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Ein uraltes Geheimnis. Ein Geheimnis, das die Welt der Werwölfe verändern kann. Ein Geheimnis, welches drei Mädchen in sich tragen und sich nun ihrem vorherbestimmten Schicksal stellen müssen. Ein Geheimnis und Vermächtnis, das auch wieder die Drei Brüder, uralte verdorbene Werwölfe, auf den Plan ruft. Werden die drei Mädchen es schaffen, ihr Schicksal zu erfüllen?
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Seitenzahl: 196
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2000 vor Christus im heutigen Argentinien
In diesem Jahr erblickte die erste Rasse der Unsterblichen das Licht der Welt. Es wurde ein Mädchen geboren, halb Mensch, halb Wolf. Ihre Wolfsgestalt war beeindruckend. Das Fell um ihren Hals war golden gefärbt so wie das Fell an ihren Füßen und ihre Augen waren von goldenen Streifen durchzogen. Ihr Name war Lycia. Lange Zeit war Lycia die einzige ihrer Rasse, aber es wurde eine zweite unsterbliche Rasse geboren.
1997 vor Christus im heutigen Venezuela
Wieder war es ein Mädchen. Ihre Zähne und Krallen waren silberfarben und für die meisten anderen Wölfe tödlich. Dieses Mädchen wurde nach dem silbernen Mond benannt: Luna.
Es dauerte Jahrhunderte, bis aus diesen zwei Rassen die mächtigsten Wölfe und Rudel entstanden, die die Welt je gesehen hatte. Sie lebten alle im Einklang für viele Jahrhunderte, doch wie so oft folgte auf die Jahre langer, friedlicher Zeit eine Zeit, die von Krieg, Mord und Auslöschung gezeichnet war. Es war die Zeit, in der sich eine schreckliche Prophezeiung bewahrheitete. Eine Prophezeiung, die einer ganzen Wolfsrasse das Leben kostete. Eine Prophezeiung, die das Leben der zukünftigen Generation vorbestimmen würde.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Penelope
Es war ein wunderschöner, warmer Tag in Sevilla, die Vögel zwitscherten und Penelope lauschte ihrer Musik, während sie sich im Garten sonnte. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und verdrängte alle schlechten Gedanken. Aus ihren Kopfhörern drangen irische Jigs und Reels in ihren Kopf und die Realität rückte immer weiter von Penelope ab, wodurch sie langsam aber sicher begann wegzudösen, bis sie die Stimme ihrer Mutter wie aus weiter Ferne hörte. Genervt nahm Penelope die Kopfhörer aus den Ohren und rief: „Was ist, Mom?“
„Du sollst reinkommen und packen!“, befahl die Stimme ihrer Mutter genervt. „Du weißt, dass wir in zwei Tagen los müssen und in deinem Zimmer herrscht immer noch Chaos!“
„Ja ja.“
Stöhnend stand Penelope von der Liege auf und schlappte in Richtung Wohnzimmertür.
„Pen, ich weiß, dass du es nicht gerade toll findest, dass wir wegziehen, aber du wusstest es seit Jahren, dass es von nun auf jetzt passieren kann.“
Penelope blieb hinter ihrer Mutter stehen, die dabei war, einige Bücher aus dem Schrank in eine Umzugskiste zu packen.
„Ich weiß, dass ich es wusste, das macht es aber noch lange nicht besser“, entgegnete sie ihrer Mutter und schob sich dabei die Sonnenbrille von der Nase.
„Ja Schatz, das ist mir klar, trotzdem musst du jetzt packen, sonst kannst du später nicht zu Naomi.“
„Ich geh heute nicht zu Naomi. Ich bin nicht in Stimmung, heute noch irgendwo hinzugehen.“
Anstatt etwas zu entgegnen, schüttelte Juanita nur ihren Kopf und verstaute die letzten Bücher in der Kiste. Genervt drehte sich Penelope um und verschwand in ihr Zimmer. Dort sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, überall standen halbvolle Kisten herum, auf dem Boden lagen Bücher, CDs und Klamotten, die Penelope noch nicht verstaut hatte. Müde ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Ihr Bett war auch das einzige, was noch dastand, ihre restlichen Möbel waren schon auf den Weg in die USA, ihrem zukünftigen Zuhause. Stöhnend schloss sie die Augen. Sie würde alles hinter sich lassen. Ihre Freunde, ihre Schule, ihre Familie, ihre Heimat. Einfach alles. Sie würde die Neue sein in der neuen Schule, die alle angaffen würden. Ein Erlebnis, auf das sie gerne verzichten würde, doch wie gesagt, in zwei Tagen würde sie Sevilla verlassen und möglicherweise erst in einigen Jahren wieder sehen. Ein sachtes Kratzen an der Tür schreckte sie auf. Als sie zu Tür sah, erblickte sie einen riesigen Hundeschädel. Ihr Boxer Thy schaute sie aus treudoofen Augen an und quetschte sich langsam durch den schmalen Spalt der Tür. Ihr Hund schaffte es immer wieder, ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Er war so etwas wie ihr Antidepressivum.
„Na komm her, Thy. Lass dich knuddeln, du Knutschkugel.“
Thy ließ sich nicht lange bitten und wuchtete seinen monströsen Leib zu Penelope auf das Bett und schmiss sie dabei wieder um.
„Du erdrückst mich noch, du Monster“, lachte Penelope, während Thy seinen großen Kopf auf ihre Brust legte und sie aus seinen treuen Hundeaugen liebevoll anschaute.
„Wenigstens hab ich dich noch in den USA“, flüsterte Penelope und kraulte ihren Hund hinter den Schlappohren.
Thy gab ein zufriedenes Grunzen von sich und begann wegzudösen, während Penelope an die Decke ihres Zimmer starrte und sich ausmalte, wie es wohl in den USA sein würde.
Ella
Einige tausende Kilometer von Spanien entfernt war auch Ella damit beschäftigt, ihr Hab und Gut zusammenzupacken und sich auf den Trip ihres Lebens vorzubereiten. Ihre Eltern hatten beschlossen, Australien zu verlassen. Für immer. Ihre Zukunft sahen sie in dem Land ohne Grenzen, den USA. Das bedeutete für Ella ein One-Way-Ticket in Richtung „leckt mich am Arsch“ für ihre Eltern. Denn mit dieser glorreichen Idee waren sie einfach mal so um die Ecke gekommen. Vor zwei Monaten. Genau nach dem Besuch dieses seltsamen Mannes erinnerte sich Ella und schmiss wütend ihre Kleidung in einen Karton. Dieser bescheuerte rothaarige, käsige Mann musste ihren Eltern irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt haben, denn noch an diesem Abend hatten ihre Eltern beschlossen, Australien, ihre Heimat, ihre Familie und ihr Leben hinter sich zu lassen. Eine einzelne Träne floss Ella über die Wange. Sie würde alles hinter sich lassen müssen, ihre Freunde, ihre Verwandten, ihr altes Leben. Ihre Eltern hatten ihr mit dieser Entscheidung den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie hatte Angst davor, Australien zu verlassen. Es war ihre Heimat und sie wollte hier nicht weg. Was sollte sie in den USA machen? Sie hatte nur noch ein Schuljahr bis zu ihrem Schulabschluss und hatte schon ihre Zukunft geplant. Sie hatte Geschichtswissenschaft und Sprachen studieren wollen, doch das schien jetzt ins Wasser zu fallen. Ihre Eltern hatten ihre ganze Zukunft umgekrempelt und das ohne Vorwarnung. Ella wischte sich wütend einige weitere Tränen aus dem Gesicht, die einfach aus ihren Augen gekullert waren. Sie spürte, wie ihre Muskeln vor Wut zu zittern begannen und ihre Hände verkrampften sich wieder unangenehm.
„Tief durchatmen, Ella“, sagte sie zu sich selbst und holte tief Luft. Zischend atmete sie wieder aus, doch anstatt sich zu beruhigen, wurde sie immer wütender. Mit rasendem Herzen trat Ella vor ihren Boxsack und begann mit voller Kraft darauf einzuprügeln. Ihre Augen verengten sich. Links. Rechts. Links. Rechter Haken. Kick. Schnelle Schlagkombination. Kick. Drehung. Erneuter Kick. Und wieder alles von vorne. Ella schlug so lange auf ihren Boxsack ein, bis ihre Fingerknöchel blutig waren und sie ihre Hände nicht mehr richtig spürte. Müde ließ sie sich in ihren Sitzsack fallen und begutachtete ihre malträtierten Hände. Sie waren schon stark vernarbt, da Ella immer solange auf etwas einschlug, bis sie aufplatzten, erst dann konnte sie aufhören. Ihre Eltern hatten sie auch schon öfters ins Krankenhaus bringen müssen, weil sie immer wieder aufgrund ihres Temperaments in Schlägereien geriet, und dies meistens mit Kerlen. Bei der letzten Schlägerei hatte sich Ella die Hand angebrochen, als sie einem Jungen den Kiefer gebrochen hatte. Nach dieser Aktion hatten ihre Eltern sie zu einem Antiaggressionstraining geschickt, denn so könne es ja nicht mit ihr weitergehen. Zu der Aggressionstherapie kam dann noch ein Therapeut, zu dem ihre Eltern sie geschleppt hatten, mit dem sie versuchen sollte, den Grund für ihre übermäßige Aggression herauszufinden. Langsam beruhigte sich Ellas Puls.
„Denk immer an das Positive“, dachte Ella bei sich, „wenigstens musst du nie wieder zu diesem Therapeuten und zu diesem bescheuerten Antiaggressionstraining.“
Ein letztes Mal holte Ella tief Luft, dann wuchtete sie sich aus ihrem Sitzsack auf und begann, weiter ihre Sachen in den Kisten zu verstauen.
Natsuki
„Natsuki Darling, hast du schon all deinen Krimskrams zusammengepackt?“
„Nein Mom! Noch nicht ganz, aber fünf Kisten sind fertig!“, rief Natsuki zurück, während sie weitere Sachen in eine Kiste warf.
„Okay, ich schick Han rauf, um sie zu holen“, kam die Antwort von unten.
Es dauerte auch nicht lange, da stand Han auch schon in der Tür. Natsuki verschlug es immer wieder die Sprache, wenn sie ihn sah. Er war hoch gewachsen, muskulös, und seine schwarzen Haare hingen ihm immer leicht verwuschelt ins Gesicht. Seine dunklen Augen waren so unergründlich und gleichzeitig doch so offen. Natsuki hatte sich schon öfters vorgestellt, wie es wäre, Han durch die Haare zu fahren und ihn dabei leidenschaftlich zu küssen.
„Welche Kisten kann ich runter bringen, Su?“
Hans Frage riss Natsuki aus ihren albernen Mädchenträumen.
„Ähm, die fünf da an der Tür genau neben dir.“
Han begutachtete die Kisten und stapelte zwei übereinander. Natsuki konnte ihre Augen nicht von seinem Hintern losreißen und wurde knallrot, als Han sich noch einmal umdrehte und zu ihr meinte: „Du musst dich mit dem Packen beeilen, morgen früh geht’s los und bis dahin müssen wir fertig sein.“
„Ich weiß, Han, ich beeil mich ja schon“, nuschelte Natsuki und versuchte, mit ihren langen Haaren ihr Gesicht etwas zu verbergen. Han musste aber gesehen haben, dass sie rot geworden war, denn auf seinem Gesicht breitete sich ein verschmitztes Grinsen aus. Das bewirkte bei Natsuki nur, dass sie noch roter wurde und ihr ganz heiß wurde.
„Irgendwann, Su, irgendwann“, murmelte Han, bückte sich, nahm die zwei gestapelten Kisten und verschwand Richtung Erdgeschoss.
Natsuki war nun völlig verwirrt. Was sollte das heißen – irgendwann, Su, irgendwann. Was würde irgendwann passieren? Verdammt, dieser Kerl ließ ihre Hormone verrückt spielen. Sie verstand immer noch nicht wirklich, warum er seit ein paar Monaten bei ihr und ihren Eltern lebte, und erst recht nicht, warum er mit ihnen nach Amerika ziehen würde. Ihr Vater hatte gemeint, dass Han der Sohn eines alten und guten Freundes von ihm sei, und da er sich in Tokio immer wieder Probleme eingehandelt hatte, hatte ihr Vater seinem Freund versprochen, Han bei sich aufzunehmen. Also war Han kurzerhand von Tokio nach Sawara gezogen und irgendwie schien für ihn von Anfang an klar zu sein, dass er mit nach Amerika kommen würde. Natsuki blickte da immer noch nicht wirklich durch. Aber ihr sollte es bloß recht sein, denn was war schon schlimm daran, so einen heißen Augenschmaus immer um sich zu haben. Natsuki war immer noch in Gedanken, als Han wieder ins Zimmer kam, und bemerkte ihn deswegen auch gar nicht, erst als sie hörte, wie die Tür geschlossen wurde. Als Natsuki sich umdrehte, stand Han schon direkt vor ihr.
„Ich glaube, irgendwann ist genau jetzt“, sagte er, packte Natsuki unter den Armen und warf sie aufs Bett.
Natsuki entfuhr ein leiser Schreckensschrei, denn damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
„Su, du weißt schon, dass du mich verdammt wahnsinnig machst, und ich verstoße jetzt schon gegen alle Regeln, die ich habe.“
Su sah ihn nur verwirrt an, doch bevor sie etwas sagen konnte, war Han schon über ihr, seine Hände drückten sie auf ihr Bett und seine Lippen pressten sich auf ihre. Das einzige, was in Natsukis Kopf vorging, war: Verdammt, verdammt, lass das bloß keinen Traum sein. Doch es war kein Traum. Han lag wirklich auf ihr, hatte ihren Kopf mit beiden Händen umfasst und küsste sie hemmungslos, bis beide die Stimme von Natsukis Vater hörten, die immer näher kam.
„Schnell, schließ die Tür wieder auf, Han“, nuschelte Natsuki, während sie ihre Haare entknotete und sich wieder daran machte, ihre Sachen einzupacken.
Han grinste sie verschmitzt an und flüsterte ihr beim Vorbeigehen ins Ohr: „Su, du hast mir den Kopf verdreht.“ Dann bückte er sich, hob die restlichen Kisten auf und trug sie nach unten. Natsuki schwirrte der Kopf und ihr einziger Gedanke war, dass es in den USA vielleicht gar nicht mal so schlecht werden würde.
Drei Tage später
Penelope
Penelope wurde durch einen sehr feuchten Kuss aus dem Schlaf gerissen und als sie ihre Augen öffnete, stand ihr Boxer Thy vor ihr und schaute sie aus seinen treuen Hundeaugen an.
„Thy, lass mich, ich will ausschlafen, es ist Samstag“, nuschelte Penelope und drehte sich um, doch anstatt Penelope in Ruhe zu lassen fing Thy jämmerlich das Winseln an und stupste Penelope mit seiner Schnauze an.
„Ja ja, Thy. Entweder du legst dich jetzt mit ins Bett oder du gehst“, grummelte Penelope, während sie sich umdrehte und ihren Hund aus zusammengekniffenen Augen anschaute. Thy legte den Kopf kurz schief und es schien so, als würde er nachdenken. Schließlich hatte er sich entschieden und kletterte zu Penelope in ihr kleines Bett, das unter Thys Gewicht das Knarren anfing. Das Bett war zum Glück nur vorübergehend, bis ihre Eltern und sie die Zeit fanden, um neue Möbel für ihr neues Zuhause in Boise, Idaho, zu kaufen, in das sie gestern eingezogen waren. Das Haus hatte Penelopes Vater während einer Besichtigungsreise gekauft. Es war schön groß, hatte einen großen, gepflegten Garten mit einem Schwimmteich und in einer Ecke standen mehrere Obstbäume, zwischen denen eine Hängematte hing. Eigentlich fand Penelope es recht gemütlich hier. Ihr Zimmer war groß genug, so dass sie es sich gemütlich mit Sesseln und einem Tischchen einrichten konnte. Doch das würde noch bis nächste Woche warten müssen, denn erst dann hatten ihre Eltern Zeit, um Möbel einkaufen zu gehen, und bis dahin war Penelopes Zimmer ziemlich leer. Das einzige Mobiliar bestand aus dem kleinen, knarrenden Bett, einem alten Stuhl in der einen Ecke und ihren Umzugskisten. Müde schloss Penelope wieder ihre Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Penelope stand auf einem grünen Hügel, der umringt war von dunklen Wäldern. Ein kalter Wind wehte um sie herum und ließ sie zittern. Aus dem Wald gegenüber von Penelope drang ein dunkles Heulen und Penelope stellten sich die Haare auf. Das Heulen wurde immer lauter und es schien, als würden weitere Tiere, Wölfe, mit einstimmen, bis es schließlich ein Chor verschiedener Stimmen war. Penelope sah sich panisch um, suchte einen Platz, wo sie sich verstecken könnte, und da entdeckte sie eine kleine Hütte nicht weit von ihr, in der Licht flackerte. Penelope drehte sich zu der Hütte um und begann zu rennen, sie rannte, wie sie noch nie zuvor in ihrem Leben gerannt war, doch das Heulen schien sie einzuholen, und als Penelope hinter sich blickte, sah sie ein ganzes Rudel riesiger Wölfe. Die Wölfe schossen auf sie zu, doch als Penelope schon dachte, jetzt ist es aus mit mir, rannten die Wölfe an ihr vorbei auf die Hütte zu. Penelope drehte sich wieder um und konnte gerade noch sehen, wie der letzte Wolf des Rudels sich blitzschnell in einen nackten Menschen verwandelte. Die Frau nahm ein Tuch von einem Holzstapel und wickelte es sich um den nackten Körper. Ihre nachtschwarzen Haare fielen ihr in weichen Wellen über die Schultern und bedeckten den Rest ihres Rückens. Als sich die Frau umdrehte, blickte Penelope in grün leuchtende Augen, die mit goldenen Streifen durchzogen waren. Plötzlich begann die Frau, sich auf Penelope zuzubewegen, doch ihr Blick ruhte nicht auf Penelope, sondern hinter ihr. Die junge Frau starrte in den dunklen Wald hinein und es sah aus, als würde sie etwas suchen. Eine Bewegung lenkte die Aufmerksamkeit der Frau auf sich, doch sie schien sich nicht sicher, was sie tun sollte, und bevor sie sich entscheiden konnte, drang eine Stimme aus der Hütte.
„Luana, komm rein, es ist nicht sicher draußen!“
„Ja, Noam, ich komme“, flüsterte Luana und wollte sich gerade wieder auf den Weg zur Hütte machen, als hinter ihr aus dem Gebüsch ein riesiger, verfilzter, brauner Wolf heraussprang und versuchte, sie von hinten anzufallen. Doch Luana war geschickter und schneller, als sie aussah. Sie wich dem Wolf elegant aus und verwandelte sich währenddessen selbst in einen großen, schwarzen Wolf mit goldenen Pfoten und goldener Halskrause. Sie stieß ein bösartiges Knurren aus, was den anderen aber nicht im Geringsten zu stören schien. Die Augen des Braunen sahen tot und leer aus. Wie im Rausch stürzte sich der Braune vorwärts und versuchte, Luana in die Kehle zu beißen, doch sie war schneller, tauchte unter dem Braunen hindurch und verbiss sich in seinem Genick. Der Angreifer winselte und quietschte wie ein Junges, als Luana sein Genick zermalmte, schließlich machte Luana alledem ein Ende und biss dem Braunen den Kopf ab. Aus der Hütte waren nun die anderen Menschen herausgekommen. Es waren zwei Frauen, die eine hochschwanger, zwei Männer und drei kleine Wolfswelpen, die die Männer im Arm hielten, bereit, sie zu verteidigen. Penelope schwirrte der Kopf und sie schien vom Boden verschluckt zu werden, während die Männer die Wolfswelpen absetzten und diese winselnd und heulend auf die schwarze Wölfin zustolperten und sich an sie pressten. Es wurde immer dunkler um Penelope herum und sie bekam immer schlechter Luft, bis es ihr so vorkam, als würde sie ersticken, und da wachte sie auf.
Völlig durchgeschwitzt setzte sich Penelope in ihrem Bett auf, ihr Herz raste und ihr Kopf tat höllisch weh. Verwirrt erhob sie sich und ging in die Küche, um sich eine Aspirin aufzulösen. Während das Wasser die Tablette auflöste, starrte Penelope zum Fenster hinaus und dachte über ihren Traum nach. Sie hatte in letzter Zeit immer öfter seltsame Träume, aber bis jetzt hatte sie sich immer nur an kurze Fetzen erinnern können, wie zum Beispiel an zwei rote Augen, die sie aus dem Wald heraus anstarrten, oder einen Schatten, der hinter der nächsten Hauswand verschwand. Doch dieser Traum hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt wie eine Erinnerung, so als hätte sie diese Momente wirklich erlebt. Penelope schüttelte müde ihren Kopf und langte nach ihrem Glas. Dann trottete sie wieder in Richtung Schlafzimmer und stieß dabei beinahe mit ihrer Mutter zusammen, die gerade aus dem Bad geeilt kam.
„Gott, Penny, pass auf, wo du hinläufst“, rief ihre Mutter erschrocken aus.
„Sorry Mom, ich bin grad nicht ganz hier. Ich hatte schon wieder einen total merkwürdigen Traum. Ich war irgendwie auf einer Lichtung im Wald und dann kam ein ganzes Rudel Wölfe auf mich zu, aber es waren keine normalen Wölfe, sondern Werwölfe, und eine Wölfin aus dem Rudel ist von einem anderen Wolf angegriffen worden. Aber sie hat ihm dann den Kopf abgebissen. Ich hab das Gefühl, ich fang das Spinnen an, Mom.“
Juanita sah ihre Tochter an und als Penelope ihr in die Augen schaute, sah es für sie kurz so aus, als würde gerade eine Welt für Juanita zusammenbrechen.
„Schatz, vielleicht sollten wir uns demnächst mal zusammensetzen, wenn die Träume nicht aufhören, und darüber reden.“
„Was willst du darüber reden, Mom? Es sind halt Albträume, nichts Weltbewegendes“, winkte Penelope ab und ging zurück in ihr Zimmer.
Juanita ging zügig in die Küche, griff nach dem Telefon und gab hastig eine Nummer ein. Es klingelte nur einmal, dann meldete sich ein Mann am anderen Ende der Leitung.
„Es ist soweit“, sagte Juanita, „wir müssen mit ihr reden und wir müssen uns mit den anderen beiden Familien treffen.“
Der Mann nuschelte etwas in das Telefon und Juanitas Antwort kam sofort: „Wir haben keine Zeit, noch länger zu warten! Wir haben es ihr 18 Jahre verheimlicht! Und bei ihr fangen die Träume an. Du weißt, was das heißt, sie wird sich bald wandeln und das bedeutet, ich werde meine einzige Tochter möglicherweise verlieren, und falls das passiert, hat sie das Recht zu wissen, was unsere Geschichte ist.“
Der Mann antwortete rasch und Juanita schien zufrieden. Nach einem Okay beendete sie das Gespräch. Verzweifelt lehnte sich Juanita gegen die Anrichte und sah aus dem Fenster hinaus. Plötzlich legten sich von hinten Arme um ihre Hüfte und sie spürte den warmen Atem ihres Mannes im Nacken.
„Hab ich das richtig gehört, Schatz? Es ist soweit?“, fragte Raul Juanita und gab ihr einen Kuss in den Nacken.
„Ja, es ist soweit, du weißt, was es bedeutet, wenn die Träume anfangen.“
Traurig drehte sie sich zu Raul um und legte ihren Kopf gegen seine Brust. Leise fing sie zu schluchzen an.
„Nicht weinen, Liebling“, flüsterte Raul und tätschelte Juanita den Kopf, „unsere Tochter ist stark, sie wird das überstehen.“
„Ich hoffe es wirklich, Raul. Ich hoffe es wirklich.“
Ella
Ella stand an einem See. Es war tiefste Nacht und nur allein der Vollmond erhellte ihre Umgebung. Das dunkle Wasser kräuselte sich unter dem kalten Wind, der über die Landschaft wehte und Ella eine Gänsehaut bescherte. Frierend schlang Ella ihre Arme um den Körper. Die Bäume hinter ihr knarrten im Wind und aus dem Wald drangen immer wieder unheimliche Geräusche an Ellas Ohr. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als plötzlich hinter ihr Wolfsgeheul ertönte. Möglichst schnell flüchtete sich Ella hinter eine große Eiche. Gerade noch rechtzeitig, denn nur ein paar Meter rechts von ihr stürzten drei Wölfe aus dem Gebüsch. Zwei von ihnen schienen noch Junge zu sein, denn sie waren um einiges kleiner als der dritte Wolf. Dieser war ein stattlicher schwarzer Wolf mit einer goldenen Halskrause und goldenen Pfoten und beobachtete, wie die zwei Jungen miteinander spielten. Eines der Jungen hatte eine goldene Färbung wie das ältere Tier, das andere Junge hatte jedoch silberne Krallen und silberne Zähne. Sie schienen nicht vom gleichen Muttertier abzustammen. Ella beobachtete, wie die beiden Jungen miteinander rauften und sich im Dreck suhlten, während sich das erwachsene Tier unter einem Baum niederlegte und in die Nacht hinein lauschte. Irgendetwas schien den schwarzen Wolf zu irritieren, denn seine Ohren zuckten und er begann, unruhig den Kopf hin und her zu bewegen. Auf einmal hörte Ella hinter sich das tiefe Atmen einer anderen Kreatur. Als Ella sich umdrehte, blickte sie in die schwarzen, toten Augen eines anderen Wolfes. Seine Lefzen waren zurückgezogen und ließen den Blick auf seine messerscharfen Zähne zu. Er verfolgte die beiden jungen Wölfe unablässig mit seinen toten Augen. Es schien, als warte er auf den perfekten Moment, um anzugreifen. Doch in dem Moment, wo er sich anscheinend entschieden hatte, aus dem Gebüsch hervorzuspringen, wurde er von hinten attackiert und stürzte aus dem Dickicht. Fauchend drehte sich der graue Wolf mit den toten Augen um und blickte in die blau-grauen, mit goldenen Streifen durchzogenen Augen eines sandfarbenen Wolfes, der ihm in Angriffsstellung gegenüberstand und die Zähne fletschte. Blitzschnell war der schwarze Wolf auf den Beinen und baute sich schützend vor den beiden Jungtieren auf. Diese verbargen sich hinter den Beinen des schwarzen Wolfes und beobachteten ängstlich den Sandfarbenen und den Grauen, die sich zähnefletschend gegenüberstanden. Ella rann der Angstschweiß über den Rücken und ihre Fingernägel krallten sich in die Rinde des Baumes vor ihr. Während sich der sandfarbene Wolf knurrend auf den Grauen stürzte, wurde alles schwarz vor ihren Augen und Ella wachte schweißgebadet in ihrem Bett auf.