Die Elite von Ashriver - Hidden Secrets - Valentina Fast - E-Book

Die Elite von Ashriver - Hidden Secrets E-Book

Valentina Fast

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Beschreibung

Das Leben der Sirene Jade ist geprägt von Druck und Geheimnissen. In ihrer Verzweiflung bricht sie eine der obersten Regeln der Übernatürlichen und ergattert damit einen Platz an der renommierten Ashriver Academy. Dort will sie neu anfangen, ihre Kräfte unter Kontrolle bringen und unter keinen Umständen auffallen. Doch als sie an Asher gerät, der als Erbe im Haus der Magier zur hoch angesehenen Elite der Akademie gehört, funkt es zwischen den beiden gewaltig. Aber nicht nur ihre unterschiedlichen Herkünfte stehen ihnen im Weg. Denn als Jades Lügen aufzufliegen drohen, ist es Asher, der den Auftrag bekommt, sie zu überprüfen. Und die Konsequenzen würden Jade geradewegs ins Gefängnis bringen ...

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Inhalt

Cover

Titel

Über das Buch

Trigger

Widmung

Prolog

1. Kapitel

Jade

2. Kapitel

Asher

3. Kapitel

Jade

4. Kapitel

Asher

5. Kapitel

Jade

6. Kapitel

Jade

7. Kapitel

Asher

8. Kapitel

Jade

9. Kapitel

Asher

10. Kapitel

Jade

11. Kapitel

Asher

12. Kapitel

Jade

13. Kapitel

Jade

14. Kapitel

Asher

15. Kapitel

Jade

16. Kapitel

Jade

17. Kapitel

Asher

18. Kapitel

Jade

19. Kapitel

Jade

20. Kapitel

Jade

21. Kapitel

Asher

22. Kapitel

Jade

23. Kapitel

Jade

24. Kapitel

Jade

25. Kapitel

Asher

26. Kapitel

Jade

27. Kapitel

Jade

28. Kapitel

Asher

29. Kapitel

Jade

30. Kapitel

Asher

31. Kapitel

Jade

32. Kapitel

Asher

33. Kapitel

Jade

34. Kapitel

Asher

35. Kapitel

Jade

36. Kapitel

Asher

37. Kapitel

Jade

Epilog

Danksagung

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Inhaltsinformation

Über das Buch

Das Leben der Sirene Jade ist geprägt von Druck und Geheimnissen. In ihrer Verzweiflung bricht sie eine der obersten Regeln der Übernatürlichen und ergattert damit einen Platz an der renommierten Ashriver Academy. Dort will sie neu anfangen, ihre Kräfte unter Kontrolle bringen und unter keinen Umständen auffallen. Doch als sie an Asher gerät, der als Erbe im Haus der Magier zur hoch angesehenen Elite der Akademie gehört, funkt es zwischen den beiden gewaltig. Aber nicht nur ihre unterschiedlichen Herkünfte stehen ihnen im Weg. Denn als Jades Lügen aufzufliegen drohen, ist es Asher, der den Auftrag bekommt, sie zu überprüfen. Und die Konsequenzen würden Jade geradewegs ins Gefängnis bringen ...

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Dazu findet ihr genauere Angaben am Ende des Buchs.

ACHTUNG: Sie enthalten Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseer‍lebnis.

Euer Team vom ONE-Verlag

Für alle, die schon mal in eine Schublade gesteckt wurden,

in die sie nicht gehören wollten.

Prolog

Der dunkelrote Lippenstift, den sich Tracy frisch nachzieht, während sie in der weiß gefliesten Herrentoilette steht, fühlt sich wie purer Luxus an. Magic, von Coco Chanel. Magisch ist er wirklich, denn seine männeranziehende Wirkung ist unbestreitbar. Sie brauchte nicht einmal ihre Kräfte, um diesen Fremden innerhalb von fünf Minuten zu einem zahlenden Kunden zu machen. 

Tracy lächelt, während sie den Glanz bewundert, und schenkt dem Kerl keinen weiteren Blick, als er hinter ihr durch die Tür zurück in die Bar verschwindet. 

Ihre perfekt gezupfte Augenbraue hebt sich, als sie einen prüfenden Blick in den Spiegel wirft. Der Tag war lang, und ihr Make-up ist längst nicht mehr so perfekt wie zu dem Zeitpunkt, als sie gegen Mittag ihre Wohnung verließ.

Schnell wischt sie unter ihren Augen die verschmierte Schminke weg und zupft ein letztes Mal ihr weißes Shirt zurecht, auf dem das Logo der Bar prangt. Ein goldener Hirschkopf mit schwarzer Krone. 

Ihre Füße brennen, als sie zum Ende ihrer Zehn-Stunden-Schicht auf ihren Stöckelschuhen den Waschraum verlässt und zu ihrer Kollegin zurückkehrt. Die Scheine kneifen in ihrem BH, doch ihre enganliegende Hose besitzt keine Taschen, also wird sie das verschmerzen müssen.

Wie erwartet, ist der Fremde bereits verschwunden. Das tun sie immer, weil es sich so verboten anfühlt, von einer Kellnerin in der engen Toilettenkabine einer Bar beglückt zu werden. Verboten und schmutzig. 

Ihre Kollegin wirft ihr einen genervten Blick zu, den Tracy ignoriert. Es ist ihr scheißegal, was andere von ihr denken. Wichtig ist nur das Geld, das sie sich dazuverdient. 

Noch immer klatscht sintflutartiger Regen gegen die Fenster. Draußen ist es stockdunkel, und selbst die Laternen auf der Straße können nur unzureichend die Gasse hinter den Scheiben beleuchten. Ein Blitz zuckt über den Himmel, und der Donner folgt sogleich. Die Musik ist schon aus, ein Zeichen, dass der Laden gleich schließen will. Aber es gibt immer Kunden, die es trotzdem nicht raffen. 

»An Tisch vier hat jemand nach dir gefragt. Sie sitzen schon ewig dort. Wieder die mit den schwarzen Kapuzen.« Ihre Kollegin schaudert, während sie unauffällig das Trinkgeld aufteilt und Tracy einen Stapel zuschiebt. »Heute waren die Kunden echt geizig.«

»Morgen wird es sicher besser. Ist es am Wochenende immer.« Tracy wirft Tisch vier einen prüfenden Blick zu, und ihr wird eiskalt, als sie die beiden vermummten Gestalten erkennt. Ein Gefühl des Grauens lässt ihr Herz etwas schneller schlagen, während sie sich zwingt, unbeteiligt zu wirken. Sie weiß genau, was diese Leute von ihr wollen. 

»Es sind die letzten Gäste. Ich verschwinde jetzt. Oder soll ich lieber bleiben?« Die Augen ihrer Kollegin zucken nervös zurück zu dem Tisch. Sie waren erst zwei Mal hier. Beim ersten Mal für das Angebot. Dann für die Details. Und nun, um den Auftrag abzuschließen. Fuck. Tracy ist sich sicher gewesen, noch mindestens eine Woche mehr Zeit zu haben.

Ihre Schultern spannen sich nun doch an. »Ich komme klar.«

Ein zögerndes Nicken, dann ein Blick auf die Uhr. »Wie du meinst. Schließt du gleich ab?«

»Sicher.« Tracy stürzt ihr Wasser herunter, das sie in einem pinken Glas hinter dem Tresen deponiert hat. Ihre Kehle ist wie ausgedörrt, doch das Getränk hilft nur wenig. 

»Okay, dann bis morgen.« Ihre Kollegin winkt ihr knapp, holt ihre Tasche, Regenschirm und Jacke unter dem Tresen hervor und verschwindet nach draußen in den Regen. Das Licht der Laternen kommt nur schlecht gegen die Wassermassen an, doch Tracy sieht ihr nach, bis sie das Ende der Gasse erreicht und abbiegt.

Mit zitternden Händen durchquert sie dann das ansonsten leere Restaurant. Es riecht nach dem scharfen Zitronenreiniger, mit dem die Theke und die Tische abgewischt worden sind. Tracy wird gleich noch die Stühle auf die Tische drehen und den Boden wischen müssen, wenn sie die beiden losgeworden ist.

Sie setzt ein Lächeln auf, wohl wissend, dass sie die ganze Zeit über beobachtet wird, und stellt sich mit Block und Stift vor den Tisch. Magie brodelt unter ihrer Haut, bereit zuzuschlagen, sollte irgendetwas schiefgehen. Macht steigt in Tracy auf, während sie sich in Erinnerung ruft, dass sie ihr nichts anhaben können. »Wollt ihr noch was trinken, oder sollen wir direkt zum Geschäftlichen kommen?« Obwohl sie sich Mühe gibt, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, spürt sie dennoch die verräterischen Schweißperlen an ihrem Haaransatz. Dieser Auftrag bringt ihr eine Menge Kohle, und obwohl sie in den letzten Tagen bereits die ersten Ziele besucht hat, ist sie bei der Ausführung gescheitert. Etwas, das an ihrem Ego kratzt und ihr nicht noch einmal passiert. Sie will noch heute Nacht, direkt nach Ladenschluss, weiterziehen und es erneut versuchen.

Die beiden Personen ihr gegenüber sind dieselben wie immer, und Tracy weiß rein gar nichts über sie. Außer, dass der Vorschuss für den Job verflucht gut gewesen ist und ihre Kräfte für deren Zwecke perfekt sind. Nur, dass sie versagt und das Geld bereits ausgegeben hat. Das dürfen die beiden unter gar keinen Umständen erfahren.

»Hast du alles erledigt?«, fragt der Kerl mit der rauen Stimme, der immer redet, während die andere Person schweigt und sie anstarrt. Super gruselig.

»Es gab ein kleines Problem«, beginnt sie so selbstsi‍cher wie möglich, weil sie im Leben gelernt hat, dass dies die Leute immer dazu bringen kann, einem nicht den Hals umzudrehen. »Es war nicht so leicht, wie ged-«

»Das nächste Mal solltest du dich besser auf deinen Job konzentrieren, statt dich um deine Kunden auf der Toilette zu kümmern«, knurrt er in einem Tonfall, der ihr Gänsehaut über den Rücken jagt. »Die Aufgabe war klar und deutlich formuliert.«

»Absolut«, erwidert sie schnell und verlagert ihr Gewicht auf das andere Bein. Cool bleiben. Keine Schwäche zeigen. »Ich bräuchte nur noch ein paar Tage mehr Zeit.«

Der Kerl schnaubt. Genervt. Wütend. Frustriert. Tracy kann es nicht zuordnen.

Eine Hand mit langen Fingern hebt sich neben ihm. Tracy spannt sich an. Ihre Magie faucht. Doch bevor sie die Kraft ihres Gegenübers zuordnen kann, ist es zu spät.

»Vergiss alles«, befiehlt eine melodische Stimme, und im selben Moment lässt Tracy den Block in ihrer Hand zu Boden fallen. Fremde und zugleich so bekannte Magie umspielt sie und beraubt sie jeglicher Chance von Gegenwehr.

Während die beiden Gestalten aufstehen und in Richtung Ausgang gehen, sinkt Tracy in die Knie. 

Sie öffnen die Türen und treten in den Regen hinaus. Das Licht über ihnen flackert, als ihre Schuhe auf das von Pfützen gesäumte Kopfsteinpflaster treten.

»Die Nächste ist gefälligst zuverlässiger«, hört Tracy die melodische Stimme noch sagen, während sie zu Boden fällt und vergisst, wie sie ihre Muskeln bewegen muss.

Dann fällt die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Tracy starrt ihnen hinterher. Die Augen aufgerissen, während sie vergisst, wie man atmet. 

1. Kapitel

Jade

Es führen nur wenige Straßen nach Phoenix, und ich befinde mich direkt auf einer von ihnen. Nervös zupfe ich an einem eingerissenen Stück Daumennagel und schaue nach vorne an dem Fahrer vorbei, der mich mit seinem schwarzen Anzug und der passenden Mütze bei unserer ersten Begegnung ein wenig eingeschüchtert hat.

Die Straße vor mir verläuft geschwungen und ist mit Tannen gesäumt. Jede Biegung scheint mitten in der Wildnis zu verschwinden, und der Horizont besteht aus Bergen voller Grün und Weiß, über denen tief die grauen Wolken hängen. Selbst mit drohendem Regen ist es hier schöner, als Postkarten dem jemals gerecht werden könnten.

Unfassbar. Ich bin wirklich hier. In Kanada.

Es gibt kein Schild oder sonstige Anzeichen dafür, dass wir uns auf direktem Weg zu einer Großstadt befinden. Nur diese lange, einsame Straße, die durch die Wildnis führt. Doch jeder, wirklich jeder Übernatürliche Nordamerikas weiß, dass der Black River Highway in Phoenix endet.

Mein Nagel reißt bis in die Nagelhaut ein, und ich presse die Lippen zusammen, während ich den Daumen in meine Faust drücke und mir ganz kurz wünsche, ich hätte die Maniküre letzte Woche doch noch wahrgenommen. Aber mir war klar, dass ich mir Kunstnägel ab jetzt nicht mehr leisten können würde und es blöd aussieht, wenn man sie einfach rauswachsen lässt. Also habe ich gelogen und behauptet, eine Magenverstimmung zu haben, sodass wir den Termin auf diese Woche verschoben haben. Auf morgen.

In meiner Brust wird es eng, als ich mir vorstelle, wie meine Mutter reagieren wird, wenn sie herausfindet, dass ich nicht mehr da bin. Dass das Geld nicht mehr da ist. Dass ein Teil ihrer Klamotten fehlt.

Sie wird ausflippen.

Du bist eine Betrügerin. Du bist wertlos, solange du uns nichts einbringst. Absolut wertlos.

Kalter Schweiß bricht auf meiner Stirn aus, und das schlechte Gewissen scheint meine gesamten inneren Organe zerquetschen zu wollen. Langsam atme ich durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. So leise, dass der Fahrer meine beginnende Panikattacke hoffentlich nicht bemerkt. Ich lehne mich auf dem hellen Ledersitz zurück und schließe einen Moment lang die Augen.

Ich habe Freiheit verdient. Ich darf mir mein Leben selbst aussuchen. Ich bin niemandem etwas schuldig.

Ich wiederhole die Worte, die in mir herumspinnen, seit ich diese Psychologiestudentin in einer Bar getroffen habe und ihr unter ein paar Cocktails zu viel meine gesamte Geschichte unterbreitet habe. Sie nutzte die Chance, ihre gelernte Theorie bei mir auszutesten und mir einige Tipps zu geben, und ich saugte jedes Wort wie ein Schwamm auf.

Ich bin meine eigene Herrin. Ich bin niemandem etwas schuldig.

Es dauert lange, bis sich die Enge in meiner Brust löst, und noch ein bisschen länger, bis ich das Gefühl habe, wieder normal atmen zu können.

Als ich meine Augen öffne, trifft mein Blick den des Fahrers. Er betrachtet mich mit stoischer Miene und will vermutlich sichergehen, dass ich ihm nicht auf seine teuren Ledersitze kotze, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. Die Bäume am Straßenrand scheinen näher zu kommen und verschlucken nach nur wenigen weiteren Biegungen jedes bisschen Sonnenlicht.

Mein Magen wird zu einem Klumpen, als plötzlich weit vor uns ein eisernes Tor auftaucht. Es ist so breit wie die gesamte Straße und ein Bindeglied zwischen den Zäunen, die rechts und links zwischen den Bäumen herausragen.

»Ihr Ausweis, bitte.« Der Fahrer wird langsamer und hält mir zugleich die Hand über seine Schulter hinweg hin.

Er hat es mir gesagt, hat mich darauf vorbereitet, dass bei der Einfahrt nach Phoenix mein Ausweis vorne auf dem Armaturenbrett liegen muss. Dennoch zittern meine Finger wie verrückt, als ich mein Portemonnaie aus der Tasche ziehe und die kleine, unscheinbare Karte herausfische. Sogar mein falsches Lächeln misslingt mir, als ich zusehe, wie der Fahrer sie neben seinen eigenen Ausweis legt, mittig unter der Frontscheibe.

Jeder meiner Muskeln ist angespannt, als wir direkt vor dem Tor halten und ich zusehe, wie die beiden Kameras auf den Zaunpfosten rechts und links rot zu blinken beginnen.

Sekunden vergehen. Mein Herz jagt in meiner Brust. Meine Hände zittern. Mein Atem stockt.

Und dann geht ein Ruck durch das Tor, wie ein Klicken, bevor es sich langsam und mechanisch öffnet. Wie von Zauberhand, dirigiert von Fremden, die entschieden haben, dass die Daten, die hinter meiner Ausweis-ID in ihrem System stehen, echt sind.

Der Fahrer fährt los.

Und dann sind wir drin.

Oh. Mein Gott.

Ich bin in Phoenix.

Ich bin in Phoenix?

Ich bin in Phoenix!

Ich versuche immer noch, meine Gedanken zu ordnen, als der Fahrer einige Zeit später den Blinker setzt. Vor uns taucht ein Schild mit zwei ineinandergeschlungenen A auf, das nach rechts zeigt, und der Fahrer biegt ab. Wir verlassen den Highway und sind jetzt auf direktem Wege zur Ashriver Academy. Sie ist das letzte Leben vor der Stadt, die mich wie nichts anderes anzieht und vor der ich mich am meisten in Acht nehmen sollte.

Dort werde ich studieren, meinen Abschluss machen und mir dann mein Leben aufbauen. Die Akademie hat ihr ganz eigenes System, eine Mischung aus Universität und Schule, mit verschiedenen Fachbereichen und Kursen, die auf die eigenen Fähigkeiten abgestimmt sind. Als ich meinen Onkel vor wenigen Wochen bat, mir einen Platz dort zu besorgen, schickte er mir sofort Informationsmaterial zu. Die Akademie hat Spezialbereiche für alle acht Häuser der übernatürlichen Welt.

Und seit ich meine Dokumente habe, und meinen Hauptwohnsitz innerhalb von Phoenix, gehöre ich auch ganz offiziell zum Haus der Sirenen. Denn das bin ich: eine Sirene. Etwas, das ich mein ganzes Leben vertuschen musste.

Meine Mutter selbst ist Tierwandlerin, fühlt sich aber niemandem zugehörig und zieht ein verstecktes Leben unter den Menschen vor.

Doch auch die anderen Häuser sind in Phoenix beheimatet. Da wären die Flüsterer und die Gestaltwandler, die Elementare, die Leser, die Seher und auch die Magier.

Allein der Gedanke daran, dass ich endlich alles über die geheimnisvolle Stadt und die anderen Übernatürlichen lernen werde, macht mich ganz nervös.

Es dauert viel länger als erwartet, als endlich das große, alte Gebäude vor uns aufragt, umgeben von endlos scheinendem Wald, mit schneebedeckten Bergen im Nacken. Meine Cousine Riley hat mir bereits erzählt, dass die Akademie im neugotischen Stil erbaut wurde. Mit vielen Türmen, hohen Fenstern, Giebeln und spitzen Kuppeln, die das breite, dunkelgraue Steingebäude zu einer Mischung aus Burg und Schloss machen. Farbige Glasfenster durchbrechen die klaren, wiederkehrenden hohen Fensterfronten, und Steinfiguren ragen über die Ziergiebel, als würden sie neugierig jeden Neuankömmling betrachten wollen. Sie hat mir auch erzählt, dass die Akademie direkt am Ashriver liegt, einem Fluss, der nach dem großen Krieg die Asche der Toten vorbeigespült hat. Aus Phoenix, einer Stadt, die nach Jahren des Todes wiederauferstanden ist und endlich Frieden gefunden hat. Ich weiß nicht viel über die übernatürliche Welt, doch diese Worte haben sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Und genau an diese Akademie werde ich jetzt gehen und einen Abschluss machen. Einen echten Abschluss, keinen, den ich zwischen Auftritte und Trainingseinheiten quetschen muss. Einen, der wirklich etwas wert ist.

Ich drücke die ebenfalls gestohlene Prada-Tasche auf meinem Schoß fester an mich und höre das Knistern von Papier. Sofort lasse ich locker, um meine wertvollen Unterlagen nicht noch mehr zu zerknittern. Dabei unterdrücke ich den Drang, sie rauszuziehen und zu überfliegen, nur um sicherzugehen, dass sie auch wirklich echt aussehen.

Wieder fliegt mein Blick zu dem Fahrer, doch nun ist er ganz darauf konzentriert, auf den Parkplatz abzubiegen, der sich auf der rechten Seite zwischen den Bäumen befindet und den ich beinahe übersehen hätte. Eine ganze Armee von teuren Autos steht hier, mitten auf dem Schotter, unter knorrigen Ästen und herabfallendem Laub. Von Bentley über Ferrari bis Mercedes ist alles dabei.

Ich schlucke, weil mir mit einem Mal der Unterschied zwischen mir und meinen Kommilitonen so unfassbar deutlich vor Augen geführt wird. Ich bin in dieser Welt ein Nichts. All meine Preise bedeuten hier einen Dreck, denn hier bin ich nur eine arme Sirene, die es allein mithilfe ihres Onkels auf die renommierteste Akademie Nordamerikas geschafft hat.

Ein Niemand.

Ich lächle.

Genauso wie geplant.

Das hier ist mein Neuanfang, und es ist mir egal, ob ich weniger Geld habe als die anderen hier. Nichts ist schlimmer als der Ort, von dem ich komme.

Als der Fahrer anhält und ich aussteige, um meinen Koffer an mich zu nehmen, braust ein weiteres Auto auf den Parkplatz. Es ist so schnell, dass Staub aufwirbelt und ein paar Steinchen durch die Gegend fliegen. Es ist Sonntagnachmittag, und alle, die übers Wochenende unterwegs waren, tauchen vermutlich jetzt wieder auf. Was bedeutet, dass ich nicht länger als nötig auf diesem Parkplatz herumstehen will.

»Danke.« Der Fahrer hat bereits meinen Koffer und die Reisetasche aus dem Wagen gehoben. Beides ist von Chanel und aus dem Schrank meiner Mutter. Als ich gestern im Morgengrauen alles in die Tasche geworfen habe, schien es mir nicht auf ein weiteres Verbrechen anzukommen. Nur der beige Mantel, der mir bis zu meinen Knien geht, gehört mir.

Der Fahrer nickt stumm und wendet sich wieder dem Wagen zu. Mein Onkel Derek hat ihn dafür bezahlt, mich herzubringen, und als ich nach einer vierundzwanzigstündigen Busfahrt auf einem Bahnhof an der Grenze zu Kanada ausstieg, wäre ich dem Mann fast um den Hals gefallen. Er würde mich aus dem Land bringen, und damit wäre ich endlich sicher. Meine Mutter kann mir hier nichts mehr anhaben. Nie wieder.

Ich weiche zurück und ziehe mein neues Handy aus meiner Handtasche, um meinem Onkel die Nachricht zukommen zu lassen, dass ich an der Akademie angekommen bin. Es hat nur drei darin eingespeicherte Kontakte. Onkel Derek, Tante Betty und meine Cousine Riley. Ich habe es mir gestern gekauft, bevor ich mein altes Handy wortwörtlich zerstört habe, damit mich auch darüber niemand mehr finden kann.

Onkel Derek antwortet nicht sofort, was mich nicht wundert, weil er ein vielbeschäftigter Mann ist, und ich schiebe das Handy zurück in die Tasche, während ich mich dem Gebäude zuwende.

Die Limousine fährt vom Parkplatz, und ich höre im Hintergrund eine Tür knallen. Höchste Zeit, dass ich gehe.

Ich zurre die Reisetasche an den Teleskopgriff fest, sodass sie auf dem Koffer aufliegt, und laufe los. Im selben Moment verhaken sich die Räder auf dem unebenen Untergrund und bleiben stecken. Mir entfährt ein genervter Laut, und ich stemme meine Absätze in den Schotter und ziehe an dem Koffer.

Schritte kommen näher, und plötzlich ragt vor mir ein junger Mann auf.

Ich drehe meinen Kopf und blicke in die schönsten grünen Augen, die mir jemals begegnet sind. Sein Haar ist blond und gewellt, sein Gesicht auf jede erdenkliche Art perfekt, und sein Lächeln ist so umwerfend, dass ich sofort wieder wegsehen muss. Gefährlich. Das Wort leuchtet rot in meinem Kopf auf, weil ich schon zu viele dieser Typen gesehen habe. Perfekt bis in die Haarspitzen und vermutlich genauso verdorben. »Hi.«

»Hi«, erwidert er, und sein Lächeln ist absolut atemberaubend. Es ist ein Lächeln, das ganze Scharen von Mädchen zum Seufzen bringen könnte, eines, bei dem man sofort das Gefühl hat, besonders zu sein, nur weil es einem geschenkt wurde. »Kann ich helfen?«

Ich stemme eine Hand in die Hüfte und hebe herausfordernd eine Augenbraue. Meine Magie kribbelt auf der Haut, und ich unterdrücke sie, weil sie hier nichts zu suchen hat. »Meine Mutter hat gesagt, ich soll nicht mit Fremden sprechen.« Das klingt fast, als wäre sie eine umsichtige Frau gewesen und keine, die ihr Kind als Goldesel ausgenutzt hat.

Sein Mundwinkel zuckt auf eine lässige, höchst vertraute Weise. Ein Lächeln, das nur Männer draufhaben, denen die Welt zu Füßen liegt. Dann streckt er mir seine Hand entgegen. »Asher, und damit jetzt nicht mehr fremd.«

Ich zögere nur kurz, bevor ich seine Hand ergreife. Sein Griff ist fest, und er lässt sofort los, statt die Chance zu nutzen und sie länger als nötig zu halten.

Mein Blick fliegt über seine Klamotten. Dunkelrotes Sakko mit goldenen Nähten, dazu die ebenso goldenen Initialen der Akademie auf der Brust, goldrotgestreifte Krawatte, beige Hose und braune Lackschuhe. Das ist dann wohl die Schuluniform. »Jade.«

»Also, Jade.« Er lässt sich meinen Namen auf der Zunge zergehen, während er meinen Koffer anhebt und ganz selbstverständlich damit losgeht. »Du musst neu sein. Zumindest bist du mir bisher nicht aufgefallen, und sollte das an meiner Ignoranz liegen, bitte ich dich, das zu entschuldigen.«

Entwaffnend. Charmant. Gefährlich. Und viel zu attraktiv.

Ich laufe neben ihm her und an den teuren Autos vorbei. Gut, dass ich mich für ein Outfit meiner Mutter entschieden habe statt für meine eigenen Klamotten. Teure Luxusmarken waren schon immer ihr Laster, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich in solchen bei meiner Ankunft nicht ganz so viel Aufsehen errege wie in meiner liebsten Highwaist-Jeans und einem Crop Top. Bei jedem Schritt zieht es in meinem Fuß, und ich versuche, nicht das Gesicht zu verziehen. Diese verdammten Schuhe hätte ich ruhig zuhause lassen können. »Ich bin neu. Morgen ist mein erster Tag hier.«

»Interessant. Ein Wechsel, so kurz nach Beginn des neuen Jahres, ist selten.«

»Aber glücklicherweise nicht unmöglich.«

Er deutet auf meinen Fuß. »Verletzung oder unglückliche Schuhwahl?«

So viel dazu, nicht allzu auffällig zu sein. »Sportverletzung und der Grund, weshalb ich mich erst mal auf meine Ausbildung konzentriere.« Mich bekommt nie wieder jemand auf eine verdammte Bühne.

»Also Leistungssport?«

Ich werfe mein dunkles Haar zurück und schmunzle in Ashers Richtung. »Da ist aber jemand neugierig.«

»Schuldig.« Seine Lippen verziehen sich zu einem umwerfenden Lächeln, während wir vom Schotterparkplatz auf einen grau gepflasterten Fußweg wechseln. Perfekt getrimmter Rasen in sattem Dunkelgrün begleitet uns von beiden Seiten, während wir auf das größer werdende Gebäude zugehen. Seine Magie streicht über meine, und einen Moment lang bin ich so überwältigt davon, dass ich beinahe stolpere. Außer meinen direkten Verwandten und ein paar Ausnahmen habe ich noch nie andere Übernatürliche getroffen. Und vor allem keine, deren Magie sich so mächtig angefühlt hat, dass sie wie ein eigenständiges Wesen wirkt.

Wieder spüre ich seine Magie, und sie ist so gezielt, wie ein sanftes Streicheln auf der Haut, dass es Absicht sein muss.

Ich hebe erneut eine Augenbraue, um zu signalisieren, dass ich ganz und gar nicht beeindruckt bin. Aber das bin ich so was von. Wie macht er das nur? Ich will es unbedingt wissen. Nein, ich muss es wissen!

Aber ich kann nicht nachfragen. Weil meine Papiere gefälscht sind, und sollte das irgendwer erfahren und mich verraten, würde mich das geradewegs ins Gefängnis bringen.

Selbst ohne viele Kontakte in der übernatürlichen Welt kenne ich ihre obersten Regeln auswendig:

Wahre die Geheimnisse.

Verstecke deine Kräfte.

Absolviere die Prüfung.

Die ersten beiden Regeln sind mir in Fleisch und Blut übergegangen, doch die dritte musste ich brechen.

Asher zieht seine Magie zurück, und sein Lächeln wird breiter. Zu welchem Haus er wohl gehört? Ich weiß zwar über die acht verschiedenen Arten von Magie in unserer Welt bescheid, doch mir wurde nie beigebracht, sie zu unterscheiden. Es ist deutlich leichter zu erkennen, ob jemand Feuer kontrolliert, als wenn jemand versucht, die Erinnerungen eines Gegenstandes zu lesen. Oder ob ein Hund nicht ein Tierwandler ist? Auch die Vorstellung, dass jemand anhand meines Federmäppchens lesen kann, dass ich eine Lügnerin bin, macht mich unfassbar nervös. Und es gibt noch so viele weitere Arten von Kräften. Hoffentlich kann ich hier unauffällig lernen, sie zu unterscheiden.

»Wie würdest du die Akademie beschreiben?«, frage ich nun, um das Thema zu wechseln.

Asher sieht mich an, als wüsste er genau, was ich mit meiner Frage bezwecken will, und geht darauf ein. »Fanatisch. Elitär. Hart. Familiär.« Er verzieht keine Miene, als er das sagt.

Ich habe Mühe, mein Lächeln zu unterdrücken, und kurz bröckelt meine Maske aus unerschütterlicher Coolness. Ich kann in seinen Augen sehen, dass er es bemerkt und dass es ihm gefällt. »Fanatisch? Elitär, ja. Dass die Ausbildung hart ist, habe ich auch schon gehört, und auch, dass sie als familiär beschrieben wird, aber fanatisch?« 

Auf seinen Lippen liegt ein Grinsen, das sein gesamtes Gesicht leuchten lässt. Er ist wirklich einer der schönsten Typen, denen ich jemals begegnet bin. Unter meiner Haut breitet sich ein Kribbeln aus, das mich dazu bringen will, meine Magie einzusetzen. Verdammt! Unauffällig kratze ich mit meinem eingerissenen Nagel über meinen Handrücken, um mich zusammenzureißen.

»Ja, alles ist irgendwie ein wenig sektenmäßig.« Seine Stimme senkt sich vertrauensvoll, und er hat noch immer dieses unbesiegbare Lächeln auf den Lippen. »Manche hier werden wie Götter gefeiert. Viele versuchen, in irgendwelche Clubs zu kommen. Es gibt jede Menge Cliquen. Und wirklich alle stehen auf dieses Emblem.« Er tippt auf die Stickerei an seiner Jacke. »Glaub mir, das Merchandise zu diesem Zeichen geht weg wie nichts.«

Ich lache laut und echt und kann nicht verhindern, dass ein Teil meiner Magie über meine sorgsam errichtete Mauer zu ihm herüberschwappt.

Sofort spanne ich mich an, bereit zu kämpfen, falls nötig. Denn wenn ich eins gelernt habe, ist es, dass meine Kraft andere dazu bringen könnte, sich auf mich zu stürzen.

Für einen winzigen Augenblick verschwindet der leichte Ausdruck von Ashers Gesicht, doch dann hat er sich wieder im Griff. Erleichterung schießt durch mich hindurch.

Schnell schaue ich wieder nach vorne zu dem riesigen Gebäude, von dem wir nur noch wenige Schritte entfernt sind. »Und du gehörst einem dieser Clubs an?«

Seine Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. »Zum elitärsten.«

Warum überrascht mich das nicht? »Natürlich tust du das.«

Wir bleiben vor dem Gebäude stehen, und mit einem Mal ist es, als würde er zögern und die begrenzte Zeit zwischen uns ausdehnen wollen.

Ich mag es, wie er mich ansieht, auch wenn mir klar ist, dass das alles nur ein Spiel für ihn ist. Was auch sonst? Ich bin die Neue. Kerle wie er sind vermutlich immer auf der Jagd nach der nächsten Herausforderung.

Du bist ein Flittchen, das nur dafür lebt, die Aufmerksamkeit von Männern auf sich zu ziehen.

Meine Kehle verengt sich, und meine Hand zuckt zu meiner Brust, um gegen den plötzlichen Druck darin anzukämpfen. Im letzten Moment schiebe ich jedoch damit meine Haare nach hinten und hoffe, nicht total unbeholfen auszusehen. Gleichzeitig versuche ich die Erinnerung an die Stimme meiner Mutter abzuschütteln.

Ich bin kein Flittchen. Ich habe mir das verdammt noch mal nicht ausgesucht. Weder mein Aussehen noch meine Kräfte. Ich wurde als Sirene geboren. Und es ist mein Schicksal, mit den Konsequenzen zu leben.

Asher deutet auf meinen Koffer, den er noch immer festhält. »Also, Miss Neuzugang, darf ich dich in die Welt der Ashriver Academy einführen?«

»Zu freundlich.« Noch während ich das sage, bin ich so abgelenkt von dem frechen Blitzen seiner grünen Augen, dass ich die erste Stufe zum Akademiegebäude verfehle und mit meinem schwachen Fuß umknicke. Peinlicherweise entfährt mir auch noch ein lächerlich quietschendes »Oh«, und ich kann mich so gerade noch an seinem Arm festhalten, um nicht auf der Nase zu landen.

Unter meinen Fingern spüre ich die Wärme seines Körpers durch den Stoff seines Jacketts, rieche sein würziges Parfüm, und einen Moment lang bröckelt meine Mauer erneut. Meine Magie schwappt auf ihn über, und nichts lässt sie mehr aufhalten. Ich sehe die roten Funken, die sich über ihn legen, wie etwas in seinem Gesicht flackert und den plötzlichen Hunger in seinem Blick.

Das hat er gespürt. Meine Wangen brennen vor Scham, weil ich nicht verstehe, wieso ich mich so wenig unter Kontrolle habe. Ich habe es geübt. Immer und immer wieder. Mein ganzes Leben lang.

Du bist ein Flittchen.

»Sorry.« Sofort trete ich zurück und versuche mich an einem ungezwungenen Lächeln. »Gilt das Angebot jedem Neuzugang, oder nur denen, die du attraktiv findest?«

Sein Mundwinkel zuckt. »Definitiv Letzterem.«

Wenigstens ist er ehrlich.

In der Ferne höre ich plötzlich weitere Autotüren zuschlagen, was mich in die Realität zurückholt.

Das ist doch verrückt. Ich bin nicht mal fünf Minuten auf dem Gelände der Akademie, und schon stehe ich hier alleine mit einem Kerl.

Meine Mutter hat recht.

Der Gedanke flackert so plötzlich in meinem Kopf auf, dass ich beinahe zurückgezuckt wäre.

Nein. Sie hat nicht recht.

Ich habe niemanden darum gebeten, eine Sirene zu sein und versuche alles, um die Kontrolle zu behalten. Meine einzige Hoffnung ist, genau das hier zu lernen.

Ich mache noch einen Schritt zurück und verschränke die Finger hinter meinem Rücken. »Nun, gut zu wissen. Aber jetzt sollte ich erst mal reingehen und mich anmelden. Wie wäre es, wenn du mir fürs Erste zeigst, wo sich das Sekretariat befindet?«

»Es wäre mir eine Ehre.« Er legt den Kopf schief, als er die riesige Holztür aufdrückt, und eine seiner blonden Locken fällt ihm in die Stirn. »Das hier ist das Verwaltungsgebäude der Ashriver Academy. Hier findest du das Sekretariat, die Büros der Lehrkräfte und alle administrativen Abteilungen, die du dir vorstellen kannst. Nur das Gebäudemanagement liegt außerhalb.«

Wir treten in eine Eingangshalle mit hellem Marmorboden, mehr lang als breit, und Wänden voller Kunstwerke, von der mehrere Flure abgehen. Uns gegenüber, vorbei an den Fluren, befindet sich eine breite Glastür, hinter der ich auf dem Gelände weitere Gebäude entdecke. Aus einigen Fluren dringen Stimmen zu uns herüber, doch ich kann niemanden sehen. Meine Absätze klackern laut auf dem beigen Marmor und hallen an den weißen Wänden wider, während ich mich umsehe. Eine riesige künstlerisch geschwungene Lampe hängt in der Mitte der Halle, und obwohl es taghell ist, leuchtet sie.

Doch immer wieder fällt mein Blick auf die große Fensterfront und zu den Studierenden, die nun in der Ferne aus einem der Gebäude kommen. Sie alle tragen dieselbe Uniform, und obwohl ich bereits hier bin, kann ich kaum glauben, dass ich kurz davor bin, ein Teil von ihnen zu werden.

Meine Tasche mit den gefälschten Papieren fühlt sich mit einem Mal tonnenschwer an, und ich rücke die Träger auf meiner Schulter zurecht.

Weil mich für einen kurzen Moment Zweifel überkommen.

Weil ich auffallen werde, egal was ich versuche.

Weil ich die verpflichtende Prüfung niemals abgelegt, und nie ein entsprechendes Camp besucht habe, obwohl meine Dokumente etwas anderes sagen.

Ein Teil von mir will wieder umdrehen und abhauen. Doch dann denke ich an meine Mutter. An Riley. An mein Leben. An diese einmalige Chance.

Ich schaffe das.

Asher führt mich nach rechts, vorbei an einer nicht zu übersehenden Tafel, auf der die verschiedenen Büros mit Raumnummern versehen sind. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, mich bis vor eine Glastür zu führen.

»Und hier befindet sich unser Sekretariat, in dem sich unser Neuzugang schnellstmöglich anmelden sollte, damit ich ihr zeigen kann, wo sich ihr Zimmer befindet.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Ist das etwa eine Masche, um herauszufinden, in welchem Zimmer ich wohne?«

Er hält mir grinsend die Tür auf. »Definitiv. Ich warte gerne hier, bis du fertig bist.«

Süß. Charmant. Gutaussehend. Und offenbar unglaublich zuvorkommend. Er sieht aus wie jemand, der viel zu gut für mich ist. Wie jemand, der Mädchen wie mich zum Frühstück verspeist. Wie jemand, der eine großartige Zukunft vor sich hat, während ich möglichst nicht auffallen sollte.

Dennoch lächle ich ihn dankend an, bevor ich an ihm vorbei in das Büro gehe, in dem sich zwei gegenüberliegende Schreibtische hinter einer erhöhten Theke befinden.

Es ist nur ein Platz besetzt, und die Frau dahinter erhebt sich mit einem Lächeln, als sie mich sieht. Sie könnte dreißig, aber auch schon fünfzig sein. »Hallo, du bist sicher Jade. Ich bin Emma, die Schulsekretärin.«

»Und ich bin offenbar der einzige Neuankömmling heute?«

Emma nickt lachend, und ihr orange gefärbtes Haar wippt im Takt. »So ist es. Moment, ich habe dir bereits eine Mappe mit allen Unterlagen zusammengestellt.« Sie holt eine schwarze Mappe von ihrem Schreibtisch und öffnet sie. »Hier findest du einen Campusplan, die Hausregeln und deine Login-Daten für deinen Laptop. Du müsstest einmal alle Passwörter neu vergeben, aber das kannst du der Anleitung hier entnehmen. Da du eine Sirene bist, wurden dir neben deinen gewählten Hauptfächern Französisch, Spanisch und Mandarin noch Pflichtfächer zugewiesen. Den genauen Stundenplan findest du ebenfalls in den Unterlagen.« Sie deutet auf einen Haufen zusammengetackerter Zettel, bevor sie eine Laptoptasche unter ihrem Tisch hervorzieht. Auf dem dunkelbraunen Kunstleder leuchten in großen Buchstaben die beiden ineinander geschlungenen A des Akademiewappens. »Schreibunterlagen und Stifte liegen dabei. Der Laptop ist im Unterricht nicht erwünscht, aber alle Hausaufgaben sollen per Mail eingereicht werden.«

Ich nicke. Riley hat mir davon bereits erzählt. Bei dem Gedanken daran, dass wir uns vielleicht heute schon wiedersehen, werde ich nervös. Doch Emmas kleiner Vortrag lenkt mich davon ab, mich zu sehr in meinen Gedanken zu verirren. »Wie ich sehe, hast du bereits jemanden, der sich deiner annimmt.«

Ich folge ihrem Blick zur Glastür, hinter der Asher lässig an der gegenüberliegenden Wand lehnt. »Ja, der ist mir irgendwie nachgelaufen.«

Emma lacht glockenhell und klappt die Mappe zu. »Gut. Er darf dich zu deinem Zimmer bringen, aber ab zehn Uhr gilt auf den Zimmern eine Sperrstunde für Besucher. Das kannst du auch in den beiliegenden Hausregeln nachlesen.« Sie greift nach einem alten, schwer aussehenden Schlüssel und schiebt ihn über die Theke. Dann folgt ein kreditkartengroßer Ausweis, auf dem ich mein Foto erkenne, das ich vorab per Mail eingesendet habe. »Bitte. Die Nummer ist«, sie überlegt kurz, klappt die Mappe noch einmal auf und schaut auf den Zettel ganz vorne. »472B, in Bones Manor. In das Gebäude kommst du nur mit deinem Studierendenausweis. Deine Uniform liegt bereits in deinem Zimmer. Waschen kannst du im Salon, der auf deinem Campusplan markiert ist. Sobald du dein Zimmer bezogen hast, bist du dazu verpflichtet, während der Unterrichtszeiten die Akademieuniform in der Variante deiner Wahl zu tragen. Während des Ausgangs an den Wochenenden ist Alltagskleidung erlaubt.«

Ich nehme den Schlüssel an mich. Das Metall fühlt sich kalt auf meiner Haut an, und eine Welle der Aufregung erfasst mich. »Okay. Danke.«

»Perfekt. Wir haben es fast.« Sie reicht mir meine restlichen Unterlagen und den Laptop, bevor sie zu ihrem Computer geht. »Du bekommst noch eine Bestätigung über den Zahlungseingang deiner Studiengebühren. Ich glaube, ich kenne niemanden, der den gesamten Betrag im Voraus gezahlt hat.«

Ich zucke mit den Schultern, aber sie schaut mich nicht einmal an, während sie an dem Drucker hantiert und schließlich zu mir herüberkommt. »Hast du zufällig deine Prüfungsbescheinigung dabei? Leider war die Datei, die du uns zugeschickt hast, kaum lesbar.«

Mein Hals wird trocken, und ich öffne meine Handtasche, um den Briefumschlag herauszuziehen. »Bitte. Ich habe mir eine neue Bescheinigung ausstellen lassen. Die alte wurde wohl nicht ordnungsgemäß abgelegt.«

Emma nickt vertrauensvoll und zieht die Unterlagen aus dem Umschlag, bevor sie sie überfliegt und dann auf den Tisch legt. »Ich scanne sie ein, damit wir sie in unserem System haben. Das dauert nur zwei Minuten, okay?«

Ich nicke und traue mich nicht einmal mehr zu atmen. Meine Augen folgen jeder ihrer Bewegungen, während mein Herz rast. Sie legt die Zettel nacheinander auf den Scanner in der Ecke des Raumes. Sein Surren rauscht unendlich laut in meinen Ohren.

Schweiß bildet sich in meinem Nacken, und zugleich fühlt sich mein Hals staubtrocken an.

Gleich fliegt alles auf. Sie wird es bemerken. Sie wird mich festnehmen lassen.

Mir ist ein wenig schwindelig, und ich lehne mich betont entspannt gegen die Theke, während ich innerlich kurz davor bin, durchzudrehen.

Plötzlich dreht sie sich um und schiebt die Unterlagen wieder in den Umschlag. »Perfekt. Fertig. Willkommen an der Ashriver Academy, Jade.«

Meine Knie geben um ein Haar nach, und meine Hände zittern ein wenig, als ich den Umschlag und die Quittung wieder in meine Handtasche schiebe. »Danke. Das ist wirklich nett.«

»Ach ja, da du die Einführungsveranstaltung am Anfang des Semesters verpasst hast, wird die Willkommensrede bei einem Termin mit Direktorin Rosehall nachgeholt. Morgen früh um acht Uhr. Komm einfach her, und ich bringe dich hoch.«

Mir wird übel. Dennoch lächle ich. »Okay. Danke. Bis morgen dann.«

Wir lächeln uns zu, und mein Körper fühlt sich seltsam losgelöst von der Welt an, als ich mich abwende und auf die Glastür und den dahinter wartenden Asher zugehe.

Du bist eine Betrügerin und wirst nie etwas anderes sein.

Da hatte meine Mutter wohl ausnahmsweise recht.

Trotzdem.

Ich bin drin.

Ich bin wirklich drin.

2. Kapitel

Asher

Ich laufe diesem Mädchen hinterher wie ein räudiger Hund, und verdammt, ich schäme mich nicht einmal dafür. Sie ist das schönste Geschöpf, das mir jemals begegnet ist, und in dem Moment, als mich ihre braunen Augen trafen, musste ich sie einfach kennenlernen.

Ihr Lächeln hat einen Augenblick lang meinen Kopf leergefegt. Da war nur dieses atemberaubende Lächeln, funkelnde Augen und mein Herzschlag, der mir in den Ohren pochte.

Ein einziger Moment reichte, um zu wissen, dass ich sie kennenlernen muss.

Verdammt, ich gebe es ja zu. Ich bin vermutlich oberflächlich, weil ihre Schönheit mich dazu bringen will, vor ihr im Dreck zu kriechen.

Aber es ist mehr. Sie ist mehr. Ich spüre es einfach. Und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass irgendein anderer Trottel auf dieser Akademie ihre Aufmerksamkeit vor mir erregt.

Außerdem scheint sie keine Ahnung zu haben, wer ich bin. Zumindest lässt sie sich nichts davon anmerken, während sie neben mir her durch die alten Flure zurück in die Eingangshalle des Verwaltungsgebäudes läuft und alles in sich aufzusaugen scheint.

Dass Jade eine Sirene ist, habe ich sofort gesehen. Sie verbirgt es kaum, was erstaunlich für ihre Art ist. Und dass sie ihre Kräfte in meiner Nähe offenbar nur schwer kontrollieren kann, macht mich schier wahnsinnig. In ihr brodelt etwas Wildes, und ich will jede einzelne ihrer Schichten erforschen. Ihre zarten Kurven. Ihre- Shit. Ich muss mich echt zusammenreißen.

»Gefällt dir bisher, was du siehst?« Meine Stimme ist rau, und ich fühle mich lächerlich, aber ich kann nichts dagegen machen.

Sie hebt eine ihrer Augenbrauen auf eine Weise, die mich ganz verrückt macht. Überlegen. Selbstbewusst. Sexy. Als würde sie der ganzen Welt allein mit ihrem Blick einen Arschtritt verpassen können. »Sehr. Ich habe davon gehört, aber das kommt der Realität nicht nahe.« Sie deutet um sich herum, und ich verstehe sie. Die Atmosphäre von Ashriver ist einzigartig. Schon das alte Verwaltungsgebäude reicht, um einem das Gefühl zu geben, als wäre man in ein anderes Jahrhundert gefallen.

»Die Bibliothek der Akademie ist quasi berühmt.« Ich deute auf die Glastüren, obwohl man die Bibliothek von hier aus nur erahnen kann, da sie sich auf der anderen Seite des Campus befindet.

»Spannend«, murmelt sie und scheint so gar nicht interessiert daran. Ich will alles über sie wissen. Verdammt, ich bin jetzt schon von ihr besessen. »Was willst du wissen?«

Sie pustet Luft aus, und ihre Fassade bröckelt kurz, während sie schüchtern einen vorbeieilenden Dozenten grüßt, bevor sie erneut alles neugierig betrachtet. »Alles. Ich freue mich einfach, dass ich hier bin.« Es fällt ihr vermutlich kaum auf, aber ihre Hand wandert zu ihrem rechten Bein, das beim Gehen leicht einknickt. Was ist das wohl für eine Verletzung? Welchen Sport hat sie betrieben, bevor sie offenbar damit aufhören musste? Ich verk‍neife es mir jedoch, diese Frage erneut zu stellen. Irgendwann werde ich die Antwort schon noch herausfinden.

Wir verlassen das Verwaltungsgebäude und betreten einen der beiden Rundwege des Ashriver Campus. Ich deute nach rechts. »Da sind die drei Wohnheime, in denen die Studierenden wohnen. Dein Zimmer befindet sich in dem mittleren, der Bones Manor. Ich wohne übrigens in dem Gebäude ganz hinten, Charleston Manor, falls es dich interessiert.«

»Merke ich mir.« Sie stößt ein kleines, schnaubendes Lachen aus, und ich kann nicht anders, als mich so verdammt gut dafür zu fühlen.

»Das war der Plan.« Ich schiebe ihren Koffer über den gepflasterten Rundweg in Richtung der drei Wohnheime. »In der Mitte des Campus befinden sich die verschiedenen Fakultäten, auf der Rückseite die Sportanlagen und links von uns ein paar Annehmlichkeiten. Aber frag mich nicht, warum sie den Shop und die Restaurants genau auf die andere Seite der Wohnheime gebaut haben. Das versteht hier niemand.«

Jade nickt nur, als würde sie jedes meiner Worte wie ein Schwamm aufsaugen, während sie sich die historischen Gebäude anschaut, an denen wir vorbeikommen und in denen sich die verschiedenen Fachbereiche der Akademie befinden. Der gesamte Campus ist begrünt, und die Bäume und Büsche verstecken, wie groß die Anlage in Wirklichkeit ist.

Mithilfe von Jades Studierendenausweis können wir das mittlere Wohnheim des Drillingsgebäudes betreten.

Ich deute auf eine breite Holztreppe, die sich zu unserer Linken befindet. »Hier gibt es leider keine Aufzüge, aber dein Zimmer liegt im vierten Stock.« 472B. Die Nummer werde ich nicht so schnell vergessen.

»Kein Problem.« Sie winkt ab, doch ich merke schon nach kurzer Zeit, dass ihre Bewegungen hölzerner werden.

»Deine Verletzung scheint sich nicht so gut mit deinen hohen Schuhen zu vertragen. Wie wäre es, wenn ich dich trage?«, biete ich ihr mit einem Zwinkern an. Natürlich völlig selbstlos.

Sie schnaubt amüsiert. »Das nächste Mal bin ich schlauer. Außerdem habe ich bessere Schuhe in meinem Koffer, die perfekt zur Uniform passen.« Ihre Augen bleiben an meinem Oberkörper hängen, und obwohl ich weiß, wie gut mir dieser Anzug steht, löst ihr Blick etwas in mir aus. Ich will sie über meine Schulter werfen und nach oben tragen. Ich will sie gegen die Wand drücken, und vor allem will ich sie küssen.

Ich liebe es zu flirten, liebe es, den Frauen Aufmerksamkeit zu schenken, und ich liebe es, meinen Spaß zu haben. Ich breche keine Herzen, sondern begrüße nur den Spaß am Leben.

Und Jade wirkt so, als könnte ich besonders viel Spaß mit ihr haben. Mit ihrer harten Schale, ihrer Schönheit und ihrem Sarkasmus, der zwischen ihren Worten hängt.

Ich will sie.

Das Gefühl ist plötzlich so heftig, dass ich spüre, wie der Handlauf unter meinen Fingern bebt. Schnell ziehe ich meine Hand zurück und hätte beinahe über mich selbst gelacht. Das ist mir noch nie passiert. Eigentlich sollte mich das stören. Immerhin bin ich ein Hastings, dazu geboren, das Haus der Nordamerikanischen Magier zu führen. Ich wurde seit meiner Kindheit darauf vorbereitet, irgendwann den Platz meines Vaters einzunehmen. Ich habe meine Kräfte unter Kontrolle.

Immer.

Meine Finger fahren über den Handlauf. Mein Mundwinkel zuckt.

Witzig, wie schnell mich ein Paar brauner Augen zu einem Jäger machen kann. Und ja, verdammt, Jade ist meine Beute.

Witzig. Und zugleich besorgniserregend.

Ich strecke meine Finger unauffällig und konzentriere mich auf meine Magie, die jetzt wieder tief in mir verborgen ist. Kontrolle ist das höchste Gut. Es ist das, was uns in dieser Welt überleben lässt.

Dennoch. Was für eine spannende Ablenkung, dass eine völlig Fremde diese verinnerlichte Kontrolle in mir wanken lässt.

Zeit, diese Begegnung zu festigen und dieses Neue zwischen uns zu ergründen. »Wie wäre es, wenn ich dich nach dem Abstecher in dein Zimmer weiter auf dem Gelände herumführe und wir unser Date bei einem Abendessen im Speisesaal beenden?«

Bei meinem Vorschlag beißt sie sich kurz auf die Unterlippe, bevor sie mir antwortet. »Das stellst du dir unter einem Date vor?«

»Ich passe mich den Gegebenheiten an.«

Erneut lacht sie, und das Geräusch fährt mir direkt in meine Mitte. Shit. Was macht sie nur mit mir?

»Kein Date. Ich bin gerade nicht an so was interessiert«, stellt sie klar, auch wenn ihre Stimme sinnlich ist, und ihre Augen leuchten. Dann schaut sie wieder auf die Treppenstufen vor sich. »Aber ich lasse mich sehr gerne von dir begleiten.«

Mir hat noch nie eine Frau einen Korb gegeben. Nicht, dass sie mir damit jetzt das Herz brechen würde. Aber ich bin dennoch ein wenig überrascht. Das lasse ich mir natürlich nicht anmerken, als wir im vierten Stock ankommen und ich nach rechts deute. »Perfekt. Ein Date also.«

Sie lacht erneut, widerspricht jedoch nicht mehr. Ich lasse ihren Koffer auf den Rollen ab, und das leise Geräusch sowie das Klackern ihrer Absätze begleitet uns durch den langen Flur. Ihr Zimmer befindet sich in der Mitte des Ganges, und ich lasse ihr den Vortritt, damit sie aufschließen kann.

Ihre Hand zittert leicht, als sie den Schlüssel ins Schloss steckt, und ich lächle angesichts dieser ungefilterten Emotion. Warum wohl ist sie erst jetzt an die Akademie gekommen? Wieso wurde sie von einem Fahrer abgesetzt und nicht von ihren Eltern, wie es bei allen Neulingen der Fall ist? Ich will alles über sie wissen. Aber das hat Zeit.

Jade öffnet die Tür, und ihr stockt hörbar der Atem, als sie eintritt.

Ich schiebe den Koffer vor mir her und in den schmalen Flur hinein, bleibe aber in der Tür stehen. Mit verschränkten Armen lehne ich mich gegen den Rahmen und schaue ihr dabei zu, wie sie in den Raum hineingeht, der fast genauso aussieht wie alle anderen Zimmer auch.

Es gibt ein kleines, eigenes Bad direkt neben dem Eingang zur Linken. Gegenüber davon steht die noch leere Garderobe. Direkt dahinter befindet sich der Schlaf- und Wohnbereich, mit schmalem Bett, Schreibtisch, Stuhl und Kleiderschrank. Der Boden ist aus grauem Stein, die Wände weiß, und an der Decke hängt ein schwarzer Leuchter. Auf dem Bett liegen zwei Sätze der Uniform in Folien aus der Wäscherei und daneben zwei Haufen mit gefalteter Bettwäsche und Handtüchern.

Jade geht zu den Fenstern, die fast eine ganze Wand des Zimmers einnehmen, und fährt vorsichtig über das Buntglas, das am Rand eingearbeitet ist. Ehrfurcht liegt in ihrem Gesicht, roh und unverfälscht, während ihre Fingerspitzen das Glas berühren.

»Die Deko kannst du selbst aussuchen. Ich würde mir als Erstes einen Teppich besorgen, weil es sonst morgens verdammt kalt werden kann.«

»Wow«, flüstert sie und dreht sich mit einem Leuchten in den Augen zu mir um. »Es ist fantastisch.«

»Es ist echt okay.« Ich will lässig wirken, aber selbst ich kann angesichts ihrer Begeisterung kein Grinsen unterdrücken. Sie hat recht. Diese Akademie ist ziemlich cool. Sie ist die beste Lehreinrichtung, die die übernatürliche Welt Nordamerikas zu bieten hat.

Jade legt die Laptoptasche und die Handtasche auf ihrem Schreibtisch ab. Dann kommt sie zu mir und holt ihren Koffer sowie die darauf liegende Reisetasche. »Moment, ich ziehe mich eben um.«

»Kein Problem, ich warte im Flur.« Ich schließe die Tür hinter mir, als sie gerade den Koffer auf das noch nackte Bett wuchtet.

Während ich auf Jade warte, vibriert mein Handy in meiner Hosentasche. Eine Nachricht von meinem besten Freund Vincent, der wissen will, ob ich schon wieder auf dem Akademiegelände bin und auch zum Abendessen komme.

Ich antworte ihm, dass ich ihn später sehe und schiebe mein Handy in meine Jacketttasche, als Jade die Tür öffnet und heraustritt. Sie trägt nun den dunkelroten Blazer des Internats, die beige Hose, die gold-rote Krawatte sowie dunkelrote Slipper.

Sie bemerkt meinen Blick auf ihre zum Outfit passenden Schuhe und lacht. »Süß, nicht? Ich habe mich vorbereitet.«

Das entlockt mir ein Schmunzeln, und sie jetzt so in der Uniform zu sehen, die ich bereits seit Jahren trage, lässt ein Gefühl in mir aufsteigen, das ich nicht ganz benennen kann. Plötzlich ist sie Teil von all dem hier. Zuerst war sie nur die wunderschöne Fremde, doch jetzt gehört sie dazu. Zu mir und diesem Ort, der zu meinem zweiten Zuhause geworden ist. »Ja, süß«, sage ich dann, wenn auch etwas verspätet und schüttle auf ihren fragenden Gesichtsausdruck nur den Kopf. »Auf geht’s, du bekommst jetzt deine versprochene Führung.«

Sie strahlt mich an, und einen Moment lang blendet mich ihre Schönheit, bevor ich mich von ihr losreißen kann. So langsam wird es lächerlich. Es sind nicht einmal ihre Kräfte. Es ist einfach nur sie. Ihr Lächeln. Die so angestrengt verborgene Vorsicht in ihren Augen. Ihre Art.

»Stets zu Diensten.« Ich zwinkere ihr zu, was sie mit einem wenig beeindruckten Schmunzeln quittiert. Offenbar muss ich mir ein wenig mehr Mühe geben, wenn ich sie beeindrucken will. Wie gut, dass ich ein Meister in diesem Spiel bin. Gemeinsam gehen wir den Gang hinunter. »Ich bin im dritten Semester und kenne mittlerweile jeden Winkel der Akademie.«

»Wie sind die Dozierenden hier so?«

»Größtenteils echt in Ordnung. Man sollte nur nicht versuchen, sie um eine gute Note zu bestechen, das finden sie gar nicht witzig.«

Sie lacht. »Du klingst, als hättest du Erfahrung damit.«

Ich mache ein unbestimmtes Geräusch, was sie erneut lachen lässt. Ich verstehe nicht ganz, warum mich ihr Lachen so in ihren Bann zieht. Wenn ich es nicht spüren könnte, würde ich sofort behaupten, sie setze ihre Sirenenkräfte ein. Doch das ist es nicht. Es ist sie. Ich habe keine Ahnung, wann mich zuletzt ein Mädchen so fasziniert hat.

Wir verlassen die Bones Manor und treten auf den äußeren Rundlauf des Campus. »Wie bereits erwähnt, im nächsten Gebäude wohne ich. Falls es dich interessiert. Meins ist die Nummer 412.« Ich zeige auf das Backsteingebäude, an dem wir als Nächstes vorbeigehen, und zwinkere ihr zu.

Jade schnaubt. »Wonach sind die Wohnheime benannt?«

»Sie sind nach den Gründern der Akademie, Emilia Bones, Maritimer Rose und ihrem Sohn Charleston benannt. Ich weiß«, füge ich hinzu, als ich ihren ernüchterten Blick bemerke, »langweilig. Bei den Namen vermutet man irgendeine spannende Geschichte.«

»Ja! Ich dachte, jetzt kommt eine Gruselgeschichte, mit Blut und Knochen.«

»Da muss ich dich enttäuschen.« Wir gehen an der Charleston Manor vorbei, und ich deute nach links, wo zwischen den Bäumen eine der Fakultäten zu sehen ist. »Das ist die Bestia Hall, in der sich alles um Tierwissenschaften dreht.«

»Wie viele Fakultäten gibt es denn eigentlich?« Sie reckt den Kopf, doch vom Weg aus kann man von hier aus nur noch die Corpus Hall sehen, in der alles rund um die Spezies der Menschen gelehrt wird.

»Acht.« Ich zähle die verschiedenen Gebäudenamen und ihre Schwerpunkte auf und lache, als ich ihren ratlosen Blick sehe. »Aber findest du auch alles in deinen Unterlagen. Du wirst dich schnell zurechtfinden. Hinter deinen Kursen stehen die Gebäudenamen und Raumnummern.«

»Und wie viele Studierende gibt es hier?«, fragt Jade nun, während sie sich kaum von den imposanten weißen Säulen losreißen kann, die den Dachüberstand der Corpus Hall halten.

»Soweit ich weiß, sind in jedem Fachbereich zwischen sechs- und achthundert Leute eingeschrieben. Aber so ganz genau weiß ich das auch nicht.«

»Erstaunlich. Die Akademie wirkt irgendwie viel kleiner.«

»Kein Vergleich zu Phoenix. Diese Großstadt macht den Anschein eines Dorfes. Warst du schon mal dort?«, frage ich, als sie die Augenbrauen fragend zusammenzieht. Sie schüttelt den Kopf, und ich kann es mir einfach nicht nehmen zu sagen: »Wenn du möchtest, zeige ich dir die Stadt.«

Sie schmunzelt, sagt aber weder zu noch ab, sondern wendet sich nach links, als zwischen den Bäumen das nächste Gebäude auftaucht. »Was ist dort?«

»Das Historische Zentrum. Es hat zwar die modernste Fassade, beherbergt aber die ältesten Relikte unserer Welt. Dort findest du auch die Bibliothek und ein paar weitere Fachbereiche.«

Wir laufen auf das dreiteilige Gebäude zu, das rechts und links schwarz vermauert wurde, während in dessen Mitte ein großer Teil des Gebäudes aus Glas besteht.

»Macht es dir etwas aus, wenn wir kurz in der Bibliothek vorbeischauen? Mir fällt gerade ein, dass es eine Unstimmigkeit mit meinen Zeiten für den Hausdienst gab, und unsere Bibliothekarin hasst es, auf Mails zu antworten.«

»Nein, das macht mir nichts aus. Was ist denn dieser Hausdienst?«

»Der Hausdienst bedeutet, dass man etwas für die Gemeinschaft tun muss. In der Küche mithelfen, die Anlagen pflegen oder den Lehrern assistieren zum Beispiel. Jeder ist mal dran. Mrs Dunmore hat wohl nur vergessen, dass ich donnerstags beim Schwimmtraining bin und deshalb auf keinen Fall Bücher katalogisieren oder einräumen kann.«

»Du bist im Schwimmteam?«

»Ja. Jeder hier belegt Zusatzkurse. Aber sei gewarnt, ich gehöre zu den besten Schwimmern und lasse mir nicht den Rang ablaufen. Doch falls du ins Team kommen willst, bist du natürlich herzlich willkommen.«

»Das ist nur eine Masche, um noch mehr Zeit mit mir zu verbringen, oder?«

»Gott, ja«, stoße ich etwas übertrieben aus, was sie zum Lachen bringt. »Klappt es?«

Sie schüttelt ihren Kopf, aber sie grinst.

Nicht aus Höflichkeit oder weil sie einen guten Eindruck vor mir machen will. Nur, weil sie mich lustig findet.

Das fühlt sich gut an.

Ich merke, wie ich langsamer werde, als ich Stimmen höre. Es ist albern. Aber ein Teil von mir will sie noch einen Moment länger für mich allein haben.

»Gut zu wissen. Ich bin nicht so die Schwimmerin.«

Diese Worte erlauben es mir, einen prüfenden Blick auf ihre Figur zu werfen. »Läuferin?«

Ihre roten Lippen formen ein Schmunzeln. »Du willst es wirklich wissen, was?«

»Unbedingt«, gestehe ich zu ihrer Erheiterung. »Was muss ich tun, um mehr über dich herauszufinden? Ist nicht Sinn und Zweck eines Dates, genau das zu tun? Einander Dinge zu erzählen?«

»Keine Ahnung. Ich hatte noch nie ein Date.« Nun ist sie diejenige, die mir zuzwinkert, bevor sie stockt und ihren Blick abwendet. Einen Moment lang zieht sie ihre Schultern hoch, als hätte sie mir etwas verraten, was sie lieber für sich behalten hätte.

»Noch nie?«, hake ich nach, gleichzeitig fasziniert und verwirrt. Sie ist eines der schönsten Mädchen, die ich jemals gesehen habe. Wie kann es sein, dass sie noch nie um ein Date gebeten wurde? Mir entfährt diese Frage, bevor ich mich zurückhalten kann.

»Strenge Mutter«, erwidert sie schließlich mit einem wegwerfenden Schulterzucken. »Also, was befindet sich hier?«

Ich brauche einen Moment, bevor ich mich dazu durchringen kann, ihrem Themenwechsel zu folgen. Weil ich mit einem Mal derjenige sein will, der sie zu ihrem ersten Date einlädt.

Verdammt, ich werde definitiv derjenige sein. Niemand wird mir dieses Mädchen vor der Nase wegschnappen.

Ich kenne sie noch keine fünf Minuten, aber sie zieht mich irgendwie an – und sie hat keine Ahnung, wer ich bin. Das hier ist nur ein harmloser Flirt, ein Spiel, ein Tanz, aber das bedeutet nicht, dass ich so leicht lockerlassen werde.

Inzwischen sind wir vor der großen Tür zur Bibliothek zum Stehen gekommen. »Hier wären wir. Du hast einen Ausweis in deinen Unterlagen, mit dem du dir Bücher ausleihen kannst. Aber sei gewarnt, Mrs Dunmore kennt keine Gnade mit Studierenden, die ihre Leihfrist überziehen.«

»Werde ich mir merken«, antwortet sie betont ernst, und als wir eintreten, betrachtet sie interessiert die dunkle Einrichtung. Rechts und links ragen Bücherregale in schmalen, kurzen Gängen in den Raum. Über uns liegen zwei weitere Etagen, mit ebensolchen Gängen, die durch hölzerne Balkongeländer begrenzt sind. In der Mitte der Bibliothek steht eine lange Tischreihe mit unbequemen Holzstühlen. In den oberen Etagen gibt es zusätzlich noch Sessel an den Brüstungen, von denen man auf den langen Tisch herunterblicken kann.

»Wow«, murmelt Jade und geht wie hypnotisiert tiefer in den Raum hinein, doch ihr Blick ist auf das riesige Sprossenfenster vor Kopf gerichtet, das sich über alle drei Etagen zieht. Dahinter liegen unendlicher Wald und Berge. Von hier aus ist es kaum zu erkennen, dass wir uns mitten auf einem Campus befinden.

Ein leiser Pfiff erregt meine Aufmerksamkeit, und ich drehe den Kopf. An dem langen Tisch sitzt mein bester Freund Vincent, gemeinsam mit meinem Cousin Edward und seiner Freundin Riley. »Jade, darf ich dir ein paar Freunde von mir vorstellen?«

Sie öffnet überrascht den Mund, protestiert jedoch nicht, als ich ihr meine Hand auf die Schulter lege, um sie in die entsprechende Richtung zu führen. »Eigentlich wollte ich dich noch ein wenig länger für mich behalten und sie dir erst beim Essen vorstellen. Aber ich kann die Bande ja wohl schlecht ignorieren.«

Ich lache, doch als sie nicht darauf eingeht, schaue ich sie an. Ihr Gesicht ist wie versteinert auf meine Freunde gerichtet, die Augen geweitet, und sie sieht aus, als hätte sie einen Geist gesehen.

3. Kapitel

Jade

Mein Herz sinkt mir in die Knie, als Asher mich zu seinen Freunden durch die Bibliothek führt. An der langen Tischreihe sitzen drei Leute, unter anderem meine Cousine Riley. Und die sieht aus, als wäre sie ganz und gar nicht von meiner Anwesenheit begeistert.

»Das ist Vincent.« Asher deutet auf einen dunkelhaarigen Kerl mit einem genauso aristokratisch perfekten Gesicht, wie Asher es hat.

Ihm gegenüber sitzt ein weiterer Student. »Und das ist mein Cousin Edward.« Ihn kenne ich bereits, und alles an ihm widert mich an. Angefangen mit seinen nach hinten gegelten hellblonden Haaren über seine viel zu vollen Lippen, bis hin zu seinen eisblauen Augen. Objektiv betrachtet ist er durchaus attraktiv, aber sein Charakter ist furchtbar. Genauso wie das herablassende Lächeln, mit dem er mich gerade betrachtet.

Neben ihm sitzt seine Freundin Riley. Meine Cousine. Sie trägt ihre rotbraunen Haare zu einem hohen Zopf gebunden und sieht genauso aus wie bei unserem letzten Treffen vor einem Jahr. Nur, dass sie mich nun mit einem Blick voller Verachtung straft, der mir Übelkeit verursacht. Ihre grünen Augen funkeln erbost, während sie Ashers Hand fixiert, die sich nur langsam von meiner Schulter löst.

Riley blockt seit knapp einem Jahr all meine Kontaktversuche ab und ignoriert mich. Selbst als mein Onkel, ihr Vater, vermitteln wollte, weigerte sie sich, mit mir zu sprechen.

Nun trennen uns nur noch wenige Schritte voneinander, und die schmerzhafte Vermutung, dass sie tatsächlich ein Problem mit mir hat, wird zur bitteren Wahrheit.

In ihren Augen lodert Zorn. Brüllendheiß und voller Inbrunst.

»Kennt ihr euch?«, fragt Asher hörbar irritiert.

»Ja«, zischt Riley und erhebt sich abrupt von ihrem Platz, wobei die Stuhlbeine laut über den Boden kratzen. »Das ist meine Cousine. Die, die mir letztes Jahr Edward ausspannen wollte.«

Ihre Worte treffen mich wie ein Hammerschlag, und einen Moment lang kann ich nichts anderes tun, als sie mit ungläubiger Miene anzustarren. Ich soll was? Mein Blick zuckt zu ihrem Freund, der mich eisern mustert. Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Fassungslosigkeit und Ohnmacht kämpfen in mir, als mir mit einem Mal alles klar wird. Bilder unserer letzten Begegnung ziehen wie Flashbacks vor meinem inneren Auge vorbei. Sommer. Lagerfeuer. Nacht. Hände. Ekel. Wut. »So ist das nicht gewesen«, stoße ich aus, doch Riley schneidet mir das Wort ab. »Ich will das nicht hören.«

Meine Wangen werden heiß vor Scham über ihre Zurückweisung, doch zugleich ist mir innerlich eiskalt. Weil ich schuld an alldem hier bin. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte ich zulassen, dass Edward die Wahrheit so verdreht?

»Du bist ein Flittchen«, höre ich die Stimme meiner Mutter, während eine sehr viel leisere Stimme in meinem Ohr flüstert: »Wie kann Riley das nur glauben?«

Ich bin mir der Blicke der anderen nur allzu bewusst, doch ich sehe nur meine Cousine an, die immer eher wie eine Schwester für mich war. Meine einzige Freundin auf dieser Welt. Die einzige Person, die mich immer nur um meiner selbst willen gemocht hat. Wenn sie mich hasst ... wer bleibt dann noch? Sie muss mir glauben. »Riley, bitte. Lass uns miteinander reden.«

Sie lacht auf. Es klingt höhnisch und spitz wie ein Pfeil, der sich mitten in meine Brust bohrt. »Und dafür bist du hier? An der Akademie? Ernsthaft?«

Ja. Und weil diese Ausbildung mein letzter Ausweg ist. Das, oder die Straße, aber so weit werde ich es nicht kommen lassen. »Ja«, stoße ich also aus. »Ich habe mehr als das verdient.« Ich mache eine Geste zwischen uns, auf diesen riesigen Krater, den ihre Zurückweisung und Kälte zwischen uns aufreißt. »Hör mir bitte zu.«

»Ich will nicht zuhören«, zischt sie, und ihr Blick zuckt umher, während auch ich aus dem Augenwinkel bemerke, wie sich immer mehr Köpfe in unsere Richtung drehen. »Du bist meine Cousine. Wie konntest du mir das nur antun?« Ihre Stimme bricht am Ende, schmerzerfüllt, und etwas in mir zerreißt. Sie glaubt es wirklich. Sie glaubt ernsthaft, ich hätte versucht, Edward anzumachen.

Wie kann sie nur? Ich habe meine Mutter monatelang darum angebettelt, mit Rileys Familie im Sommerhaus übernachten zu dürfen. Ich wollte raus aus meinem Leben, selbst wenn das bedeutete, dass ich Riley mit ihrem schleimigen, aber halbwegs netten Freund Edward teilen musste.