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Theodor Storm

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Beschreibung

Neben seinen bekannten Novellen und Märchen schrieb Theodor Storm noch meisterhaft Lyrik.
In dieser Sammlung finden Sie Korrektur gelesen, alphabetisch geordnet und in neuer deutscher Rechtschreibung mehr als 300 seiner stimmungsvollen Gedichte.

Coverbild: NotionPic / Shutterstock.com

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Theodor Storm

Die Gedichte

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Zum Buch

Neben seinen bekannten Novellen und Märchen schrieb Theodor Storm noch meisterhaft Lyrik.

In dieser Sammlung finden Sie Korrektur gelesen, alphabetisch geordnet und in neuer deutscher Rechtschreibung mehr als 300 seiner stimmungsvollen Gedichte.

 

Coverbild: NotionPic / Shutterstock.com

A

Abends (1)

 

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;

Halb träumend schwankt im Silberschein die Rose.

Der Abendfalter schwingt sich sacht heran,

Im Flug zu ruhn an ihrem zarten Moose.

 

Nun schwirrt er auf – doch sieh! – er muss zurück;

Die Rose zwingt ihn mit gefeitem Zügel.

An ihrem Kelche hängt der Schmetterling,

Vergessend sich und seine bunten Flügel.

 

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;

Halb träumend wiegst du dich in meinen Armen.

O gönne mir der Lippen feuchte Glut,

Erschließ den Rosenkelch, den liebewarmen!

 

Du bist die Blume, die mich einzig reizt!

Dein heller Blick ist ein gefeiter Zügel!

An deinen Lippen hängt der Schmetterling,

Sich selbst vergessend und die bunten Flügel.

 

 

Abends (2)

 

Warum duften die Levkojen so viel schöner bei der Nacht!

Warum brennen deine Lippen so viel röter bei der Nacht?

Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht auferwacht

Diese brennend roten Lippen dir zu küssen bei der Nacht?

 

 

Abschied

1853

 

Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,

Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;

Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen,

Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.

 

Geht immerhin – denn eure Tat ist euer –

Und widerruft, was einst das Herz gebot;

Und kauft, wenn dieser Preis euch nicht zu teuer,

Dafür euch in der Heimat euer Brot!

 

Ich aber kann des Landes nicht, des eignen,

In Schmerz verstummte Klagen missverstehn;

Ich kann die stillen Gräber nicht verleugnen,

Wie tief sie jetzt in Unkraut auch vergehn.

 

Du, deren zarte Augen mich befragen –

Der dich mir gab, gesegnet sei der Tag!

Lass nur dein Herz an meinem Herzen schlagen,

Und zage nicht! Es ist derselbe Schlag.

 

Es strömt die Luft – die Knaben stehn und lauschen,

Vom Strand herüber dringt ein Möwenschrei;

Das ist die Flut! Das ist des Meeres Rauschen!

Ihr kennt es wohl; wir waren oft dabei.

 

Von meinem Arm in dieser letzten Stunde

Blickt einmal noch ins weite Land hinaus,

Und merkt es wohl, es steht auf diesem Grunde,

Wo wir auch weilen, unser Vaterhaus.

 

Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde

Ein andrer Tag, ein besserer, gesühnt;

Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde

Für Fremde nur und was den Fremden dient.

 

Doch ist’s das flehendste von den Gebeten,

Ihr mögt dereinst, wenn mir es nicht vergönnt,

Mit festem Fuß auf diese Scholle treten,

Von der sich jetzt mein heißes Auge trennt!

 

Und du mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege

Auch noch auf diesem teuren Boden stand,

Hör mich! – denn alles andere ist Lüge –

Kein Mann gedeihet ohne Vaterland!

 

Kannst du den Sinn, den diese Worte führen,

Mit deiner Kinderseele nicht verstehn,

So soll es wie ein Schauer dich berühren,

Und wie ein Pulsschlag in dein Leben gehn!

 

 

Abschied

mit Liedern

 

1

 

Was zu glücklich um zu leben,

Was zu scheu um Klang zu geben,

Was zu lieblich zum Entstehen,

Was geboren zum Vergehen,

 

Was die Monde nimmer bieten,

Rosen aus verwelkten Blüten,

Tränen dann aus jungem Leide

Und ein Klang verlorner Freude.

 

 

2

 

Du weißt es, alle, die da sterben

Und die für immer scheiden gehn,

Die müssen, wär’s auch zum Verderben,

Die Wahrheit ohne Hehl gestehn.

 

So leg ich’s denn in deine Hände,

Was immer mir das Herz bewegt;

Es ist die letzte Blumenspende,

Auf ein geliebtes Grab gelegt.

 

 

Abseits

 

Es ist so still; die Heide liegt

Im warmen Mittagssonnenstrahle,

Ein rosenroter Schimmer fliegt

Um ihre alten Gräbermale;

Die Kräuter blühn; der Heideduft

Steigt in die blaue Sommerluft.

 

Laufkäfer hasten durchs Gesträuch

In ihren goldnen Panzerröckchen,

Die Bienen hängen Zweig um Zweig

Sich an der Edelheide Glöckchen;

Die Vögel schwirren aus dem Kraut –

Die Luft ist voller Lerchenlaut.

 

Ein halb verfallen niedrig Haus

Steht einsam hier und sonnbeschienen;

Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,

Behaglich blinzelnd nach den Bienen;

Sein Junge auf dem Stein davor

Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

 

Kaum zittert durch die Mittagsruh

Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;

Dem Alten fällt die Wimper zu,

Er träumt von seinen Honigernten.

Kein Klang der aufgeregten Zeit

Drang noch in diese Einsamkeit.

 

 

1864

 

Ein Raunen erst und dann ein Reden;

Von allen Seiten kam’s herbei,

Des Volkes Mund ward laut und lauter,

Die Luft schlug Wellen von Geschrei.

 

Und die sich stets entgegenstemmen

Dem Geist, der größer ist als sie,

Sie waren in den Kampf gerissen,

Und wussten selber kaum noch wie.

 

Sie standen an den deutschen Marken

Dem Feind entgegen unverwandt,

Und waren, eh sie es bedachten,

Das Schwert in ihres Volkes Hand.

 

 

Agnes

 

Die Türe klang, und sie erschien

Urplötzlich wie ein reizend Wunder;

Zum Gruß mir gab sie beide Hände hin,

Und ließ sich dann den leichten Mädchenplunder

Stummlächelnd von den Schultern ziehn.

Ihr Bruder war gekommen über Nacht;

Der hatte ein golden Armband ihr gebracht!

Das war das Erste, was sie mir erzählte.

Ich sah es wohl, getroffen war es just;

Sie strahlte ganz in frischer Kinderlust,

Ein lieblich Rätsel, das noch nichts verhehlte.

Sie plauderte; ich aber dachte immer:

Nur wissen möcht ich, wie sie fühlt,

Dass um ihr Antlitz solch ein Schimmer

Von unbewusster Anmut spielt.

 

 

All meine Lieder

 

All meine Lieder will ich

Zum flammenden Herde tragen,

Da soll um sie die rote

Verzehrende Flamme schlagen,

Sie sind ja welke Blüten,

Die keine Früchte tragen –

Was sollen welke Blüten

In frischen Sommertagen.

 

 

Am Aktentisch

 

Da hab ich den ganzen Tag dekretiert;

Und es hätte mich fast wie so manchen verführt,

Ich spürte das kleine dumme Vergnügen,

Was abzumachen, was fertigzukriegen.

 

 

Am Fenster lehn ich

 

Am Fenster lehn ich, müd verwacht.

Da ruft es so weithin durch die Nacht.

 

Hoch oben hinter Wolkenflug

Hinschwimmt ein Wandervogelzug.

Sie fahren dahin mit hellem Schrei

Hoch unter den Sternen in Lüften frei.

Sie sehn von fern den Frühling blühn,

Wild rauschen sie über die Lande hin.

O Herz, was ist’s denn, das dich hält?

Flieg mit, hoch über der schönen Welt!

Dem wilden Schwarm gesell dich zu;

Vielleicht siehst auch den Frühling du!

Dann gib noch einmal aus Herzensdrang

Einen Laut, ein Lied, wie es einstens klang!

 

 

Am Geburtstage

 

Es heißt wohl: Vierzig Jahr ein Mann!

Doch Vierzig fängt die Fünfzig an.

 

Es liegt die frische Morgenzeit

Im Dunkel unter mir so weit,

 

Dass ich erschrecke, wenn ein Strahl

In diese Tiefe fällt einmal.

 

Schon weht ein Lüftlein von der Gruft,

Das bringt den Herbst-Resedaduft.

 

 

An Agnes Preller

Als ich abends einen Rosenstrauß

auf meinem Zimmer fand

 

Die Tage sind gezählt, vorüber bald

Ist alles, was das Leben einst versüßt;

Was will ich mehr, als dass vorm Schlafengehn

Die Jugend mich mit frischen Rosen grüßt.

 

 

An Auguste von Krogh

 

So löst du denn, was früher du verbunden,

Und schließt aufs Neu den innigsten Verein.

Nimm das zum Abschied: Alle guten Stunden,

Die ich dir danke, sollen mit dir sein.

Doch darfst du nicht so leicht von hinnen gehen,

So leicht erwerben nicht dein neues Glück,

Den Himmel musst du erst durch Tränen sehen,

Denn viele Liebe lässt du hier zurück.

O dass dir stets ein solcher Wechsel bliebe;

Von Liebe scheiden, gehen zu der Liebe.

 

 

An die entfernte M

 

Eilende Winde,

Wieget euch linde,

Säuselt mein Liedchen der Lieblichen vor;

Vögelein, singet,

Vögelein, bringet

Töne der Lust vor ihr lauschendes Ohr!

Öffne dich, Rose,

Schwellet, ihr Moose,

Reiht euch, ihr Blumen, zum duftigen Strauß;

Weilt ihr am Herzen,

Horcht ihren Scherzen,

Bannet den trübenden Kummer hinaus.

Schimmernde Sterne,

Strahlt aus der Ferne

Himmlischer Höhen ihr Freude und Lust,

Freundliche Sterne,

Wärt ihr nicht ferne,

Leuchtet ihr, tröstend die liebende Brust.

 

 

An die Freunde

 

Wieder einmal ausgeflogen,

Wieder einmal heimgekehrt;

Fand ich doch die alten Freunde

Und die Herzen unversehrt.

 

Wird uns wieder wohl vereinen

Frischer Ost und frischer West?

Auch die losesten der Vögel

Tragen allgemach zu Nest.

 

Immer schwerer wird das Päckchen,

Kaum noch trägt es sich allein;

Und in immer engre Fesseln

Schlinget uns die Heimat ein.

 

Und an seines Hauses Schwelle

Wird ein jeder festgebannt;

Aber Liebesfäden spinnen

Heimlich sich von Land zu Land.

 

 

An diesen Blättern meiner Liebe

 

An diesen Blättern meiner Liebe hangen

Deine süßen Augen mit Innigkeit –

Sprich!

Bangt dir vor keiner Zeit,

Wo du sie weit,

Weit weg aus deiner Nähe könntst verlangen?

Wo du Vergessenheit,

Vergessenheit für alles könntst verlangen,

Was jetzt dir lieb?

Für diese Hand, die dir die Lieder schrieb,

Für diese Stunde, die dann längst vergangen?

 

 

An eine weibliche Maske

 

Sprich, wer bist du, schlanke Gestalt in der flüchtigen Maske?

Zähl ich den Grazien dich, zähl ich den Musen dich bei! –

Aber die Göttinnen waren aus Erz und kaltem Gesteine,

Und in der marmornen Brust klopfte kein fühlendes Herz.

 

 

An einem schönen Sommerabende

 

Lieblich senkt die Sonne sich,

Alles freut sich wonniglich

In des Abends Kühle!

Du gibst jedem Freud und Rast,

Labst ihn nach des Tages Last

Und des Tages Schwüle.

 

Horch, es lockt die Nachtigall,

Und des Echos Widerhall

Doppelt ihre Lieder!

Und das Lämmchen hüpft im Tal,

Freude ist jetzt überall,

Wonne senkt sich nieder!

 

Wonne in des Menschen Brust,

Der der Freud ist sich bewusst,

Die ihm Gott gegeben,

Die du jedem Menschen schufst,

Den aus nichts hervor du rufst

Auf zum ewgen Leben.

 

 

An Emilie Petersen

 

Die jungen Rosen sind gewiss

Meine jungen Freundinnen beide,

In voller Blüte stehen sie

Und leuchten ganz in Freude.

 

Die weiße, die im Schatten liegt,

Möcht ich für mich erlosen,

Schimmert es hold herüber doch

Von den jungen roten Rosen.

 

 

An Emma

 

Willst mich meiden

Grausam scheiden,

Nun Ade!

Ach kein Scherzen

Heilt die Schmerzen

Meines Weh!

Doch was sag ich,

Doch was klag ich

Denn um mich.

Gibt’s nicht Rosen

G’nug zum Kosen

Ohne dich!

Heut führ Mine,

Morgen Line

Ich zum Tanz;

Flatterrose

Reich dir Lose

Ich zum Kranz!

Willst mich meiden,

Grausam scheiden,

Nun Ade!

Andrer Scherzen

Heilt die Schmerzen

Meines Weh!

 

 

An F. Röse

 

Du neuer Abu Seid, so hast du endlich

Dein eignes Wesen frei ans Licht gestellt,

Und wandelst jedermann erkenntlich

Ein deutscher Pilger durch die Welt.

 

Du Philosoph, Chroniste und Poete,

Und was noch sonst – wohin du immer kannst,

Ich grüß in dir das Liebe, Alte, Stete,

Ich grüße dich, Magister Anton Wanst!

 

 

 

An Frau Schlüter

 

Wer arme Brüder gern erquickt

Und wer Poeten Kuchen schickt,

Wird neben Liebe, Lenz und Wein

Von ihnen stets gefeiert sein.

 

 

An Hans

 

Bald schon liegt die Jugend weit,

Komm zurück, o noch ist’s Zeit!

Seitab wartend steht das Glück –

Noch ist’s Zeit, o komm zurück!

 

 

An Klaus Groth

 

Wenn’t Abend ward,

Un still de Welt un still dat Hart;

Wenn möd up’t Knee di liggt de Hand,

Un ut din Husklock an de Wand

Du hörst den Parpendikelslag,

De nich to Woort keem över Dag;

Wenn’t Schummern in de Ecken liggt,

Un buten all de Nachtswulk flüggt;

Wenn denn noch eenmal kiekt de Sünn

Mit golden Schiin to’t Finster rin,

Un, ehr de Slap kümmt un de Nacht,

Noch eenmal allens lävt un lacht –

Dat is so wat vör’t Minschenhart,

Wenn’t Abend ward.

 

 

An meine Künftige

 

Und bist du nur erst mein Bräutchen,

So bleibst du auf ewig mein,

Und solltest du von allen

Den Weibern ein Ausbund sein.

 

Ich weiß ein prächtig Mittel,

Das seine Dienste tat:

Die Eh’, mein süßes Püppchen,

Die ist für alles gut.

 

Das mocht’ Lankasters Methode

Vor langer Zeit schon blühn:

Die Weiber müssen die Kinder,

Die Kinder die Weiber erziehn.

 

 

An Wilhelm Jensen

 

Es ist der Wind der alte Heimatslaut,

Nach dem das Kind mit großen Augen schaut,

 

Bei dem es einschläft, wenn er weitersummt,

Der es erweckt, wenn jählings er verstummt;

 

Bei dessen Schauern Baum und Strauch erbebt

Und tiefer in den Grund die Wurzeln gräbt –

 

Was bist du anders denn, als Baum und Strauch?

Du keimst, du blühst und du verwelkest auch!

 

 

An Theodor Mommsen

 

Die Welt ist voll von Sommerlüften,

Und ich plädiere im Gericht;

In Aktenstaub und Moderdüften

Versinkt das liebe Sonnenlicht.

 

So scheidet mich allaugenblicklich

Mein Amt aus dieser Sommerzeit –

Nicht jeder ist, mein Freund, so glücklich

Wie Sie in seiner Tätigkeit.

Wenn Sie in Bummelsehnsuchtsstillung

Sich wärmen nicht im Sonnenlicht,

So schaun Sie als Berufserfüllung

Den schmucken Dirnen ins Gesicht.

 

Antwort

 

Nun ist geworden, was du wolltest;

Warum denn schweigest du jetzund?

Berichten mag es die Geschichte;

Doch keines Dichters froher Mund.

 

 

April

 

Das ist die Drossel, die da schlägt,

Der Frühling, der mein Herz bewegt;

Ich fühle, die sich hold bezeigen,

Die Geister aus der Erde steigen.

Das Leben fließet wie ein Traum –

Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.

 

 

Auf dem hohen Küstensande

 

Auf dem hohen Küstensande

Wandre ich im Sonnenstrahl;

Über die beglänzten Lande

Bald zum Meere, bald zum Strande

Irrt mein Auge tausendmal.

 

Aber die Gedanken tragen

Durch des Himmels ewig Blau

Weiter als die Wellen schlagen,

Als der kühnsten Augen Wagen,

Mich zur heißgeliebten Frau.

 

Und an ihre Türe klink ich,

Und es ruft so süß: Herein!

Und in ihre Arme sink ich

Und von ihren Lippen trink ich,

Und aufs Neue ist sie mein.

 

 

Auf dem Segeberg

Fragment

 

Hier stand auch einer Frauen Wiege,

Die Wiege einer deutschen Frau;

Die schaut mich an mit Augen blau,

Und auf dem Felsen, drauf ich liege,

Schließt sie mich plötzlich an die Brust.

Da werd ich mir des Glücks bewusst;

Ich seh die Welt so unvergänglich,

Voll Schönheit mir zu Füßen ruhn;

Und alle Sorgen, die so bänglich

Mein Herz bedrängten, schweigen nun.

Musik! Musik! Die Lerchen singen,

Aus Wies’ und Wäldern steigt Gesang,

Die Mücken in den Lüften schwingen

Den süßen Sommerharfenklang.

Und unten auf besonnter Flur

Seh ich des Kornes Wellen treiben

In blauen Wölkchen drüber stäuben

Ein keusch Geheimnis der Natur.

Da tauchen an des Berges Seite

Zwei Köpfchen auf aus dem Gestein;

Zwei Knaben steigen durchs Gekräute;

Und sie sind unser, mein und dein.

Sie jauchzen auf, die Felsen klingen;

Mein Bursche schlank, mein Bursche klein!

Schau, wie sie purzeln, wie sie springen,

Und jeder will der Erste sein.

In Kinderlust die Wangen glühen;

Die Welt, die Welt, o wie sie lacht!

Nun hängen sie an deinen Knieen,

Nun an den meinen unbedacht;

Der Große hier, und hier der Kleine,

Sie halten mich so eng umfasst,

Dass in den Thymian der Steine

Mich hinzieht die geliebte Last.

Die Schatten, die mein Auge trübten,

Die letzten, scheucht der Kindermund;

Ich seh der Heimat, der geliebten,

Zukunft in dieser Augen Grund.

 

 

Auf Wiedersehen

(Das Mädchen spricht:)

 

Auf Wiedersehn! Das ist ein trüglich Wort!

O reiß dich nicht von meinem warmen Herzen!

Auf Wiedersehn! Das spricht von Seligkeit,

Und bringt mir doch so tausend bittre Schmerzen.

 

Auf Wiedersehn! Das Wort ist für den Tod!

Weißt du, wie über uns die Sterne stehen!

Noch schlägt mein Herz, und meine Lippe glüht -

Mein süßer Freund, ich will dich immer sehen.

 

Du schwurst mir ja, mein Aug bezaubre dich;

Schaut ich dich an, so könntst du nimmer gehen!

Mein bist du ja! – Erst wenn mein Auge bricht,

Dann küss’ mich sanft und sprich: Auf Wiedersehen!

 

 

August

(Inserat)

 

Die verehrlichen Jungen, welche heuer

Meine Äpfel und Birnen zu stehlen gedenken,

Ersuche ich höflichst, bei diesem Vergnügen

Womöglich insoweit sich zu beschränken,

Dass sie daneben auf den Beeten

Mir die Wurzeln und Erbsen nicht zertreten.

 

 

Aus der Marsch

 

Der Ochse frisst das feine Gras,

Und lässt die groben Halme stehen;

Der Bauer schreitet hinterdrein

Und fängt bedächtig an zu mähen.

 

Und auf dem Stall zur Winterzeit,

Wie wacker steht der Ochs zu kauen!

Was er als grünes Gras verschmäht,

Das muss er nun als Heu verdauen.

 

 

Aus Schleswig-Holstein

(Vom 30. Juli)

Das Banner hoch! Die weiße Nessel!

Und hoch das blaue Löwenpaar!

Sie sind des Hauses heilig Zeichen

Und unverletzlich immerdar.

Und wo wir festlich uns vereinen,

Die blauen Löwen halten Wacht;

Zu Kränzen winden wir die Nessel

In unsrer Buchen Blätterpracht.

Doch tret getrost auf unsre Schwelle,

Wer uns vertraut und wer getreu;

Nicht brennen wird die weiße Nessel

Und brüllen nicht der blaue Leu.

Das Banner hoch! Das Sonnenleuchten

In seine freien Schwingen fällt;

Und dass es rauschend sich entfalte

Und sichtbarlich vor aller Welt.

Vereinigt noch durch manch Jahrhundert

Soll das Geschwisterwappen wehn –

Das Banner hoch! Damit wir fühlen,

Dass wir auf eigner Erde stehn.

 

 

B

Bald ist unsers Lebens Traum zu Ende

 

Bald ist unsers Lebens Traum zu Ende,

Schnell verfließt er in die Ewigkeit.

Reicht zum frohen Tanze euch die Hände!

Tut’s geschwinde; sonst enteilt die Zeit!

 

 

Begegnung

 

Das süße Lächeln starb dir im Gesicht,

Und meine Lippen zuckten wie im Fieber;

Doch schwiegen sie – auch grüßten wir uns nicht,

Wir sahn uns an und gingen uns vorüber.

 

 

Begeisterung ist schön in jungen Tagen

 

Begeisterung ist schön in jungen Tagen,

Und ohne sie ist Jugend trostlos öde;

Doch kann sie nicht euch bis ans Ende tragen,

So war es dennoch nur ein leer’ Gerede.

 

 

Beginn des Endes

 

Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,

Nur ein Gefühl, empfunden eben;

Und dennoch spricht es stets darein,

Und dennoch stört es dich zu leben.

 

Wenn du es andern klagen willst,

So kannst du’s nicht in Worte fassen;

Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«

Und dennoch will es dich nicht lassen.

 

So seltsam fremd wird dir die Welt

Und leis verlässt dich alles Hoffen;

Bis du es endlich, endlich weißt,

Dass dich des Todes Pfeil getroffen.

 

 

Begrabe nur dein Liebstes!

 

Begrabe nur dein Liebstes! Dennoch gilt’s

Nun weiterleben – und im Drang des Tages,

Dein Ich behauptend, stehst bald wieder du.

So jüngst im Kreis der Freunde war es, wo

Hinreißend’ Wort zu lauter Rede schwoll;

Und nicht der Stillsten einer war ich selbst.

Der Wein schoss Perlen im kristallnen Glas,

Und in den Schläfen hämmerte das Blut –

Da plötzlich in dem hellen Tosen hört ich

– Nicht Täuschung war’s, doch wunderbar zu sagen –

Aus weiter Ferne hört ich eine Stille,

Und einer Stimme Laut, wie mühsam zu mir ringend,

Sprach todesmüd, doch süß, dass ich erbebte:

»Was lärmst du so, und weißt doch, dass ich schlafe!«

 

 

Beim Pfänderspiel

 

»A vous, comtesse!« Sie schien es nicht zu hören.

Vom Staube unserer Geselligkeit

War offenbar ihr Geist seit langer Zeit

Entflohn zu höheren Gesellschaftssphären.

Als sie sich wiederfand bei unsern Spielen,