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Das neue Buch des Bestsellerautors und Astrophysikers Harald Lesch – Reich bebildert und schön ausgestattet – Ideal für alle Astronomiefans
Unser kosmisches Zuhause ist die Milchstraße, eine Galaxie, die aus vielen Milliarden Sternen, zahllosen Planetensystemen und Gasnebeln besteht. Seit Langem schon haben Forscher versucht herauszufinden, was dieses auffällige Band am Nachthimmel eigentlich ist, wie die Milchstraße entstand und wie sie sich entwickelt hat. Es dauerte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, bis der Astronom Edwin Hubble die bahnbrechende Entdeckung machte, dass die Milchstraße nicht die einzige Galaxie im Universum ist. Harald Lesch, Cecilia Scorza-Lesch und Arndt Latußeck erzählen fesselnd nicht nur die Geschichte unserer Galaxie, sondern auch von ihrer Erforschung durch Astronomen und Astronominnen, beginnend mit einem berühmten Geschwisterpaar aus dem 18. Jahrhundert, Caroline und Wilhelm Herschel, bis hin zu den faszinierenden Erkenntnissen unserer Tage.
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Seitenzahl: 343
Buch
Unser kosmisches Zuhause ist die Milchstraße, eine Galaxie, die aus vielen Milliarden Sternen, zahllosen Planetensystemen und Gasnebeln besteht. Seit Langem schon haben Forscher versucht herauszufinden, was dieses auffällige Band am Nachthimmel eigentlich ist, wie die Milchstraße entstand und wie sie sich entwickelt hat. Es dauerte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, bis der Astronom Edwin Hubble die bahnbrechende Entdeckung machte, dass die Milchstraße nicht die einzige Galaxie im Universum ist. Harald Lesch, Cecilia Scorza-Lesch und Arndt Latußeck erzählen fesselnd nicht nur die Geschichte unserer Galaxie, sondern auch von ihrer Erforschung durch Astronomen und Astronominnen, beginnend mit einem berühmten Geschwisterpaar aus dem 18. Jahrhundert, Caroline und Wilhelm Herschel, bis hin zu den faszinierenden Erkenntnissen unserer Tage.
Autoren
Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Ludwig-Maximilians-Universität München und vermittelt einer breiten Öffentlichkeit spannendes populärwissenschaftliches Wissen, u. a. durch »Leschs Kosmos« im ZDF. Er hat, allein oder mit Co-Autoren, eine Vielzahl erfolgreicher Bücher veröffentlicht, zuletzt »Was hat das Universum mit mir zu tun?«, »Wenn nicht jetzt, wann dann?« und »Denkt mit!«.
Cecilia Scorza-Lesch ist promovierte Astrophysikerin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit der Fakultät für Physik der Universität München. Sie erhielt u. a. den Neumann-Preis für Didaktik der Deutschen Astronomischen Gesellschaft, den Scientix Preis der EU und den Kepler-Preis für Physikunterricht.
Arndt Latußeck ist Mitglied des Arbeitskreises Astronomiegeschichte der Astronomischen Gesellschaft und publiziert in Zeitschriften, Zeitungen und Rundfunk über Themen aus Astronomie und Astronomiegeschichte.
Harald Lesch
Cecilia Scorza-Lesch
Arndt Latußeck
Die Entdeckung der Milchstraße
Die Geschichte und Erforschung unserer Galaxie
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© 2023 C.Bertelsmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Covermotiv: © Science Photo Library / Babak Tafreshi (vorne), © Nick Risinger (hinten)
Lektorat: Eckard Schuster
Bildredaktion: Annette Baur
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-30298-6V003
www.cbertelsmann.de
Es wird Abend. Ganz langsam verschwindet die Sonne am Horizont. Die leuchtende Scheibe rutscht förmlich über die sichtbare Kante, und allmählich kriecht die Dunkelheit empor. Aus dem strahlenden Blau des Himmels an einem Sommertag wird ein Hellblau, das ganz langsam verschwindet. Und dann ist es richtig Nacht. Die Schwärze des Nachthimmels wird durchbrochen von funkelnden Sternen. Sie erscheinen. Aber erscheinen sie wirklich? Es erscheint ja nur etwas, was vorher nicht da war. Dabei waren sie immer da, nur ihr Licht wurde überstrahlt von einem nach astronomischen Begriffen sehr nahen Stern, unserer Sonne. Sie ist das Licht unserer Welt, die Kraftquelle, die die Planeten in ihre Bahnen zwingt, der Brunnen, aus dem das Leben auf der Erde seine Energie schöpft. Und weil unser Planet sich mit 15 Grad pro Stunde (das entspricht je nach Breitengrad ca. 500 Meter pro Sekunde) um seine eigene Achse dreht, verschwindet die Sonne regelmäßig wieder, und es wird Nacht. Dann haben wir einen Logenplatz mit Blick auf das Universum. Wir sehen mit unseren Augen tief ins nachtschwarze Weltall.
Und dort oben strahlen die Sterne. Sie sind nicht gleichmäßig über den Himmel verteilt. In wirklich pechschwarzer Nacht ist ein breiter, diffuser Streifen am Himmel zu erkennen, in dem sich die Sterne versammeln. Und in einer Nacht, in der es wirklich zappenduster ist, kann man sogar Staubwolken erkennen, die sich vor das Licht der Sterne legen und das Sternenband nur schwach leuchten lassen. Das ist die Milchstraße, unser kosmisches Zuhause. Alle Sterne, die wir am Himmel sehen, gehören zu ihr. Die Milchstraße ist ein Versammlungsort für Sterne, und unsere Sonne ist einer ihrer Bewohner. Wir nennen Erstere nach dem griechischen Wort für Milch (γάλα, gála) auch Galaxis. Denn die Griechen waren der Meinung, dass die Götter für das milchige Lichtband am Himmel verantwortlich sind. Ihren Vorstellungen zufolge ist die Milchstraße das Ergebnis eines Seitensprungs des griechischen Göttervaters Zeus. Damit sein Sohn Herakles, den er zusammen mit der sterblichen Alkmene gezeugt hatte, göttliche Kräfte erhielt, musste er von einer Göttin gesäugt werden. Zeus’ Frau Hera wäre die Richtige gewesen, aber natürlich hätte sie den unehelich gezeugten kleinen Herakles niemals freiwillig an ihre göttliche Brust gelegt. Also wartete Zeus, bis Hera tief schlief, und legte seinen Sohn bei Hera an. Herakles sog allerdings dermaßen heftig an der göttlichen Brust, dass Hera erwachte, den saugenden Winzling von ihrer Brust stieß und dabei die göttliche Milch über den Himmel versprühte.
Heute wissen wir mehr. Unsere Galaxis ist nicht – wie man auf den ersten Blick meinen könnte – eine willkürliche Ansammlung von Sternen, sondern ein hochkomplexes Gebilde, angelegt in einer ganz bestimmten Ordnung, die festen Gesetzen folgt. Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Menschen, die sich gefragt haben, wo denn eigentlich unser Platz in diesem Universum aus Sternen ist. Diese Frage zu beantworten war allerdings alles andere als einfach: Denn wir sind ja selbst nur ein Teil der Sternansammlung. Diese Rekonstruktionsarbeit ähnelt in Form und Dimension etwa der Aufgabe, sowohl den eigenen Platz als auch die Gestalt eines dichten Waldes zu ermitteln, in dem man sich selbst befindet, ohne sich dabei von der Stelle zu bewegen. Doch der beständige Blick gen Himmel und die lange systematische Arbeit vieler eifriger Frauen und Männer haben gezeigt, dass unsere Milchstraße eine sogenannte Spiralgalaxie ist, ähnlich wie viele andere, die wir am Nachthimmel mithilfe von Teleskopen beobachten können. Diese schöne und harmonische Form findet sich so häufig bei Galaxien, dass man fast denken könnte, das Universum habe seine Freude daran gehabt, sie zu bilden. Das Endprodukt dieser Gestaltungsarbeit ist außerordentlich erstaunlich, insbesondere im Hinblick darauf, wie wir uns ihre Anfänge vorstellen, nämlich als einen Haufen nebliger Klumpen aus Gas.
Wie im Detail das Universum allerdings solch harmonische Formen, also die Galaxien und auch unsere Milchstraße, aus groben Gasklumpen geformt hat, ist bis heute noch nicht ganz verstanden. Ziel der aktuellen Forschung ist es, ausgehend von der jetzigen Form der Milchstraße dem Geheimnis ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung auf die Spur zu kommen und schließlich herauszufinden, in welcher Phase ihr innerer chemischer Zyklus zum Leben – zu uns selbst, dem Herzschlag der Milchstraße – geführt hat. Wir Erdlinge sind deshalb nicht nur Bewohner des Sonnensystems, sondern auch Mitglied der in der Milchstraße vereinigten Sternenfamilie. Und wie in allen Familien möchten auch wir gern wissen, wo wir herkommen.
Wie bei allen Familiengeschichten bleiben natürlich auch hier dunkle Stellen. Klar, wir wollen Ihnen in unserem Buch die Geschichte der Erforschung unserer Milchstraße erzählen. Und da wäre es natürlich am schönsten, sich an die Originalschauplätze begeben und dort möglichst in der jeweiligen Epoche Zeitzeuge sein zu können. Leider aber ist die Vergangenheit vergangen und damit für unseren direkten Zugriff für immer verloren. Alle Rede von Geschichte ist immer nur eine indirekte. Und so bleiben uns vor allem die Berichte und Anekdoten der Augenzeugen, die uns einen Eindruck davon geben können, was damals war.
Je tiefer allerdings die zu erzählenden Zeiten in der Vergangenheit verschwinden, desto schwieriger wird es, die richtigen Zeugen zu finden. Und wir haben es bei der Erforschung der Milchstraße sogar mit zwei Zeithorizonten zu tun: einerseits mit dem Zeitalter der Entdeckerinnen und Entdecker der Milchstraße hier auf der Erde. Das ist noch einigermaßen überschaubar, denn wir werden im 18. Jahrhundert bei einem berühmten Geschwisterpaar starten, Caroline und Wilhelm Herschel, von denen und über die es schriftliche Aufzeichnungen gibt. Und je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto dichter und vollständiger wird die »Aktenlage« über die vergangenen 250 Jahre der Entdeckungsgeschichte der Milchstraße. Diesem Teil der Erzählung werden die Leserinnen und Leser intuitiv noch leicht folgen können. Ein Geschichtsbuch eben, über Menschen, deren Tun und Handeln das Forschen war und ist. Menschen wie wir, die sich einer faszinierenden Wissenschaft hingegeben haben, deren Leben bestimmt war von den Vorgängen am Himmel. Da fühlt sich fast jeder angesprochen, denn wer hat nicht Ziele, Hoffnungen und Visionen, denen man mehr oder weniger viel Zeit opfert, um sie zu erreichen. So weit, so gut.
Doch was die Dimensionen des zweiten Zeithorizonts betrifft, von dem hier die Rede sein wird, sind wir weit jenseits der Maßstäbe der »normalen« historischen Wissenschaften von den Zusammenhängen und Konsequenzen menschlicher Kulturen. Die Milchstraße wird sich als Gebilde erweisen, dessen zeitliche Tiefe sich nur nach Millionen und Milliarden Jahren berechnen lässt. Die Untiefen der Zeit sind hier so gewaltig, dass einem ganz schwindlig wird. Selbst bei der Beschreibung des heutigen Zustands der Milchstraße muss man in Maßstäben von hunderttausend Jahren rechnen. So lange dauert es nämlich, bis ein Lichtstrahl die ganze Scheibe der Milchstraße durchquert hat. Wie will man solche Abgründe an Zeit und Raum fassen? Mit welchen Instrumenten können Lebewesen auf einer vergleichsweise kleinen planetaren Felsenkugel sich einem Gebilde wie der Milchstraße nähern, ohne gleich in Ehrfurcht vor der riesigen Größe zu erstarren? Es braucht großen Mut und ziemlich viel Neugier, Leidenschaft und Vertrauen in die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft, sich dieser Aufgabe zu stellen.
In unserem Buch werden sich also zwei Erzählungen immer wieder kreuzen: einerseits die Geschichte der Menschen, die das Rätsel der Milchstraße zu enthüllen versuchten, und andererseits die Geschichte und die Beschreibung der Milchstraße selbst. Bei der Lektüre dieser beiden auf ihre jeweilige Art so faszinierenden Geschichten wünschen wir Ihnen viel Vergnügen.
Nach den pathetischen Worten unseres Prologs kommen wir doch mal zur Sache: Wer von Ihnen hat schon einmal die Milchstraße gesehen? Seien Sie ehrlich! Kaum jemand! Stimmt. Das künstliche Licht unserer Welt ist doch meistens viel heller als das funkelnde Licht vieler Sterne unserer Sterneninsel. In unserer sogenannten zivilisierten Welt wird nachts fast alles beleuchtet: Straßen, Gebäude, ja selbst unbebaute Flächen. Wenn wir etwas am Nachthimmel leuchten sehen, ist es meist ein vorbeifliegendes Flugzeug oder ab und zu das reflektierte Sonnenlicht eines die Erde umkreisenden Satelliten. Einige der etwas helleren Lichtquellen am Himmel sind die Planeten. Sie funkeln nicht, denn sie sind uns so nahe, dass sie als leuchtende Scheiben am Himmel von der Luftunruhe, die das Funkeln der punktförmigen Sterne auslöst, nicht betroffen sind. Der herrlich mit Sternen besetzte Streifen Milchstraße bleibt für die meisten von uns unsichtbar. Dieses Band der Sternensaat, das da über dem Himmel liegt, das bestirnte Firmament, das noch Kant erschütterte und erschauerte, ist heute unbekannter denn je. Wir müssen heute schon in sehr weit abgelegene Regionen der Welt, am besten in Wüsten, reisen, um einmal das wirkliche Bild des sternübersäten Kosmos, das sich in jeder Nacht über unseren Köpfen wölbt, zu erblicken.
Von Anbeginn der Urzeiten hat dieser Anblick die Menschheit in ihren Bann gezogen. Als man des Abends noch in die flackernden Flammen des wärmenden Feuers blickte, waren die funkelnden Sterne am pechschwarzen Nachthimmel ein großes Fragezeichen. Die Rhythmen ihres Auf- und Untergehens, das allmähliche Erscheinen im Laufe des Jahres, folglich auch die von Nacht zu Nacht sich ganz langsam verändernde Zahl und Ordnung der leuchtenden Sterne haben großen Eindruck gemacht, und immer wieder mag sich den Köpfen der Schauenden die Frage gestellt haben: Was ist das da oben? Die eher praktisch Veranlagten unter unseren Vorfahren haben die Vorgänge am Himmel zur Entwicklung eines Kalenders benutzt. Der erkannte Zusammenhang zwischen manchen regelmäßig wiederkehrenden Sternkonstellationen am Himmel und den verschiedenen Jahreszeiten hat für sie nämlich schon recht früh das prophetische Potenzial der Sterne bewiesen. Damit sind jetzt nicht irgendwelche Horoskope gemeint, sondern die Auswirkungen der erkannten kommenden Jahreszeit auf das Wettergeschehen und damit auch auf Aussaat und Ernte von Getreide. Da wusste man selbst dann, wenn das Wetter noch nicht danach aussah und es zum Beispiel noch zu frostig war, anhand der Position der Sterne am Himmel, dass der Frühling und damit die Zeit der Aussaat nahte. Auf ähnliche Weise waren manche Sternbilder mit dem nahenden Winter verbunden und somit ein Hinweis, dass die Ernte alsbald eingebracht sein musste. Für die Kulturen im Vorderen Orient im sogenannten fruchtbaren Halbmond, der sich ungefähr von der nordöstlichen Ecke der ägyptischen Sinaihalbinsel über Israel, Libanon, Syrien, den südöstlichen Teil der Türkei sowie Iran und Irak bis zur Mündung des Schatt el-Arab in den Persischen Golf erstreckt, waren genaue Himmelsbeobachtungen von großer Bedeutung für die Landwirtschaft, vor allem für die Berechnung der Überflutungen durch Euphrat und Tigris im Zweistromland und durch den Nil in Ägypten.
Neben diesen wichtigen alltagspraktischen Konsequenzen einer genauen Kenntnis der Sterne und ihrer Bewegung gibt es jedoch einen Aspekt, der viel tiefer reicht. »Was ist das da?« war eine Frage nach dem Urgrund der Welt. Im Kopf der meisten Menschen dürfte beim Anblick des Nachthimmels unwillkürlich der Gedanke aufkommen: »Da ist ja noch viel mehr als das, was ich direkt um mich herum sehe!« Und wenn wir unseren Gedanken mal wirklich freien Lauf lassen, dann kommt eine große Unruhe auf, denn wo endet das da oben? Diese Frage tönt durch die Jahrtausende hindurch auch noch zu uns Heutigen herüber, denn Größe und Aufbau des Universums betreffen die Grundfragen unseres Seins. Und wenn man heute das Glück hat, das dicht gepackte Band der Sterne an einem wirklich dunklen Fleck der Welt genießen zu dürfen, dann mag der Kopf zwar beruhigt sein durch so manche wissenschaftliche Antwort, die wir inzwischen haben, aber immer noch bleibt da die unsere Herzen berührende Frage: »Was ist das da?«
In den Jahrhunderten seit der Erfindung des Fernrohrs gab es immer wieder Schlüsselfiguren, die nicht dabei stehen geblieben sind, sich diese Frage nur zu stellen. Sondern sie haben sich, obwohl nur sogenannte Amateurastronomen und weitgehend auf sich allein gestellt, ihren Weg zur Erforschung des Sternenhimmels gebahnt. Ihr Blick war nicht durch ein Fachstudium oder durch ein vorgegebenes Weltbild beschränkt. Sie nahmen sich vielmehr die Freiheit, eigene Wege zu gehen, eigene Gedanken zu entwickeln – und konnten so im 18. und 19. Jahrhundert wichtige Zusammenhänge am Himmel entdecken. Dank ihrer Neugier, Willenskraft und Geduld gelangen ihnen bahnbrechende Entdeckungen.
Ein solches Musterexemplar in puncto Neugier, Hartnäckigkeit und Visionskraft war der 1738 in Hannover geborene Musiker Wilhelm Herschel.
Was veranlasst einen erfolgreichen Komponisten, Musiklehrer und Kirchenchorleiter, der seinen Lebensunterhalt mit Komponieren, Dirigieren und Spielen verdient, sein Leben den Sternen und Planeten zu widmen? Und der dann auf diesem Gebiet auch noch sehr erfolgreich und berühmt wird. Er wird einen neuen Planeten entdecken, neue Monde, und er wird die Milchstraße mit seinen selbst gebauten Spiegelteleskopen durchforsten. Mit seinen Fernrohren, die besser waren als die offiziellen Instrumente der Universitäten und Forschungsinstitute, wird er die erste Durchmusterung unserer Heimatgalaxis durchführen und damit die galaktische Astronomie begründen.
Abb. 1: Friedrich Wilhelm Herschel in einem Porträt von 1791.
Aber beginnen wir von vorne. Friedrich Wilhelm Herschel (wie er mit vollständigem Namen hieß, in Deutschland meist nur Wilhelm genannt), 1738 in Hannover geboren, war aus seiner deutschen Heimat auf die Britischen Inseln geflohen. Die vielen Kriege auf dem Kontinent, vor allem der Siebenjährige Krieg, hatten ihn 1756 endgültig ins Vereinigte Königreich gebracht, wo er in den folgenden Jahren als Chefdirigent und Leiter eines der besten Orchester Englands in Bath, einem Zentrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, zahlreiche Erfolge feierte und ein allseits beachteter und hochangesehener Künstler wurde.
Herschel entstammte einer Musikerfamilie, die sich seit zwei Generationen nicht nur der Musik, das heißt der Komposition und der öffentlichen Aufführung, gewidmet hatte, sondern die sich auch, ganz im Geiste der Aufklärung, intensiv einer allgemeineren Bildung ihrer Kinder widmete. Kurzum, die Herschel-Kinder konnten nicht nur hervorragend Musik machen und singen, sie waren auch gut in Sprachen, Mathematik und Astronomie. Diese gemeinsamen familiären Interessen spielten durchaus eine Rolle, als Herschel, dessen musikalische Erfolge in Bath ihn reich gemacht hatten, seit dem Tode seines Vaters Isaak 1767 alle seine Geschwister nacheinander zu sich nach England holte. Zunächst den älteren Bruder Jakob, der sich jedoch mehr in London als in Bath aufhielt, dann den zwölfjährigen Dietrich, den 24-jährigen Alexander und schließlich seine 20-jährige Schwester Caroline. Wilhelm wollte ihren Lebensunterhalt sichern und zusammen mit ihnen das musikalische Angebot in Bath erweitern. Und so kam es, dass auch Caroline 1772, nach 15 Jahren unentwegter Haushaltsarbeit im väterlichen Hause, ihren Bruder nach England begleiten durfte. Vorher aber musste Wilhelm mit seiner Mutter im Gegenzug über eine jährliche Pension und die Bezahlung einer Haushälterin verhandeln.
Caroline traf im Oktober 1772 zusammen mit ihrem Bruder in Bath ein, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Für Heimweh fehlte ihr nach der Ankunft in England jedoch die Zeit, da die Vorbereitungen der kommenden Konzertsaison sie voll in Anspruch nahmen. Auch musste sie sich rasch mit dem Haushalt, dem Einkaufen und mit dem Aussortieren von Noten für den Chor, den ihr Bruder leitete, vertraut machen. Da Herschel von Carolines Stimme sehr angetan war, hegte sie den Traum, als Solistin in den jährlichen Konzerten und Oratorien, die ihr Bruder organisierte, zu singen. Ihm fehlte jedoch die Zeit, sie zu unterrichten, also blieb ihr nichts anderes übrig, als täglich morgens um sieben Uhr während seines Frühstücks Gesangsübungen vor ihm zu machen.
Erfolg erzeugt den Neid der Konkurrenten. Und so geschah es auch Herschel. Die große Arbeitsbelastung als musikalisches Multitalent, Musikmanager, Organist und Komponist raubte dem »Workaholic« Herschel viel Energie, aber so richtig fertig machten ihn die Streitereien um Tantiemen und Rechte mit dem Musikdirektor der Stadt Bath, Thomas Linley. Im Frühjahr 1773 war Herschel derart erschöpft, dass er sich nach den Unterrichtsstunden und zum Leidwesen Carolines mit einer heißen Tasse Milch und seinen Büchern stundenlang in seinem Zimmer einsperrte.
Latein war seine Sache nicht, aber die Mathematik. Fleißig war er wie sonst kaum jemand und sorgfältig, genau, detailbesessen, wenn es sein musste. Friedrich Wilhelm Bessel verließ als Achtklässler mit 14 Jahren die Schule auf eigenen Wunsch und wurde, wieder auf eigenen Wunsch, ein Kaufmannslehrling. Bessel wusste, dass es die Zahlen waren, das Rechnen und Berechnen, das möglichst genaue Kalkulieren, das ihm Einkünfte und Freude am Dasein bereiten würde. Und da war die wirtschaftliche Nutzung dieses Talents, mit Gleichungen und Rechnungen umgehen zu können, gewissermaßen der natürliche, weil konkrete und sichere Weg. Unterstützt auf diesem Weg hat ihn sein Lehrer und Schulkonrektor Johann Conrad Thilo, quasi sein Entdecker. Der hatte das Akribische, Sorgfältige, fast schon Übergenaue im jugendlichen Bessel erkannt sowie dessen Versessenheit in Sachen Mathematik und Astronomie. Einmal nämlich hatte der Junge eine Untertasse so lange mit Sand abgerieben, bis sie aussah wie die Linse eines Fernrohrs. Ein anderes Mal entdeckte er auf einer Himmelskarte einen »Fehler«: Nämlich dort, wo im Sternbild Leier nur ein einziger Stern verzeichnet war – ε Lyrae –, sah Fritz, wie er von allen genannt wurde, zwei Sterne am Himmel. Da nur sehr scharfe Augen die beiden Sterne auseinanderhalten können, kam er im Laufe seines Lebens immer wieder auf sie zurück, um seine Sehkraft zu überprüfen. Fußgänger der damaligen Zeit berichteten davon, wie sie in vielen klaren Nächten den Lehrer und seinen Schüler mit einer Sternkarte in der Hand auf den Stufen der Martinitreppe in Minden sitzen sahen.
Abb. 13: Friedrich Wilhelm Bessel, Porträt von 1834.
Friedrich Wilhelm Bessel, als eines von neun Geschwistern, wollte sich also aufmachen, raus aus Minden, hinaus in die Welt. Und seine Eltern stimmten seinen Plänen zu. Bei freier Kost und Logis, aber ohne Lohn wurde der junge Fritz ab 1799 in einem Überseehandelshaus in Bremen tätig. Er wurde ein Import-Export-Kaufmann, mit herausragenden Kenntnissen zum Thema exakte Buchführung. Zur Verwunderung der erfahrenen Kaufleute suchte der Lehrling stundenlang akribisch nach Fehlern und bemerkte nicht selten: »Wo ein kleiner Fehler festgestellt wird, kann sich auch ein bedeutend größerer verbergen, man muss ihn finden.« 1 Damals konnte er nicht wissen, dass genau dieses unbedingte Streben nach Genauigkeit ihm Jahre später ermöglichen sollte, tatsächlich bahnbrechende astronomische Messungen durchzuführen, mit denen er Geschichte schreiben würde.
Als Überseekaufmann lernte er nicht nur Sprachen und war begeisterter Hobbygeograf, sondern er begann auch, zumindest in seiner Fantasie, zu reisen. Aus der Idee einer geplanten Schiffsreise entspann sich für Bessel das Problem einer möglichst genauen Ortsbestimmung auf hoher See. Navigation und Ortsbestimmung, Mathematik und Astronomie in praktischer Anwendung – geradezu ein Paradies für Bessels Geist! Dafür baute er selbst ein erstes astronomisches Instrument, einen Sextanten, den er dringend für seine Reise brauchen würde, die allerdings nie stattfand.
Die Niederlande sind kein Land, das sich ein Astronom aufgrund seines Wetters aussuchen würde. Wolken und Wind ziehen über die flache Landschaft und schränken die Möglichkeit astronomischer Beobachtungen oftmals ein. Doch ausgerechnet hier erblickte an einem Wintertag des Jahres 1851 der Astronom Jacobus Cornelius Kapteyn das Licht der Welt, der Herschels Arbeiten zum Aufbau des Himmels mit Bessels Methode fortführen sollte.
Abb. 17: Jacobus Kapteyn, Porträt von 1898.
Jacobus war der neunte Sohn einer Lehrerfamilie. Wie ein roter Faden zog sich die Tradition des Lehrens über Jahrhunderte hinweg durch die Geschichte der Familie Kapteyn. Die Lehrtätigkeit lag ihnen buchstäblich im Blut, und wer von ihnen nicht an einer Schule oder in einer anderen Bildungseinrichtung beschäftigt war, der unterrichtete zu Hause.
Jacobus, genannt Ko, war ein in sich gekehrter Junge, der in seiner ganz eigenen inneren Welt lebte, aber als ein sehr guter und interessierter Schüler bereits mit 14 Jahren seine ersten astronomischen Erfahrungen mit einer Sternkarte machte. Davon inspiriert fertigte Ko mit viel Sorgfalt und Hingabe eine eigene Karte an, auf der er die hellsten Sterne mit silbernem Papier markierte. Der Himmel faszinierte ihn, und er sprach erstmals von seinem Wunsch, Astronom zu werden. So bekam er von seinem Vater sein erstes Teleskop geschenkt, mit dem er monatelang den Mond und einige Planeten beobachtete.
Mit 16 Jahren beendete Jacobus die Schule, blieb aber noch ein Jahr zu Hause. Während dieser Zeit überlegte Ko, wie er sich gegen den Willen des Vaters durchsetzen könnte, der in ihm einen Theologen sah. Ko aber wollte an der Universität Utrecht Mathematik und Physik studieren. Ein enger Freund von ihm war in einer ähnlichen Lage, und so vereinbarten die beiden einen Termin, um gleichzeitig mit ihren Vätern zu sprechen. Die Überzeugung und Entschlossenheit, die die beiden jungen Männer bei dem Gespräch an den Tag legten, ließen schließlich ihren Vätern keine andere Wahl, als ihren Wunsch zu akzeptieren.
Nach dem Abschluss seines Physikstudiums an der Universität Utrecht promovierte Kapteyn im Alter von 24 Jahren über die »Erforschung der Vibration einer Membrane«. Nach einigen Diskussionen mit seinem Vater, der in ihm nun einen zukünftigen Lehrer sah, entschied sich Kapteyn für die Forschung. Er bewarb sich und bekam für zwei Jahre eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent in Leiden, wo er Gelegenheit hatte, sich mit verschiedenen Beobachtungsinstrumenten vertraut zu machen. »In meinem ganzen Leben habe ich nicht so hart gearbeitet wie zu dieser Zeit«, hat Kapteyn rückblickend einmal gesagt. Sooft es das niederländische Wetter erlaubte, beobachtete er ganze Nächte lang den Himmel.
Eines Abends, als der 26-jährige Kapteyn mit Studienkommilitonen aus Utrecht beim Abendessen saß, stand plötzlich sein Freund Ambrosius Hubrecht auf, um eine Flasche Champagner zu bestellen. Er erklärte den überraschten Gästen: »Ich erhebe das Glas auf das Wohl Willem Kapteyns, der einen Ruf als Mathematikprofessor an die Universität Utrecht erhalten hat.« Was für eine Überraschung für Jacobus, der noch nichts von der Ernennung seines älteren Bruders zum Professor wusste! Doch Hubrecht bestellte sofort eine zweite Flasche und rief: »Und nun möchte ich auf das Wohl eines Freundes anstoßen, der heute Abend bei uns ist und der ebenfalls Professor werden wird. Auf das Wohl von Ko Kapteyn, der soeben einen Ruf als Professor an die Uni Groningen erhalten hat!« Die Freunde und erst recht Jacobus Kapteyn trauten ihren Ohren nicht! Und doch stimmte, was Hubrecht gesagt hatte. Als Sohn des Generalsekretärs im Innenministerium erfuhr er natürlich vieles vor allen anderen. Nach dem Essen zog die ganze Gruppe laut singend durch Leiden. Eine ältere Dame betrachtete missbilligend die lärmenden jungen Männer, und Paulus Hoek, einer der Freunde aus der Runde, rief ihr zu: »Würden Sie glauben, dass einer von denen hier Professor ist?« Und lachend zeigte er auf Kapteyn. Die alte Dame war verwirrt: »So sehen also Professoren aus? Die habe ich mir wirklich anders vorgestellt.«
Am 20. Februar 1878 kam Kapteyn nach Groningen. Im Gepäck große Ideen und den dringenden Wunsch, Antworten auf offene Fragen der Astronomie zu finden. Für seine Einführungsvorlesung wählte er das Thema »Die Größe des Universums und die Parallaxe der Fixsterne«. 40 Jahre nach Bessels ersten Parallaxenmessungen und fast 100 Jahre nach William Herschels Sternzählungen waren auf dem Gebiet der Entfernungsbestimmung und der dreidimensionalen Verteilung der Sterne am Himmel so gut wie keine Fortschritte erreicht worden. Das wollte Kapteyn ändern. Allerdings war die Situation, die er in Groningen vorfand, alles andere als motivierend. Denn der Lehrstuhl für Astronomie war noch ganz neu, es gab keine Sternwarte, und die Chancen, eine errichten zu können, standen sehr schlecht. Kapteyn hielt Vorlesungen und schrieb unentwegt Anträge mit detaillierten Bauplänen für eine Sternwarte. Alles umsonst. Es fehlte ihm an Kontaktpersonen in der Regierung. Darüber hinaus waren die Astronomen aus Leiden und Utrecht auch anderer Auffassung. Sie befanden, dass eine dritte Sternwarte in den Niederlanden überflüssig war. Nach zwölf Jahren und zahllosen vergeblichen Versuchen gab Kapteyn schließlich auf. Was für eine Enttäuschung! Aber ein ehrgeiziger Astronom ohne Teleskop, das war unmöglich! Wie sollte es denn nun weitergehen?
In dieser aussichtslosen Lage heiratete Jacobus Kapteyn im Juli 1879 seine Freundin Elise Kalshoven aus Utrecht, mit der er zwei Töchter und einen Sohn bekam. Seiner Familie widmete er viel Zeit, zudem vertiefte er sich intensiv in die Lektüre der Darwin’schen Theorie und veröffentlichte zusammen mit seinem Bruder Willem einige mathematische Arbeiten. In den Semesterferien fuhr Kapteyn regelmäßig nach Leiden, wo sich genau die Instrumente befanden, auf die er angewiesen war. Er benutzte den Meridiankreis, um Sternenparallaxen zu messen, was ihm im Fall von 15 Sternen gelang. Die Aufenthalte in Leiden waren ihm ein Trost, obwohl ihm das Fehlen eigener Instrumente noch immer sehr zu schaffen machte.
Doch in den Weihnachtsferien des Jahres 1885 geschah ein bedeutender Zufall in Kapteyns wissenschaftlicher Laufbahn: Er las einen Artikel des Schotten David Gill, der als königlicher Astronom am Kap der guten Hoffnung in Südafrika tätig war und dort von einem großen Projekt berichtete, das er unmöglich allein durchführen konnte. Gills Vorhaben bestand darin, anhand von Fotoplatten einen Katalog mit den Positionen aller Sterne des südlichen Himmels bis zur Größenhelligkeit 10 herauszugeben. Für den nördlichen Sternhimmel existierte bereits ein solcher Katalog, die Bonner Durchmusterung, die Friedrich Argelander, ein Student Friedrich Wilhelm Bessels, 1859 veröffentlicht hatte.
Kapteyn, der unglückliche Astronom ohne Teleskop, sah sofort seine Chance. Ohne zu zögern, schrieb er einen Brief an Gill, in dem er ihm seine Unterstützung anbot. Wenn Gill ihm eine oder zwei Fotoplatten schicken könne und die Ergebnisse vielversprechend seien, wolle er einige Jahre seines Lebens dieser Arbeit widmen, schrieb Kapteyn. Gill wiederum war außer sich vor Freude und antwortete: »Ich erkenne hier den wahren brüderlichen Geist der Naturwissenschaften und in Ihnen einen wahren Bruder.« Kapteyn schätzte, dass er etwa sechs Jahre brauchen würde, um die Helligkeiten und Positionen der Sterne aus den Fotoplatten zu messen. Tatsächlich wurden daraus 13 Jahre.