserspeier dich dieses Mal erwischt, wird er mehr als nur deine Knochen in Stücke brechen.
„Ja, du hast ja Recht“, murmelte ich mir leise zu und war dankbar, dass sie mit mir sprach. So fühlte ich mich nicht so allein.
Zitternd rannte ich weiter.
Die Rettung ist nah. Ja, du schaffst das.
Flammen erleuchteten die Straße in der Ferne und ich kam ihnen näher. Ein brackiger, salziger Geruch kam über mich. Der Ozean war nah—der Ort, an dem die Piraten plünderten, Hexen regierten und Meerjungfrauen lauerten, um dich in deinen Tod zu locken, wenn du es wagtest, in ihr wässriges Königreich einzudringen. Aber das und noch viel mehr würde ich riskieren, um die Freiheit zu erlangen. Um den Wahnsinn, der meinen Verstand verschlang, und die Qualen, die meinen Körper zerstörten, aufzuhalten.
Verzweiflung lag mir schwer auf dem Herzen. Mein Entführer war mir auf der Spur, irgendwo.
Tick tack. Tick tack.
„Genug!“ Ich hatte es alles geplant.
Weiche dem Wächter aus.
Sammle den Zauber ein, um ihm auszurotten.
Setze diesem Leben in Gefangenschaft ein Ende.
Den schweren Rucksack auf meinem Rücken zurechtrückend und mit meinem Haar, das zu lang und zu sperrig war, um es ordentlich verstauen zu können, trampelte ich durch das Gras und die Blätter und eilte auf das Dorf zu. Ich verließ den Wald. Das kleine Dorf bestand aus vereinzelten Hütten mit dunklen Fenstern, fast so, als waren sie unbewohnt.
Einige Häuser säumten den breiten Feldweg. Keine Zähne, nur Sträucher und Blumen. Bei Tageslicht war dieser Ort sicher ein malerisches Fleckchen, aber im Moment hätte es genauso gut auch ein Alptraum sein können. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ mich erzittern.
Bring es einfach hinter dich. Beeile dich.
Knochen, die an ein Seil gebunden waren, baumelten auf der Terrasse eines Hauses und klapperten im plötzlich aufkommenden Wind, so als würden sie den Hausbesitzern meine Ankunft verkündigen. Riesige Eichenbäume mit Ästen, die sich weit verzweigten, standen wie eine Wand hinter den Häusern. Sie rauschten und schienen in der warmen Brise, die um mich herumwirbelte, zu flüstern.
Ich eilte voran und ignorierte die drei Katzen, mit Augen so hell wie Lichter, die über ein Stück Rasen schlichen. Ihr schwarzbraunes Fell flatterte im Wind. Sie waren nicht ausgemergelt, also musste sie jemand gut füttern.
Die Stille traf wie ein kalter Windzug mit schroffen Ecken auf meine Haut. Ich atmete schwer und sah mir die behelfsmäßige Straße gut an. Die Hexe hatte mir Anweisungen gegeben und ich war ihnen bis ins kleinste Detail gefolgt. Die dicken Wälder von Tritonia hinter sich lassen. Erledigt. Der silberne Himmelskörper hing voll über mir. Erledigt. Gruseliges Dorf, in dem Hexen lebten. Erledigt. Ja, das war der richtige Ort. Nun musste ich das Haus der Hexe, in dem nur eine einzige Kerze auf dem Fensterbrett brannte, finden.
Hör auf, über alles so viel nachzudenken. Beweg dich.
Ich rollte mit den Augen und marschierte an einem zweistöckigen Gebäude vorbei, das mit kleinen Knochen verkleidet war… warte, nein! Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Es waren nur schrumpelige Ranken, die alle Blätter abgeworfen hatten.
Der Wind preschte gegen mich, Knochen klapperten und die Katzen jammerten. Gruselige, nackte Puppen waren in einem Vorgarten verteilt und ich rannte schnell daran vorbei. „Bitte, erwacht nicht zum Leben.“
Ich zog die Träger meines Rucksacks erneut fester über meine Schultern und ging auf das letzte Haus der Straße zu. Eine einzige Kerze war auf dem vorderen Fenstersims abgestellt. Das musste es sein.
Mein Fleisch wurde von einer Gänsehaut überzogen und ich warf einen Blick hinter mich. Die Straße war verlassen. Kein Schatten, der mir folgte.
Bring es schnell hinter dich.
„Was du nicht sagst.“ Ich lief einen steinigen Weg entlang des Hofs auf die Terrasse zu. Die Stufen quietschten unter meinen Füßen. Ich klopfte und betete, dass ich keinen Fehler gemacht und das falsche Haus ausgesucht hatte. Heute Nacht musste ich wirklich keine Hexe verärgern.
Ich sah mich um, aber es gab kein Anzeichen meines Verfolgers.
Als sich die Tür öffnete wirbelte ich herum. Mir stand Vanore, die Hexe, die ich in Darkwoods getroffen und die versprochen hatte, mir zu helfen, gegenüber. Ihr Lächeln gab mir nun Hoffnung und ich atmete tief voller Erleichterung aus. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem, der Mitleid ausstrahlte. Aber das war mir egal. Wenn ihr dies das Gefühlt gab, mir helfen zu wollen, dann ja, durfte sie mich ruhig bis in alle Ewigkeit bemitleiden.
Die geschwungenen Tattoos auf ihren Wangen und ihrer Stirn legten sich, als sie wieder lächelte, in Falten. Zum Vorschein kamen zwei goldene Eckzähne. Ihre Haut war tiefbraun und ihre Augen waren schwarz wie Teer. Sie passten zu ihren Rastalocken. Sie stemmte sich die Hände in die Hüften ihres malvenfarbigen Kleids, dessen Ärmel lang und zerknittert waren.
„Hey, Elliana, Mädchen. Ich dachte schon, du hältst dich nicht an unsere Abmachung.“ Sie hatte einen R-lastigen Akzent. Jedes Mal, wenn sie den Buchstaben ‚R‘ betonte, trillerte es. Sie streckte ihre Hand aus und packte mich am Ellbogen. Ihr Griff war stahlhart. „Lass uns hineingehen.“ Sie starrte auf etwas hinter mir. „Es bringt nichts Gutes mit sich, in einem Türdurchgang herumzulungern.“
Als ich mich umdrehte, um nachzusehen, zog sie mich in ihr Haus und knallte die Tür zu. Ich hätte Angst haben sollen, aber ich war verzweifelt und bereit, jedem zu vertrauen, der mir eine Erlösung bieten konnte. Und wenn man das große Ganze betrachtete, würde ich es mit der Hexe mit dem sanften Blick auf einen Versuch ankommen lassen.
Ein starker Geruch von Gewürzen und verbranntem Holz lag in der Luft. Zu meiner Rechten stand ein abgenutztes braunes Sofa im Wohnzimmer. Einmachgläser mit verschiedenen Kräutern und eine große Schale, vollgepackt mit weißen und schwarzen Federn, standen auf dem Couchtisch. An den Fenstern hingen löchrige Vorhänge und nur einer von ihnen war an der Stelle aufgezogen, an der die einsame Kerze auf dem Fensterbrett brannte. Weitere Kerzen standen verstreut auf dem Kaminsims. Ich bezweifelte aber, dass es in Tritonia jemals so kalt wurde, dass man ein Feuer anzünden musste.
„Schönes Haus.“ Mein Blick senkte sich auf die tote Krähe auf dem Boden nahe dem Tischbein. Ihre Klauen ragten in die Luft und sie war größer als mein Fuß. War sie das Abendessen, für einen Zaubertrunk notwendig oder ein Glücksbringer?
„Meine Mama hat mir das Haus hinterlassen und sie bekam es von ihrer Mama vermacht. Es ist seit fünf Generationen im Besitz der Familie und jetzt gehört es mir.“ Ihre Stimme senkte sich und ich wandte mich ihr zu, während sie in einem großen Weidenkorb für dreckige Wäsche wühlte, den sie aber, wie ich annahm, für andere Zwecke nutzte.
„Und kein Mann wird mein Haus in seine stinkenden Finger bekommen!“ Sie zischte das Wort Mann und ich dachte mir, dass sie einige unverarbeitete Probleme hatte. Das war aber nicht meine Sorge, denn ich hatte seit Jahren keinen Mann getroffen. Abgesehen von den kindlichen Erinnerungen an meinen Vater und die Menschen, die er besuchte, um Geschäfte zu machen, war ich keinem Mann mehr begegnet. Er war ein bekannter Dieb und berüchtigt für seine Fähigkeiten im Darkwoods Königreich. Meine Mutter hatte ich nie kennengelernt und er weigerte sich, über sie zu sprechen. Papa hatte mich aber zu jedem Raubüberfall mitgenommen und nutzte mich als seine Entschuldigung, wenn er das Grundstück einer Person betrat. Ich tat so, als würde ich weinen, damit die Leute dachten, er würde ein aufgebrachtes Kind beruhigen, das auf ihren Hof gelaufen war. Aber der Großteil des Abschaums, mit dem Geschäfte machte, hatte ihn, wenn es um die Bezahlung ging abgezockt. Es schien, als war das vor einer Ewigkeit gewesen. Als ich acht Jahre alt war, hatte er den furchtbaren Fehler begangen, von einer Hexe zu stehlen, und mein Leben hatte sich für immer verändert. Er bezahlte mit seinem Leben, ich wurde in den Turm gesperrt und dort von dem Wasserspeier festgehalten. Es verging nicht ein Tag, an dem ich nicht daran dachte, die Hexe aufzuspüren und sie mit ihrem Leben dafür bezahlen zu lassen.
Vanore schnalzte mit ihrer Zunge und meine Konzentration richtete sich wieder auf sie.
„Die meisten Männer sind Bastarde“, fügte ich hinzu, um die Stille zwischen uns zu füllen.
„Ja, da hast du Recht. Sie treffen Entscheidungen primär mit ihrem Schwanz, die Konsequenzen ihres Handelns kommen dann erst später.“ Sie schaute mich an. „Wie alt bist du? Vierzehn oder fünfzehn? Auf jeden Fall alt genug, um dir solche Ausdrücke anzuhören.“ Sie stöhnte und konzentrierte sich wieder auf ihren Weidenkorb.
„Ich bin sechzehn.“ An den meisten Tagen fühlte ich mich aber wie ein Kind, das nichts außer den Dingen, die es in Büchern gelesen hatte, über das Leben wusste. Aber jetzt genoss ich Vanores Gesellschaft und dass sie mit mir umging, als war ich normal. „Hört sich an, als wärst du einigen schlechten Männern über den Weg gelaufen.“ Ich schlenderte zu einem Schränkchen hinüber und sah mir die Sammlung der zerfledderten Bücher an, die aufeinandergestapelt waren. Die meisten hatten keinen Buchrücken oder Deckel mehr, aber jene, die noch gebunden waren, hatten Titel wie Magie für Seefahrer, Wie man die Elemente kontrolliert, oder Kräuter und Krankheiten.
„Sie haben eine spitze Zunge und sind als Katzen bessere Zeitgenossen.“ Sie kicherte und ich erinnerte mich an die Tiere draußen. Waren sie mal Männer, die die Hexe betrogen hatten? Arme Männer, aber sie hatten verdient, was sie bekommen hatten, wenn sie es für eine kluge Entscheidung hielten, eine Hexe anzulügen. Meine Gedanken kreisten sich wieder um meinen Vater. Von einer Hexe zu stehlen war der schlimmste Fehler seines Lebens. Belüge nie Leute, die mit Magie arbeiten. Diese Begegnung hatte dazu geführt, dass ich in einem Turm eingesperrt wurde.
Ich mache dir gleich Beine. Denk daran, was dich erwartet.
„Schhh. Verschrecke Vanore nicht“, flüsterte ich mir leise zu. „Sie ist gerade dabei, uns ein verdammtes Heilmittel für alle unsere Probleme zu geben.“
„Hier ist es!“, rief sie und ich zuckte zusammen.
„Komm hier her Mädchen. Hör auf, mit dir selbst zu reden, oder sie werden dich für verrückt halten.“
Der linke Träger meines Rucksacks glitt an meinem Arm hinunter, als ich auf Vanore zuging. „Wer wird mich für verrückt halten?“
„Leute.“ Sie runzelte die Stirn, als ob ich wirklich noch ein Kind war, das die einfachsten Dinge nicht verstand. „Sie verstehen das Andersartige nicht und werden urteilen.“
Ich erstarrte. War ich anders? Sicher, ich hatte in den letzten Jahren in keiner Gesellschaft gelebt, aber ich war genau wie sie.
Du bist anders. Mache dir selbst doch nichts vor.
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Ich bin genauso wie alle anderen.“
„Konzentriere dich, Mädchen.“ Die Hexe griff nach meiner Hand und legte mir einen weichen Beutel in die Handfläche.
Ich versank in Gedanken. Jenen, die manchmal ein Eigenleben hatten und dann richtete ich meine Konzentration wieder auf das Bündel. Schwarzer Stoff war um ein kleines Päckchen gewickelt.
„Packe das in deine Tasche.“
Und das tat ich dann auch.
„Nun haben wir ein Geschäft gemacht.“ Ihre Stimme wurde dunkler und ihre Stirn legte sich über ihren Augen in Falten. „Ich habe dir magische Zutaten für zehntausend Goldmünzen gegeben, um den Wasserspeier zu töten.“ Sie schwang ihren Arm so schnell hinter ihrem Rücken hervor, dass ich das Messer, welches sie sich geschnappt hatte, nicht einmal sah, bis die Klinge schon über meinen Daumen gerauscht war.
„Au.“ Ich versuchte meinen Arm zurückzuziehen.
Doch Vanore hielt ihn fest und presste meinen Daumen an ihren Mund, steckte ihn dann hinein und saugte an meinem Blut.
Mein Gehirn erstarrte förmlich und meine freie Hand raste zu meinem Messer.
Ihre Zunge glitt über meine Haut und ich zog kräftig meinen Arm zurück, bis mein Finger aus ihrem Mund heraussprang. Ich starrte auf den blutigen Schnitt. „Was ist dein Problem? Wer tut so etwas?“ Die Furcht wuchs tief in meinem Bauch. „D-Das war nicht Teil des Geschäfts.“
Ich wich zurück bis meine Beine gegen die Seite des Sofas stießen und hielt immer noch eine Hand am Messer an meinem Gürtel. Was konnte ich tun? Sie erstechen, bevor sie mir die Mixtur gab, die den Wächter auslöschte?
Sie lachte und leckte sich einen purpurnen Tropfen von den Lippen. „Für die Bezahlung muss ich immer wissen, wo du bist. Und Kind, wer auch immer dich mit diesem Zauber belegt hat, meinte es ernst. Er ist mit deiner Seele verbunden, Mädchen. Das ist nichts, was jemand außer der Person, die dir den Zauber auferlegt hat, wieder lösen kann.“
Mir stockte der Atem und es bedurfte einiger Versuche, wieder einen Rhythmus zu finden. „Du kannst spüren, welche Art Fluch es ist? Wer ihn mir auferlegt hat?“ Mir schmeichelte die Idee, dass dies meine Erlösung sein konnte. Ein Weg, die Verzauberung loszuwerden. Ein Lächeln bildete sich in meinen Mundwinkeln und ich fühlte mich, als war mir das Gewicht von den Schultern genommen worden.
Ich wandte mich zur Seite und kämpfte mit dem Rucksack auf meinem Rücken, während ich mein langes Haar mit einer Hand hochhielt. „Dämliche Strähnen. Sie hören nicht auf zu wachsen und ich kann sie nicht abschneiden. Ehrlich; ich habe alles versucht, sogar Feuer. Also bitte erzähle mir alles, was du weißt, um den Fluch zu brechen.“ Das Betteln in meiner Stimme ließ mich erschaudern.
Ein Hauch von Hoffnung durchfuhr mich und ich streckte meinen Arm aus. Meine Finger zielten auf ihren Arm ab. Ich hielt mich an ihr fest, als ginge es um mein Leben.
„Elliana, mein Kind.“ Sie nahm mein Handgelenk, so wie auch Papa jedes Mal meine Hände hielt, wenn ich mich fürchtete, wenn er auf einen Streifzug ging. In den Augen der Hexe aber lag Kummer und das verschlug mir den Atem.
„So viel weiß ich nicht—nur, dass Dunkelheit in deinem Blut fließt, denn die Magie und ihre Verbindung zu deiner Seele kitzelte an meiner Zungenspitze. Wer auch immer das getan hat, hatte nie vor, dich wieder freizulassen. Es tut mir leid. Ich kann dir nur mit dem steinernen Wächter und einer vorübergehenden Lösung für das Problem mit deinen Haaren helfen. Bete zur Göttin, dass meine Beschwörungen dich befreien und dass die Hexe, die dafür verantwortlich ist, dich in Ruhe lässt, obwohl du die Magie in dir trägst. Und da ich ihre Motive nicht verstehe, kann ich dir leider nicht helfen, ohne dein Leben in Gefahr zu bringen.“
Meine Beine gaben unter mir nach und ich ließ mich auf das Sofa fallen.
Du hast keine Zeit um weich zu werden. Steh auf.
Mein Innerstes schmerzte, als ich die Endgültigkeit meiner misslichen Lage begriff. Was, wenn dieser Zauber die Hexe, die mich verflucht hatte, benachrichtigen würde? Würde sie zurückkehren und mich wieder einsperren, wenn ich den Wasserspeier erledigte?
„Es tut mir leid, Kind. Deine beste Chance ist es, herauszufinden, wer dich mit diesem Fluch belegt hat.“
Ich nickte und rappelte mich auf. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt um in Selbstmitleid zu verfallen.
„Nun, als Teil unseres Handels“, fuhr die Hexe fort, „akzeptiere ich Zahlungen in zehn Raten, so wie wir es vereinbart haben, und ich werde zu jedem Vollmond bei dir erscheinen, um sie einzutreiben. Wenn du nicht bezahlen kannst, werde ich die Venen in deinem Arm aufschlitzen und das Blut nutzen, um meinen Rum damit aufzuwärmen. Der Tod wird dir keine Flucht bieten.“ Sie lächelte und zeigte dabei ihre Zähne. Wie weggeblasen war ihr Mitgefühl. Genau wie jeder, mit dem mein Vater es zu tun gehabt hatte, hatte Vanore nur ihren eigenen Vorteil im Sinn. Ich war nur ein Mittel zum Zweck, damit sie das bekam, was sie wollte. Sonst nichts.
Ich rang nach Luft, nahm aber all meinen Mut zusammen und hob mein Kinn. „In Ordnung, Geschäft ist Geschäft. Jetzt sage mir, wie ich die Kräuter, die du mir gegeben hast, nutze.“
„Braves Mädchen. Als Erstes”—sie zählte mit ihren Fingern mit—“musst du ein Tier für diesen Zauber finden.”
Ich erstarrte. „Ich töte kein Tier.“
„Ruhig, Mädchen.“ Sie winkte mit der Hand als wäre ich eine hartnäckige Mücke. „Kein Töten ist notwendig. Mach einfach was ich dir sage. Zweitens, das Beste ist, du nimmst die Beschwörung unter freiem Himmel vor, wenn der Mond scheint.“
„In Ordnung. Kann ich es jetzt machen? Ich habe draußen einige Katzen gesehen.“
„Nein.“ Ihre Stimme hob sich. „Das muss dort geschehen, wo dein Wächter lebt, da die Magie dort mit euch beiden am stärksten sein wird. Weiche die Kräuter, die ich dir gegeben habe, für dich und das Tier, zusammen in Wasser ein. Vorher aber lässt du das Gebräu für eine kurze Zeit im Mondlicht stehen, dann—”
Eine plötzliche Explosion ging hinter mir hoch. Holzsplitter bohrten sich in meinen Rücken und meine Beine.
Auf der Stelle erschauerte ich. Die Hexe und ich wirbelten gleichzeitig in Richtung des Eingangs herum. Die zerschmetterte Tür lag zu unseren Füßen verteilt auf dem Boden.
Dort stand der Wasserspeier. Mein Gefängniswärter.
Ein erstickter Schrei steckte mir im Hals fest und meine Füße waren wie auf dem Teppich festgeklebt.
Seine Schultern pressten sich rasch durch die Ecken des Türdurchgangs. Mit drei langen Schritten marschierte er in den Raum.
Er hat dich gefunden. Lauf. Lauf. Lauf.
„Zur Hölle!“, stammelte Vanore.
Die Angst windete sich in meiner Brust umher und heftete sich an meine Rippen. Ich zog Vanore an der Hand rückwärts durch das Haus. „Der Zauber. Wie lauten die Wörter?“ Ich konnte meinen Blick nicht von dem aus Stein gemachten Wasserspeier lösen, der für ein paar Sekunden stillstand, als wäre er auf der Stelle zu Eis erstarrt. Steine, so groß wie meine Handflächen, bedeckten seinen Körper und erlaubten es ihm so, sich zu bewegen. Sein Kopf war ein Felsen mit leeren Augen, einer Hakennase und einem gebogenen Mund. Übergroße Ohren drehten sich unnatürlich und lauschten jedem, der sich an ihn anschlich. Er starrte auf mich im gedämpften Licht mit seinem sadistischen Grinsen herab, als ob der Hass in seinem Gesichtsausdruck jeden Moment explodieren würde.
„Plagen sollen dich heimsuchen“, brüllte Vanore, während sie eine Handvoll Pulver aus ihrer Tasche auf den Wächter schleuderte. Die Partikel funkelten und prallten von ihm ab. Er bewegte sich keinen Millimeter.
„Lauf, mein Kind!“ Sie drängte mich in Richtung der Rückseite des Hauses.
Ich stolperte um Luft ringend in die Küche. „Vanore, wie lautet der Rest des Zauberspruchs?“
Sie antwortete aber nicht und zischte das Monster an: „Der Teufel soll dich holen!“
Der Wächter griff an und donnerte mit der Hand gegen Vanores Brust. Sie wurde durch das Zimmer und gegen die Wand geschleudert, ächzend entwich ihr ein Atemzug. Mächtig und endgültig. Von einem Berghang getroffen zu werden war nichts, wonach man wieder aufstand. Vanore stürzte zu Boden und bewegte sich nicht mehr.
„Vanore!” Mein Körper war ein zitterndes Wrack. Ich hätte sie auf ihre Füße ziehen sollen um sicherzugehen, dass sie in Ordnung war. Aber der Wasserspeier sah mich nun an und es machte mehr Sinn, ihn von ihr wegzuführen, damit er sie nicht noch mehr verletzte.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich wirbelte herum, rannte durch die Küche und riss die Hintertür auf. Die Furcht schlängelte sich über meine Haut.
Draußen schlug mir der heiße Wind entgegen. Ohne nachzudenken wandte ich mich nach links und rannte am Haus vorbei und auf die Straße. Angst nagte an meinem Selbstbewusstsein.
Hab ich es dir doch gesagt. Hab ich es dir doch gesagt. Er wird dich bestrafen.
Meine Gedanken waren wie gelähmt und ich rannte über den Feldweg fort.
Hinter mir kamen die trampelnden Schritte immer näher, doch ich wagte nicht, mich umzudrehen um nachzusehen.
Eisige Dolche stachen in mein Herz.
Er krallte sich meinen Rucksack mit einer solchen Gewalt, dass ich zurückgeworfen wurde und mit meinem Hintern auf dem Boden aufschlug. Er riss mir die Tasche von den Armen. Mein Haar befreite sich aus dem Rucksack, breitete sich um mich herum aus und verschlang mich mit seinen goldenen Strähnen.
Als der Wasserspeier über mir stand, schrie ich, kroch fort und malte mir meine Bestrafung aus. Wie sehr ich doch versagt hatte. War Vanore wegen mir tot? Ich erstickte fast als ich abgehackt einatmete.
Seine Flügel entfalteten sich auf seinem Rücken und das Geräusch zermahlenden Steins knirschte in meinen Ohren. Magie ließ diese Kreatur mit Steinflügeln fliegen, obwohl sie dazu nicht hatte fähig sein sollen. Sie breiteten sich weit aus, waren auf jeder Seite etwa eins achtzig lang und verdunkelten das Mondlicht. Krallen in Form von Dolchen ragten aus den Enden seiner fledermausartigen Flügel.
„Bitte, tu das nicht. Hör auf!“ Ich wich noch weiter zurück.
Er stürmte mir hinterher. Seine scharfen Klauen umklammerten meine Knöchel und seine Krallen drückten sich in meine Haut.
Ich schrie vor Qualen, griff nach der Klinge an meinem Gürtel und stach auf die Spalte zwischen zwei Steinen in der Mitte seiner Brust ein. Das Messer traf auf Widerstand. Mit zwei Händen drückte ich es weiter hinein und vernahm dieses befriedigende Geräusch, als der Dolch weit genug in den Wasserspeier vordrang. Er fauchte und schlug dann meine Arme zur Seite. Der stechende Schmerz durchzog meine Hände, während er mir die Waffe aus den Fingern rang und sie in Vanores Hof warf. Es floss kein Blut aus seiner Wunde und sie hatte ihn auch noch nicht mal langsamer gemacht.
Ein Windstoß schlug mir entgegen, als wir vom Boden abhoben. Er zog mich mit den Beinen voran nach oben.
Meine Welt stand Kopf. Die Furcht schwappte in meinen Bauch über. Unter mir blieb es ruhig im Dorf. Nicht eine einzige Person eilte herbei, um mir zu helfen. Ob jemand wohl nach Vanore sah?
Jetzt hast du es geschafft. Ja, du hast dich hier jetzt richtig in die Scheiße geritten.
Ich blendete die Worte aus, während wir über Wälder, Flüsse und Dörfer in Tritonia glitten. Der Wind, der mir entgegenkam, ließ mich bei jedem Flügelschlag des Monsters vor und zurück schwanken. Jede Faser in mir pochte vor Angst. Ein Teil von mir hatte gehofft, dass ich den Zauber bei Vanore im Haus ausführen konnte und dann frei war. Aber das war mal wieder typisch dumm von mir zu denken, dass zur Abwechslung einmal alles gut gehen konnte.
Tränen verschleierten meine Sicht. Sie liefen nach oben und über meine Stirn in mein Haar. Ich hatte die letzten acht Jahre allein verbracht. Mit jedem weiteren Tag starb wieder ein kleiner Teil von mir und verdunkelte mein inneres Licht mit den Schatten der Dunkelheit. Der Rest der Welt drehte sich weiter, während ich in der Zeit wie eingefroren stillstand und mein Leben an mir vorbeizog. Es war mir egal, wo ich im nächsten Leben landete, denn jetzt lebte ich bereits in der Hölle.
Schwindel schwirrte durch meinen Kopf und alles wurde dunkel.
Zweige schlugen mir ins Gesicht und ich erwachte mit einem Schrecken. Ich musste schon eine Weile über Kopf gehangen haben. Wir flogen über Baumkronen und weiter vor uns erkannte ich mein Gefängnis. Ein runder Turn stand hoch inmitten des Schutts der zerstörten Ruinen.
Ich krümmte mich und versuchte zu fliehen. Keinesfalls wollte ich dorthin zurückgehen. Das Gebäude mit einem breiten Flachdach stand höher als die meisten Bäume, die die offenen Felder umgaben. Mondlicht schien das Moos an, das an den Seiten der Steinwände wuchs. Waldgebiete rahmten die freie Fläche wie eine große Armee ein, die meinen Untergang beobachtete.
Ich windete mich bei dem Versuch zu entkommen in seinem Griff. Wir segelten in Richtung des übergroßen Fensters. Es war der einzige Zugang zum Turm. Er warf mich als wäre ich eine Stoffpuppe durch das Fenster.
Unsanft knallte ich gegen eine Wand und krümmte mich stöhnend vom Schmerz, der über meinen Rücken strahlte, auf dem Boden zusammen.
Ein Schatten fiel über das Fenster. Der Wasserspeier stand in der Luft, ohne ein Geräusch, so als war er stolz auf seinen Fang.
In dem Moment, als sich seine Flügel flach an seine Seiten legten und er hineinsprang, schrie ich: „Bitte nicht! Ich verspreche nie wieder wegzulaufen.“
Er hielt einen Ast in seiner Klaue und als er damit über meine Beine schlug, brüllte ich vor Schmerzen, die wie Säure brannten. Niemals nutzte er seine Klauen, denn Stein würde mich umbringen, aber es war erlaubt, mich zu brechen. Gestattet. Unendlich dazu ermutigt.
Er schnappte sich mein Bein und schliff mich zur anderen Seite des Zimmers. Ich knallte gegen meinen Tisch und fiel hin. Die Tischbeine zerbarsten unter meinem Gewicht und ich schluchzte. Der Schmerz war wie ein Spinnennetz, das mich einhüllte, komplex und teuflisch.
Als der Ast auf meinen Rücken traf schrie ich auf und krümmte mich. Ich konnte an nichts anderes als die qualvollen Schläge denken, die mich in Fetzen rissen.
Ich lag auf dem Rücken in einer Lache aus meinem eigenen Blut. Ein silberner Schein leuchtete in der Dunkelheit im Inneren des Turms. Mein Atem rasselte bei jedem Zug. Mein Mund schmeckte als hatte ich an Münzen geleckt. Tränen bildeten sich in den Ecken meiner Augen. Ich schluchzte laut und verabscheute, wie oft ich schon in dieser Lage war: nutzlos, besiegt, gefangen.
So hatte die Nacht nicht verlaufen sollen. Jeder Zentimeter meines Körpers schrie von den scharfen Schmerzen der Schnitte und ich konnte noch nicht mal mit den Zehen an meinem linken Fuß wackeln. Welche Knochen hatte der Bastard dieses Mal gebrochen? Die Verzweiflung ergriff Besitz von mir. Die Art Mutlosigkeit, die darum bettelte, dass alles ein Ende fand. Ich schloss meine Augen, lag dort und erlaubte meinem sich drehenden Kopf meine Gedanken zu übernehmen.
Ich war dabei, langsam aufzuwachen, als mir eine sanfte Brise über die Wange wehte und meine Augen sich im Sonnenlicht öffneten. War es schon Morgen? Ich richtete mich auf und hatte das Gefühl, dass meine Haut bei jeder Bewegung weiter aufriss. Getrocknetes Blut klebte an meinen Armen und mein Fuß stand in einem seltsamen Winkel ab. Ich schnappte nach Luft als ich mich vorbeugte, um ihn zu bewegen. Ein qualvoller Schmerz schoss durch mich hindurch, stach in die Beuge meines Fußknöchels und schnellte an meinem Bein hinauf. Ich schrie auf, rollte mich zusammen und hasste es, dass es Monate dauern würde, bis die Wunde verheilt war Ich hasste das Monster, dem ich egal war, und ich war auf das Universum sauer, da es mir niemanden zur Hilfe kommen ließ.
Mein Vater hatte mir beigebracht, geschickt mit meinen Händen zu sein und Leuten Dinge aus den Taschen zu klauen, ohne dass sie es merkten. Ich war zwar jung gewesen, doch er hatte trotzdem gesagt, dass ich die Beste war. Aber als ich acht Jahre alt war, hatte ihn ein verrückt gewordener Mann unter dem Einfluss der Hexe getötet und meine Welt in Trümmer gelegt. Nie hatte ich ihn oder sein wildes, weißes Haar und seine Augenbrauen vergessen. Danach hatte mich die Hexe mit den violetten Regenbogenhäuten in den Turm gesperrt und den Teufel auf das Dach verbannt, um mich zu beobachten und darauf zu warten, dass ich floh, damit er mir die Seele aus dem Leib prügeln konnte. Ich zahlte für die Sünden meines Vaters, aber der Preis war zu hoch. Ich träumte davon, Freunde zu haben, in einem richtigen Haus zu leben und ein für alle Mal den Wasserspeier auszulöschen. Aber all das waren nur Fantasien.
Hab dir doch gesagt, dass du vorsichtig sein sollst.
„Sei still!“ Ich brauchte jetzt nicht auch noch schnippische Kommentare von mir selbst.
Zerbrochene Stühle und ein zerborstenes Bücherregal lagen um mich herum. Bücher waren überall im großen Zimmer verteilt. Sie hatten ihren Weg zum Fußende meines Doppelbetts gefunden, in die Nähe des erloschenen Kamins und in die kleine Ecke, in der ich etwas Sport machte, um meinen Körper fit und meinen Kopf gesund zu halten. Der ganze Wohnraum bestand aus einem übergroßen Raum mit allem, was man brauchte. Es gab Essen, das sich in dem Moment neu erschuf, in dem ich es aus der Speisekammer holte. Das Gleiche geschah mit dem Holzfeuer und aus den Wasserhähnen im Badezimmer und der Küche floss wie von Geisterhand heißes Wasser. Alles, was ich mir wünschen konnte, während mein Leben dahinsiechte. Die Hexe hatte nicht vor, mich verhungern oder verdursten zu lassen… Sie musste einen guten Grund haben, mich am Leben zu halten, den ich nicht verstand.
Wer zum Teufel weiß schon warum?
War es, um meinen Vater zu bestrafen, weil er ihre Perücke, gefertigt aus echten Goldsträhnen, gestohlen hatte? Als wäre es gestern gewesen, erinnerte ich mich daran, wie die Hexe ihrem Handlanger befohlen hatte, meinen Vater in die Wälder hinauszuführen. Ich schrie ihn an, damit er aufhörte und Papa in Ruhe ließ. Nur kurze Zeit später kehrte das weißhaarige Monster zurück und hielt den Kopf meines armen Vaters in der Hand. Meine Welt war zerbrochen und ich sank auf die Knie. Trauer strömte mit jedem Atemzug, den ich ausatmete, aus mir hinaus. Die Tränen trockneten nie und alles, woran ich auch Wochen später nur noch denken konnte, war sein abgetrennter Kopf. Seine leblosen, offenen Augen und wie ich nicht in der Lage dazu war, etwas zu tun, um ihn zu retten. Das Loch in meinem Herzen würde nie heilen, doch statt Trauer war dort nur noch das Verlangen nach Rache.
Warum also bot die Hexe mir ein komfortables Leben? Waren es die Schuldgefühle, einem acht Jahre alten Mädchen den abgehackten Kopf ihres Vaters gezeigt zu haben? Und alles nur, weil er ihre goldene Perücke gestohlen hatte. Das konnte doch nicht ein Menschenleben wert gewesen sein.
War das der Grund dafür, warum sie mein Haar verflucht hatte? Als Lektion? Es wuchs immer weiter und es war unmöglich, es abzuschneiden. Ich hatte den Verdacht, dass es mir so die Flucht erschweren sollte.
Aber anders als bei meinen vorherigen Fluchtversuchen hatte ich diesmal etwas mitgebracht. Ich steckte die Hand in meine Tasche und zog das magische Säckchen von Vanore heraus. Zum Glück waren meine Verletzungen nicht umsonst. Ich betete, dass Vanore noch am Leben war.
Nun brauchte ich ein Tier für den Zauber und ich wusste, wo ich eins fand. Also schob ich mich selbst auf meinem Hintern rückwärts zum geöffneten Bogenfenster. Unter Schmerzen stöhnend rollte ich mich auf meine Knie, klammerte mich am Fenstersims fest und zog mich daran hoch auf einen Fuß, mit meinem Gewicht gegen die Wand gepresst. Ich schnappte nach Luft und wartete, dass das Pochen in meinem Fuß nachließ.
Draußen umgaben Wälder die Lichtung. Diesen Ort nannte ich mein Zuhause. Unter mir waren die Überreste eines Schlosses… eine Wand, ein gebogener Türdurchgang… von hier oben waren die Bodenumrisse noch sichtbar, obwohl Unkraut und Blumen jetzt die Landschaft unter sich bedeckten.
Diese Wälder waren scheinbar vor langer Zeit einmal das Zuhause des ersten menschlichen Königreichs, das in Darkwoods errichtet wurde, nachdem das Haven Königreich in sieben Territorien aufgeteilt wurde. Das war sehr lange her—altertümliche Zeiten—und dieser Ort strotzte vor Geschichte. Meine Bücher belegten, wie groß das Land einst war, wie seine Vegetation in voller Blüte mit wunderschönen Blumen stand. Die Wände des Schlosses waren mit Edelsteinen und Gold verziert. Doch die königlichen Herrschaften waren habgierig und ließen ihre Bediensteten ohne Bezahlung bis zur Erschöpfung für sie arbeiten, obwohl es Zimmer gab, in denen sich die Juwelen stapelten. Als sich alle auflehnten wurde die Familie von Feinden angegriffen, die wild darauf waren, das Schloss an sich zu reißen. Dieses Königreich hatte also die erste königliche Familie beherbergt, die gefallen war. Ihre Hinterlassenschaften waren die Beweise des Preises, den man für Korruption zahlte.
Einige Bücher gaben an, dass der jüngste Sohn der königlichen Familie dem Tod entkommen war und eine Feenprinzessin geheiratet hatte. Vielleicht waren die majestätischen Feenfamilien also doch nicht so rein, wie sie angaben. Ich grinste. Wichtigtuer, allesamt.
Der Himmel war mit Wolken betupft. Vögel flogen über mir, doch dort unten rührte sich nicht eine einzige Kreatur. Sobald die Nacht hereinbrach, würde mein kleiner pelziger Freund eintreffen. Dann würde ich ihn in den Turm holen und Vanores Zauber sprechen.
Aber nun musste ich mich erst mal waschen und meine Wunden verbinden. Entschlossenheit durchfuhr mich, denn heute Nacht würde ich das Problem mit dem Wasserspeier ein für alle Mal lösen. Selbst wenn ich mein Bein hinter mir herziehen musste. Dieses Monster würde nie wieder seine Hand gegen mich erheben.
Der Halbmond saß tief zwischen den Sternen über mir, mein Blick aber fiel auf den Fuß des Turms. Es waren sicher fünfzehn Meter bis zum Boden und oft warf ich nachts Essen für meine einzige Freundin hinunter, die mich oft besuchen kam. Und heute Nacht hoffte ich auf ihr Kommen.
Wegen meines verletzten Fußes auf einem Stuhl sitzend, war ich mit so vielen Verbänden umwickelt, dass kaum noch ein Zentimeter Haut zu sehen war. Die Schüssel mit Wasser und die Kräuter für Vanores Gebräu standen auf einem kleinen Hocker neben mir im Mondschein.
Woher willst du wissen, dass es funktionieren wird? Was, wenn du die Kräuter falsch benutzt?
„Sei still. Ich weiß vielleicht nicht, was ich tue, aber ich werde hier nicht länger sitzen und in Selbstmitleid versinken. Ich werde alles versuchen.“ Außerdem hatte Vanore gesagt, dass die Kräuter und das Wasser sowohl von dem Tier als auch von mir angewandt werden mussten. Also entweder bespritzen wir uns damit gegenseitig oder trinken es.
Ich hing halb aus dem Fenster und mein Haar baumelte über die Kante. Es reichte nicht bis zum Boden, also hatte ich mir ein langes Stück Leinenstoff mit einem Fisch ans Ende meiner Haarspitzen gebunden. Das Essen stank genug, um die meisten Viecher aus dem Wald zu locken, aber war auch schmackhaft genug, um es mit Tomaten und Brot anzurichten.
Der Köder war ausgeworfen. Ich lümmelte mich nach vorne, meine Ellbogen stützten sich auf das Fensterbrett und ich wartete. Ich hatte alle Zeit der Welt und hatte sowohl darüber lachen als auch weinen können, wie armselig das klang. Meine Gedanken kreisten um Vanore. Sie hatte mir nicht alle Anweisungen geben können, wie man den Zauber spricht oder was man mit der wässrigen Mixtur und dem Tier anstellen sollte. Kein Töten, so viel war klar. Ich hatte den Nachmittag damit verbracht, zu lesen, aber meine Bücher gaben nichts über Zaubersprüche mit Kräutern her. Da man sie auch zum Kochen verwendete, entschied ich mich für die Theorie, sie zu essen.
Bist du dir da ganz sicher?
„Ja! Wir haben keine Zeit für Zweifel.“
Während ich in die Dunkelheit hinaus starrte wehten die Zypressen und Eichen im Wind, wie sie es schon hunderte Male getan hatten, als ich sie betrachtete und wünschte, dass jemand… irgendjemand, die Ruinen aufsuchen und den Wasserspeier besiegen würde.
Von unten kam ein Rascheln und ich sah auf die rote Katze mit den drei Beinen herab, die sich an einem nahegelegenen Busch rieb. Sie musste eine ihrer Vorderpfoten bei der Geburt oder bei einem Kampf verloren haben, doch das hielt sie nicht davon ab, Eidechsen und Insekten anzugreifen. Als sie das erste Mal aufgetaucht war, bestand sie nur aus Haut und Knochen. Deshalb hatte ich sie jede Nacht gefüttert und nun war sie rund und gesund. Zum Glück war sie immer leise und hatte so nie die Aufmerksamkeit des Wasserspeiers geweckt.
„Hallo Prinzessin. Schau, was ich für dich habe. Leckeren Fisch.“ Ich zupfte an meinem Haar. Meiner Meinung nach war es einfacher, sie so zu fangen, als nach unten zu klettern, ohne dass der Wasserspeier es mitbekam. Außerdem war ich mir nicht sicher ob ich es mit meinem verletzten Fuß schaffen würde, am Turm hinunterzuklettern.
Die Katze hob ihren Kopf, schnüffelte in der Luft und stürzte sich dann auf die Mahlzeit. Ich zog rasch meine Locken nach oben, aber sie hatte den Fisch verfehlt, da ich sie zu schnell hochgerissen hatte.
Lass dir Zeit.
Ich senkte den Köder wieder ab. Sie schlich sich näher heran und duckte sich in den Angriffsmodus. Perfekt.
Ein schnelles Schütteln des Leckerbissens.
Die Katze jagte ihrer Mahlzeit hinterher und ich zog an meinem Haar. Sie hatte die Leckerei mit der Kralle gefangen, sich im Stoff verheddert und ich hielt meinen Atem an.
Ja.
Ich zerrte meinen Zopf nach oben. Einen Arm vor den anderen zog ich sie so in den Turm hoch. Aber auf halber Strecke bockte sie und fiel hinunter in die Büsche.
„Nein!