Die drei gerechten Kammacher - Gottfried Keller - E-Book

Die drei gerechten Kammacher E-Book

Gottfried Keller

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Beschreibung

Drei gerechte Handwerkergesellen, die zu Rivalen werden und sich damit ins Unglück bringen: Im schweizerischen Seldwyla arbeitet der Sachse Jobst in einer Kammmacherei und spart darauf hin, sie zu kaufen, wenn er Meister geworden ist. Er möchte außerdem die reiche Jungfer Züs Bünzlin heiraten. Doch dann kommen als neue Gesellen der Bayer Fridolin und der jüngere Schwabe Dietrich dazu und haben dieselben Pläne wie er. Die drei werden nun vor eine Prüfung in Form eines Wettlaufs gestellt...-

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Gottfried Keller

Die drei gerechten Kammacher

Saga

Die drei gerechten KammacherCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1856, 2020 Gottfried Keller und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726555134

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Die drei gerechten Kammacher.

Die Leute von Seldwyla haben bewiesen, dass eine ganze Stadt von Ungerechten oder Leichtsinnigen zur Not fortbestehen kann im Wechsel der Zeiten und des Verkehrs; die drei Kammmacher aber, dass nicht, drei Gerechte lang unter einem Dache leben können, ohne sich in die Haare zu geraten. Es ist hier aber nicht die himmlische Gerechtigkeit gemeint oder die natürliche Gerechtigkeit des menschlichen Gewissens, sondern jene blutlose Gerechtigkeit, welche aus dem Vaterunser die Bitte gestrichen hat: Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldnern! weil sie keine Schulden macht und auch keine ausstehen hat; welche niemandem zuleid lebt, aber auch niemandem zu Gefallen, wohl arbeiten und erwerben, aber nichts ausgeben will und an der Arbeitstreue nur einen Nutzen, aber keine Freude findet. Solche Gerechte werfen keine Laternen ein, aber sie zünden auch keine an, und kein Licht geht von ihnen aus; sie treiben allerlei Hantierung, und eine ist ihnen so gut wie die andere, wenn sie nur mit keiner Fährlichkeit verbunden ist; am liebsten siedeln sie sich dort an, wo recht viele Ungerechte in ihrem Sinne sind; denn sie untereinander, wenn keine solche zwischen ihnen wären, würden sich bald abreiben wie Mühlsteine, zwischen denen kein Korn liegt. Wenn diese ein Unglück betrifft, so sind sie höchst verwundert und jammern, als ob sie am Spiesse stäken, da sie doch niemandem was zuleid getan haben; denn sie betrachten die Welt als eine grosse wohlgesicherte Polizeianstalt, wo keiner eine Kontraventionsbusse zu fürchten braucht, wenn er vor seiner Türe fleissig kehrt, seine Blumentöpfe unverwahrt vor das Fenster stellt und kein Wasser aus demselben giesst.

Zu Seldwyl bestand ein Kammachergeschäft, dessen Inhaber gewohnterweise alle fünf bis sechs Jahre wechselten, obgleich es ein gutes Geschäft war, wenn es fleissig betrieben wurde; denn die Krämer, welche die umliegenden Jahrmärkte besuchten, holten da ihre da ihre Kammwaren. Ausser den notwendigen Hornstriegeln allerart wurden auch die wunderbarsten Schmuckkämme für die Dorfschönen und Dienstmägde verfertigt aus schönem durchsichtigem Ochsenhorn, in welches die Kunst der Gesellen (denn die Meister arbeiteten nie) ein tüchtiges braunrotes Schildpattgewölke beizte, je nach ihrer Phantasie, so dass, wenn man die Kämme gegen das Licht hielt, man die herrlichsten Sonnenaufund -niedergänge zu sehen glaubte, rote Schäfchenhimmel, Gewitterstürme und andere gesprenkelte Naturerscheinungen. Im Sommer, wenn die Gesellen gerne wanderten und rar waren, wurden sie mit Höflichkeit behandelt und bekamen guten Lohn und gutes Essen; im Winter aber, wenn sie ein Unterkommen Kämme machen, was das Zeug halten wollte, für geringen Lohn; die Meisterin stellte einen Tag wie den andern eine Schüssel Sauerkraut auf den Tisch, und der Meister sagte: „Das sind Fische!“ Wenn dann ein Geselle zu sagen wagte: „Bitt’ um Verzeihung, es ist Sauerkraut?“ so bekam er auf der Stelle den Abschied und musste wandern in den Winter hinaus. Sobald aber die Wiesen grün wurden und die Wege gangbar, sagten sie: „Es ist doch Sauerkraut!“ und schnürten ihr Bündel. Denn wenn dann auch die Meisterin auf der Stelle einen Schinken auf das Kraut warf und der Meister sagte: „Meiner Seel’! ich glaubte, es wären Fische! Nun, dieses ist doch gewiss ein Schinken!“ so sehnten sie sich doch hinaus, da alle drei Gesellen in einem zweispännigen Bett schlafen mussten und sich den Winter durch herzlich satt bekamen wegen der Rippenstösse und er frorenen Seiten.

Einsmals aber kam ein ordentlicher und sanfter Geselle angereist aus irgendeinem der sächsischen Lande, der fügte sich in alles, arbeitete wie ein Tierlein und war nicht zu vertreiben, so dass er zuletzt ein bleibender Hausrat wurde in der Geschäft und mehrmals den Meister wechseln sah, da es die Jahre her gerade etwas stürmischer herging als sonst. Jobst streckte sich in dem Bette, so steif er konnte, und behauptete seinen Platz zunächst der Wand Winter und Sommer; er nahm das Sauerkraut willig für Fische und im Frühjahr mit bescheidenem Dank ein Stückchen von dem Schinken. Den kleineren Lohn legte er so gut zur Seite wie den grösseren; denn er gab nichts aus, sondern sparte sich alles auf. Er lebte nicht wie andere Handwerksgesellen, trank nie einen Schoppen, verkehrte mit keinem Landsmann, noch mit anderen jungen Gesellen, sondern stellte sich des Abends unter die Haustüre und schäkerte mit den alten Weibern, hob ihnen die Wassereimer auf den Kopf, wenn er besonders freigebiger Laune war, und ging mit den Hühnern zu Bett, wenn nicht reichliche Arbeit da war, dass er für besondere Rechnung die Nacht durcharbeiten konnte. Am Sonntag, arbeitete er ebenfalls bis in den Nachmittag hinein, und wenn es das herrlichste Wetter war; man denke aber nicht, dass er dies mit Frohsinn und Vergnügen tat, wie Johann, der muntere Seifenfieder, vielmehr war er bei dieser freiwilligen Mühe niedergeschlagen und beklagte sich fortwährend über die Mühseligkeit des Lebens. War dann der Sonntagnachmittag gekommen, so ging er in seinem Arbeitsschmutz und in den klappernden Pantoffeln über die Gasse und holte sich bei der Wäscherin das frische Hemd und das geglättete Vorhemdchen, den Vatermörder oder das bessere Schnupftuch und trug diese Herrlichkeiten auf der flachen Hand mit elegantem Gesellenschritt vor sich her nach Hause. Denn im Arbeitsschurz und in den Schlappschuhen beobachten manche Gesellen immer einen eigentümlich gezierten Gang, als ob sie in höheren Sphären schwebten, besonders die gebildeten Buchbinder, die lustigen Schuhmacher und die seltenen, sonderbaren Kammacher. In seiner Kammer bedachte sich Jobst aber noch wohl, ob er das Hemd oder das Vorhemdchen auch wirklich anziehen wolle, denn er war bei aller Sanftmut und Gerechtigkeit ein kleiner Schweinigel, oder ob es die alte Wäsche noch für eine Woche tun müsse und er bei Hause bleiben und noch ein bisschen arbeiten wolle. In diesem Falle setzte er sich mit einem Seufzer über die Schwierigkeit und Mühsal der Welt von neuem dahinter und schnitt verdrossen seine Zähne in die Kämme, oder er wandelte das Horn in Schildkrötschalen um, wobei er aber so nüchtern und phantasielos verfuhr, dass er immer die gleichen drei trostlosen Kleckse darauf schmierte; denn wenn es nicht unzweifelhaft vorgeschrieben war, so wandte er nicht die kleinste Mühe an eine Sache. Entschloss er sich aber zu einem Spaziergang, so putzte er sich eine oder zwei Stunden lang peinlich heraus, nahm sein Spazierstöckchen und wandelte steif ein wenig vors Tor, wo er demütig und langweilig herumstand und langweilige Gespräche führte mit andern Herumständern, die auch nichts Besseres zu tun wussten, etwa alte arme Seldwyler, welche nicht mehr ins Wirtshaus gehen konnten. Mit solchen stellte er sich dann gern vor ein im Bau begriffenes Haus, vor ein Saatfeld, vor einen wetterbeschädigten Apfelbaum oder vor eine neue Zwirnfabrik und tüftelte auf das angelegentlichste über diese Dinge, deren Zweckmässigkeit und den Kostenpunkt, über die Jahrshoffnungen und den Stand der Feldfrüchte, von was allem er nicht den Teufel verstand. Es war ihm auch nicht darum zu tun; aber die Zeit verging ihm so auf die billigste und kurzweiligste Weise nach seiner Art, und die alten Leute nannten ihn nur den artigen und vernünftigen Sachsen, denn sie verstanden auch nichts. Als die Seldwyler eine grosse Aktienbrauerei anlegten, von der sie sich ein gewaltiges Leben versprachen, und die weitläufigen Fundamente aus dem Boden ragten, stöckerte er manchen Sonntagabend darin herum, mit Kennerblicken und mit dem scheinbar lebendigsten Interesse die Fortschritte des Baues untersuchend, wie wenn er ein alter Bauverständiger und der grösste Biertrinker wäre. „Aber nein!“ rief er einmal um das andere, „des is eint fameses Wergg! des gibt eine grossartigte Anstalt! Aber Geld kosten duht’s, na das Geld! Aber schade, hier misste mir des Gewehlbe doch en bissgen dieser sein und die Mauer um eine Idee stärger!“ Bei alledem dachte er sich gar nichts, als dass er noch rechtzeitig zum Abendessen wolle, eh’ es dunkel werde; denn dieses war der einzige Tort, den er seiner Frau Meisterin antat, dass er nie das Abendbrot versäumte am Sonntag wie etwa die anderen Gesellen, sondern dass sie seinetwegen allein zu Hause bleiben oder sonstwie Bedacht auf ihr nehmen musste. Hatte er kein Stückchen Braten oder Wurst versorgt, so wurmisierte er noch ein Weilchen in der Kammer herum und ging dann zu Bett; dies war dann ein vergnügter Sonntag für ihn gewesen.