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Dieses eBook: "Die Edda - Nordische Mythologie und Heldengedichte" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Edda werden zwei verschiedene in altisländischer Sprache verfasste literarische Werke bezeichnet. Beide wurden im 13. Jahrhundert im christianisierten Island niedergeschrieben und behandeln skandinavische Götter- und Heldensagen. Ursprünglich kam dieser Name nur einem Werk, namens Snorra-Edda, des Snorri Sturluson zu, das dieser um 1220 für den norwegischen König Hákon Hákonarson und den Jarl Skúli verfasste. Das zweite Werk, welches mit dem Namen Lieder-Edda bezeichnet wird, wurde erst im späten Mittelalter so benannt, doch der Name hat sich eingebürgert und gilt als die bekanntere Edda: Um 1270 wurde auf Island eine Sammlung Lieder unterschiedlichen Alters niedergeschrieben; einige der von Snorri zitierten Strophen stimmen fast wörtlich damit überein. Diese Sammlung überliefert aber ganze Lieder, nicht nur Ausschnitte, und verbindet nur ganz wenige Texte durch Inhaltsangaben in Prosa. Karl Simrock (1802-1876) war ein deutscher Dichter und Philologe. Karl Simrock begründete seinen Ruf mit der Übersetzung des Nibelungenliedes im Jahre 1827 sowie der Übertragung und Herausgabe der Gedichte von Walther von der Vogelweide (1833). Das populärste Werk Simrocks waren Die deutschen Volksbücher, die zwischen 1839 und 1867 immerhin 55 Auflagen erreichten. Neben der deutschen und altnordischen Literatur wandte er sich auch Shakespeare zu, dessen Quellen in Novellen, Märchen und Sagen er erforschte.
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Seitenzahl: 648
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Inhaltsverzeichnis
Ich wagte niemals Dir ein Buch zu weihn, Zu hocherhaben standst Du ob uns allen; Doch durfte meine Edda Dir gefallen:Die frohe Kunde kam mir an den Rhein.
Ach, eine trübe scholl uns hinterdrein; Du gingst hinüber zu der Väter Hallen An Wilhelms Hand in Glasirs Gold zu wallen;Uns hegt ein seidner Faden noch den Hain.
Doch welche Wunder hast Du uns erschloßen! Die deutsche Sprache sperrten sieben Siegel Und sieben Riegel Recht und Poesie.
Nun haben wir Odhrärirs Trunk genoßen, Sahn uns in Urdas weißer Flut im Spiegel;Dein
Die Absicht, unsere Landsleute in das Heiligthum der Edda, dieser Eltermutter deutscher Sage und Dichtung einzuführen, möchten wir verfehlen, wenn sie sich gleich an der Schwelle, wie leicht geschehen könnte, durch die dunkel tönenden und schwer auszudeutenden Worte der Seherin abschrecken ließe. Wollen sie unserm Rathe folgen, so lesen sie zuerst die übrigen zur Göttersage gehörigen Lieder der ältern Edda, und die Völuspa nicht eher als bis sie sich durch jene und die ersten Abschnitte der jüngern Edda mit den Göttern Walhalls und ihren Schicksalen vertraut gemacht haben. Es wird gut sein, jedes Lied erst für sich und dann noch einmal mit Zuziehung unserer Anmerkungen zu lesen. Mit der jüngern Edda überhaupt den Anfang zu machen, rathen wir nicht, da sie doch eigentlich nur die Götterlieder, freilich nicht bloß die uns erhaltenen, erläutern will. Am Besten wird sie wohl nebst den drei ersten Erzählungen der Skalda unmittelbar nach den Götterliedern, mit Ausnahme der Wöluspa gelesen.
[Hinweis zum Lesen am Bildschirm: Simrocks "Edda"-Ausgabe besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: der Älteren Edda (ÄE), der Jüngeren Edda (JE) (welche selbst als Erläuterung der ÄE dienen kann) und des Übersetzers Anmerkungen zu den Liedern der ÄE. In den Liedern der ÄE bedeuten die hochgestellten Nummern zugehörige Kapitel der JE, während man durch Anklicken des Lied-Titels auf Simrocks Anmerkungen zu diesem Lied gelangt, in denen dann wieder Rückverweise auf die Liedstrophen auftauchen. Um bei all diesen Verknüpfungen den Überblick zu behalten, empfiehlt es sich, mit zwei Browser-Fenstern (für die ÄE und die Anmerkungen) zu arbeiten.]
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1
Allen Edeln gebiet ich Andacht, Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht; Ich will Walvaters Wirken künden, Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne,
2
Riesen acht ich die Urgebornen, Die mich vor Zeiten erzogen haben. Neun Welten kenn ich, neun Aeste weiß ich An dem starken Stamm 15 im Staub der Erde.
3
Einst war das Alter, da Ymir 4 lebte: Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen, Nicht Erde fand sich noch Ueberhimmel, Gähnender Abgrund und Gras nirgend.
4
Bis Börs Söhne 8 die Bälle erhuben, Sie die das mächtige Midgard schufen. Die Sonne von Süden schien auf die Felsen Und dem Grund entgrünte grüner Lauch.
5
Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin, Hielt mit der rechten Hand die Himmelrosse. Sonne wuste nicht wo sie Sitz hätte, Mond wuste nicht was er Macht hätte, Die Sterne wusten nicht wo sie Stätte hatten.
6
Da 14 gingen die Berather zu den Richterstühlen, Hochheilge Götter hielten Rath. Der Nacht und dem Neumond gaben sie Namen, Hießen Morgen und Mitte des Tags, Under und Abend, die Zeiten zu ordnen.
7
Die Asen einten sich auf dem Idafelde, Hof und Heiligtum hoch sich zu wölben. 14 (Uebten die Kräfte Alles versuchend,) Erbauten Essen und schmiedeten Erz, Schufen Zangen und schön Gezäh.
8
Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln Und darbten goldener Dinge noch nicht. Bis drei der Thursen- töchter kamen Reich an Macht, aus Riesenheim. 14
9
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen, Hochheilge Götter hielten Rath, Wer schaffen sollte der Zwerge Geschlecht Aus Brimirs Blut und blauen Gliedern.
10
Da ward Modsognir der mächtigste Dieser Zwerge und Durin nach ihm. Noch manche machten sie menschengleich Der Zwerge von Erde, wie Durin angab.
11
Nyi und Nidi, Nordri und Sudri, Austri und Westri, Althiofr, Dwalin, Nar und Nain, Nipingr, Dain, Bifur, Bafur, Bömbur, Nori, Ann und Anarr, Ai, Miödwitnir.
12
Weigr, Gandalfr, Windalfr, Thrain, Theckr und Thorin, Thror, Witr und Litr, Nar und Nyradr; nun sind diese Zwerge, Regin und Raswidr, richtig aufgezählt.
13
Fili, Kili, Fundin, Nali, Hepti, Wili, Hannar und Swior, Billingr, Bruni, Bildr, Buri, Frar, Hornbori, Frägr und Loni, Aurwangr, Jari, Eikinskjaldi.
14
Zeit ists, die Zwerge von Dwalins Zunft Den Leuten zu leiten bis Lofar hinauf, Die aus Gestein und Klüften strebten Von Aurwangs Tiefen Zum Erdenfeld.
15
Da war Draupnir und Dolgthrasir, Har, Haugspori, Hläwangr, Gloi, Skirwir, Wirwir, Skafidr, Ai, Alfr und Yngwi, Eikinskjaldi.
16
Fialar und Frosti, Finnar und Ginnar, Heri, Höggstari, Hliodolfr, Moin. So lange Menschen leben auf Erden, Wird zu Lofar hinauf ihr Geschlecht geleitet.
17
Gingen da 9 dreie aus dieser Versammlung, Mächtige milde Asen zumal, Fanden am Ufer unmächtig Ask und Embla und ohne Bestimmung.
18
Besaßen nicht Seele, und Sinn noch nicht, Nicht Blut noch Bewegung, noch blühende Farbe. Seele gab Odhin, Hönir gab Sinn, Blut gab Lodur und blühende Farbe.
19
Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil, 15, 16 Den hohen Baum netzt weißer Nebel; Davon kommt der Thau, der in die Thäler fällt. Immergrün steht er über Urds Brunnen.
20
Davon 15 kommen Frauen, vielwißende, Drei aus dem See dort unterm Wipfel. Urd heißt die eine, die andre Werdandi: Sie schnitten Stäbe; Skuld hieß die dritte. Sie legten Looße, das Leben bestimmten sie Den Geschlechtern der Menschen, das Schicksal verkündend.
21
Allein saß sie außen, da der Alte kam, Der grübelnde Ase, und ihr ins Auge sah. Warum fragt ihr mich? was erforscht ihr mich? Alles weiß ich, Odhin, wo du dein Auge bargst:
22
In der vielbekannten Quelle Mimirs. Meth dringt Mimir allmorgentlich Aus Walvaters Pfand! wißt ihr was das bedeutet? 15
23
Ihr gab Heervater Halsband und Ringe Für goldene Sprüche und spähenden Sinn. Denn weit und breit sah sie über die Welten all.
24
Ich sah Walküren 36 weiter kommen, Bereit zu reiten zum Rath der Götter. Skuld hielt den Schild, Skögul war die andre, Gunn, Hilde, Göndul und Geirskögul. Hier nun habt ihr Herians Mädchen, Die als Walküren die Welt durchreiten.
25
Da wurde Mord in der Welt zuerst, Da sie mit Geeren Gulweig (die Goldkraft) stießen, In des Hohen Halle die helle brannten. Dreimal verbrannt ist sie dreimal geboren, Oft, unselten, doch ist sie am Leben.
26
Heid hieß man sie wohin sie kam, Wohlredende Wala zähmte sie Wölfe. Sudkunst konnte sie, Seelenheil raubte sie, Uebler Leute Liebling allezeit.
27
Da 42 gingen die Berather zu den Richterstühlen, Hochheilge Götter hielten Rath, Ob die Asen sollten Untreue strafen, Oder alle Götter Sühnopfer empfahn.
28
Gebrochen war der Burgwall den Asen, Schlachtkundge Wanen stampften das Feld. Odhin schleuderte über das Volk den Spieß: Da wurde Mord in der Welt zuerst.
29
Da gingen die Berather zu den Richterstühlen, Hochheilge Götter hielten Rath, Wer mit Frevel hätte die Luft erfüllt, Oder dem Riesenvolk Odhurs Braut gegeben?
30
Von Zorn bezwungen zögerte Thôr nicht, Er säumt selten wo er Solches vernimmt: Da schwanden die Eide, Wort und Schwüre, Alle festen Verträge jüngst trefflich erdacht.
31
Ich weiß Heimdalls 27 Horn verborgen Unter dem himmelhohen heiligen Baum. Einen Strom seh ich stürzen mit starkem Fall Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet? 15
32
Oestlich saß die Alte im Eisengebüsch Und fütterte dort Fenrirs Geschlecht. Von ihnen allen wird eins das schlimmste: Des Mondes Mörder übermenschlicher Gestalt. 12
33
Ihn mästet das Mark gefällter Männer, Der Seligen Saal besudelt das Blut. Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern, Alle Wetter wüthen: wißt ihr was das bedeutet?
34
Da saß am Hügel und schlug die Harfe Der Riesin Hüter, der heitre Egdir. Vor ihm sang im Vogelwalde Der hochrothe Hahn, geheißen Fialar.
35
Den Göttern gellend sang Gullinkambi, Weckte die Helden beim Heervater, Unter der Erde singt ein andrer, Der schwarzrothe Hahn in den Sälen Hels.
36
Ich sah dem Baldur, 49 dem blühenden Opfer, Odhins Sohne, Unheil drohen. Gewachsen war über die Wiesen hoch Der zarte, zierliche Zweig der Mistel.
37
Von der Mistel kam, so dauchte mich Häßlicher Harm, da Hödur schoß. (Baldurs Bruder war kaum geboren, Als einnächtig Odhins Erbe zum Kampf ging. 30, 53 Die Hände nicht wusch er, das Haar nicht kämmt' er, Eh er zum Bühle trug Baldurs Tödter.) Doch Frigg beklagte in Fensal dort Walhalls Verlust: wißt ihr was das bedeutet?
38
In Ketten lag im Quellenwalde In Unholdgestalt der arge Loki. Da sitzt auch Sigyn unsanfter Geberde, Des Gatten waise: wißt ihr was das bedeutet? 50
39
Gewoben weiß da Wala Todesbande, Und fest geflochten die Feßel aus Därmen. Viel weiß der Weise, sieht weit voraus Der Welt Untergang, der Asen Fall. 51 Grässlich heult Gram 12 vor der Gnupahöhle, Die Feßel bricht und Freki rennt.
40
Ein Strom wälzt ostwärts durch Eiterthäler Schlamm und Schwerter, der Slidur 4 heißt.
41
Nördlich stand an den Nidabergen Ein Saal aus Gold für Sindris Geschlecht. Ein andrer stand auf Okolnir Des Riesen Biersaal, Brimir genannt. 52
42
Einen Saal seh ich, der Sonne fern In Nastrand, 52 die Thüren sind nordwärts gekehrt. Gifttropfen fallen durch die Fenster nieder; Mit Schlangenrücken ist der Saal gedeckt.
43
Im starrenden Strome stehn da und waten Meuchelmörder und Meineidige (Und die Andrer Liebsten ins Ohr geraunt). Da saugt Nidhöggr die entseelten Leiber, Der Menschenwürger: wißt ihr was das bedeutet?
44
Viel weiß der Weise, sieht weit voraus Der Welt Untergang, der Asen Fall.
45
Brüder befehden sich und fällen einander, Geschwisterte sieht man die Sippe brechen. Der Grund erdröhnt, üble Disen fliegen; Der Eine schont des Andern nicht mehr.
46
Unerhörtes eräugnet sich, großer Ehbruch. Beilalter, Schwertalter, wo Schilde krachen, Windzeit, Wolfszeit eh die Welt zerstürzt.
47
Muspels Söhne spielen, der Mittelstamm entzündet sich Beim gellenden Ruf des Giallarhorns. Ins erhobne Horn bläst Heimdall laut, Odhin murmelt mit Mimirs Haupt.
48
Yggdrasil zittert, die Esche, doch steht sie, Es rauscht der alte Baum, da der Riese frei wird. (Sie bangen alle in den Banden Hels Bevor sie Surturs 4 Flamme verschlingt.) Grässlich heult Garm vor der Gnupahöhle, Die Feßel bricht und Freki rennt.
49
Hrym 51 fährt von Osten und hebt den Schild, Jörmungandr wälzt sich im Jötunmuthe. Der Wurm schlägt die Flut, der Adler facht, Leichen zerreißt er; los wird Naglfar.
50
Der Kiel fährt von Osten, da kommen Muspels Söhne Ueber die See gesegelt; sie steuert Loki. Des Unthiers Abkunft ist all mit dem Wolf; Auch Bileists 33 Bruder ist ihm verbündet.
51
Surtur 4, 51 fährt von Süden mit flammendem Schwert, Von seiner Klinge scheint die Sonne der Götter. Steinberge stürzen, Riesinnen straucheln, Zu Hel fahren Helden, der Himmel klafft.
52
Was ist mit den Asen? was ist mit den Alfen? All Jötunheim ächzt, die Asen versammeln sich. Die Zwerge stöhnen vor steinernen Thüren, Der Bergwege Weiser: wißt ihr was das bedeutet?
53
Da hebt sich Hlins 35 anderer Harm, Da Odin eilt zum Angriff des Wolfs. Belis Mörder 35 mißt sich mit Surtur; Schon fällt Friggs einzige Freude.
54
Nicht säumt Siegvaters erhabner Sohn Mit dem Leichenwolf, Widar, zu fechten: Er stößt dem Hwedrungssohn den Stahl ins Herz Durch gähnenden Rachen: so rächt er den Vater.
55
Da kommt geschritten Hlodyns schöner Erbe, Wider den Wurm wendet sich Odins Sohn. Muthig trifft ihn Midgards Segner. Doch fährt neun Fuß weit Fiörgyns Sohn Weg von der Natter, die nichts erschreckte. Alle Wesen müßen die Weltstatt räumen.
56
Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer, Vom Himmel schwinden die heitern Sterne. Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum, Die heiße Lohe beleckt den Himmel.
57
Da 53 seh ich auftauchen zum andernmale Aus dem Waßer die Erde und wieder grünen. Die Fluten fallen, darüber fliegt der Aar, Der auf dem Felsen nach Fischen weidet.
58
Die Asen einen sich auf dem Idafelde, Ueber den Weltumspanner zu sprechen, den großen. Uralter Sprüche sind sie da eingedenk, Von Fimbultyr gefundner Runen.
59
Da werden sich wieder die wundersamen Goldenen Bälle im Grase finden, Die in Urzeiten die Asen hatten, Der Fürst der Götter und Fiölnirs 20 Geschlecht.
60
Da werden unbesät die Aecker tragen, Alles Böse beßert sich, Baldur kehrt wieder. In Heervaters Himmel wohnen Hödur und Baldur, Die walweisen Götter. Wißt ihr was das bedeutet?
61
Da kann Hönir selbst sein Looß sich kiesen, Und beider Brüder Söhne bebauen Das weite Windheim. Wißt ihr was das bedeutet?
62
Einen Saal seh ich heller als die Sonne, Mit Gold bedeckt auf Gimils Höhn: 3, 17, 52 Da werden bewährte Leute wohnen Und ohne Ende der Ehren genießen.
63
Da reitet der Mächtige zum Rath der Götter, Der Starke von Oben, der Alles steuert. Den Streit entscheidet er, schlichtet Zwiste, Und ordnet ewige Satzungen an.
64
Nun kommt der dunkle Drache geflogen, Die Natter hernieder aus Nidafelsen. Das Feld überfliegend trägt er auf den Flügeln Nidhöggurs Leichen – und nieder senkt er sich.
Inhaltsverzeichnis
König Hraudung hatte zwei Söhne: der eine hieß Agnar, der andere Geirröd. Agnar war zehn Winter, Geirröd acht Winter alt. Da ruderten Beide auf einen. Boot mit ihren Angeln zum Kleinfischfang. Der Wind trieb sie in die See hinaus. Sie scheiterten in dunkler Nacht an einem Strand, stiegen hinauf und fanden einen Hüttenbewohner, bei dem sie überwinterten. Die Frau pflegte Agnars, der Mann Geirröds und lehrte ihn schlauen Rath. Im Frühjahr gab ihnen der Bauer ein Schiff und als er sie mit der Frau an den Strand begleitete, sprach er mit Geirröd allein. Sie hatten guten Wind und kamen zu dem Wohnsitz ihres Vaters. Geirröd, der vorn im Schiffe war, sprang ans Land, stieß das Schiff zurück und sprach: fahr nun hin in böser Geister Gewalt. Das Schiff trieb in die See, aber Geirröd ging hinauf in die Burg und ward da wohl empfangen. Sein Vater war eben gestorben, Geirröd ward also zum König eingesetzt und gewann große Macht.
Odhin und Frigg saßen auf Hlidskialf und überschauten die Welt. Da sprach Odhin: »Siehst du Agnar, deinen Pflegling, wie er in der Höhle mit einem Riesenweibe Kinder zeugt; aber Geirröd, mein Pflegling, ist König und beherscht sein Land.« Frigg sprach: »Er ist aber solch ein Neiding, daß er seine Gäste quält, weil er fürchtet es möchten zu viele kommen.« Odhin sagte, das sei eine große Lüge; da wetteten die Beiden hierüber. Frigg sandte ihr Schmuckmädchen Fulla zu Geirröd und trug ihr auf, den König zu warnen, daß er sich vor einem Zauberer hüte, der in sein Land gekommen sei, und gab zum Wahrzeichen an, daß kein Hund so böse sei, der ihn angreifen möge. Es war aber eine große Unwahrheit, daß König Geirröd seine Gäste so ungern speise; doch ließ er Hand an den Mann legen, den die Hunde nicht angreifen wollten. Er trug einen blauen Mantel und nannte sich Grimnir, sagte aber nicht mehr von sich, auch wenn man ihn fragte. Der König ließ ihn zur Rede peinigen und setzte ihn zwischen zwei Feuer und da saß er acht Nächte. König Geirröd hatte einen Sohn, der zehn Winter alt war und Agnar hieß nach des Königs Bruder. Agnar ging zu Grimnir, gab ihm ein volles Horn zu trinken, und sagte, der König thäte übel, daß er ihn schuldlos peinigen ließe. Grimnir trank es aus; da war das Feuer so weit gekommen, daß Grimnirs Mantel brannte. Er sprach:
1
Heiß bist du, Flamme, zuviel ist der Glut: Laß uns scheiden, Lohe. Schon brennt der Zipfel, zieh ich ihn gleich empor, Feuer fängt der Mantel.
2
Acht Nächte fanden mich zwischen Feuern hier, Daß mir Niemand Nahrung bot Als Agnar allein; allein soll auch herschen Geirröds Sohn über der Goten Land.
3
Heil dir, Agnar, da Heil dir erwünscht Der Helden Herscher. Für einen Trunk mag kein Andrer dir Beßre Gabe bieten.
4
Heilig ist das Land, das ich liegen sehe Den Asen nah und Alfen. Dort in Thrudheim21 soll Thôr wohnen Bis die Götter vergehen.
5
Ydalir31 heißt es, wo Uller hat Den Saal sich erbaut.Alsheim17 gaben dem Freyr die Götter im Anfang Der Zeiten als Zahngebinde.
6
Die dritte Halle hebt sich, wo die heitern Götter Den Saal mit Silber deckten. Walaskialf 12, 30 heißt sie, die sich erwählte Der As in alter Zeit.
7
Sökkwabeck 35 heißt die vierte, kühle Flut Ueberrauscht sie immer; Odhin und Saga trinken alle Tage Da selig aus goldnen Schalen.
8
Gladsheim14 heißt die fünfte, wo golden schimmert Walhalls weite Halle: Da kiest sich Odhin alle Tage Von. Schwert erschlagne Männer.
9
Leicht erkennen können, die zu Odhin kommen, Den Saal, wenn sie ihn sehen: Aus Schäften ist das Dach gefügt und mit Schilden bedeckt, Mit Brünnen die Bänke bestreut.
10
Leicht erkennen können, die zu Odhin kommen Den Saal, wenn sie ihn sehen: Ein Wolf hängt vor dem westlichen Thor, Ueber ihm dreut ein Aar.
11
Thrymheim23 heißt die sechste, wo Thiassi hauste, Jener mächtige Jote. Nun bewohnt Skadi, die scheue Götterbraut, Des Vaters alte Veste.
12
Die siebente ist Breidablick:22 da hat Baldur sich Die Halle erhöht In jener Gegend, wo der Greuel ich Die wenigsten lauschen weiß.
13
Himinbiörg17, 27 ist die achte, wo Heimdall soll Der Weihestatt walten. Der Wächter der Götter trinkt in wonnigem Hause Da selig den süßen Meth.
14
Volkwang23 ist die neunte: da hat Freyja Gewalt Die Sitze zu ordnen im Saal. Der Walstatt Hälfte wählt sie täglich; Odhin hat die andre Hälfte.
15
Glitnir17, 32 ist die zehnte; auf goldnen Säulen ruht Des Saales Silberdach. Da thront Forseti den langen Tag Und schlichtet allen Streit.
16
Noatun23 ist die eilfte: da hat Niördr Sich den Saal erbaut. Ohne Mein und Makel der Männerfürst Waltet hohen Hauses.
17
Mit Gesträuch begrünt sich und hohem Grase Widars Land Widi. Da steigt der Sohn auf den Sattel der Mähre Den Vater zu rächen bereit.
18
Andhrimnir 38 läßt in Eldhrimnir Sährimnir sieden, Das beste Fleisch; doch erfahren Wenige, Was die Einherier eßen.
19
Geri und Freki 38 füttert der krieggewohnte Herliche Heervater, Da nur von Wein der waffenhehre Odhin ewig lebt.
20
Hugin und Munin 38 müßen jeden Tag Ueber die Erde fliegen. Ich fürchte, daß Hugin nicht nach Hause kehrt; Doch sorg ich mehr um Munin.
21
Thundr ertönt, wo Thiodwitnirs Fisch in der Flut spielt; Des Stromes Ungestüm dünkt zu stark Durch Walglaumir zu waten.
22
Walgrind heißt das Gitter, das auf dem Grunde steht Heilig vor heilgen Thüren. Alt ist das Gitter; doch ahnen Wenige Wie sein Schloß sich schließt.
23
Fünfhundert Thüren und viermal zehn Wähn ich in Walhall. 40 Achthundert Einherier ziehn aus je einer, Wenn es dem Wolf zu wehren gilt.
24
Fünfhundert Stockwerke und viermal zehn Weiß ich in Bilskirnirs 21 Bau. Von allen Häusern, die Dächer haben, Glaub ich meines Sohns das gröste.
25
Heidrun 39 heißt die Ziege vor Heervaters Saal, Die an Lärads Laube zehrt. Die Schale soll sie füllen mit schäumendem Meth; Der Milch ermangelt sie nie.
26
Eikthyrnir 39 heißt der Hirsch vor Heervaters Saal, Der an Lärads Laube zehrt. Von seinem Horngeweih tropft es nach Hwergelmir: Davon stammen alle Ströme.
27
Sid und Wid, Sökin und Eikin, Swöll und Gunthro, Fiörm und Fimbulthul, Rin und Rennandi, Gipul und Göpul, Gömul und Geirwimul. Um die Götterwelt wälzen sich Thyn und Win, Thöll und Höll, Grad und Gunthorin.
28
Wina heißt einer, ein anderer Wegswinn, Ein dritter Diotnuma. Nyt und Nöt, Nönn und Hrönn, Slid und Hrid, Sylgr und Ylgr, Wid und Wan, Wönd und Strönd, Giöll und Leiptr: diese laufen den Menschen näher Und von hier zur Hel hinab. 4, 39
29
Körmt und Oermt und beide Kerlaug Watet Thôr täglich, Wenn er reitet Gericht zu halten Bei der Esche Yggdrasils; Denn die Asenbrücke steht all in Lohe, Heilige Fluten flammen. 15
30
Gladr und Gyllir, Gler und Skeidbrimir, Silfrintopp und Sinir, Gisl und Falhofnir, Gulltopp und Lettfeti: Diese Rosse reiten die Asen Täglich, wenn sie reiten Gericht zu halten Bei der Esche Yggdrasils.
31
Drei Wurzeln strecken sich nach dreien Seiten Unter der Esche Yggdrasils: Hel wohnt unter einer, unter der andern Hrimthursen, Aber unter der dritten Menschen.
32
Ratatöskr 16 heißt das Eichhorn, das auf und ab rennt An der Esche Yggdrasils: Des Adlers Worte oben vernimmt es Und bringt sie Nidhöggern nieder.
33
Der Hirsche 16 sind vier, die mit krummem Halse An der Esche Ausschüßen weiden: Dain und Dwalin, Duneyr und Durathror.
34
Mehr Würme liegen unter den Wurzeln der Esche Als Einer meint der unklugen Affen. Goin und Moin, Grafwitnirs Söhne, Grabakr und Grafwölludr, Ofnir und Swafnir sollen ewig Von der Wurzeln Zweigen zehren.
35
Die Esche Yggdrasils duldet Unbill Mehr als Menschen wißen. Der Hirsch weidet oben, hohl wird die Seite, Unten nagt Nidhöggr.
36
Hrist und Mist sollen das Horn mir reichen, Skeggöld und Skögul, Hlöck und Herfiötr, Hildur und Thrudr, Göll und Geirölul; Randgrid und Rathgrid und Reginleif Schenken den Einheriern Ael. 36
37
Arwakr und Aswidr 11 sollen immerdar Schmachtend die Sonne führen. Unter ihre Bugen bargen milde Mächte, Die Asen, Eisenkühle.
38
Swalin heißt der Schild, der vor der Sonne steht, Der glänzenden Gottheit. Brandung und Berge verbrennten zumal, Sänk er von seiner Stelle.
39
Sköll 12 heißt der Wolf, der der scheinenden Gottheit Folgt in die schützende Flut; Hati der andre, Hrodwitnirs Sohn, Eilt der Himmelsbraut voraus.
40
Aus Ymirs 6, 8 Fleisch ward die Erde geschaffen, Aus dem Schweiße die See, Aus dem Gebein die Berge, die Bäume aus dem Haar, Aus der Hirnschale der Himmel.
41
Aus den Augenbrauen schufen gütge Asen Midgard den Menschensöhnen; Aber aus seinem Hirn sind alle hartgemuthen Wolken erschaffen worden.
42
Ullers 31 Gunst hat und aller Götter, Wer zuerst die Lohe löscht, Denn die Aussicht öffnet sich den Asensöhnen, Wenn der Keßel vom Feuer kommt.
43
Iwalts Söhne 61 gingen in Urtagen Skidbladnir zu schaffen, Das beste der Schiffe, für den schimmernden Freyr, Niörds nützen Sohn.
44
Die Esche Yggdrasils 16, 41 ist der Bäume erster, Skidbladnir der Schiffe, Odhin der Asen, aller Rosse Sleipnir, Bifröst der Brücken, Bragi der Skalden, Habrok der Habichte, der Hunde Garm.
45
Mein Antlitz sahen nun der Sieggötter Söhne, So wird mein Heil erwachen: Alle Asen werden Einzug halten Zu des Wüthrichs Saal, Zu des Wüthrichs Mal.
46
Ich heiße 20 Grimr und Gangleri, Herian und Hialmberi, Theckr und Thridi, Thudr und Udr, Helblindi und Har.
47
Sadr und Swipal und Sanngetal, Herteitr und Hnikar, Bileigr, Baleigr, Bölwerkr, Fiölnir, Grimur und Glapswidr.
48
Sidhöttr, Sidskeggr, Siegvater, Hnikudr, Allvater, Walvater, Atridr und Farmatyr; Eines Namens genügte mir nie Seit ich unter die Völker fuhr.
49
Grimnir hießen sie mich bei Geirrödr, Bei Asmund Jalk; Kialar schien ich, da ich Schlitten zog; Thror dort im Thing; Widr den Widersachern; Oski und Omi, Jafnhar und Biflindi, Göndlir und Harbard bei den Göttern.
50
Swidur und Swidrir hieß ich bei Söckmimir, Als ich den alten Thursen trog, Und Midwitnirs, des mären Unholds, Sohn Im Einzelkampf umbrachte.
51
Toll bist du, Geirrödr, hast zuviel getrunken, Der Meth ward dir Meister. Viel verlorst du, meiner Liebe darbend: Aller Einherier und Odhins Huld.
52
Viel sagt ich dir: du schlugst es in den Wind, Die Vertrauten trogen dich. Schon seh ich liegen meines Lieblings Schwert Vom Blut erblindet.
53
Die schwertmüde Hülle hebt nun Yggr auf, Da das Leben dich ließ: Abhold sind dir die Disen, nun magst du Odhin schauen: Komm heran, wenn du kannst.
54
Odhin heiß ich nun, Yggr hieß ich eben, Thundr hab ich geheißen. Wakr und Skilfingr, Wafudr und Hroptatyr, Gautr und Jalkr bei den Göttern, Ofnir und Swafnir: deren Ursprung weiß ich Aller aus mir allein.
König Geirröd saß und hatte das Schwert auf den Knieen halb aus der Scheide gezogen. Als er aber vernahm, daß Odhin gekommen sei, sprang er auf und wollte ihn aus den Feuern führen. Da glitt ihm das Schwert aus den Händen, der Griff nach unten gekehrt. Der König strauchelte und durch das Schwert, das ihm entgegenstand, fand er den Tod. Da verschwand Odhin und Agnar war da König lange Zeit.
Inhaltsverzeichnis
Odhin.
Rath Du mir nun, Frigg, da mich zu fahren lüstet Zu Wafthrudnirs Wohnungen; Denn groß ist mein Vorwitz über der Vorwelt Lehren Mit dem allwißenden Joten zu streiten.
Frigg.
2
Daheim zu bleiben, Heervater, mahn ich dich In der Asen Gehegen, Da vom Stamm der Joten ich stärker keinen Als Wafthrudnirn weiß.
Odhin.
3
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel; Nun will ich wißen wie's in Wafthrudnirs Sälen beschaffen ist.
Frigg.
4
Heil denn fahre, heil denn kehre, Heil dir auf deinen Wegen! Dein Witz bewähre sich, da du, Weltenvater, Mit Riesen Rede tauschest. –
5
Fuhr da Odhin zu erforschen die Weisheit Des allklugen Joten. Er kam zu der Halle, die Ims Vater hatte; Eintrat Yggr alsbald.
Odhin.
6
Heil dir, Wafthrudnir! In die Halle kam ich Dich selber zu sehen. Zuerst will ich wißen, ob du weise bist Und ein allwißender Jote.
Wafthrudnir.
7
Wer ist der Mann, der in meinem Saal Das Wort an mich wendet? Aus kommst du nimmer aus unsern Hallen, Wenn du nicht weiser bist.
Odhin.
8
Gangradr heiß ich, die Wege ging ich Durstig zu deinem Saal. Bin weit gewandert, des Wirths, o Riese, Und deines Empfangs bedürftig.
Wafthrudnir.
9
Was hältst du und sprichst an der Hausflur, Gangradr? Nimm dir Sitz im Saale: So wird erkannt wer kundiger sei, Der Gast oder der graue Redner.
Gangradr.
10
Kehrt Armut ein beim Ueberfluß, Spreche sie gut oder schweige. Uebeln Ausgang nimmt Uebergeschwätzigkeit Bei mürrischem Manne.
Wafthrudnir.
11
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst, Gangradr, dein Glück, Wie heißt der Hengst, der herzieht den Tag Ueber der Menschen Menge?
Gangradr.
12
Skinfaxi 10 heißt er, der den schimmernden Tag zieht Ueber der Menschen Menge. Für der Füllen bestes gilt es den Völkern, Stäts glänzt die Mähne der Mähre.
Wafthrudnir.
13
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst, Gangradr, dein Glück, Den Namen des Rosses, das die Nacht bringt von Osten Den waltenden Wesen?
Gangradr.
14
Hrimfaxi heißt es, das die Nacht herzieht Den waltenden Wesen. Mehlthau fällt ihm am Morgen vom Gebiß Und füllt mit Thau die Thäler.
Wafthrudnir.
15
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst, Gangradr, dein Glück, Wie heißt der Strom, der dem Stamm der Riesen Den Grund theilt und den Göttern?
Gangradr.
16
Ifing heißt der Strom, der dem Stamm der Riesen Den Grund theilt und den Göttern. Durch alle Zeiten zieht er offen, Nie wird Eis ihn engen.
Wafthrudnir.
17
Sage denn, so du von der Flur versuchen willst, Gangradr, dein Glück, Wie heißt das Feld, wo zum Kampf sich finden Surtur und die selgen Götter?
Gangradr.
18
Wigrid 51 heißt das Feld, da zum Kampf sich finden Surtur und die selgen Götter. Hundert Rasten zählt es rechts und links: Solcher Walplatz wartet ihrer.
Wafthrudnir.
19
Klug bist du, Gast: geh zu den Riesenbänken Und laß uns sitzend sprechen. Das Haupt stehe hier in der Halle zur Wette, Wandrer, um weise Worte.
Gangradr.
20
Sage zum ersten, wenn Sinn dir ausreicht Und du es weist, Wafthrudnir, Erd und Ueberhimmel, von wannen zuerst sie Kamen? kluger Jote!
Wafthrudnir.
21
Aus Ymirs Fleisch 6, 8 ward die Erde geschaffen, Aus dem Gebein die Berge, Der Himmel aus der Hirnschale des eiskalten Hünen, Aus seinem Schweiße die See.
Gangradr.
22
Sag mir zum andern, wenn der Sinn dir ausreicht Und du es weist, Wafthrudnir, Von wannen der Mond kommt, der über die Menschen fährt, Und so die Sonne?
Wafthrudnir.
23
Mundilföri 11 heißt des Mondes Vater Und so der Sonne. Sie halten täglich am Himmel die Runde Und bezeichnen die Zeiten des Jahrs.
Gangradr.
24
Sag mir zum dritten, so du weise dünkst Und du es weist, Wafthrudnir, Wer hat den Tag gezeugt, der über die Völker zieht, Und die Nacht mit dem Neumond?
Wafthrudnir.
25
Dellingr 10 heißt des Tages Vater, Die Nacht ist von Nörwi gezeugt. Des Mondes Mindern und Schwinden schufen milde Wesen Die Zeiten des Jahrs zu bezeichnen.
Gangradr.
26
Sag mir zum vierten, wenn dus erforscht hast Und du es weist, Wafthrudnir, Wannen der Winter kam und der warme Sommer Zuerst den gütgen Göttern?
Wafthrudnir.
27
Windswalir 19 heißt des Winters Vater, Und Swasudr des Sommers. Durch alle Zeiten ziehn sie selbander Bis die Götter vergehen.
Gangradr.
28
Sag mir zum fünften, wenn dus erforscht hast Und du es weist, Wafthrudnir, Wer von den Asen der erste, oder von Ymirs Geschlecht Im Anfang aufwuchs?
Wafthrudnir.
29
Im Urbeginn der Zeiten vor der Erde Schöpfung Ward Bergelmir 7 geboren. Drudgelmir war dessen Vater, Oergelmir sein Ahn.
Gangradr.
30
Sag mir zum sechsten, wenn du sinnig dünkst Und du es weist, Wafthrudnir, Woher Oergelmir kam den Kindern der Riesen Zuerst? allkluger Jote.
Wafthrudnir.
31
Aus den Eliwagar 5 fuhren Eitertropfen Und wuchsen bis ein Riese ward. Dann stoben Funken aus der südlichen Welt Und Lohe gab Leben dem Eis.
Gangradr.
32
Sag nur zum siebenten, wenn du sinnig dünkst Und du es weist, Wafthrudnir, Wie zeugte Kinder der kühne Jötun, Da er der Gattin irre ging?
Wafthrudnir.
33
Unter des Reifriesen Arm wuchs, rühmt die Sage 5 , Dem Thursen Sohn und Tochter. Fuß mit Fuß gewann dem furchtbaren Riesen Sechsgehäupteten Sohn.
Gangradr.
34
Sag mir zum achten, wenn man dich weise achtet, Daß du es weist, Wafthrudnir, Wes gedenkt dir zuerst, was weist du das älteste? Du bist ein allkluger Jötun.
Wafthrudnir.
35
Im Urbeginn der Zeiten, vor der Erde Schöpfung Ward Bergelmir 7 geboren. Des gedenk ich zuerst, daß der allkluge Jötun Im Boot geborgen ward.
Gangradr.
36
Sag mir zum neunten, wenn man dich weise nennt Und du es weist, Wafthrudnir, Woher der Wind kommt, der über die Waßer fährt Unsichtbar den Erdgebornen.
Wafthrudnir.
37
Hräswelg 18 heißt der an Himmels Ende sitzt In Adlerskleid ein Jötun. Mit seinen Fittichen facht er den Wind Ueber alle Völker.
Gangradr.
38
Sag mir zum zehnten, wenn der Götter Zeugung Du weist, Wafthrudnir, Wie kam Niördr aus Noatun Unter die Asensöhne? 23 Höfen und Heiligtümern hundert gebietet er Und ist nicht asischen Ursprungs.
Wafthrudnir.
39
In Wanaheim schufen ihn weise Mächte Und gaben ihn Göttern zum Geisel. Am Ende der Zeiten soll er aber kehren Zu den weisen Wanen.
Gangradr.
40
Sag mir zum eilften, wenn der Asen Geschicke Du weist, Wafthrudnir, In Heervaters Halle was die Helden schaffen Bis die Götter vergehen?
Wafthrudnir.
41
Die Einherier 41 alle in Odhins Saal Streiten Tag für Tag; Sie kiesen den Wal und reiten vom Kampf heim Mit Asen Ael zu trinken, Und Sährimnirs satt Sitzen sie friedlich beisammen.
Gangradr.
42
Sag mir zum zwölften, wenn der Götter Zukunft Du alle weist, Wafthrudnir, Von der Joten und aller Asen Geheimnissen Sag mir das Sicherste, Allkluger Jötun.
Wafthrudnir.
43
Von der Joten und aller Asen Geheimnissen Kann ich Sicheres sagen, Denn alle durchwandert die Welten hab ich, Neun Reiche bereist ich bis Nifelheim nieder; Da fahren die Helden zu Hel.
Gangradr.
44
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel. Wer lebt und leibt noch, wenn der lang besungne Schreckenswinter schwand?
Wafthrudnir.
45
Lif und Lifthrasir leben verborgen In Hoddmimirs Holz. 53 Morgenthau ist all ihr Mal: Von ihnen stammt ein neu Geschlecht.
Gangradr.
46
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel. Wie kommt eine Sonne an den klaren Himmel, Wenn diese Fenrir fraß?
Wafthrudnir.
47
Eine Tochter entstammt der stralenden Göttin Eh der Wolf sie würgt: Glänzend fährt nach der Götter Fall Die Maid auf den Wegen der Mutter. 53
Gangradr.
48
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel. Wie heißen die Mädchen, die das Meer der Zeit Vorwißend überfahren?
Wafthrudnir.
49
Drei über der Völker Vesten schweben Mögthrasirs Mädchen, Die einzigen Huldinnen der Erdenkinder, Wenn auch bei Riesen auferzogen.
Gangradr.
50
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel. Wer waltet der Asen des Erbes der Götter, Wenn Surturs Lohe losch?
Wafthrudnir.
51
Widar und Wali walten des Heiligtums, Wenn Suturs Lohe losch. 53 Modi und Magni sollen Miölnir schwingen Und zu Ende kämpfen den Krieg.
Gangradr.
52
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel. Was wird Odhins Ende werden, Wenn die Götter vergehen?
Wafthrudnir.
53
Der Wolf erwürgt den Vater der Welten: Das wird Widar rächen. Die kalten Kiefern wird er klüften Im letzten Streit dem starken. 51
Gangradr.
54
Viel erfuhr ich, viel versucht ich, Befrug der Wesen viel: Was sagte Odhin ins Ohr dem Sohn Eh er die Scheitern bestieg?
Wafthrudnir.
55
Nicht Einer weiß was in der Urzeit du Sagtest dem Sohn ins Ohr. Den Tod auf dem Munde meldet' ich Schicksalsworte Von der Asen Ausgang. Mit Odhin kämpft ich in klugen Reden: Du wirst immer der Weiseste sein.
Inhaltsverzeichnis
1
Allvater waltet, Alfen verstehen, Wanen wißen, Nornen weisen, Iwidie nährt, Menschen dulden, Thursen erwarten, Walküren trachten.
2
Die Asen ahnten übles Verhängniss, Verwirrt von widrigen Winken der Seherin. Urda sollte Odhrörir bewachen, Wenn sie wüste so großem Schaden zu wehren.
3
Auf hub sich Hugin 38 den Himmel zu suchen; Unheil fürchteten die Asen, verweil er. Thrains Ausspruch ist schwerer Traum, Dunkler Traum ist Dains Ausspruch.
4
Den Zwergen schwindet die Stärke. Die Himmel Neigen sich nieder zu Ginnungs Nähe. 5 Alswidr 11 läßt sie oftmals sinken, Oft die sinkenden hebt er aber empor.
5
Nirgend haftet Sonne noch Erde, Es schwanken und stürzen die Ströme der Luft. In Mimirs klarer Quelle versiecht Die Weisheit der Männer. Wißt ihr was das bedeutet?
6
Im Thale weilt die vorwißende Göttin Hinab von Yggdrasils Esche gesunken, Alfengeschlechtern Idun genannt, Die Jüngste von Jwalts 61 ältern Kindern.
7
Schwer erträgt sie dieß Niedersinken Unter des Laubbaums Stamm gebannt. Nicht behagt es ihr bei Nörwis 10 Tochter, An heitere Wohnung gewöhnt so lange.
8
Die Sieggötter sehen die Sorge Nannas Um die niedre Wohnung: sie geben ihr ein Wolfsfell. Damit bekleidet verkehrt sie den Sinn, Freut sich der Auskunft, erneut die Farbe.
9
Wählte Widrir 6 den Wächter der Brücke, Den Giallarertöner, 27 die Göttin zu fragen Was sie wiße von den Weltgeschicken. Ihn geleiten Loptr und Bragi. 16
10
Weihlieder sangen, auf Wölfen ritten Die Herscher und Hüter der Himmelswelt. Odhin spähte von Hlidskialfs Sitz Und wandte weit hinweg die Zeugen.
11
Der Weise fragte die Wächterin des Tranks, Ob von den Asen und ihren Geschicken Unten im Hause der Hel sie wüsten Anfang und Dauer und endlichen Tod.
12
Sie mochte nicht reden, nicht melden konnte sies: Wie begierig sie fragten, sie gab keinen Laut. Zähren schoßen aus den Spiegeln des Haupts, Mühsam verhehlt, und netzten die Hände.
13
Wie schlafbetäubt erschien den Göttern Die Harmvolle, die des Worts sich enthielt. Jemehr sie sich weigerte, je mehr sie drängten; Doch mit allem Forschen erfragten sie nichts.
14
Da fuhr hinweg der Vormann der Botschaft, Der Hüter von Herians gellendem Horn. Den Sohn der Nal nahm er zum Begleiter; 33 Als Wächter der Schönen blieb Odhins Skalde. 26
15
Gen Wingolf kehrten Widrirs Gesandte, Beide von Forniots Freunden getragen. Eintraten sie itzt und grüßten die Asen, Yggrs Gefährten beim fröhlichen Mal.
16
Sie wünschten dem Odhin, dem seligsten Asen, Lang auf dem Hochsitz der Lande zu walten; Den Göttern, beim Gastmal vergnügt sich zu reihen, Bei Allvater ewiger Ehren genießend.
17
Nach Bölwerks 58 Gebot auf die Bänke vertheilt, Von Sährimnir speisend saßen die Götter. Skögul schenkte in Hnikars Schalen Den Meth und maß ihn aus Mimirs Horn.
18
Mancherlei fragten über dem Male Den Heimdal die Götter, die Göttinnen Loki, Ob Spruch und Spähung gespendet die Jungfrau – Bis Dunkel am Abend den Himmel deckte.
19
Uebel, sagten sie, sei es ergangen, Erfolglos die Werbung, und wenig erforscht. Nur mit List gewinnen ließe der Rath sich, Daß ihnen die Göttliche Auskunft gäbe.
20
Antwort gab Omi, 3 sie Alle hörten es: »Die Nacht ist zu nützen zu neuem Entschluß. Bis Morgen bedenke Wer es vermag Glücklichen Rath den Göttern zu finden.«
21
Ueber die Wege von Walis Mutter Nieder sank die Nahrung Fenrirs. Vom Gastmal schieden die Götter entlaßend Hroptr und Frigg, als Hrimfaxi 10 auffuhr.
22
Da hebt sich von Osten aus den Eliwagar 5 Des reifkalten Riesen 10 dornige Ruthe, Mit der er in Schlaf die Völker schlägt, Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht.
23
Die Kräfte ermatten, ermüden die Arme, Schwindelnd wankt der weiße Schwertgott. 27 Ohnmacht befällt sie in der eisigen Nachtluft, Die Sinne schwanken der ganzen Versammlung.
24
Da trieb aus dem Thore wieder der Tag Sein schön mit Gestein geschmücktes Ross; Weit über Mannheim glänzte die Mähne: Des Zwergs Ueberlisterin zog es im Wagen.
25
Am nördlichen Rand der nährenden Erde Unter des Urbaums äußerste Wurzel Gingen zur Ruhe Gygien und Thursen, Gespenster, Zwerge und Schwarzalfen.
26
Auf standen die Herscher und die Alfenbestralerin; Die Nacht sank nördlich gen Nifelheim. Ulfrunas Sohn stieg Argiöl 27 hinan, Der Hornbläser, zu den Himmelsbergen.
Inhaltsverzeichnis
1
Die Asen eilten all zur Versammlung Und die Asinnen all zum Gespräch: Darüber beriethen die himmlischen Richter, Warum den Baldur böse Träume schreckten?
2
(Ihm schien der schwere Schlaf ein Kerker, Verschwunden des süßen Schlummers Labe. Da fragten die Fürsten vorschaunde Wesen, Ob ihnen das wohl Unheil bedeute?
3
Die Gefragten sprachen: »Dem Tode verfallen ist Ullers 31 Freund, so einzig lieblich.« Darob erschraken Swafnir und Frigg, Und alle die Fürsten sie faßten den Schluß:
4
»Wir wollen besenden die Wesen alle, Frieden erbitten, daß sie Baldurn nicht schaden.« Alles schwur Eide, ihn zu verschonen; Frigg nahm die festen Schwür in Empfang.
5
Allvater achtete das ungenügend, Verschwunden schienen ihm die Schutzgeister all. Die Asen berief er Rath zu heischen; Am Mahlstein gesprochen ward mancherlei.)
6
Auf stand Odhin, der Allerschaffer, Und schwang den Sattel auf Sleipnirs 42 Rücken. Nach Nifelheim hernieder ritt er; Da kam aus Hels Haus ein Hund ihm entgegen,
7
Blutbefleckt vorn an der Brust, Kiefer und Rachen klaffend zum Biß, So ging er entgegen mit gähnendem Schlund Dem Vater der Lieder und bellte laut. Fort ritt Odhin, die Erde dröhnte, Zu dem hohen Hause kam er der Hel.
8
Da ritt Odhin ans östliche Thor, Wo er der Wala wuste den Hügel. Das Wecklied begann er der Weisen zu singen, (Nach Norden schauend schlug er mit dem Stabe, Sprach die Beschwörung Bescheid erheischend) Bis gezwungen sie aufstand Unheil verkündend.
Wala.
9
Welcher der Männer, mir unbewuster, Schafft die Beschwerde mir solchen Gangs? Schnee beschneite mich, Regen beschlug mich, Thau beträufte mich, todt war ich lange.
Odhin.
10
Ich heiße Wegtam, bin Waltams Sohn, Wie ich von der Oberwelt sprich von der Unterwelt. Wem sind die Bänke mit Baugen (Ringen) bestreut, Die glänzenden Betten mit Gold bedeckt?
Wala.
11
Hier steht dem Baldur der Becher eingeschenkt, Der schimmernde Trank, vom Schild bedeckt. Die Asen alle sind ohne Hoffnung. Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
12
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne: Welcher der Männer ermordet Baldurn, Wird Odhins Erben das Ende fügen?
Wala.
13
Hieher bringt Hödr 28 den hochberühmten, Er wird der Mörder werden Baldurs, Wird Odhins Erben das Ende fügen. 49 Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
14
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne: Wer wird uns Rache gewinnen an Hödur, Und zum Bühle bringen Baldurs Mörder?
Wala.
15
Rindur 30, 36 im Westen gewinnt den Sohn, Der einnächtig, Odhins Erbe, zum Kampf geht. Er wäscht die Hand nicht, das Haar nicht kämmt er Bis er zum Bühle brachte Baldurs Mörder. Genöthigt sprach ich, nun will ich schweigen.
Wegtam.
16
Schweig nicht, Wala, ich will dich fragen Bis Alles ich weiß. Noch wüst ich gerne: Wie heißt das Weib, die nicht weinen will Und himmelan werfen des Hauptes Schleier? Sage das Eine noch, nicht eher schläfst du.
Wala.
17
Du bist nicht Wegtam, wie erst ich wähnte, Odhin bist du der Allerschaffer.
Odhin.
18
Du bist keine Wala, kein wißendes Weib, Vielmehr bist du dreier Thursen Mutter.
Wala.
19
Heim reit nun, Odhin, und rühme dich: Kein Mann kommt mehr mich zu besuchen Bis los und ledig Loki der Bande wird Und der Götter Dämmerung verderbend einbricht.
Inhaltsverzeichnis
1
Der Ausgänge halber bevor du eingehst Stelle dich sicher, Denn ungewiss ist, wo Widersacher Im Hause halten.
2
Heil dem Geber! der Gast ist gekommen: Wo soll er sitzen? Athemlos ist, der unterwegs Sein Geschäft besorgen soll.
3
Wärme wünscht der vom Wege kommt Mit erkaltetem Knie; Mit Kost und Kleidern erquicke den Wandrer, Der über Felsen fuhr.
4
Waßer bedarf, der Bewirthung sucht, Ein Handtuch und holde Nöthigung. Mit guter Begegnung erlangt man vom Gaste Wort und Wiedervergeltung.
5
Witz bedarf man auf weiter Reise; Daheim hat man Nachsicht. Zum Augengespött wird der Unwißende, Der bei Sinnigen sitzt.
6
Doch steife sich Niemand auf seinen Verstand, Acht hab er immer. Wer klug und wortkarg zum Wirthe kommt Schadet sich selten: Denn festern Freund als kluge Vorsicht Mag der Mann nicht haben.
7
Vorsichtiger Mann, der zum Male kommt, Schweigt lauschend still. Mit Ohren horcht er, mit Augen späht er Und forscht zuvor verständig.
8
Selig ist, der sich erwirbt Lob und guten Leumund. Unser Eigentum ist doch ungewiss In des Andern Brust.
9
Selig ist, wer selbst sich mag Im Leben löblich rathen, Denn übler Rath wird oft dem Mann Aus des Andern Brust.
10
Nicht beßre Bürde bringt man auf Reisen Als Wißen und Weisheit. So frommt das Gold in der Fremde nicht, In der Noth ist nichts so nütze.
11
Nicht üblern Begleiter giebt es auf Reisen Als Betrunkenheit ist, Und nicht so gut als Mancher glaubt Ist Ael den Erdensöhnen, Denn um so minder je mehr man trinkt Hat man seiner Sinne Macht.
12
Der Vergeßenheit Reiher überrauscht Gelage Und stiehlt die Besinnung. Des Vogels Gefieder besing auch Mich In Gunlöds Haus und Gehege.
13
Trunken ward ich und übertrunken In des schlauen Fialars Felsen. Trunk mag taugen, wenn man ungetrübt Sich den Sinn bewahrt.
14
Schweigsam und vorsichtig sei des Fürsten Sohn Und kühn im Kampf. Heiter und wohlgemuth erweise sich Jeder Bis zum Todestag.
15
Der unwerthe Mann meint ewig zu leben, Wenn er vor Gefechten flieht. Das Alter gönnt ihm doch endlich nicht Frieden, Obwohl der Sper ihn spart.
16
Der Tölpel glotzt, wenn er zum Gastmal kommt, Murmelnd sitzt er und mault. Hat er sein Theil getrunken hernach, So sieht man welchen Sinns er ist.
17
Der weiß allein, der weit gereist ist, Und Vieles hat erfahren, Welches Witzes jeglicher waltet, Wofern ihm selbst der Sinn nicht fehlt.
18
Lange zum Becher nur, doch leer ihn mit Maß, Sprich gut oder schweig. Niemand wird es ein Laster nennen, Wenn du früh zur Ruhe fährst.
19
Der gierige Schlemmer, vergißt er der Tischzucht Schlingt sich schwere Krankheit an; Oft wirkt Verspottung, wenn er zu Weisen kommt, Thörichtem Mann sein Magen.
20
Selbst Heerden wißen, wann zur Heimkehr Zeit ist Und gehn vom Grase willig; Der Unkluge kennt allein nicht Seines Magens Maß.
21
Der Armselige, Uebelgesinnte Hohnlacht über Alles Und weiß doch selbst nicht was er wißen sollte, Daß er nicht fehlerfrei ist.
22
Unweiser Mann durchwacht die Nächte Und sorgt um alle Sachen; Matt nur ist er, wenn der Morgen kommt, Der Jammer währt wie er war.
23
Ein unkluger Mann meint sich Alle hold, Die ihn lieblich anlachen. Er versieht es sich nicht, wenn sie Schlimmes von ihm reden So er zu Klügern kommt.
24
Ein unkluger Mann meint sich Alle hold, Die ihm kein Widerwort geben; Kommt er vor Gericht, so erkennt er bald, Daß er wenig Anwälte hat.
25
Ein unkluger Mann meint Alles zu können, Wenn er sich einmal zu wahren wuste. Doch wenig weiß er was er antworten soll, Wenn er mit Schwerem versucht wird.
26
Ein unkluger Mann, der zu Andern kommt, Schweigt am Besten still. Niemand bemerkt, daß er nichts versteht So lang er zu sprechen scheut. Nur freilich weiß wer wenig weiß Auch das nicht, wann er schweigen soll.
27
Weise dünkt sich schon wer zu fragen weiß Und zu sagen versteht; Doch Unwißenheit mag kein Mensch verbergen, Der mit Leuten leben muß.
28
Der schwatzt zuviel, der nimmer geschweigt Eitel unnützer Worte. Die zappelnde Zunge, die kein Zaum verhält, Ergellt sich selten Gutes.
29
Mach nicht zum Spott der Augen den Mann, Der vertrauend Schutz will suchen. Klug dünkt sich leicht, der von Keinem befragt wird Und mit heiler Haut daheim sitzt.
30
Klug dünkt sich gern, wer Gast den Gast Verhöhnend, Heil in der Flucht sucht. Oft merkt zu spät, der beim Male Hohn sprach, Wie grämlichen Feind er ergrimmte.
31
Zu oft geschiehts, das sonst nicht Verfeindete Sich als Tischgesellen schrauben. Dieses Aufziehn wird ewig währen: Der Gast grollt dem Gaste.
32
Bei Zeiten nehme den Imbiß zu sich, Der nicht zu gutem Freunde fährt. Sonst sitzt er und schnappt und will verschmachten Und hat zum Reden nicht Ruhe.
33
Ein Umweg ists zum untreuen Freunde, Wohnt er gleich am Wege; Zum trauten Freunde führt ein Richtsteig Wie weit der Weg sich wende.
34
Zu gehen schickt sich, nicht zu gasten stäts An derselben Statt. Der Liebe wird leid, der lange weilt In des Andern Haus.
35
Eigen Haus, ob eng, geht vor, Daheim bist du Herr, Zwei Ziegen nur und dazu ein Strohdach Ist beßer als Betteln.
36
Eigen Haus, ob eng, geht vor, Daheim bist du Herr. Das Herz blutet Jedem, der erbitten muß Sein Mal alle Mittag.
37
Von seinen Waffen weiche Niemand Einen Schritt im freien Feld: Niemand weiß unterwegs wie bald Er seines Spers bedarf.
38
Nie fand ich so milden und kostfreien Mann, Der nicht gerne Gab empfing, Mit seinem Gute so freigebig Keinen, Dem Lohn wär leid gewesen.
39
Des Vermögens, das der Mann erwarb, Soll er sich selbst nicht Abbruch thun: Oft spart man dem Leiden was man dem Lieben bestimmt; Viel fügt sich schlimmer als man denkt.
40
Freunde sollen mit Waffen und Gewändern sich erfreun, Den schönsten, die sie besitzen: Gab und Gegengabe begründet Freundschaft, Wenn sonst nichts entgegen steht.
41
Der Freund soll dem Freunde Freundschaft bewähren Und Gabe gelten mit Gabe. Hohn mit Hohn soll der Held erwiedern, Und Losheit mit Lüge.
42
Der Freund soll dem Freunde Freundschaft bewähren, Ihm selbst und seinen Freunden. Aber des Feindes Freunde soll Niemand Sich gewogen erweisen.
43
Weist du den Freund, dem du wohl vertraust Und erhoffst du Holdes von ihm, So tausche Gesinnung und Geschenke mit ihm, Und suche manchmal sein Haus heim.
44
Weist du den Mann, dem du wenig vertraust Und hoffst doch Holdes von ihm, Sei fromm in Worten und falsch im Denken Und zahle Losheit mit Lüge.
45
Weist du dir Wen, dem du wenig vertraust, Weil dich sein Sinn verdächtig dünkt, Den magst du anlachen, und an dich halten: Die Vergeltung gleiche der Gabe.
46
Jung war ich einst, da ging ich einsam Verlaßne Wege wandern. Doch fühlt ich mich reich, wenn ich Andere fand: Der Mann ist des Mannes Lust.
47
Der milde, muthige Mann ist am glücklichsten, Den selten Sorge beschleicht; Doch der Verzagte zittert vor Allem Und kargt verkümmernd mit Gaben.
48
Mein Gewand gab ich im Walde Moosmännern zweien. Bekleidet dauchten sie Kämpen sich gleich, Währet Hohn den Nackten neckt.
49
Der Dornbusch dorrt, der im Dorfe steht, Ihm bleibt nicht Blatt noch Borke. So geht es dem Mann, den Niemand mag: Was soll er länger leben?
50
Heißer brennt als Feuer der Bösen Freundschaft fünf Tage lang; Doch sicher am sechsten ist sie erstickt Und alle Lieb erloschen.
51
Die Gabe muß nicht immer groß sein: Oft erwirbt man mit Wenigem Lob. Ein halbes Brot, eine Neig im Becher Gewann mir wohl den Gesellen.
52
Wie Körner im Sand klein an Verstand Ist kleiner Seelen Sinn. Ungleich ist der Menschen Einsicht, Zwei Hälften hat die Welt.
53
Der Mann muß mäßig weise sein, Doch nicht allzuweise. Das schönste Leben ist dem beschieden, Der recht weiß was er weiß.
54
Der Mann muß mäßig weise sein, Doch nicht allzuweise. Des Weisen Herz erheitert sich selten Wenn er zu weise wird.
55
Der Mann muß mäßig weise sein, Doch nicht allzuweise. Sein Schicksal kenne Keiner voraus, So bleibt der Sinn ihm sorgenfrei.
56
Brand entbrennt an Brand bis er zu Ende brennt, Flamme belebt sich an Flamme. Der Mann wird durch den Mann der Rede mächtig: Im Verborgnen bleibt er blöde.
57
Früh aufstehen soll wer den Andern sinnt Um Haupt und Habe zu bringen: Dem schlummernden Wolf glückt selten ein Fang, Noch schlafendem Mann ein Sieg.
58
Früh ausstehen soll wer wenig Arbeiter hat, Und schaun nach seinem Werke. Manches versäumt wer den Morgen verschläft: Dem Raschen gehört der Reichtum halb.
59
Dürrer Scheite und deckender Schindeln Weiß der Mann das Maß, Und all des Holzes, womit er ausreicht Während der Jahreswende.
60
Rein und gesättigt reit zur Versammlung Um schönes Kleid unbekümmert. Der Schuh und der Hosen schäme sich Niemand, Noch des Hengstes, hat er nicht guten.
61
Zu sagen und zu fragen verstehe Jeder, Der nicht dumm will dünken. Nur Einem vertrau er, nicht auch dem Andern; Wißens dreie, so weiß es die Welt.
62
Verlangend lechzt eh er landen mag Der Aar auf der ewigen See. So geht es dem Mann in der Menge des Volks, Der keinen Anwalt antrifft.
63
Der Macht muß der Mann, wenn er klug ist, Sich mit Bedacht bedienen, Denn bald wird er finden, wenn er sich Feinde macht, Daß dem Starken ein Stärkrer lebt.
64
Umsichtig und verschwiegen sei ein Jeder Und im Zutraun zaghaft. Worte, die Andern anvertraut wurden, Büßt man oft bitter.
65
An manchen Ort kam ich allzufrüh; Allzuspät an andern. Bald war getrunken das Bier, bald zu frisch; Unlieber kommt immer zur Unzeit.
66
Hier und dort hätte mir Labung gewinkt, Wenn ich des bedurfte. Zwei Schinken noch hingen in des Freundes Halle, Wo ich Einen schon geschmaust.
67
Feuer ist das Beste dem Erdgebornen, Und der Sonne Schein; Nur sei Gesundheit ihm nicht versagt Und lasterlos zu leben.
68
Ganz unglücklich ist Niemand, ist er gleich nicht gesund: Einer hat an Söhnen Segen, Einer an Freunden, Einer an vielem Gut, Einer an trefflichem Thun.
69
Leben ist beßer, auch Leben in Armut: Der Lebende kommt noch zur Kuh. Feuer sah ich des Reichen Reichtümer freßen, Und der Tod stand vor der Thür.
70
Der Hinkende reite, der Handlose hüte, Der Taube taugt noch zur Tapferkeit. Blind sein ist beßer als verbrannt werden: Der Todte nützt zu nichts mehr.
71
Ein Sohn ist beßer, ob spät geboren Nach des Vaters Hinfahrt. Bautasteine stehn am Wege selten, Wenn sie der Freund dem Freund nicht setzt.
72
Zweie gehören zusammen und doch schlägt die Zunge das Haupt. Unter jedem Gewand erwart ich eine Faust.
73
Der Nacht freut sich wer des Vorraths gewiss ist, Doch herb ist die Herbstnacht. Fünfmal wittert es in fünf Tagen: Wie viel mehr im Monat!
74
Wer wenig weiß, der weiß auch nicht, Daß Einen oft der Reichtum äfft; Einer ist reich, ein Andrer arm: Den soll Niemand narren.
75
Das Vieh stirbt, die Freunde sterben, Endlich stirbt man selbst; Doch nimmer mag ihm der Nachruhm sterben, Welcher sich guten gewann.
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Das Vieh stirbt, die Freunde sterben, Endlich stirbt man selbst; Doch Eines weiß ich, das immer bleibt: Das Urtheil über den Todten.
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Volle Speicher sah ich bei Fettlings Sproßen, Die heuer am Hungertuch nagen: Ueberfluß währt einen Augenblick, Dann flieht er, der falscheste Freund.
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Der alberne Geck, gewinnt er etwa Gut oder Gunst der Frauen, Gleich schwillt ihm der Kamm, doch die Klugheit nicht; Nur im Hochmuth nimmt er zu.
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Was wirst du finden, befragst du die Runen, Die hochheiligen, Welche Götter schufen, Hohepriester schrieben? Daß nichts beßer sei als Schweigen.
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Den Tag lob Abends, die Frau im Tode,