Die drei gerechten Kammmacher - Gottfried Keller - E-Book

Die drei gerechten Kammmacher E-Book

Gottfried Keller

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Gottfried Keller (19.07.1819–15.07.1890) war ein Schweizer Dichter und Staatsbeamter. Man kann ohne Zweifel sagen, dass Gottfried Keller der wichtigste Autor der Schweiz im 19. Jahrhundert war. Wegen eines Dummejungenstreiches von einer höheren Schulbindung oder gar einem Studium ausgeschlossen, fand der Halbwaise über den Umweg der Lehre zum Landschaftsmaler doch noch zur Literatur. Er hinterlässt ein großes Werk an Gedichten, Dramen, Novellen und Romanen. Null Papier Verlag

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Gottfried Keller

Die drei gerechten Kammmacher

Novelle

Gottfried Keller

Die drei gerechten Kammmacher

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962812-78-2

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Die drei ge­rech­ten Kamm­ma­cher

Dan­ke

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Die drei gerechten Kammmacher

Die Leu­te von Seld­wy­la ha­ben be­wie­sen, dass eine gan­ze Stadt von Un­ge­rech­ten oder Leicht­sin­ni­gen zur Not fort­be­ste­hen kann im Wech­sel der Zei­ten und des Ver­kehrs; die drei Kamm­ma­cher aber, dass nicht drei Ge­rech­te lang un­ter ei­nem Da­che le­ben kön­nen, ohne sich in die Haa­re zu ge­ra­ten. Es ist hier aber nicht die himm­li­sche Ge­rech­tig­keit ge­meint oder die na­tür­li­che Ge­rech­tig­keit des mensch­li­chen Ge­wis­sens, son­dern jene blut­lo­se Ge­rech­tig­keit, wel­che aus dem Va­terun­ser die Bit­te ge­stri­chen hat: Und ver­gib uns un­se­re Schul­den, wie auch wir ver­ge­ben un­sern Schuld­nern! weil sie kei­ne Schul­den macht und auch kei­ne aus­ste­hen hat; wel­che nie­man­dem zu­leid lebt, aber auch nie­man­dem zu Ge­fal­len, wohl ar­bei­ten und er­wer­ben, aber nichts aus­ge­ben will und an der Ar­beit­streue nur einen Nut­zen, aber kei­ne Freu­de fin­det. Sol­che Ge­rech­te wer­fen kei­ne La­ter­nen ein, aber sie zün­den auch kei­ne an, und kein Licht geht von ih­nen aus; sie trei­ben al­ler­lei Han­tie­rung, und eine ist ih­nen so gut wie die an­de­re, wenn sie nur mit kei­ner Fähr­lich­keit ver­bun­den ist; am liebs­ten sie­deln sie sich dort an, wo recht vie­le Un­ge­rech­te in ih­rem Sin­ne sin­d; denn sie un­ter­ein­an­der, wenn kei­ne sol­che zwi­schen ih­nen wä­ren, wür­den sich bald ab­rei­ben wie Mühl­stei­ne, zwi­schen de­nen kein Korn liegt. Wenn die­se ein Un­glück be­trifft, so sind sie höchst ver­wun­dert und jam­mern, als ob sie am Spie­ße stä­ken, da sie doch nie­man­dem was zu­leid ge­tan ha­ben; denn sie be­trach­ten die Welt als eine große wohl­ge­si­cher­te Po­li­zei­an­stalt, wo kei­ner eine Kon­tra­ven­ti­ons­bu­ße zu fürch­ten braucht, wenn er vor sei­ner Türe flei­ßig kehrt, kei­ne Blu­men­töp­fe un­ver­wahrt vor das Fens­ter stellt und kein Was­ser aus dem­sel­ben gießt.

Zu Seld­wyl be­stand ein Kamm­ma­cher­ge­schäft, des­sen In­ha­ber ge­wohn­ter­wei­se alle fünf bis sechs Jah­re wech­sel­ten, ob­gleich es ein gu­tes Ge­schäft war, wenn es flei­ßig be­trie­ben wur­de; denn die Krä­mer, wel­che die um­lie­gen­den Jahr­märk­te be­such­ten, hol­ten da ihre Kamm­wa­ren. Au­ßer den not­wen­di­gen Horn­strie­geln al­ler Art wur­den auch die wun­der­bars­ten Schmuck­käm­me für die Dorf­schö­nen und Dienst­mäg­de ver­fer­tigt aus schö­nem durch­sich­ti­gem Och­sen­horn, in wel­ches die Kunst der Ge­sel­len (denn die Meis­ter ar­bei­te­ten nie) ein tüch­ti­ges braun­ro­tes Schild­patt­ge­wöl­be beiz­te, je nach ih­rer Fan­ta­sie, so­dass, wenn man die Käm­me ge­gen das Licht hielt, man die herr­lichs­ten Son­nen­auf- und -nie­der­gän­ge zu se­hen glaub­te, rote Schäf­chen­him­mel, Ge­wit­ter­stür­me und an­de­re ge­spren­kel­te Na­tur­er­schei­nun­gen. Im Som­mer, wenn die Ge­sel­len ger­ne wan­der­ten und rar wa­ren, wur­den sie mit Höf­lich­keit be­han­delt und be­ka­men gu­ten Lohn und gu­tes Es­sen; im Win­ter aber, wenn sie ein Un­ter­kom­men such­ten und häu­fig zu ha­ben wa­ren, muss­ten sie sich du­cken, Käm­me ma­chen, was das Zeug hal­ten woll­te, für ge­rin­gen Lohn; die Meis­te­rin stell­te einen Tag wie den an­dern eine Schüs­sel Sau­er­kraut auf den Tisch, und der Meis­ter sag­te: »Das sind Fi­sche!« Wenn dann ein Ge­sel­le zu sa­gen wag­te: »Bitt um Ver­zei­hung, es ist Sau­er­kraut!« so be­kam er auf der Stel­le den Ab­schied und muss­te wan­dern in den Win­ter hin­aus. So­bald aber die Wie­sen grün wur­den und die Wege gang­bar, sag­ten sie: »Es ist doch Sau­er­kraut!« und schnür­ten ihr Bün­del. Denn wenn dann auch die Meis­te­rin auf der Stel­le einen Schin­ken auf das Kraut warf und der Meis­ter sag­te: »Mei­ner Seel, ich glaub­te, es wä­ren Fi­sche! Nun, die­ses ist doch ge­wiss ein Schin­ken!« so sehn­ten sie sich doch hin­aus, da alle drei Ge­sel­len in ei­nem zwei­spän­ni­gen Bett schla­fen muss­ten und sich den Win­ter durch herz­lich satt be­ka­men we­gen der Rip­pen­stö­ße und er­fro­re­nen Sei­ten.

Eins­mals kam aber ein or­dent­li­cher und sanf­ter Ge­sel­le an­ge­reist aus ir­gend­ei­nem der säch­si­schen Lan­de, der füg­te sich in al­les, ar­bei­te­te wie ein Tier­lein und war nicht zu ver­trei­ben, so­dass er zu­letzt ein blei­ben­der Haus­rat wur­de in dem Ge­schäft und mehr­mals den Meis­ter wech­seln sah, da es die Jah­re her ge­ra­de et­was stür­mi­scher her­ging als sonst. Jobst streck­te sich in dem Bet­te, so steif er konn­te, und be­haup­te­te sei­nen Platz zu­nächst der Wand Win­ter und Som­mer; er nahm das Sau­er­kraut wil­lig für Fi­sche und im Früh­jahr mit be­schei­de­nem Dank ein Stück­chen von dem Schin­ken. Den klei­nern Lohn leg­te er so gut zur Sei­te wie den grö­ßern; denn er gab nichts aus, son­dern spar­te sich al­les auf. Er leb­te nicht wie an­de­re Hand­werks­ge­sel­len, trank nie einen Schop­pen, ver­kehr­te mit kei­nem Lands­mann noch mit an­dern jun­gen Ge­sel­len, son­dern stell­te sich des Abends un­ter die Hau­stü­re und schä­ker­te mit den al­ten Wei­bern, hob ih­nen die Was­serei­mer auf den Kopf, wenn er be­son­ders frei­ge­bi­ger Lau­ne war, und ging mit den Hüh­nern zu Bett, wenn nicht reich­li­che Ar­beit da war, dass er für be­son­de­re Rech­nung die Nacht durch­ar­bei­ten konn­te. Am Sonn­tag ar­bei­te­te er eben­falls bis in den Nach­mit­tag hin­ein, und wenn es das herr­lichs­te Wet­ter war; man den­ke aber nicht, dass er dies mit Froh­sinn und Ver­gnü­gen tat, wie Jo­hann, der mun­te­re Sei­fen­sie­der; viel­mehr war er bei die­ser frei­wil­li­gen Mühe nie­der­ge­schla­gen und be­klag­te sich fort­wäh­rend über die Müh­se­lig­keit des Le­bens. War dann der Sonn­tagnach­mit­tag ge­kom­men, so ging er in sei­nem Ar­beits­schurz und in den klap­pern­den Pan­tof­feln über die Gas­se und hol­te sich bei der Wä­sche­rin das fri­sche Hemd und das ge­glät­te­te Vor­hemd­chen, den Va­ter­mör­der oder das bes­se­re Schnupf­tuch und trug die­se Herr­lich­kei­ten auf der fla­chen Hand mit ele­gan­tem Ge­sel­len­schritt vor sich her nach Hau­se. Denn im Ar­beits­schurz und in den Schlapp­schu­hen be­ob­ach­ten man­che Ge­sel­len im­mer einen ei­gen­tüm­lich ge­zier­ten Gang, als ob sie in hö­he­ren Sphä­ren schweb­ten, be­son­ders die ge­bil­de­ten Buch­bin­der, die lus­ti­gen Schuh­ma­cher und die sel­te­nen son­der­ba­ren Kamm­ma­cher. In sei­ner Kam­mer be­dach­te sich Jobst aber noch wohl, ob er das Hemd oder das Vor­hemd­chen auch wirk­lich an­zie­hen wol­le, denn er war bei al­ler Sanft­mut und Ge­rech­tig­keit ein klei­ner Schwein­igel, oder ob es die alte Wä­sche noch für eine Wo­che tun müs­se und er bei Hau­se blei­ben und noch ein biss­chen ar­bei­ten wol­le. In die­sem Fal­le setz­te er sich mit ei­nem Seuf­zer über die Schwie­rig­keit und Müh­sal der Welt von neu­em da­hin­ter und schnitt ver­dros­sen sei­ne Zäh­ne in die Käm­me, oder er wan­del­te das Horn in Schild­kröt­scha­len um, wo­bei er aber so nüch­tern und fan­ta­sie­los ver­fuhr, dass er im­mer die glei­chen drei trost­lo­sen Kleck­se dar­auf schmier­te; denn wenn es nicht un­zwei­fel­haft vor­ge­schrie­ben war, so wand­te er nicht die kleins­te Mühe an eine Sa­che. Ent­schloss er sich aber zu ei­nem Spa­zier­gang, so putz­te er sich eine oder zwei Stun­den lang pein­lich her­aus, nahm sein Spa­zier­stöck­chen und wan­del­te steif ein we­nig vors Tor, wo er de­mü­tig und lang­wei­lig her­um­stand und lang­wei­li­ge Ge­sprä­che führ­te mit an­dern Her­um­stän­dern, die auch nichts Bes­se­res zu tun wuss­ten, etwa alte arme Seld­wy­ler, wel­che nicht mehr ins Wirts­haus ge­hen konn­ten. Mit sol­chen stell­te er sich dann gern vor ein im Bau be­grif­fe­nes Haus, vor ein Saat­feld, vor einen wet­ter­be­schä­dig­ten Ap­fel­baum oder vor eine neue Zwirn­fa­brik und tüf­tel­te auf das an­ge­le­gent­lichs­te über die­se Din­ge, de­ren Zweck­mä­ßig­keit und den Kos­ten­punkt, über die Jahrs­hoff­nun­gen und den Stand der Feld­früch­te, von was al­lem er nicht den Teu­fel ver­stand. Es war ihm auch nicht dar­um zu tun; aber die Zeit ver­ging ihm so auf die bil­ligs­te und kurz­wei­ligs­te Wei­se nach sei­ner Art, und die al­ten Leu­te nann­ten ihn nur den ar­ti­gen und ver­nünf­ti­gen Sach­sen, denn sie ver­stan­den auch nichts. Als die Seld­wy­ler eine große Ak­ti­en­braue­rei an­leg­ten, von der sie sich ein ge­wal­ti­ges Le­ben ver­spra­chen, und die weit­läu­fi­gen Fun­da­men­te aus dem Bo­den rag­ten, stö­cker­te er man­chen Sonn­tag­abend dar­in her­um, mit Ken­ner­bli­cken und mit dem schein­bar le­ben­digs­ten In­ter­es­se die Fort­schrit­te des Bau­es un­ter­su­chend, wie wenn er ein al­ter Bau­ver­stän­di­ger und der größ­te Bier­trin­ker wäre. »Aber nein!« rief er ein Mal um das an­de­re, »des is ein fa­me­ses Wergg! des gibt eine groß­ar­tig­te An­stalt! Aber Geld kos­ten duht’s, na das Geld! Aber scha­de, hier miss­te mir des Ge­wehl­be doch en biss­gen die­fer sein und die Mau­er um eine Idee stär­ger!« Bei al­le­dem dach­te er sich gar nichts, als dass er noch recht­zei­tig zum Abendes­sen wol­le, eh es dun­kel wer­de; denn die­ses war der ein­zi­ge Tort, den er sei­ner Frau Meis­te­rin an­tat, dass er nie das Abend­brot ver­säum­te am Sonn­tag, wie etwa die an­de­ren Ge­sel­len, son­dern dass sie sei­net­we­gen al­lein zu Hau­se blei­ben oder sonst­wie Be­dacht auf ihn neh­men muss­te. Hat­te er sein Stück­chen Bra­ten oder Wurst ver­sorgt, so wur­mi­sier­te er noch ein Weil­chen in der Kam­mer her­um und ging dann zu Bett; dies war dann ein ver­gnüg­ter Sonn­tag für ihn ge­we­sen.