Karl Simrock: Die Nibelungensage - Karl Simrock - E-Book

Karl Simrock: Die Nibelungensage E-Book

Karl Simrock

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Beschreibung

Das Nibelungenlied verwebt virtuos politische Intrige, persönliche Tragödie und ethische Grundfragen zu einem fesselnden Epos, dessen dramatische Struktur in der mittelalterlichen Epik Maßstäbe setzt. Im Zentrum der Handlung stehen der niederrheinische Königssohn Siegfried, die burgundische Königstochter Kriemhild und der Vasall Hagen von Tronje. Nach Siegfrieds Ermordung durch einen politisch motivierten Komplott entwickelt sich aus einer höfischen Tragödie ein umfassender Konflikt zwischen Macht und Recht, persönlicher Rache und Staatsräson. Die Ereignisse kulminieren in der gegenseitigen Vernichtung zweier Königshäuser. In diesem Untergang offenbart sich die zerstörerische Kraft eines Systems, das persönliche Ehre über alles stellt. Die genaue Darstellung politischer Mechanismen, die psychologische Entwicklung der Charaktere und die Analyse von Loyalitätskonflikten haben das Werk zu einem Meilenstein der deutschen Literatur gemacht. In den ethischen Fragen nach der Legitimität von Rache, der Natur der Macht und den Grenzen persönlicher Verantwortung liegt seine zeitlose Brisanz. Die vorliegende E-Book-Ausgabe der Übersetzung von Karl Simrock ist mit einem einführenden Kommentar ausgestattet.

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Karl Simrock

Die Nibelungensage

Das Nibelungenlied mit einführendem Kommentar

Copyright © 2024 Novelaris Verlag

ISBN: 978-3-68931-082-0

Inhaltsverzeichnis

Einführender Kommentar

Die Überlieferungsgeschichte

Die mythologischen und historischen Wurzeln

Der erste Teil: Siegfrieds Geschichte

Der zweite Teil: Kriemhilds Rache

Die künstlerische Gestaltung

DAS NIBELUNGENLIED

Erstes Abenteuer – Wie Kriemhilden träumte

Zweites Abenteuer – Von Siegfrieden

Drittes Abenteuer – Wie Siegfried nach Worms kam

Viertes Abenteuer – Wie Siegfried mit den Sachsen stritt

Fünftes Abenteuer – Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah

Sechstes Abenteuer - Wie Gunther um Brunhild gen Isenland fuhr

Siebentes Abenteuer – Wie Gunther Brunhilden gewann

Achtes Abenteuer – Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr

Neuntes Abenteuer – Wie Siegfried nach Worms gesandt ward

Zehntes Abenteuer – Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt

Elftes Abenteuer – Wie Siegfried mit seinem Weibe heimkehrte

Zwölftes Abenteuer – Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud

Dreizehntes Abenteuer – Wie sie zum Hofgelage fuhren

Vierzehntes Abenteuer – Wie die Königinnen sich schalten

Fünfzehntes Abenteuer – Wie Siegfried verraten ward

Sechzehntes Abenteuer – Wie Siegfried erschlagen ward

Siebzehntes Abenteuer – Wie Siegfried beklagt und begraben ward

Achtzehntes Abenteuer – Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb

Neunzehntes Abenteuer – Wie der Nibelungenhort nach Worms kam

Zwanzigstes Abenteuer – Wie König Etzel um Kriemhilden sandte

Einundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr

Zweiundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward

Dreiundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte

Vierundzwanzigstes Abenteuer – Wie Werbel und Schwemmel die Botschaft brachten

Fünfundzwanzigstes Abenteuer – Wie die Könige zu den Hennen fuhren

Sechsundzwanzigstes Abenteuer – Wie Dankwart Gelfraten erschlug

Siebenundzwanzigstes Abenteuer – Wie sie nach Bechlaren kamen

Achtundzwanzigstes Abenteuer – Wie Kriemhild Hagen empfing

Neunundzwanzigstes Abenteuer – Wie er nicht vor ihr aufstand

Dreißigstes Abenteuer – Wie Hagen und Volker Schildwacht standen

Einunddreißigstes Abenteuer – Wie die Herren zur Kirche gingen

Zweiunddreißigstes Abenteuer – Wie Blödel erschlagen wurde

Dreiunddreißigstes Abenteuer – Wie Dankwart die Märe seinen Herren brachte

Vierunddreißigstes Abenteuern – Wie sie die Toten aus dem Saale warfen

Fünfunddreißigstes Abenteuer – Wie Iring erschlagen ward

Sechsunddreißigstes Abenteuer – Wie die Königin den Saal verbrennen ließ

Siebenunddreißigstes Abenteuer – Wie Rüdiger erschlagen ward

Achtunddreißigstes Abenteuer – Wie Dietrichens Recken alle erschlagen wurden

Neununddreißigstes Abenteuer – Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erschlagen wurden

Cover

Table of Contents

Text

Einführender Kommentar

Die Überlieferungsgeschichte

Die Überlieferungsgeschichte des Nibelungenliedes zeigt eindrucksvoll, wie ein mittelalterlicher Text über Jahrhunderte hinweg seine Bedeutung bewahren und sogar steigern konnte.

Um das Jahr 1200 brachte ein unbekannter Dichter die Geschichte zu Papier. Er verband dabei geschickt die Elemente alter germanischer Sagen mit der höfischen Kultur seiner Zeit. Das Ergebnis wurde zu einem der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur – auch wenn dieser Status nicht von Anfang an gesichert war.

Die Überlieferungslage des Nibelungenliedes ist für einen mittelalterlichen Text außergewöhnlich gut. Es existieren etwa 35 Handschriften und Fragmente, darunter drei vollständige Haupthandschriften. Diese werden in der Forschung mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet. Die A-Handschrift wird heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München aufbewahrt, die B-Handschrift in der Stiftsbibliothek St. Gallen und die C-Handschrift in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Jede dieser Handschriften weist eigene sprachliche und inhaltliche Besonderheiten auf, was die lebendige Überlieferungstradition des Mittelalters verdeutlicht.

Nach der mittelalterlichen Blütezeit geriet das Werk zunächst in Vergessenheit. Erst 1755 erfolgte durch Johann Jakob Bodmer ein wegweisender Teilabdruck des Textes. Diese Veröffentlichung markierte den Beginn einer wissenschaftlichen und literarischen Wiederentdeckung des Nibelungenliedes.

Eine Schlüsselrolle in der Vermittlung des Textes spielte Karl Simrock. Der 1802 in Bonn geborene Germanist und Übersetzer schuf 1827 eine Übertragung des mittelhochdeutschen Textes ins Neuhochdeutsche. Simrocks besondere Leistung bestand darin, dass er den epischen Charakter und die poetische Kraft des Originals bewahrte und gleichzeitig einen für seine Zeitgenossen verständlichen Text schuf. Der Erfolg war bemerkenswert: Zu Simrocks Lebzeiten erschienen über 40 Auflagen seiner Übersetzung.

Die Bedeutung dieser Übersetzungsleistung kann kaum überschätzt werden. Sie machte das Nibelungenlied erstmals einem breiten Publikum zugänglich und legte damit den Grundstein für die intensive Rezeption des Werks im 19. Jahrhundert. Das Epos entwickelte sich zu einem zentralen Text der deutschen Literatur und beeinflusste Künstler verschiedener Gattungen. Richard Wagners Opernzyklus “Der Ring des Nibelungen” ist nur das bekannteste Beispiel für die produktive Auseinandersetzung mit dem Stoff.

Die kulturhistorische Bedeutung des Nibelungenliedes fand 2009 ihre internationale Anerkennung: Die UNESCO nahm die drei Haupthandschriften in das Weltdokumentenerbe auf. Diese Auszeichnung stellt das mittelalterliche Epos in eine Reihe mit anderen grundlegenden Dokumenten der Menschheitsgeschichte wie der Magna Carta oder der Gutenberg-Bibel.

Ein Vergleich der mittelhochdeutschen Originalfassung mit Simrocks Übersetzung zeigt beispielhaft, wie er die sprachliche Brücke zwischen Mittelalter und Neuzeit schlug. Die erste Strophe lautet im Original:

“Uns ist in alten mæren wunders vil geseit

von helden lobebæren, von grôzer arebeit,

von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,

von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.”

Simrock übertrug dies als:

“Uns ist in alten Mären Wunders viel gesagt

Von Helden, lobesbären, von großer Kühnheit:

Von Freud’ und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen,

Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen.”

Die Überlieferungsgeschichte des Nibelungenliedes verdeutlicht, wie ein mittelalterlicher Text durch sorgfältige Bewahrung, wissenschaftliche Erschließung und geglückte Übersetzung seine kulturelle Relevanz über Jahrhunderte erhalten und sogar steigern konnte. Die Aufnahme in das UNESCO-Weltdokumentenerbe bestätigt seinen Rang als herausragendes Zeugnis der Weltliteratur.

Die mythologischen und historischen Wurzeln

Die mythologischen und historischen Wurzeln des Nibelungenliedes bilden ein komplexes Geflecht aus verschiedenen Traditionen. Das Werk vereint germanische Sagenstoffe, historische Ereignisse und mittelalterlich-höfische Kulturelemente zu einer eigenständigen Dichtung.

Der germanische Sagenkreis um Siegfried gehört zu den ältesten Schichten des Stoffes. Einzelne Elemente dieser Überlieferung finden sich bereits in der altnordischen Edda und der Völsunga-Saga. Zentrale Motive wie Siegfrieds Unverwundbarkeit, der Hortgewinn und der Drachenkampf entstammen dieser mythologischen Tradition. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Ereignisse im Nibelungenlied selbst nur in Rückblenden erwähnt werden – ein Zeichen dafür, dass sie dem mittelalterlichen Publikum als bekannt vorausgesetzt werden konnten.

Die historische Dimension des Werks wird besonders im zweiten Teil greifbar. Der Untergang der Burgunden wird mit einem realen Ereignis des Jahres 436 in Verbindung gebracht: In diesem Jahr vernichtete der römische Feldherr Aëtius mit hunnischer Unterstützung das burgundische Reich am Rhein. König Gundicarius (im Nibelungenlied: Gunther) fiel in dieser Schlacht. Die Burgunden wurden danach in der Gegend um Genf neu angesiedelt. Diese historische Katastrophe wurde im kollektiven Gedächtnis bewahrt und literarisch verarbeitet.

Auch die Figur des Hunnenkönigs Etzel basiert auf einer historischen Gestalt: Attila (434-453). Allerdings erscheint er im Nibelungenlied in deutlich veränderter Form. Während der historische Attila als gefürchteter Herrscher galt, wird Etzel als großzügiger und gerechter König dargestellt. Diese Transformation zeigt exemplarisch, wie historische Fakten im Prozess der literarischen Gestaltung umgedeutet wurden.

Die Verschmelzung mit der höfischen Kultur des Hochmittelalters stellt eine weitere wichtige Entwicklungsstufe dar. Der unbekannte Dichter des Nibelungenliedes kleidete den alten Stoff in das Gewand seiner Zeit. Die germanischen Krieger werden zu höfischen Rittern, die nach den Regeln der mittelalterlichen Gesellschaft leben. Besonders deutlich wird dies in den ausführlichen Beschreibungen höfischer Feste, der Kleiderausstattung und des zeremoniellen Verhaltens.

Diese Verbindung von archaischen und höfischen Elementen erzeugt eine charakteristische Spannung im Werk. Während die Figuren äußerlich dem höfischen Ideal entsprechen, brechen in Krisensituationen archaische Verhaltensmuster durch. Der Konflikt zwischen höfischer Zivilisation und alter Sippenethik wird dadurch zu einem zentralen Thema des Werks.

Die christliche Überformung bildet eine weitere Schicht der Stoffgeschichte. Obwohl das Nibelungenlied keine explizit christliche Dichtung ist, sind christliche Elemente deutlich erkennbar. Die Figuren nehmen an Gottesdiensten teil, beichten und berufen sich auf christliche Werte. Allerdings bleiben diese Elemente oft oberflächlich – in entscheidenden Momenten handeln die Charaktere nicht nach christlichen Grundsätzen der Vergebung und Versöhnung, sondern nach den älteren Gesetzen der Rache und Sippenehre.

Geografisch verbindet das Nibelungenlied verschiedene Räume: Der Rhein mit den Städten Worms und Xanten repräsentiert den höfisch-zivilisierten Westen, während das Hunnenreich im Osten als fremdartig und potentiell bedrohlich erscheint. Dazwischen liegt mit dem Odenwald der wilde, gefährliche Raum, in dem Siegfried den Tod findet. Diese geografische Gliederung hat sowohl narrative als auch symbolische Funktion.

Von besonderem Interesse ist die Transformation des Nibelungen-Begriffs. Ursprünglich bezeichnet er ein mythisches Zwergenvolk, die Besitzer des Hortes. Im Verlauf der Handlung geht die Bezeichnung auf die Burgunden über – ein Prozess, der die komplexe Verflechtung verschiedener Traditionsstränge beispielhaft illustriert.

Die Vielschichtigkeit der Wurzeln erklärt die außergewöhnliche Wirkungsmacht des Nibelungenliedes. Das Werk vereint elementare menschliche Erfahrungen wie Liebe, Verrat und Rache mit historischen Ereignissen und kulturellen Traditionen. Diese Verbindung verleiht ihm eine zeitlose Dimension, die über den mittelalterlichen Entstehungskontext hinausweist.

Die verschiedenen Überlieferungsstränge wurden dabei nicht einfach addiert, sondern zu einer künstlerischen Einheit verschmolzen. Der unbekannte Dichter schuf aus dem überlieferten Material eine neue, eigenständige Version des Stoffes. Diese Gestaltung prägt bis heute die Rezeption der Nibelungensage im deutschsprachigen Raum.

Die mythologischen und historischen Wurzeln des Nibelungenliedes bilden somit das Fundament für ein Werk, das verschiedene Traditionen aufnimmt und transformiert. Das Verständnis dieser Schichten ermöglicht einen tieferen Zugang zum Text und seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung.

Der erste Teil: Siegfrieds Geschichte

Der erste Teil des Nibelungenliedes, der von Siegfrieds Aufstieg und Fall handelt, bildet eine in sich geschlossene Erzählung, die das weitere Geschehen maßgeblich bestimmt.

Die Handlung beginnt am burgundischen Hof zu Worms, wo Kriemhild, die Königstochter, mit ihren drei Brüdern Gunther, Gernot und Giselher lebt. Ihre außergewöhnliche Schönheit zieht den jungen Königssohn Siegfried von Xanten an. Dieser ist bereits vor seiner Ankunft in Worms durch bemerkenswerte Taten hervorgetreten: Er hat einen Drachen getötet, sich in dessen Blut gebadet und dadurch eine nahezu unverwundbare Haut erhalten. Zudem gewann er den sagenhaften Nibelungenhort, einen gewaltigen Schatz, der ihm übernatürliche Kräfte verleiht.

Siegfrieds Werben um Kriemhild folgt zunächst den Konventionen höfischer Minne. Er muss sich ein Jahr am Hofe bewähren, bevor er die Königstochter auch nur zu Gesicht bekommt. In dieser Zeit unterstützt er die Burgunden in einem Krieg gegen die Sachsen und zeigt dabei seine überragenden kämpferischen Fähigkeiten. Die Darstellung Siegfrieds vereint dabei verschiedene Heldenbilder: Er ist sowohl der strahlende höfische Ritter als auch der mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Held der germanischen Sage.

Eine verhängnisvolle Wendung nimmt die Geschichte, als Gunther um die Hand Brünhilds wirbt, der Königin von Isenstein. Diese stellt ihren Bewerbern drei sportliche Aufgaben und tötet jeden, der unterliegt. Nur mit Hilfe von Siegfrieds Tarnkappe, die ihrem Träger übermenschliche Kräfte verleiht und ihn unsichtbar macht, kann Gunther die Prüfungen bestehen. Der Betrug gelingt, doch er wird zur Keimzelle der späteren Katastrophe.

Die Doppelhochzeit von Gunther mit Brünhild und Siegfried mit Kriemhild markiert den Höhepunkt der höfischen Harmonie. Doch diese Harmonie ist trügerisch. In der Hochzeitsnacht wehrt sich Brünhild erfolgreich gegen Gunther, und wieder muss Siegfried mit seiner Tarnkappe heimlich eingreifen. Dabei nimmt er Brünhild einen Ring und einen Gürtel ab – Gegenstände, die später zu entscheidenden Beweisstücken werden.

Der Konflikt eskaliert, als die beiden Königinnen in Streit geraten. Vor dem Wormser Dom streiten sie um den Vortritt – eine scheinbar nebensächliche Frage der höfischen Etikette, die jedoch fundamentale Bedeutung gewinnt. In der Hitze des Streits enthüllt Kriemhild den Betrug: Sie bezeichnet Brünhild als Siegfrieds Kebse (Nebenfrau). Die öffentliche Demütigung Brünhilds verlangt nach Rache.

Hagen von Tronje, der mächtigste Vasall der Burgunden, ergreift die Initiative. Unter dem Vorwand, Siegfried im Kampf gegen erneut drohende Feinde beschützen zu wollen, entlockt er Kriemhild das Geheimnis von dessen einziger verwundbarer Stelle: Ein Lindenblatt fiel beim Bad im Drachenblut auf Siegfrieds Rücken und ließ dort eine ungeschützte Stelle zurück. Diese Information wird Siegfried zum Verhängnis.

Bei einer vorgetäuschten Jagd im Odenwald wird der arglose Held Opfer einer sorgfältig geplanten Intrige. Als er sich nach einem Wettlauf an einer Quelle zum Trinken niederbeugt, stößt ihm Hagen den Speer in die verwundbare Stelle. Siegfrieds Tod ist von besonderer dramatischer Wucht: Der strahlende Held stirbt einen unwürdigen Tod durch Meuchelmord.

Die Darstellung von Kriemhilds Trauer bildet den erschütternden Abschluss des ersten Teils. Ihre Klage wird verstärkt durch einen letzten heimtückischen Akt Hagens: Er lässt Siegfrieds Leichnam vor Kriemhilds Kammertür legen, wo sie ihn am Morgen findet. Die Bahrprobe – bei der die Wunden des Ermordeten in Gegenwart des Mörders erneut zu bluten beginnen – überführt Hagen eindeutig der Tat.

Der erste Teil endet mit einem dreifachen Verlust Kriemhilds: Sie verliert ihren geliebten Mann, dann durch Hagens List den Nibelungenhort, der ihr als Morgengabe zustand, und schließlich ihre Position am burgundischen Hof. Sie bleibt als Trauernde zurück, die nur noch von einem Gedanken beseelt ist: der Rache für Siegfrieds Tod.

Die besondere Kunst des Nibelungendichters zeigt sich in der dramatischen Steigerung der Ereignisse. Aus dem höfischen Werben entwickelt sich durch Intrige und Verrat eine Katastrophe, die alle Beteiligten in ihren Sog zieht. Dabei werden die handelnden Figuren in ihrer psychologischen Komplexität gezeigt: Siegfried ist nicht nur strahlender Held, sondern auch Mittäter eines Betrugs. Hagen handelt nicht nur aus Bosheit, sondern auch aus Loyalität zu seinen Herren. Und Kriemhild wandelt sich von der höfischen Dame zur verbitterten Rächerin.

Der erste Teil des Nibelungenliedes schafft damit die Voraussetzungen für die noch größere Katastrophe des zweiten Teils. Er zeigt, wie aus einer höfischen Liebesgeschichte durch Verrat und Gewalt eine Tragödie erwächst, deren Folgen weit über den Tod des Helden hinausreichen werden.

Der zweite Teil: Kriemhilds Rache

Der zweite Teil des Nibelungenliedes, der von Kriemhilds Rache handelt, entwickelt eine Dynamik, die alle höfischen Ordnungssysteme sprengt und in einer umfassenden Katastrophe mündet.

Nach dreizehn Jahren der Trauer willigt Kriemhild ein, den mächtigen Hunnenkönig Etzel zu heiraten. Diese Entscheidung erscheint zunächst als Niederlage – als Aufgabe ihrer Rachegedanken. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Ehe mit Etzel verschafft ihr eine Machtposition, von der aus sie ihre lange geplante Rache verwirklichen kann. Die einst passive Trauernde wird zur aktiv Handelnden, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Die Wandlung Kriemhilds von der höfischen Dame zur unbarmherzigen Rächerin vollzieht sich schrittweise. An Etzels Hof gewinnt sie durch die Geburt eines Sohnes und ihre kluge Politik großen Einfluss. Nach sieben Jahren sieht sie den Zeitpunkt gekommen, ihre burgundischen Verwandten an den Hunnenhof einzuladen. Die Einladung wird mit allen Mitteln höfischer Diplomatie vorgetragen, doch ihr eigentlicher Zweck ist die Rache.

Am burgundischen Hof löst die Einladung kontroverse Diskussionen aus. Hagen warnt vor der Reise, wird aber überstimmt. Die Burgunden – die jetzt als Nibelungen bezeichnet werden – brechen mit großem Gefolge auf. Die Reise ist von unheilverkündenden Vorzeichen begleitet: Die Donaunixen prophezeien, dass keiner außer dem Hofkaplan die Heimat wiedersehen wird. Hagen versucht daraufhin, den Kaplan zu ertränken, doch dieser überlebt und kehrt nach Worms zurück – die Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen.

Der Empfang am Hunnenhof ist von einer gespannten Atmosphäre geprägt. Während Etzel seine Gäste großzügig und arglos willkommen heißt, macht Kriemhild aus ihrer feindseligen Haltung keinen Hehl. Sie empfängt zunächst nur Hagen und Gunther, nicht aber ihre anderen Brüder. Hagen provoziert sie bewusst, indem er sich weigert, in ihrer Gegenwart die Waffen abzulegen. Die höfischen Umgangsformen werden zunehmend zur leeren Hülle.

Die Katastrophe entwickelt sich in mehreren Stufen. Kriemhild versucht zunächst, die Burgunden von Hagen zu trennen, doch diese halten in bedingungsloser Treue zu ihm. Als ihre Versuche scheitern, lässt sie den Saal, in dem die Burgunden untergebracht sind, in Brand setzen. Die Burgunden überleben die Nacht, indem sie den Durst mit dem Blut der erschlagenen Angreifer stillen – ein drastisches Bild für die Rückkehr zu archaischer Gewalt.

Der folgende Kampf sprengt alle Grenzen höfischer Kriegsführung. Selbst Etzel verliert seine neutrale Position, als sein und Kriemhilds kleiner Sohn getötet wird. Der Kampf weitet sich zu einem allgemeinen Massaker aus, dem auch die Unbeteiligten zum Opfer fallen. Rüdiger von Bechelaren, der ideale Repräsentant höfischer Tugenden, wird durch konkurrierende Treuepflichten in den Tod getrieben. Der Konflikt zwischen Sippenehre und Vasallentreue wird in seiner ganzen Ausweglosigkeit deutlich.

Die letzten Überlebenden auf burgundischer Seite sind schließlich Gunther und Hagen. Kriemhild lässt beide gefangen nehmen und stellt Hagen vor die Wahl: Wenn er den Ort des versenkten Nibelungenhortes preisgibt, darf er leben. Hagen erklärt, er habe seinen Herren geschworen, den Ort des Hortes niemandem zu verraten, solange einer seiner Könige lebe. Daraufhin lässt Kriemhild ihren Bruder Gunther töten. Als Hagen nun erklärt, dass er den Ort des Hortes niemals preisgeben werde, erschlägt Kriemhild ihn eigenhändig mit Siegfrieds Schwert.

Diese letzte Rachetat führt zu Kriemhilds eigenem Ende: Der alte Hildebrand, entsetzt über ihre Tat, erschlägt sie. Das Nibelungenlied endet mit einer universalen Vernichtung: Alle Hauptfiguren sind tot, die höfische Ordnung ist zerstört, übrig bleiben nur Trauer und Klage.

Der zweite Teil des Nibelungenliedes zeigt eindrucksvoll, wie persönliche Rache zu einer Katastrophe von überindividueller Dimension führt. Die Mechanismen der Gewalt entwickeln eine Eigendynamik, die keine Versöhnung mehr zulässt. Dabei wird deutlich, dass alle Beteiligten in ihrem eigenen Wertsystem gefangen sind: Kriemhild in ihrem Rachewunsch, die Burgunden in ihrer Treue zu Hagen, Rüdiger in seinen konkurrierenden Verpflichtungen.

Das Ende markiert nicht nur den Untergang der handelnden Personen, sondern auch das Scheitern eines ganzen Gesellschaftssystems. Die höfischen Ideale von maze (Mäßigung) und triuwe (Treue) erweisen sich als unzureichend, um den archaischen Gewaltkräften Einhalt zu gebieten. In dieser umfassenden Kulturkritik liegt eine der bleibenden Aktualitäten des Werks.

Die künstlerische Gestaltung

Die künstlerische Gestaltung des Nibelungenliedes zeigt eine hochentwickelte literarische Technik, die verschiedene Gestaltungselemente zu einem wirkungsvollen Ganzen verbindet.

Der Aufbau des Werks folgt einer klaren Struktur. Die 39 “âventiuren” (Kapitel) sind in zwei große Teile gegliedert, die durch einen zeitlichen Einschnitt von dreizehn Jahren getrennt sind. Diese Zweiteilung ist mehr als nur formal: Sie ermöglicht eine Gegenüberstellung von Siegfrieds höfisch-heroischer Welt mit der archaischen Untergangsvision des zweiten Teils. Dabei sind die beiden Teile durch ein dichtes Netz von Entsprechungen und Gegensätzen verbunden. So spiegelt etwa der Brand des Saals im zweiten Teil die Feuerprobe Siegfrieds im ersten.

Die sprachliche Gestaltung zeigt eine charakteristische Mischung verschiedener Stilebenen. Die Grundlage bildet die höfische Literatursprache des beginnenden 13. Jahrhunderts. Sie wird ergänzt durch Elemente des heroischen Stils der älteren Heldenepik. Diese Verbindung entspricht der inhaltlichen Spannung zwischen höfischer Kultur und heroischer Überlieferung. Der Dichter beherrscht beide Stilregister souverän und setzt sie gezielt zur Charakterisierung von Situationen und Personen ein.

Ein besonderes Merkmal ist die Strophenform, die als “Nibelungenstrophe” bekannt wurde. Sie besteht aus vier Langzeilen mit paarweise gebundenen Endreimen. Jede Langzeile hat eine Zäsur in der Mitte, die erste Hälfte hat drei, die zweite zwei oder drei Hebungen. Die letzte Halbzeile ist durch eine zusätzliche Hebung verlängert, was der Strophe einen charakteristischen Klang verleiht. Diese Form wurde zum Vorbild für viele spätere Dichtungen.

Karl Simrock gelang es in seiner Übersetzung, diese metrische Form nachzubilden. Er behielt die wesentlichen Merkmale der Nibelungenstrophe bei und schuf damit einen Text, der den Rhythmus des Originals vermittelt, ohne gezwungen zu wirken. Seine Wortwahl bewegt sich in einem mittleren Register zwischen archaisierender Würde und verständlicher Modernität.

Die Erzähltechnik des Nibelungenliedes ist von bemerkenswerter Komplexität. Der Erzähler tritt zwar zurück, lenkt aber durch vorausdeutende Bemerkungen die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Berühmt ist die formelhafte Wendung “daz was ir leit” (das brachte ihnen Leid), die regelmäßig auf kommende Katastrophen verweist. Diese Technik erzeugt eine Atmosphäre des unabwendbaren Schicksals.

Symbolische Elemente durchziehen das gesamte Werk. Der Nibelungenhort steht für materiellen Reichtum und weltliche Macht, wird aber zum Auslöser von Verrat und Gewalt. Die Tarnkappe symbolisiert die Macht der Täuschung, während Siegfrieds Schwert Balmung für heroische Tugend steht. Auch Naturereignisse und Träume haben symbolische Bedeutung: Sie kündigen kommendes Unheil an.

Die Charakterzeichnung erfolgt sowohl durch direkte Beschreibung als auch durch Handlung und Dialog. Dabei entwickelt der Dichter eine bemerkenswerte psychologische Tiefe. Die Hauptfiguren sind keine eindimensionalen Typen, sondern komplexe Charaktere mit widersprüchlichen Zügen. Besonders deutlich wird dies an der Figur der Kriemhild, deren Entwicklung von der höfischen Dame zur rachsüchtigen “vâlandinne” (Teufelin) überzeugend motiviert wird.

Ein weiteres Gestaltungsmerkmal ist die Verwendung von Kontrasten. Der Prunk höfischer Feste steht gegen die Brutalität der Kämpfe, die äußere Schönheit der Figuren gegen ihre innere Zerrüttung, höfische Etikette gegen archaische Gewalt. Diese Gegensätze verstärken die dramatische Wirkung und verdeutlichen den Zusammenbruch der höfischen Ordnung.

Die räumliche Gestaltung folgt einem symbolischen Schema. Der zivilisierte Westen (Worms, Xanten) steht gegen den fremdartigen Osten (Hunnenland), der wilde Odenwald markiert einen Übergangsraum. Die Reise der Burgunden ins Hunnenland wird so auch zu einer Reise aus der höfischen Zivilisation in eine archaische Gegenwelt.

Simrocks Übersetzungsleistung zeigt sich besonders in der Behandlung formelhafter Wendungen. Er findet deutsche Entsprechungen, die den epischen Ton des Originals bewahren, ohne altertümelnd zu wirken. Seine Version der berühmten Eingangsstrophe wurde zum klassischen Beispiel für gelungene Übersetzungskunst.

Die künstlerische Gestaltung des Nibelungenliedes vereint also traditionelle mit innovativen Elementen. Der Dichter nutzt das überlieferte Formelinventar der Heldenepik, entwickelt aber zugleich neue Ausdrucksmöglichkeiten. Die Verbindung von höfischer Kultur und heroischer Tradition findet ihre Entsprechung in der sprachlichen und formalen Gestaltung. Simrocks Übersetzung hat diese Qualitäten in die neuhochdeutsche Sprache übertragen und damit das Werk für moderne Leser erschlossen.

Diese kunstreiche Gestaltung erklärt die anhaltende Wirkung des Werks: Es verbindet historische Überlieferung mit zeitloser künstlerischer Form und schafft damit ein Epos von bleibender Bedeutung.

DAS NIBELUNGENLIED

Erstes Abenteuer – Wie Kriemhilden träumte

Viel Wunderdinge melden · die Mären alter Zeit

Von preiswerten Helden · von großer Kühnheit,

Von Freud’ und Festlichkeiten · von Weinen und von Klagen,

Von kühner Recken Streiten · mögt ihr nun Wunder hören sagen.

Es wuchs in Burgunden · solch edel Mägdelein,

Daß in allen Landen · nichts Schönres mochte sein.

Kriemhild war sie geheißen · und ward ein schönes Weib,

Um die viel Degen mußten · verlieren Leben und Leib.

Die Minnigliche lieben · brachte keinem Scham;

Um die viel Recken warben · niemand war ihr gram.

Schön war ohne Maßen · die edle Maid zu schaun;

Der Jungfrau höf’sche Sitte · wär’ eine Zier allen Fraun.

Es pflegten sie drei Könige · edel und reich,

Gunther und Gernot · die Recken ohne Gleich,

Und Geiselher der junge · ein auserwählter Degen;

Sie war ihre Schwester · die Fürsten hatten sie zu pflegen.

Die Herren waren milde · dazu von hohem Stamm,

Unmaßen kühn von Kräften · die Recken lobesam.

Nach den Burgunden · war ihr Land genannt;

Sie schufen starke Wunder · noch seitdem in Etzels Land.

Zu Worms am Rheine wohnten · die Herrn in ihrer Kraft.

Von ihren Landen diente · viel stolze Ritterschaft

Mit rühmlichen Ehren · all ihres Lebens Zeit,

Bis jämmerlich sie starben · durch zweier edeln Frauen Streit.

Ute hieß ihre Mutter · die reiche Königin,

Und Dankrat ihr Vater · der ihnen zum Gewinn

Das Erbe ließ im Tode · vordem ein starker Mann,

Der auch in seiner Jugend · großer Ehren viel gewann.

Die drei Kön’ge waren · wie ich kund getan,

Stark und hohen Mutes · ihnen waren untertan

Auch die besten Recken · davon man hat gesagt,

Von großer Kraft und Kühnheit · in allen Streiten unverzagt.

Das war von Tronje Hagen · und der Bruder sein,

Dankwart der schnelle · von Metz Herr Ortewein,

Die beiden Markgrafen · Gere und Eckewart,

Volker von Alzei · an allen Kräften wohlbewahrt,

Rumold der Küchenmeister · ein auserwählter Degen,

Sindold und Hunold · die Herren mußten pflegen

Des Hofes und der Ehren · den Kön’gen untertan.

Noch hatten sie viel Recken · die ich nicht alle nennen kann.

Dankwart war Marschall · so war der Neffe sein

Truchseß des Königs · von Metz Herr Ortewein.

Sindold war Schenke · ein waidlicher Degen,

Und Kämmerer Hunold · sie konnten hoher Ehren pflegen.

Von des Hofes Ehre · von ihrer weiten Kraft,

Von ihrer hohen Würdigkeit · und von der Ritterschaft,

Wie sie die Herren übten · mit Freuden all ihr Leben,

Davon weiß wahrlich niemand · euch volle Kunde zu geben.

Es träumte Kriemhilden · der ehrenreichen Maid,

Einen wilden Falken · zöge sie lange Zeit;

Den griffen ihr zwei Aare · daß sie es mochte sehn:

Ihr konnt’ auf dieser Erde · größer Leid nicht geschehn.

Sie sagt’ ihrer Mutter · den Traum, Frau Uten;

Die wüßt’ ihn nicht zu deuten · als so der guten:

„Der Falke, den du ziehest · das ist ein edler Mann:

Ihn wolle Gott behüten · sonst ist es bald um ihn getan.“

„Was sagt ihr mir vom Manne · vielliebe Mutter mein?

Ohne Reckenminne · will ich immer sein;

So schön will ich verbleiben · bis an meinen Tod,

Daß ich von Mannesminne · nie gewinnen möge Not.“

„Verred’ es nicht so völlig“ · die Mutter sprach da so,

„Sollst du je auf Erden · von Herzen werden froh,

Das geschieht von Mannesminne · du wirst ein schönes Weib,

Will Gott dir noch vergönnen · eines guten Ritters Leib.“

„Die Rede laßt bleiben“ · sprach sie, „Herrin mein.

Es hat an manchen Weiben · gelehrt der Augenschein,

Wie Liebe mit Leide · am Ende gerne lohnt;

Ich will sie meiden beide · so bleib’ ich sicher verschont!“

Kriemhild in ihrem Mute · hielt sich von Minne frei.

So lief noch der guten · manch lieber Tag vorbei,

Daß sie niemand wußte · der ihr gefiel zum Mann,

Bis sie doch mit Ehren · einen kühnen Recken gewann.

Das war derselbe Falke · den jener Traum ihr bot,

Den ihr beschied die Mutter · Ob seinem frühen Tod

Den nächsten Anverwandten · wie gab sie blut’gen Lohn!

Durch dieses Einen Sterben · starb noch mancher Mutter Sohn.

Zweites Abenteuer – Von Siegfrieden

Da wuchs im Niederlande · eines edeln Königs Kind,

Siegmund hieß sein Vater · die Mutter Siegelind,

In einer mächt’gen Veste · weithin wohlbekannt,

Unten am Rheine · Xanten war sie genannt.

Ich sag’ euch von dem Degen · wie so schön er ward.

Er war vor allen Schanden · immer wohl bewahrt.

Stark und hohes Namens · ward bald der kühne Mann:

Hei! was er großer Ehren · auf dieser Erde gewann!

Siegfried ward geheißen · der edle Degen gut.

Er erprobte viel der Reiche · in hochbeherztem Mut.

Seine Stärke führt’ ihn · in manches fremde Land:

Hei! was er schneller Degen · bei den Burgunden fand!

In seinen besten Zeiten · bei seinen jungen Tagen

Mochte man viel Wunder · von Siegfrieden sagen,

Wie Ehr’ an ihm erblühte · und wie schön er war zu schaun:

Bald dachten sein in Minne · viel der waidlichen Fraun.

Man erzog ihn mit dem Fleiße · wie ihm geziemend war;

Was ihm Zucht und Sitte · der eigne Sinn gebar!

Das ward noch eine Zierde · für seines Vaters Land,

Daß man zu allen Dingen · ihn so recht herrlich fand.

Er war nun so erwachsen · mit an den Hof zu gehn.

Die Leute sahn ihn gerne · viel Fraun und Mädchen schön

Wünschten wohl, er käme · dahin doch immerdar;

Hold waren ihm gar viele · des ward der Degen wohl gewahr.

Selten ohne Hüter · man reiten ließ das Kind.

Mit Kleidern hieß ihn zieren · seine Mutter Siegelind;

Auch pflegten sein die Weisen · denen Ehre war bekannt:

Drum mocht’ er wohl gewinnen · so die Leute wie das Land.

Nun war er in der Stärke · daß er wohl Waffen trug:

Wes er dazu bedurfte · des gab man ihm genug.

Schon sann er zu werben · um manches schöne Kind;

Die hätten wohl mit Ehren · den kühnen Siegfried geminnt.

Da ließ sein Vater Siegmund · kund tun seinem Lehn,

Mit lieben Freunden woll’ er · ein Hofgelag’ begehn.

Da brachte man die Märe · in andrer Kön’ge Land.

Den Heimischen und Gästen · gab er Ross’ und Gewand.

Wen man finden mochte · aus der Verwandten Art,

Der Ritter werden sollte · die edeln Knappen zart

Lud man nach dem Lande · zu der Lustbarkeit,

Wo sie das Schwert empfingen · mit Siegfried zu gleicher Zeit.

Man mochte Wunder sagen · von dem Hofgelag.

Siegmund und Siegelind · gewannen an dem Tag

Viel Ehre durch die Gaben · die spendet’ ihre Hand:

Drum sah man viel der Fremden · zu ihnen reiten in das Land.

Vierhundert Schwertdegen · sollten gekleidet sein

Mit Siegfried zusammen · Manch schönes Mägdelein

Sah man am Werk geschäftig · ihm waren alle hold.

Viel edle Steine legten · die Frauen da in das Gold,

Die sie mit Borten wollten · auf die Kleider nähn

Den jungen stolzen Recken · das mußte so ergehn.

Der Wirt ließ Sitze bauen · für manchen kühnen Mann

Zu der Sonnenwende · wo Siegfried Ritters Stand gewann.

Da ging zu einem Münster · mancher reiche Knecht

Und viel der edeln Ritter · Die Alten taten recht,

Daß sie den Jungen dienten · wie ihnen war geschehn.

Sie hatten Kurzweile · und freuten sich es zu sehn.

Als man da Gott zu Ehren · eine Messe sang,

Da hub sich von den Leuten · ein gewaltiger Drang,

Da sie zu Rittern wurden · dem Ritterbrauch gemäß

Mit also hohen Ehren · so leicht nicht wieder geschäh’s.

Sie eilten, wo sie fanden · geschirrter Rosse viel.

Da ward in Siegmunds Hofe · so laut das Ritterspiel,

Daß man ertosen hörte · Pallas und Saal.

Die hochbeherzten Degen · begannen fröhlichen Schall.

Von Alten und von Jungen · mancher Stoß erklang,

Daß der Schäfte Brechen · in die Lüfte drang.

Die Splitter sah man fliegen · bis zum Saal hinan.

Von mancher Recken Händen · ward dies voll Eifers getan.

Der Wirt bat es zu lassen · Man zog die Rosse fort;

Wohl sah man auch zerbrochen · viel starke Schilde dort,

Viel der edeln Steine · auf das Gras gefällt

Von des lichten Schildes Spangen · die hatten Stöße zerschellt.

Da setzen sich die Gäste · wohin man ihnen riet,

Zu Tisch, wo von Ermüdung · viel edle Kost sie schied

Und Wein der allerbeste · des man die Fülle trug.

Den Heimischen und Fremden · bot man Ehren da genug.

So viel sie Kurzweile · gefunden all den Tag,

Das fahrende Gesinde · doch keiner Ruhe pflag:

Sie dienten um die Gabe · die man da reichlich fand;

Ihr Lob ward zur Zierde · König Siegmunds ganzem Land.

Da ließ der Fürst verleihen · Siegfried, den jungen Mann,

Das Land und die Burgen · wie sonst er selbst getan.

Seinen Schwertgenossen · gab er mit milder Hand:

So freute sie die Reise · die sie geführt in das Land.

Das Hofgelage währte · bis an den siebten Tag.

Sieglind die reiche · der alten Sitte pflag,

Daß sie dem Sohn zu Liebe · verteilte rotes Gold:

Sie konnt’ es wohl verdienen · daß ihm die Leute waren hold.

Da war zuletzt kein armer · Fahrender mehr im Land.

Ihnen stoben Kleider · und Rosse von der Hand,

Als hätten sie zu leben · nicht mehr denn einen Tag.

Man sah nie Ingesinde · das so großer Milde pflag.

Mit preiswerten Ehren · zerging die Lustbarkeit.

Man hörte wohl die Reichen · sagen nach der Zeit,

Daß sie dem Jungen gerne · wären untertan;

Das begehrte nicht Siegfried · dieser waidliche Mann.

So lange sie noch lebten · Siegmund und Siegelind,

Wollte nicht Krone tragen · der beiden liebes Kind;

Doch wollt’ er herrlich wenden · alle die Gewalt,

Die in den Landen fürchtete · der Degen kühn und wohlgestalt.

Drittes Abenteuer – Wie Siegfried nach Worms kam

Den Herrn beschwerte selten · irgendein Herzeleid.

Er hörte Kunde sagen · wie eine schöne Maid

Bei den Burgunden wäre · nach Wünschen wohlgetan,

Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann.

Von ihrer hohen Schöne · vernahm man weit und breit,

Und auch ihr Hochgemute · ward zur selben Zeit

Bei den Jungfrauen · den Helden oft bekannt:

Das ladete der Gäste · viel in König Gunthers Land.

So viel um ihre Minne · man Werbende sah,

Kriemhild in ihrem Sinne · sprach dazu nicht Ja,

Daß sie einen wollte · zum geliebten Mann:

Er war ihr noch gar fremde · dem sie bald ward untertan.

Dann sann auf hohe Minne · Sieglindens Kind:

All der andern Werben · war wider ihn ein Wind.

Er mochte wohl verdienen · ein Weib so auserwählt:

Bald ward die edle Kriemhild · dem kühnen Siegfried vermählt.

Ihm rieten seine Freunde · und die in seinem Lehn,

Hab’ er stete Minne · sich zum Ziel ersehn,

So soll’ er werben, daß er sich · der Wahl nicht dürfe schämen.

Da sprach der edle Siegfried · „So will ich Kriemhilden nehmen,

Die schöne Königstochter · von Burgundenland,

Um ihre große Schöne · Das ist mir wohl bekannt,

Kein Kaiser sei so mächtig · hätt’ er zu frein im Sinn,

Dem nicht zum Minnen ziemte · diese reiche Königin.“

Solche Märe hörte · der König Siegmund.

Es sprachen seine Leute · also ward ihm kund

Seines Kindes Wille · Es war ihm höchlich leid,

Daß er werben wolle · um diese herrliche Maid.

Es erfuhr es auch die Königin · die edle Siegelind:

Die mußte große Sorge · tragen um ihr Kind,

Weil sie wohl Gunthern kannte · und die in seinem Heer:

Die Werbung dem Degen · zu verleiden fliß man sich sehr.

Da sprach der kühne Siegfried · „Viellieber Vater mein,

Ohn’ edler Frauen Minne · wollt’ ich immer sein,

Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei.

Was jemand reden möge · ich bleibe immer dabei.“

„Ist dir nicht abzuraten“ · der König sprach da so,

„So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh

Und will dir’s fügen helfen · so gut ich immer kann;

Doch hat der König Gunther · manchen hochfährt’gen Mann.

„Und wär’ es anders niemand · als Hagen der Degen,

Der kann im Übermute · wohl der Hochfahrt pflegen,

So daß ich sehr befürchte · es mög’ uns werden leid,

Wenn wir werben wollen · um diese herrliche Maid.“

„Wie mag uns das gefährden!“ · hub da Siegfried an:

„Was ich mir im Guten · da nicht erbitten kann,

Mag ich schon sonst erwerben · mit meiner starken Hand;

Ich will von ihm erzwingen · so die Leute wie das Land.“

„Leid ist mir deine Rede“ · sprach König Siegmund,

„Denn würde diese Märe · dort am Rheine kund,

Du dürftest nimmer wagen · zu reiten in ihr Land.

Gunther und Gernot · die sind mir lange bekannt.

„Mit Gewalt erwerben · kann niemand die Magd,“

Sprach der König Siegmund · „das ist mir wohl gesagt;

Willst du jedoch mit Recken · reiten in das Land,

Die Freunde, die wir haben · die werden eilends besandt.“

„So ist mir nicht zumute „ · fiel ihm Siegfried ein,

„Daß mir Recken sollten · folgen an den Rhein

Einer Heerfahrt willen · das wäre mir wohl leid,

Sollt’ ich damit erzwingen · diese herrliche Maid.

„Ich mag sie schon erwerben · allein mit meiner Hand,

Ich will mit zwölf Gesellen · in König Gunthers Land;

Dazu sollt ihr mir helfen · Vater Siegmund.“

Da gab man seinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt.

Da vernahm auch diese Märe · seine Mutter Siegelind;

Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:

Sie bangt’ es zu verlieren · durch die in Gunthers Heer.

Die edle Königstochter · darüber weinte sie sehr.

Siegfried der Degen · ging hin, wo er sie sah.

Wider seine Mutter · gütlich sprach er da:

„Frau, ihr sollt nicht weinen · um den Willen mein:

Wohl will ich ohne Sorgen · vor allen Weiganden sein.

„Nun helft mir zu der Reise · nach Burgundenland,

Daß mich und meine Recken · ziere solch Gewand,

Wie so stolze Helden · mit Ehren mögen tragen:

Dafür will ich immer · den Dank von Herzen euch sagen.“

„Ist dir nicht abzuraten“ · sprach Frau Siegelind,

„So helf’ ich dir zur Reise · mein einziges Kind,

Mit den besten Kleidern · die je ein Ritter trug,

Dir und deinen Gesellen · ihr sollt der haben genug.“

Da neigte sich ihr dankend · Siegfried, der junge Mann.

Er sprach: „Nicht mehr Gesellen · nehm’ ich zur Fahrt mir an

Als der Recken zwölfe · verseht die mit Gewand.

Ich möchte gern erfahren · wie’s um Kriemhild sei bewandt.“

Da saßen schöne Frauen · über Nacht und Tag,

Daß ihrer selten eine · der Muße eher pflag,

Bis sie gefertigt hatten · Siegfriedens Staat.

Er wollte seiner Reise · nun mit nichten haben Rat.

Sein Vater hieß ihn zieren · sein ritterlich Gewand,

Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land,

Und ihre lichten Panzer · die wurden auch bereit

Und ihre festen Helme · ihre Schilde schön und breit.

Nun sahen sie die Reise · zu den Burgunden nahn,

Und sie begann zu sorgen · beides, Weib und Mann,

Ob sie je wiederkommen · sollten in das Land.

Sie geboten aufzusäumen · ihre Waffen und ihr Gewand.

Schön waren ihre Rosse · ihr Reitzeug goldesrot;

Wenn wer sich höher dauchte · so was es ohne Not,

Als der Degen Siegfried · und die ihm untertan.

Nun hielt er um Urlaub · zu den Burgunden an.

Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin.

Er tröstete sie beide · mit minniglichem Sinn

Und sprach: „Ihr sollt nicht weinen · um den Willen mein:

Immer ohne Sorgen · mögt ihr um mein Leben sein.“

Es war leid den Recken · auch weinte manche Maid;

Sie ahnten wohl im Herzen · daß sie es nach der Zeit

Noch schwer entgelten müßten · durch lieber Freunde Tod.

Sie hatten Grund zu klagen · es tat ihnen wahrlich not.

Am siebenten Morgen · zu Worms an den Strand

Ritten schon die Kühnen · all ihr Gewand

War von rotem Golde · ihr Reitzeug wohlbestellt;

Ihnen gingen sanft die Rosse · die sich da Siegfried gesellt.

Neu waren ihre Schilde · licht dazu und breit,

Und schön ihre Helme · als mit dem Geleit

Siegfried der kühne · ritt in Gunthers Land.

Man ersah an Helden · nie mehr so herrlich Gewand.

Der Schwerter Enden gingen · nieder auf die Sporen;

Scharfe Speere führten · die Ritter auserkoren.

Von zweier Spannen Breite · war, welchen Siegfried trug;

Der hatt’ an seinen Schneiden · grimmer Schärfe genug.

Goldfarbne Zäume · führten sie an der Hand;

Der Brustriem war von Seide · so kamen sie ins Land.

Da gafften sie die Leute · allenthalben an:

Gunthers Mannen liefen · sie zu empfangen heran.

Die hochbeherzten Recken · Ritter so wie Knecht,

Liefen den Herrn entgegen · so war es Fug und Recht,

Und begrüßten diese Gäste · in ihrer Herren Land;

Die Pferde nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.

Da wollten sie die Rosse · ziehn zu ihrer Rast;

Da sprach aber Siegfried · alsbald, der kühne Gast:

„Laßt uns noch stehn die Pferde · mir und meinem Geleit:

Wir reiten bald von hinnen · dazu bin ich ganz bereit.

„Wer von euch es wisse · der soll mir’s nicht verschweigen:

Wo ich den König finde · das soll man mir zeigen,

Gunther den reichen · aus Burgundenland.“

Da sagt’ es ihm einer · dem es wohl war bekannt.

„Wollt ihr den König finden · das mag gar leicht geschehn:

In jenem weiten Saale · hab’ ich ihn gesehn

Unter seinen Helden · da geht zu ihm hinan,

So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann.“

Nun waren auch dem König · die Mären schon gesagt,

Daß gekommen wären · Ritter unverzagt:

Sie führten lichte Panzer · und herrlich Gewand;

Sie erkenne niemand · in der Burgunden Land.

Den König nahm es wunder · woher gekommen sei’n

Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein

Und mit so guten Schilden · so neu und so breit;

Daß ihm das niemand sagte · das war König Gunthern leid.

Zur Antwort gab dem König · von Metz Herr Ortewein;

Stark und kühnes Mutes · mocht’ er wohl sein:

„Da wir sie nicht erkennen · so heißt jemand gehn

Nach meinem Oheim Hagen · dem sollt ihr sie lassen sehn.

„Ihm sind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land;

Erkennt er die Herren · das macht er uns bekannt.“

Der König ließ ihn holen · und die in seinem Lehn:

Da sah man ihn herrlich · mit Recken hin zu Hofe gehn.

Warum nach ihm der König · frug Hagen da, geschickt?

„Es werden fremde Degen · in meinem Haus erblickt,

Die niemand mag erkennen · habt ihr sie je gesehn,

So sollt ihr mir, Freund Hagen · in aller Wahrheit Rede stehn.“

„Das will ich“, sprach Hagen · Zum Fenster schritt er drauf,

Da ließ er nach den Gästen · den Augen freien Lauf.

Wohl gefiel ihm ihr Geräte · und all ihr Gewand;

Doch waren sie ihm fremde · in der Burgunden Land.

Er sprach, woher die Recken · auch kämen an den Rhein,

Es möchten selber Fürsten · oder Fürstenboten sein.

„Schön sind ihre Rosse · und ihr Gewand ist gut;

Von wannen sie auch ritten · es sind Helden hochgemut.“

Also sprach da Hagen · „Soviel ich mag verstehn,

Hab’ ich gleich im Leben · Siegfrieden nie gesehn,

So will ich doch wohl glauben · wie es damit auch steht,

Daß er es sei, der Degen · der so herrlich dorten geht.

Er bringt neue Mären · her in dieses Land:

Die kühnen Nibelungen · schlug des Helden Hand,

Die reichen Königssöhne · Schilbung und Nibelung;

Er wirkte große Wunder · mit des starken Armes Schwung.

„Als der Held alleine · ritt aller Hilfe bar,

Fand er an einem Berge · so hört’ ich immerdar,

Bei König Niblungs Horte · manchen kühnen Mann;

Sie waren ihm gar fremde · bis er die Kunde hier gewann.

„Der Hort König Nibelungs · ward hervorgetragen

Aus einem hohlen Berge · nun hört Wunder sagen,

Wie ihn teilen wollten · die Niblung untertan.

Das sah der Degen Siegfried · den es zu wundern begann.

„So nah kam er ihnen · daß er die Helden sah

Und ihn die Degen wieder · Der eine sagte da:

›Hier kommt der starke Siegfried · der Held aus Niederland.‹

Seltsame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand.

„Den Recken wohl empfingen · Schilbung und Nibelung.

Einhellig baten · die edeln Fürsten jung,

Daß ihnen teilen möchte · den Schatz der kühne Mann:

Das begehrten sie gar dringend · zu geloben es der Herr begann.

Er sah so viel Gesteines · wie wir hören sagen,

Hundert Leiterwagen · die möchten es nicht tragen,

Noch mehr des roten Goldes · von Nibelungenland:

Das alles sollte teilen · des kühnen Siegfriedes Hand.

„Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert:

Da wurden sie des Dienstes · gar übel gewährt,

Den ihnen leisten sollte · Siegfried der Degen gut.

Er konnt’ es nicht vollbringen · sie hatten zornigen Mut.

„Da hatten sie zu Freunden · kühne zwölf Mann,

Die starke Riesen waren · was konnt’ es sie verfahn?

Die erschlug im Zorne · Siegfriedens Hand,

Und siebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland.

„Mit dem guten Schwerte · geheißen Balmung.

Vom Schrecken überwältigt · war mancher Degen jung

Zumal vor dem Schwerte · und vor dem kühnen Mann:

Das Land mit den Burgen · machten sie ihm untertan.

„Dazu die reichen Könige · die schlug er beide tot.

Er kam durch Albrichen · darauf in große Not:

Der wollte seine Herren · rächen allzuhand,

Eh’ er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand.

„Mit Streit bestehen konnt’ ihn · da nicht der starke Zwerg.

Wie die wilden Leuen · liefen sie an den Berg,

Wo er die Tarnkappe · Albrichen abgewann:

Da war des Hortes Meister · Siegfried der schreckliche Mann.

„Die sich getraut zu fechten · die lagen all erschlagen.

Den Schatz ließ er wieder · nach dem Berge tragen,

Dem ihn entnommen hatten · Die Niblung untertan.

Alberich der starke · das Amt des Kämmrers gewann.

„Er mußt’ ihm Eide schwören · er dien ihm als sein Knecht,

Zu aller Art Diensten · ward er ihm gerecht.“

So sprach von Tronje Hagen · „Das hat der Held getan;

Also große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann.

„Noch ein Abenteuer · ist mir von ihm bekannt:

Einen Linddrachen · schlug des Helden Hand;

Als er im Blut sich badete · ward hörnern seine Haut.

So versehrt ihn keine Waffe · das hat man oft an ihm geschaut.

„Man soll ihn wohl empfangen · der beste Rat ist das,

Damit wir nicht verdienen · des schnellen Recken Haß.

Er ist so kühnen Sinnes · man seh’ ihn freundlich an:

Er hat mit seinen Kräften · so manche Wunder getan.“

Da sprach der Herr des Landes · „Nun sei er uns willkommen.

Er ist kühn und edel · das hab’ ich wohl vernommen;

Des soll er auch genießen · im Burgundenland.“

Da ging der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand.

Der Wirt und seine Recken · empfingen so den Mann,

Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann;

Des neigte sich vor ihnen · der Degen ausersehn,

Daß ihm so ehrend Grüßen · von ihrer Seite war geschehn.

„Mich wundert diese Märe“ · sprach der König zuhand,

„Von wannen, edler Siegfried · ihr kamt in dieses Land,

Oder was ihr wollet suchen · zu Worms an dem Rhein?“

Da sprach der Gast zum König · „Das soll euch unverhohlen sein.

„Ich habe sagen hören · in meines Vaters Land,

An euerm Hofe wären · das hätt’ ich gern erkannt,

Die allerkühnsten Recken · so hab’ ich oft vernommen,

Die je gewann ein König · darum bin ich hieher gekommen.

„So hör’ ich auch euch selber · viel Mannheit zugestehn,

Man habe keinen König · noch je so kühn gesehn.

Das rühmen viel der Leute · in all diesem Land;

Nun kann ich’s nicht verwinden · bis ich die Wahrheit befand.

„Ich bin auch ein Recke · und soll die Krone tragen:

Ich möcht’ es gerne fügen · daß sie von mir sagen,

Daß ich mit Recht besäße · die Leute wie das Land.

Mein Haupt und meine Ehre · setz’ ich dawider zu Pfand.

„Wenn ihr denn so kühn seid · wie euch die Sage zeiht,

So frag’ ich nicht, ist jemand · lieb oder leid:

Ich will von euch erzwingen · was euch angehört,

Das Land und die Burgen · unterwerf’ ich meinem Schwert.“

Der König war verwundert · und all sein Volk umher,

Als sie vernommen hatten · sein seltsam Begehr,

Daß er ihm zu nehmen · gedächte Leut’ und Land.

Das hörten seine Degen · die wurden zornig zuhand.

„Wie sollt’ ich das verdienen“ · sprach Gunther der Degen,

„Wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen,

Daß wir das verlören · durch jemands Überkraft?

Das wäre schlecht bewiesen · daß wir auch pflegen Ritterschaft!“

„Ich will davon nicht lassen“ · fiel ihm der Kühne drein,

„Von deinen Kräften möge · dein Land befriedet sein,

Ich will es nun verwalten · doch auch das Erbe mein,

Erwirbst du es durch Stärke · es soll dir untertänig sein.

„Dein Erbe wie das meine · wir schlagen gleich sie an,

Und wer von uns den andern · überwinden kann,

Dem soll es alles dienen · die Leute wie das Land.“

Dem widersprach da Hagen · und mit ihm Gernot zuhand.

„So stehn uns nicht die Sinne“ · sprach da Gernot,

„Nach neuen Lands Gewinne · daß jemand sollte tot

Vor Heldeshänden liegen · reich ist unser Land,

Das uns mit Recht gehorsamt · zu niemand besser bewandt.“

In grimmigem Mute · standen da die Freunde sein.

Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein.

Der sprach: „Diese Sühne · ist mir von Herzen leid:

Euch ruft der starke Siegfried · ohn’ allen Grund in den Streit.

„Wenn ihr und eure Brüder · ihm auch nicht steht zur Wehr,

Und ob er bei sich führte · ein ganzes Königsheer,

So wollt’ ich’s doch erstreiten · daß der starke Held

Also hohen Übermut · wohl mit Recht beiseite stellt.“

Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland:

„Nicht wider mich vermessen · darf sich deine Hand:

Ich bin ein reicher König · du bist in Königs Lehn;

Deiner zwölfe dürften · mich nicht im Streite bestehn.“

Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein:

Er durfte Hagens Schwestersohn · von Tronje wahrlich sein;

Daß er so lang geschwiegen · das war dem König leid.

Da sprach zum Frieden Gernot · ein Ritter kühn und allbereit.

„Laßt euer Zürnen bleiben „ · hub er zu Ortwein an,

„Uns hat der edle Siegfried · noch solches nicht getan;

Wir scheiden es in Güte · wohl noch, das rat’ ich sehr,

Und haben ihn zum Freunde · es geziemt uns wahrlich mehr.“

Da sprach der starke Hagen · „Uns ist billig leid

Und all euern Degen · daß er je zum Streit

Kam an den Rhein geritten · was ließ er das nicht sein?

So übel nie begegnet · wären ihm die Herren mein.“

Darauf erwidert’ Siegfried · der kraftvolle Held:

„Wenn euch, was ich gesprochen · Herr Hagen, mißfällt,

So will ich schauen lassen · wie noch die Hände mein

Gedenken so gewaltig · bei den Burgunden zu sein.“

„Das hoff’ ich noch zu wenden“ · sprach wieder Gernot.

Allen seinen Degen · zu reden er verbot

In ihrem Übermute · was ihm wäre leid.

Da gedacht’ auch Siegfried · an die viel herrliche Maid.

„Wie geziemt’ uns mit euch zu streiten?“ · sprach wieder Gernot.

„Wieviel dabei der Helden · auch fielen in den Tod,

Wenig Ehre brächt’ uns · so ungleicher Streit.“

Die Antwort hielt da Siegfried · König Siegmunds Sohn, bereit:

Warum zögert Hagen · und auch Ortewein,

Daß er nicht zum Streite · eilt mit den Freunden sein,

Deren er so manchen · bei den Burgunden hat?“

Sie blieben Antwort schuldig · das war Gernotens Rat.

„Ihr sollt uns willkommen sein“ · sprach Geiselher das Kind,

„Samt euren Heergesellen · die mit euch gekommen sind:

Wir wollen gern euch dienen · ich und die Freunde mein.“

Da hieß man den Gästen · schenken König Gunthers Wein.

Da sprach der Wirt des Landes · „Alles, was uns gehört,

Verlangt ihr es in Ehren · das sei euch unverwehrt;

Wir wollen mit euch teilen · unser Gut und Blut.“

Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig sanfter zumut.

Da ließ man ihnen wahren · all ihr Wehrgewand:

Man suchte Herbergen · die besten, die man fand:

Siegfriedens Knappen · schuf man gut Gemach.

Man sah den Fremdling gerne · in Burgundenland hernach.

Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen,

Mehr zu tausend Malen · als ich euch könnte sagen;

Das hatte seine Kühnheit · verdient; das glaubt fürwahr:

Ihn sah wohl selten jemand · der ihm nicht gewogen war.

Flissen sich der Kurzweil · die Kön’ge und ihr Lehn,

So war er stets der Beste · was man auch ließ geschehn.

Es konnt’ ihm niemand folgen · so groß war seine Kraft,

Ob sie den Stein warfen · oder schossen den Schaft.

Nach höf’scher Sitte ließen · sich auch vor den Fraun

Der Kurzweile pflegend · die kühnen Ritter schaun:

Da sah man stets den Helden · gern von Niederland;

Er hatt’ auf hohe Minne · seine Sinne gewandt.

Was man beginnen wollte · er war dazu bereit;

Er trug in seinem Sinne · eine minnigliche Maid,

Und auch nur ihn die Schöne · die er noch nie gesehn,

Und die sich doch viel Gutes · von ihm schon heimlich versehn.

Wenn man auf dem Hofe · das Waffenspiel begann,

Ritter so wie Knappen · immer sah es an

Kriemhild aus den Fenstern · die Königstochter hehr;

Keiner andren Kurzweil · hinfort bedurfte sie mehr.

Und wüßt’ er, daß ihn sähe · die er im Herzen trug,

Davon hätt’ er Kurzweil · immerdar genug.

Ersähn sie seine Augen · ich glaube sicherlich,

Keine andre Freude · hier auf Erden wünscht’ er sich.

Wenn er bei den Recken · auf dem Hofe stand,

Wie man noch Kurzweil · pflegt in allem Land,

Wie stand dann so minniglich · das Sieglindenkind,

Daß manche Frau ihm heimlich · war von Herzen hold gesinnt.

Er gedacht’ auch manchmal · „Wie soll das geschehn,

Daß ich das edle Mägdlein · mit Augen möge sehn,

Die ich von Herzen minne · wie ich schon längst getan?

Die ist mir noch gar fremde · mit Trauern denk’ ich daran.“

So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land.

So mußten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand.

Auch Siegfried ritt mit ihnen · das war der Frauen leid;

Er litt von ihrer Minne · auch Beschwer zu mancher Zeit.

So wohnt’ er bei den Herren · das ist alles wahr,

In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr,

Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht sah,

Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geschah.

Viertes Abenteuer – Wie Siegfried mit den Sachsen stritt

Nun nahen fremde Mären · in König Gunthers Land

Durch Boten aus der Ferne · ihnen zugesandt

Von unbekannten Recken · die ihnen trugen Haß:

Als sie die Rede hörten · gar sehr betrübte sie das.

Die will ich euch nennen · es war Lüdeger

Aus der Sachsen Lande · ein mächtiger König hehr;

Dazu vom Dänenlande · der König Lüdegast:

Die gewannen zu dem Kriege · gar manchen herrlichen Gast.

Ihre Boten kamen · in König Gunthers Land,

Die seine Widersacher · hatten hingesandt,

Da frug man um die Märe · die Unbekannten gleich

Und führte bald die Boten · zu Hofe vor dem König reich.

Schön grüßte sie der König · und sprach: „Seid willkommen!

Wer euch hieher gesendet · hab ich noch nicht vernommen;

Das sollt ihr hören lassen“ · sprach der König gut.

Da bangten sie gewaltig · vor des grimmen Gunther Mut.

„Wollt ihr uns, Herr, erlauben · daß wir euch Bericht

Von unsrer Märe sagen · wir hehlen sie euch nicht.

Wir nennen euch die Herren · die uns hieher gesandt:

Lüdegast und Lüdeger · die suchen heim euer Land.

„Ihren Zorn habt ihr verdienet · wir vernahmen das

Gar wohl, die Herren tragen · euch beide großen Haß.

Sie wollen heerfahrten · gen Worms an den Rhein;

Ihnen helfen viel der Degen · laßt euch das zur Warnung sein.

„Binnen zwölf Wochen · muß ihre Fahrt geschehn;

Habt ihr nun guter Freunde · so laßt es bald ersehn,

Die euch befrieden helfen · die Burgen und das Land:

Hier werden sie verhauen · manchen Helm und Schildesrand.

„Oder wollt ihr unterhandeln · so macht es offenbar;

So reitet euch so nahe · nicht gar manche Schar

Eurer starken Feinde · zu bitterm Herzeleid,

Davon verderben müssen · viel der Ritter kühn im Streit.“

„Nun harrt eine Weile · (ich künd euch meinen Mut),

Bis ich mich recht bedachte „ · sprach der König gut.

„Hab’ ich noch Getreue · denen will ich’s sagen:

Diese schwere Botschaft · muß ich meinen Freunden klagen.“

Dem mächtigen Gunther · war es leid genug;

Den Botenspruch er heimlich · in seinem Herzen trug.

Er hieß berufen Hagen · und andr’ in seinem Lehn

Und hieß auch gar geschwinde · zu Hof nach Gernoten gehn.

Da kamen ihm die Besten · so viel man deren fand.

Er sprach: „Die Feinde wollen · heimsuchen unser Land

Mit starken Heerfahrten · das sei euch geklagt.“

Drauf erwiderte Gernot · ein Ritter kühn und unverzagt:

„Dem wehren wir mit Schwertern“ · sprach da Gernot,

„Da sterben nur, die müssen · die lasset liegen tot.

Ich werde nie vergessen · darum der Ehre mein:

Unsre Widersacher · sollen uns willkommen sein.“

Da sprach von Tronje Hagen · „Das dünkt mich nicht gut;

Lüdegast und Lüdeger · sind voll Übermut.

Wir können uns nicht sammeln · in so kurzen Tagen,“

So sprach der kühne Recke · „ihr sollt es Siegfrieden sagen.“

Da gab man den Boten · Herbergen in der Stadt.

Wie feind sie ihnen waren · sie gut zu pflegen bat

Gunther der reiche · das war wohlgetan,

Bis er erprobt an Freunden · wer ihm zu Hilfe zog’ heran.

Der König trug im Herzen · Sorge doch und Leid.

Da sah ihn also trauern · ein Ritter allbereit,

Der nicht wissen konnte · was ihm war geschehn:

Da bat er König Gunthern · ihm den Grund zu gestehn

„Mich nimmt höchlich wunder“ · sprach da Siegfried,

„Wie die frohe Weise · so völlig von euch schied,

Deren ihr so lange · mit uns mochtet pflegen.“

Zur Antwort gab ihm Gunther · dieser zierliche Degen:

„Wohl mag ich allen Leuten · nicht von dem Leide sagen,

Das ich muß verborgen · in meinem Herzen tragen:

Steten Freunden klagen · soll man des Herzens Not.“

Siegfriedens Farbe · ward da bleich und wieder rot.

Er sprach zu dem Könige · „Was blieb euch je versagt?

Ich will euch wenden helfen · das Leid, das ihr klagt.

Wollt ihr Freunde suchen · so will ich einer sein

Und getrau es zu vollbringen · mit Ehren bis ans Ende mein.“