Die Göttinger Sieben - Tobias Schrader - E-Book

Die Göttinger Sieben E-Book

Tobias Schrader

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Beschreibung

Göttinger Autofahrer erhalten reihenweise geheimnisvolle Drohungen. Als an einem Fahrzeug Bremskabel durchschnitten werden, glaubt die Polizei nicht mehr an einen Streich. Was hat es mit den Buchstaben und Zahlen auf sich, die auf den Zetteln zu finden sind? Die Opfer, eine Pharmavertreterin, ein Musiker, ein Fotograf und ein Klempner, besitzen kaum Gemeinsamkeiten. Handelt es sich bei dem Täter um einen Stalker in Liebesnöten, einen verrückten Autohasser oder einen zurückgewiesenen Fan? Plötzlich zählt jede Sekunde und es geht um Leben und Tod! Für Krimileser von 9 bis 99.

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Göttinger Sieben – unser Name geht auf sieben Göttinger Professoren zurück, die im 19. Jahrhundert Mut und Zivilcourage gegenüber dem König von Hannover zeigten und in deren Fußstapfen wir treten wollen.

Eigentlich heiße ich Erwin Jannik Sapowski, aber alle nennen mich Kröte, weil Sapo auf Spanisch Kröte heißt. Ich lese gern Krimis, Comics und esse gern alles, was süß ist. Am liebsten Schokoriegel und Erdbeerkuchen.

Ich bin Maike Bormann und bin schon viel in Deutschland herumgekommen, spiele Hockey und tausche gern Spielekonsole gegen spannende und geheimnisvolle Fälle. Auf meinen Hund Gustav, der uns mit seinem Spürsinn unterstützt, ist immer Verlass.

Mein Name ist Xiaoli Qu, ich spiele Schlagzeug, mache Aikido und zeichne gern. Mein Vorname bedeutet auf Chinesisch „große Wirksamkeit“. Die versuche ich unter Beweis zu stellen.

Ich bin Paul Benson und werde Würmchen genannt, weil ich kleiner, dünner und ein Jahr jünger als die anderen bin, denn ich habe mal ein Schuljahr übersprungen. Gern analysiere und recherchiere ich im Hintergrund.

Ich, Jonas Specht, bin als bester Freund von Kröte natürlich immer mit von der Partie. Dass ich angeblich langzeitverknallt in Maike bin, ist nur ein… aber lassen wir das.

Ich bin Lukas, Jonas‘ Bruder, der Älteste der Freunde. Ich passe auf die verrückte Truppe auf, damit sich der Blödsinn in Grenzen hält. Das gelingt mal mehr, mal weniger…

Jetzt geht‘s aber endlich zur Sache. Viel Spaß!

Inhaltsverzeichnis

Ein neuer Fall

Rätselraten

Bei einem Superstar zu Hause

Internetrecherche

Besuch bei Ben

Im Café

Verfolgungsjagd

Aufbruch

Ein neuer Fall

Mit pochenden Herzen betrachteten Maike und Xiaoli die roten Akten, die auf dem aufgeräumten Schreibtisch lagen, als ohne Klopfzeichen plötzlich die Tür aufgerissen wurde.

»Sind Sie Frau Lueddeckens?«, fragte eine ältere Dame, die einen dunkelgrauen Hosenanzug trug und stark geschminkt war. Die Schminke war dicker als gewöhnlich aufgetragen, so als wolle sie sich hinter der Make-up-Schicht verstecken. Auf ihrer rechten Wange war die Schminke leicht verwischt, als hätte die Frau kurz zuvor geweint. Mit zitternden Händen nahm sie ihre Brille von der Nase, um sie Sekunden später wieder aufzusetzen. Dann fuhr sie sich durch die Haare, wischte ihre Hand kurz an der Anzugjacke ab und streckte sie zur Begrüßung aus.

Die Polizistin Dörthe Lueddeckens hatte zwei silberne Streifen auf den Schulterklappen ihrer glattgebügelten blauen Uniform. Daran war sie als Kriminaloberkommissarin sofort zu erkennen. Sie erhob sich, reichte der Dame die Hand und bat sie, sich zu setzen. »Wie kann ich Ihnen helfen?«

Ohne zu antworten, zog die Frau den Stuhl zu sich heran, nahm Platz und kramte hektisch in ihrer Handtasche. Sie zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich damit kurz über die Stirn. »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt«, sagte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Mein Name ist Margareta Duffner. Ich arbeite seit vielen Jahren als Pharmavertreterin für ein Chemieunternehmen in Süddeutschland.«

»Das heißt, dass Sie Ärzten Medikamente verkaufen, die diese dann ihren Patienten verschreiben?«, fragte die Kriminaloberkommissarin nach.

»Also verkaufen tu ich gar nichts«, erwiderte Frau Duffner und fuhr sich schon wieder durch die Haare. »Ich empfehle den Ärzten nur unsere Medikamente.«

»Aber je mehr Medikamente Ihrer Firma von den Ärzten verschrieben werden, desto besser ist es für Sie, nicht wahr?«

Die Frau nickte kurz. Sie hatte mittlerweile zwei Papiere aus der Tasche gezogen. »Desto mehr Geld verdiene ich, genau.«

»Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte die junge Polizistin erneut. »Ich nehme an, die beiden Zettel haben etwas mit Ihrem Herkommen zu tun.« Dann zeigte sie auf Maike und Xiaoli. »Darf ich Ihnen unsere beiden Praktikantinnen vorstellen?«

Die Dame schien Maike und Xiaoli erst jetzt zu bemerken. Erstaunt sah sie die beiden an. »Die gehen ja noch zur Schule.«

Die Polizistin nickte. »Ja, wenn es also um eine Sache geht, die nicht für jugendliche Ohren geeignet ist, werde ich die beiden bitten, das Büro zu verlassen.«

Die Dame schnaubte. »Aber nicht doch. Ich habe gestern diesen Zettel hinter der Windschutzscheibe meines Autos gefunden.«

Sie nahm eins der beiden geknickten Papiere und faltete es auseinander. Dann reichte sie den Zettel der Polizistin.

Diese las laut vor: »Noch 72 Stunden.« Die Polizistin runzelte die Stirn.

»Ich habe mir nichts dabei gedacht und glaubte an einen Kinderstreich, aber heute Morgen habe ich einen weiteren Zettel an der Heckscheibe gefunden«, erzählte Frau Duffner. Sie verkrampfte die Hände. Dabei presste sie Daumen und Zeigefinger gegeneinander. Dann reichte sie mit zitternder Hand den anderen Zettel an Dörthe Lueddeckens.

»Noch 48 Stunden!«, las die Polizistin vor. »Mehr steht da nicht.

Ach doch, darunter steht noch etwas: 5M3Z 35 oder SM 32 3S und auf dem anderen Schreiben steht M+5, 38 oder M+S, 38.«

»Ja, aber diese Zahlen und Buchstaben habe ich gar nicht weiter beachtet. Stellen Sie sich vor, alle vier Autoreifen an meinem Wagen wurden zerstochen.«

»Das ist allerdings merkwürdig.«

»Den ersten Zettel habe ich gestern Nachmittag in Emden gefunden, den hier heute vor der Einfahrt meines Hauses in Göttingen.

Beide Zettel klemmten unter den Scheibenwischern.«

»Emden an der Nordseeküste?«

»Ja.«

»Das sind bis Göttingen mindestens 350 Kilometer.«

»Ja, mit dem Auto bin ich knapp vier Stunden gefahren.«

»Das bedeutet, dass Sie nicht zufällig ausgewählt wurden, sondern jemand will Ihnen absichtlich einen Schrecken einjagen und Sie schädigen.«

»Es sieht so aus. Und nun möchte ich Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen Unbekannt erstatten. Und das ist noch längst nicht alles.«

Die Polizistin stand auf und ging zu ihrem Computer. »Gut, dann brauche ich zunächst Ihre persönlichen Daten, also Name und Geburtstag. Und euch muss ich jetzt bitten, den Raum zu verlassen.« Sie sah die Mädchen eindringlich an. »Die Sache nimmt ernste Dimensionen an. Das ist Polizeiarbeit und nicht mehr Bestandteil eures Praktikums.« Auch wenn Maike und Xiaoli das komplett anders sahen, klang der bestimmende Unterton der Polizistin kompromisslos.

»Margareta Duffner«, diktierte die Dame, während Xiaoli und Maike aufstanden und ihre Taschen nahmen. »Geboren bin ich am 2.3.1980 in Stadthagen und wohne in der Braunschweiger Straße …«

»Was halten Sie von der Angelegenheit?«, fragte Maike die Polizistin, als Frau Duffner das Büro eine Viertelstunde später verlassen hatte und sie mit Xiaoli aus der Cafeteria der Polizeidirektion kam. Die Freundinnen verbrachten hier im roten Backsteingebäude an der Groner Landstraße ihren Zukunftstag und durften in die Polizeiarbeit hineinschnuppern.

»Auffällig ist, dass der Täter oder die Täterin an einem Tag 350 Kilometer fährt, um Frau Duffner Schaden zuzufügen. Es scheint, als habe er sie beobachtet. Vielleicht ist er ihr hinterhergefahren«, antwortete die Kriminaloberkommissarin.

»Wenn es sich tatsächlich nur um einen Täter handelt«, ergänzte Xiaoli. »Vielleicht sind es auch mehrere?«

»Bisher gehen wir von einer Person aus«, sagte Frau Lueddeckens mit fester Stimme.

»Bisher?«, fragte Maike erstaunt. »Gibt es noch weitere Fälle?«

Die Polizistin nickte. »Gestern Vormittag war ein Mann hier, der ebenfalls hinter dem Scheibenwischer seines Autos ein Drohschreiben gefunden hat. Außerdem weiß ich von meinen Kollegen aus Geismar, dass dort gestern Morgen eine Anzeige wegen versuchter Sachbeschädigung an einem Auto eingegangen ist. Dort war ebenfalls so ein Zettel hinterlegt.

»Was wurde denn an dem Auto kaputt gemacht?«, fragte Xiaoli.

»Der Mann hat einen Unfall verursacht, weil offenbar seine Bremsen nicht funktionierten. Angeblich seien sie kaputt oder blockiert gewesen. So genau konnte er das in seiner ersten Befragung nicht beschreiben.«

»Und dann?«, fragte Maike.

»Die Kollegen haben das Auto sofort abschleppen lassen. Im Augenblick untersucht das Kriminaltechnische Institut gerade, ob die Bremskabel des Autos absichtlich durchtrennt worden sind.«

»Das hieße, dass jemand absichtlich das Leben des Mannes und anderer Personen aufs Spiel gesetzt hat«, sagte Xiaoli und hielt sich vor Schreck die Hand vor den Mund.

»Die Kollegen wollten mir die Akte gestern noch schicken«, sagte Dörthe Lueddeckens und blätterte in ihren Aufzeichnungen.

»Ich schaue gleich mal nach, ob in meinem Fach etwas liegt.«

»Ich kann auch gern nachgucken«, schlug Maike vor, deren Vater im Nebengebäude arbeitete. »Ich weiß, wo die Fächer sind.«

»Das mache ich lieber selbst«, sagte Dörthe Lueddeckens und blätterte weiter. »Ich muss dafür erst einmal die neue Akte anlegen.«

Maike zwinkerte Xiaoli kurz zu. »Gut, ich gehe mal eben zur Toilette«, sagte sie und stand auf. »Während wir vorhin gewartet haben, haben wir in der Kantine einen Tee getrunken und der muss jetzt wieder raus«, erklärte Maike schnell und ging zur Tür.

»Auf dem Flur nach links und dann die dritte Tür auf der rechten Seite«, rief Dörthe ihr noch zu, aber Maike war schon rechts abgebogen und mit ihren Gedanken bereits ganz woanders.

»Gab es eigentlich bei den anderen Fällen auch Beschädigungen an den Autos?«, fragte Xiaoli und versuchte Dörthe weitere Informationen aus der Nase zu ziehen, die sich zwar nicht verschwiegen, dennoch nicht sehr redseelig zeigte. »Bei einem waren die Türschlösser zugeklebt und der Auspuff mit Papier gefüllt, beim anderen waren die Reifen beschädigt.«

»Buh, da hat sich jemand aber richtig Mühe gegeben«, sagte Xiaoli.

»Gibt es denn hier in Göttingen viele Autohasser?«

Dörthe presste die Lippen aufeinander. »Wir können den Leuten nicht in ihre Köpfe gucken. Es gibt aber immer mal wieder extreme Umweltschützer, die zur Gewaltanwendung gegenüber Autos aufrufen.«

»Klima- und Umweltschutz könnten ein Motiv sein«, murmelte Xiaoli. »Wer kein Auto zur Verfügung hat, muss Bus, Bahn oder Fahrrad nehmen.«

Dörthe nickte. »Unter den drei Autos war allerdings auch ein Elektrofahrzeug, das nur bei der Herstellung und Entsorgung schädlich ist.«

Maike war keine drei Minuten im Büro zurück, als es an der Tür klopfte. Diesmal kündigte eine Kollegin von Dörthe den nächsten Besucher an. Dieser war zwischen 1,60 und 1,65 Meter groß, wog sicherlich gut und gern 100 Kilogramm, und hatte ein rundes Pfannkuchengesicht. Schlagartig legte sich ein schwerer Herrenduft über das gesamte Büro, so, als ob der Mann kurz zuvor noch in einem Pool voller Parfüm gebadet hätte. Die weißen Schweißränder unter seinen Armen waren feucht, als er Dörthe gegenübertrat.

»Hallo«, begrüßte er die Beamtin und wandte sich dann an Maike und Xiaoli. »Ja, ihr träumt nicht. Ich bin’s wirklich!«

Maike und Xiaoli konnten nichts sagen, sie waren zu perplex, als sie erkannten, wer vor ihnen stand. Diesen Mann mit seinen weißen Zähnen kannten sie aus dem Internet sowie aus Zeitschriften, die in Wartezimmern bei Ärzten herumlagen. Er sah noch viel runder aus als auf den Fotos in den Berichten der Klatschpresse.

Es war Valentino Trabarri, ein Sänger, der mit Volksmusik und Schlagern in den letzten Jahren auf sich aufmerksam gemacht hatte. In den letzten Wochen war es recht ruhig um ihn geworden.

Aus Berichten im Internet wussten sie, dass manche Medienvertreter gemutmaßt hatten, dass er sich von seiner Freundin getrennt habe. Andere spekulierten, dass er unter einer ernsten Krankheit litt und sich eine schöpferische Auszeit nahm.

»Wenn ich mit meiner Aussage fertig bin, singe ich euch gern ein Ständchen«, schlug er grinsend vor, so dass seine strahlend weißen Zähne kurz aufblitzten. Dann wandte er sich an Dörthe Lueddeckens.

»Ich bin hier, um eine Aussage zu machen und eine Anzeige aufzugeben.«

Dörthe runzelte die Stirn, dann sah sie die Mädchen an: »Dann möchte ich euch bitten, den Raum …«

»Nein, die zwei sollen ruhig hören, was ich zu sagen habe«, fiel ihr der Sänger ins Wort. »Ich habe keine Geheimnisse. Ihr seid doch bestimmt der polizeiliche Nachwuchs.«

»Die beiden machen bei uns ein eintägiges Praktikum«, erklärte Dörthe schnell, »sie sollen die Polizeiarbeit kennenlernen, aber in so einem Fall …«

»Sie meinen, weil ich ein bisschen bekannter bin und gelegentlich im Fernsehen und Internet auftrete?«

»Ja.«

»Nein, bitte machen Sie für mich keine Ausnahme«, bat Valentino.

Dann sah er Maike und Xiaoli an. »Ihr seid doch bestimmt an die Schweigepflicht gebunden. Erzählt bitte niemandem, was mir passiert ist.«

Maike und Xiaoli nickten. »Sie können sich darauf verlassen!«

»Also gut«, meinte Dörthe. Ganz wohl schien ihr dabei nicht zu sein. »Wenn Sie es so wünschen, nehme ich das ins Protokoll auf.

Um was geht es denn?«

»Seit ein paar Wochen bekomme ich so komische Drohungen. Ich habe Ihnen ein paar davon mitgebracht …« Dann zog er ein paar Papierschnipsel aus der Tasche, während sich Xiaoli und Maike eifrig Notizen machten.

Rätselraten

»Ich fasse also noch mal zusammen«, sagte Jonas, als die Göttinger Sieben in der alten Garage von Maikes Eltern versammelt waren.

Sein Ärger darüber, dass in dieser Woche nur die Mädchen in seiner Klasse ein Schnupperpraktikum machen durften und die Jungs zur Schule gehen mussten, war längst verflogen. Gebannt hatten Jonas, Würmchen und er dem Bericht der Mädels gelauscht.

»Wir haben also vier Fälle.«

»Wir?«, fragte Würmchen.

»Die Polizei ermittelt in vier Fällen«, präzisierte Kröte.

»Richtig!«, sagte Würmchen und sah auf die Uhr. »Und so soll es auch bleiben. Das Praktikum der Mädels ist seit drei Stunden vorbei.«

»Na und?«, meinte Xiaoli. »Jetzt geht es erst richtig los!«