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Gedichte und Rätsel zwischen den Welten Mal augenzwinkernd, mal kritisch-böse arbeitet Inga Tscherkesowa im vorliegenden Gedicht- und Rätselband das Tiefgründige oder auch Witzige aus alltäglichen Begebenheiten und kleinen, aber entscheidenden Momenten heraus. Mit nur wenigen Worten beschwört sie so auf wunderbare Weise komplette Geschichten herauf, zum Beispiel die vom sterbenden Ochsen, der badenden Kammerzofe oder dem Huhn, das gern ein Adler wäre. Dichtend berichtet sie von Schicksalen zwischen Nationen und Grenzen, Sehnsüchten und gut verpackten Abgründen – oder widmet sich dem Flair von Sayn bei Koblenz am Rhein. Immer ein bisschen zwischen den Welten schweben ihre Gedichte, um dann doch plötzlich konkret zu werden – wie beim undichten Iglu-Zelt. So gelingt ihr ein melancholisch-witziger Spagat zwischen Poesie und Realität. Hinzu kommt ein Kabinett skurriler französisch-deutscher Rätsel zu Tieren, von der Scholle über den Kofferfisch bis zur Seegurke – und der russischen Seejungfrau. Ergänzt werden Gedichte und Rätsel mit Illustrationen von ihr selbst und Daniela Daniels.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 22
Die Kammerzofe und der Wildbach
Die erste Nacht mit handfesten Beweisen
Der Ochse
Astrologie im Büro eines Architekten
Ein Reh und der Löwe
Fliegen lernen
Der Adler und das Huhn
Domina und 700 Masochisten
Weiße Ameisen
In Metz
Spätaussiedler
Der Pegasus
Für dich und »Für Elise«
An der Grenze zu sich selbst
Die Besenkammer
Das Dach meiner Hoffnung
Ouvertüre am Rhein
Irgendwann
Siegreich
Ein Ring aus Feodossija
Fahre nach Sayn!
Bonner Maus
Une Question de Goût
L’Innocence
Enigmes / Rätsel
talentueux / talentiert
amoureux / verliebt
agressif / aggressiv
produits fins / Delikatessen
éclairé / erleuchtet
cultivé / gebildet
aguichant / aufreizend
précieux / wertvoll
small talk dans la cuisine / Small Talk in der Küche
les qualités / Eigenschaften
conclusion politique / der politische Abschluss
Les solutions / Lösungen
Meiner Mutter Galina gewidmet
Foto: Inga Tscherkesowa
Doch das Wissen um ihr moralisches Unrecht hindert die beiden nicht daran, in einen Strudel großer Gefühle abzutauchen, deren Folgen unabsehbar werden.
Nach Anita Shreve
Durch Macchia in eine Gumpe
die Kammerzofe ging zum Bade.
Der Wildbach sehnsuchtsvoll verstummte,
legt sie die Kleider ans Gestade.
Der leichte Bast im Nardenduft
den Bach erschwellen lässt in Lust.
Ein Feuer schwelt in kalter Kluft,
Verlangen sprengt die Felsenbrust.
Die Welle spielt mit ihrem Haar,
doch stilles Wasser birgt Gefahr:
Die Strömung lässt ihr keine Wahl,
der Wildbach wird zum Wasserfall!
Ein neues Zelt kann beim ersten Regen, dem es ausgesetzt ist, leicht undicht werden.
Aufbauanleitung IGLU-DOM-ZELT >>NEVADA<<
Ob ein Zelt noch jungfräulich ist
und dementsprechend nicht ganz dicht,
wie man es in der Anleitung liest,
kommt irgendwann ans Tageslicht.
Die erste Nacht, der Regen fällt.
Wir liegen feucht im IGLU-ZELT.
Ist Unberührtheit zu begrüßen
auch im Fall von Regengüssen
für den, der drin liegt, angesagt?
Meiner Meinung nach: gewagt!
Der Ochse hat es nicht geschafft
auch unter Einsatz aller Kraft
dem Schuss am Ende zu entkommen.
Zum Schlachthof wurde er gebracht
als seelenlose Massenfracht,
noch nie was Gutes je bekommen.
Ein kurzer Ruck, ein Sprint, ein Sprung
so lebensfroh und göttlich jung
vom Todesfließband in die Freiheit.
Der Hoffnungshauch zwei Hörner trug,
doch dieser Kampf war Selbstbetrug:
Beim Schlachten gibt es keine Gleichheit.
Erbarmen kennen Menschen nicht:
ein Schuss, ein Schrei, das Auge bricht.
Sein Steak mag ungewöhnlich schmecken
nach Lebenslust und Widerstand: