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Tapija ist 14 und lebt mit ihren Eltern sehr zurückgezogen, da Mädchen mit Mal als Hexen gelten. Aber was soll ein Mädchen schon Schlimmes anrichten? Doch was ist, wenn Talente gefährlich sind? Geht das überhaupt? Oder ist das alles ein Missverständnis? Wie werden Dämon und seine Freunde reagieren? Plötzlich hat Tapija mehr Aufregung in ihrem Leben, als sie sich je hätte vorstellen oder wünschen können!
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Seitenzahl: 369
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www.tredition.de
Sina Nink
Die Kinder der
Prophezeiung
Tapija
www.tredition.de
© 2015 Sina Nink
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7323-7132-7
e-Book:
978-3-7323-7134-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Korrektorat: C. Hötzel
Dieses Buch ist für meinen Mann, der mich immer unterstützt und an mich glaubt.
Ich liebe Dich!
Bedanken möchte ich mich bei meiner Familie, die mich auch dann unterstützt, wenn ich ungeduldig bin.
Auch Sandra und Michaela helfen immer da, wo mein Wissen an seine Grenzen stößt.
Danke, ihr seid Klasse!
Nicht zu vergessen, die Firma,
Werbetechnik Albuquerque,
die es geschafft hat, meine sehr eigenen
Vorstellungen vom Adler umzusetzen.
Quellverweise:
Tierköpfe von 123rf
Adler Werbetechnik Albuquerque
Cover Dennis Nink und
Fabian Horstmann
Kapitel 1
„Denke immer daran, du bist etwas ganz Besonderes.“ Ich weiß gar nicht mehr wie oft meine Mutter das schon zu mir gesagt hat. Eigentlich immer, wenn sie mir meine langen Haare kämmt. Manchmal glaube ich, dass sie sich damit, dafür entschuldigen will, dass sie sie immer mit Asche einfärbt. Klar weiß ich, dass sie es nur tut, um mich zu beschützen, denn ich bin so besonders, dass ich mich vor den meisten Menschen verstecken muss. So zu denken, ist zwar meiner Mutter gegenüber nicht ganz fair, aber es stimmt. Meine Haare lassen mich aus unserer Gemeinschaft mindestens genauso herausstechen, wie meine gelben Augen. Meine Haare sind normalerweise braun, haben aber viele dicke, weiße Strähnen. So wie alte Leute sie haben, nur dass es bei mir dicke Strähnen sind, und der Rest hat ein tiefes Braun. Aus diesem Grund hat meine Mutter sie immer mit Asche eingeschmiert, da für die Dorfbewohner Frauen die ungewöhnlich aussehen, Hexen sind. Diese werden von allen abgrundtief gehasst. Das ist auch der Grund, warum wir am Dorfrand etwas abseits leben. Gleich nach meiner Geburt sind meine Eltern weiter rausgezogen. Meine Mutter erklärt mir immer wieder, meist wenn ich auch mal ins Dorf gehen will, wie dankbar wir doch sein können, denn ihre Freundin Lucy stand ihr damals bei der Geburt bei und half ihr beim Vertuschen. Ansonsten hätte ich das Ganze wohl nicht überlebt. Nicht nur das ich sofort diese gelben Augen hatte, nein ich habe auch ein sehr auffälliges Mal auf dem oberen Rücken und den Armen. Normalerweise werden Mädchen mit einem Mal sofort von den Ältesten abgeholt. Meine Eltern sind davon überzeugt, dass sie dann getötet werden.
So ermahnt meine Mutter mich immer wieder zur Vorsicht. Da ich, wie sie betont, nicht nur mich sondern auch alle die von mir wissen, gefährde. Immer wenn sie so ernst mit mir redet, habe ich ein schlechtes Gewissen und will nicht mehr ins Dorf. Wir alle grenzen uns sehr ab von der Dorfgemeinschaft, was allein meine Schuld ist. Früher haben meine Eltern nur dann Besuch bekommen wenn ich schlief, damit ich mich nicht verraten konnte. Mittlerweile bin ich alt genug, so kann ich ja auch ein wenig Rücksicht nehmen, auch wenn es manchmal schon sehr schwer fällt. Meistens bleibe ich einfach in meinem Zimmer oder gehe vorsichtig raus zur Höhle. Diese befindet sich an einem See, mitten in einem Felsen. Da ihr Eingang bis zur Hälfte unter Wasser liegt, ist sie wohl für keinen anderen interessant. Ich habe nämlich noch nie Anzeichen dafür gesehen, dass dort jemand außer mir war. Ich habe sie entdeckt, als ich abends mal ums Dorf spazieren ging. Leider bin ich fast immer allein, da ich außer Penny, der Tochter von Lucy, keine Freunde habe. Das wäre einfach zu gefährlich.
Eigentlich haben Penny und ich auch immer eine Menge Spaß. Wir beobachten häufig die Dorfbewohner und denken uns aus, was diese wohl gerade reden. Aber in letzter Zeit verbrachten wir immer weniger Zeit miteinander. Was mich irgendwie fertig macht, denn jetzt bin ich ganz allein. Penny hat immer eine andere Ausrede, warum sie nicht kann. Entweder war sie wirklich schwer beschäftigt, oder sie wollte mich einfach nicht sehen. Wenn sie denn dann doch mal Zeit hat, schwärmt sie immer nur von Chris, dem Sohn vom Dorfältesten. Was sie an dem findet, kann ich beim besten Willen nicht sagen, mir ist er immer unheimlich. Wenn ich ihn mal von weitem sehe, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Irgendwie hat er etwas Bedrohliches an sich. Aber das scheine nur ich so zu empfinden, da er im Allgemeinen sehr beliebt ist. Außerdem hat er immer diese dunkle Aura. Ach ja, das ist etwas was ich immer sehe. Lucy nennt es immer Aura, aber im Prinzip ist es einfach ein Farbschleier, der alle Menschen umgibt. Die meisten Leute mit denen ich zu tun habe sehe ich in orangen Farben, mein Vater hat ein kräftiges Rot, aber viele der Dorfbewohner hatten einen grünen oder dunkleren Schleier. Was diese unterschiedlichen Farben bedeuten, kann ich nicht sagen. Mein Vater glaubt es mir sowieso nicht, er ist der Meinung, dass ich es mir vor Langeweile ausdenke. Mom und Lucy haben noch nie davon gehört und so weiß keiner etwas damit anzufangen.
Bei meiner Geburt war mein Vater ziemlich enttäuscht, denn er hatte auf noch einen Jungen gehofft. Da ich sechs Brüder habe, erwartete er etwas ganz Besonderes. Man sagt dem siebten Kind immer herausragende Fähigkeiten nach. Meine sechs Brüder haben alle ein mehr oder weniger auffälliges Mal, so dass er bei seinem siebten Kind auf etwas wirklich Außergewöhnliches hoffte. Nun ja, bekommen hat er ja etwas Ungewöhnliches mit großem Mal, nur dass ich halt ein Mädchen bin. Was mich immer sehr trifft, denn warum kann ich nichts Besonderes sein. Nur weil ich weiblich bin? Einmal bekam ich mit, wie ein Dorfbewohner ihn damit aufzog. Denn anscheinend waren sie während der Schwangerschaft davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es das Kind der Prophezeiung sein könnte, hoch war. Aber es kam ja nur ich. Mein Vater antwortete nur, dass es auch noch Schlimmeres gibt, was aber nicht heißt, dass mein Vater mich nicht liebt. Mittlerweile hat er sich wohl an mich gewöhnt. Meine Mom ist ganz froh, dass ich kein Junge bin, denn Jungen mit Mal müssen alle in eine extra Schule gehen, sobald sie sieben sind. Dort wird gewartet bis die Talente zum Vorschein kommen und diese werden dann speziell trainiert. Alle hoffen, dass sich dort das Kind der Prophezeiung bald zeigt. Ich habe meine Brüder schon lange nicht mehr gesehen. Früher sind sie häufiger mal zu Besuch gekommen, aber im letzten Jahr gar nicht mehr. Manchmal höre ich meine Mutter weinen, sie denkt, irgendetwas würde daran nicht stimmen. Aber mein Vater ist der Ansicht, dass sie sich ganz umsonst Sorgen macht. Seine Söhne seien nun mal zu Höherem bestimmt. Woher er diese Erkenntnis hat, weiß ich nicht. Aber ich glaube da eher meiner Mutter. Um diesen ewigen Diskussionen zu entfliehen, bin ich immer häufiger in meiner Höhle. Um nicht gesehen zu werden, mache ich immer einen weiten Bogen um das Dorf und gelange so von hinten an den Felsen.
Naja, wie es auch sei, es ist schon spannend, was man aus dieser Höhle heraus alles mitbekommt. Seit dem Letzten Jahr, benehmen sich die Dorfbewohner immer eigenartiger. Alle sind immer schlecht gelaunt und reizbar. So als wären sie nicht befreundet miteinander. Sie versuchen sich gegenseitig immer wieder das Leben schwer zu machen. Jeder will das, was der andere gerade hat, und wenn etwas passiert, was sie nicht verstehen, beschuldigen sie das Volk der Pferde. Deren Land grenzt an unseres, früher gab es auch viele Kontakte zu ihnen. Aber in den letzten Jahren weigerte sich unser Dorfältester sogar mit ihnen Handel zu treiben. Mein Vater meint, an allem sei nur die Prophezeiung schuld. Wie eine Prophezeiung an irgendetwas schuld sein kann, konnte mir aber auch niemand wirklich erklären. Wenn ich nachfrage, heißt es immer wieder, dass ich das nicht verstehen würde. Lucy erzählte mir mal, dass niemand wohl die ganze Prophezeiung kennt. Denn egal wen, man fragt, es seien immer wieder andere Aspekte mit drin. Auf meine Frage, wer diese denn gemacht habe, antwortete sie nur ausweichend. Ich glaube, das weiß sie auch nicht so genau. Nun ja, ich habe es so verstanden, in jedem Land muss sich ein besonderes Kind finden. Wenn dann das Kind der Wölfe kommt, schließen sie sich zusammen und bekämpfen das Böse. Sollten sie sich aber nicht finden, verfällt die Welt in Krieg und Elend. Was an diesen Kindern aber so besonders ist, wusste Lucy nicht. Vielleicht habe ich es aber auch nicht richtig verstanden, denn so ergibt es irgendwie keinen Sinn. Hat das Kind der Wölfe irgendeine Karte, um die anderen zu finden? Oder sucht jedes Land das Kind selber aus? Anscheinend ist aber aus der Schule, auf die meine Brüder und viele andere Jungen sind, noch kein Auserwählter hervorgegangen, denn das war ja der Sinn dieser Schule. Beängstigend finde ich, dass laut meiner Mom, in den letzten fünfzehn Jahren so viele Jungen mit Mal geboren wurden, wie vorher noch nie. Es sei, als wenn irgendeine Macht, das wahre Kind, in der Masse verstecken will. Aber das würde auch bedeuten, dass es viele Feinde hat, und von daher tut es mir wirklich leid. Es will doch nur helfen und dafür wird es dann auch noch gejagt.
Seit einiger Zeit verschwinden immer wieder Menschen, aus dem Dorf spurlos. Natürlich geben daran auch alle dem Pferdevolk die Schuld. Langsam kommt es aber wohl so einigen spanisch vor. Es werden immer mehr Stimmen laut, die fordern, dass man etwas dagegen unternehmen muss. Am lautesten schreit natürlich Chris. Dieser will nämlich gegen das Pferdevolk in den Krieg ziehen. Aber irgendwie ist es eigenartig, denn obwohl immer häufiger Wachen aufgestellt werden, ist hier noch nie ein Fremder beobachtet worden. Mir fällt auch auf, das sich die Auren der Personen, die ich am Ufer des Sees sehe, der an meinem Felsen grenzt, immer mehr verdunkeln.
Kapitel 2
Heute sitze ich wieder einmal in meiner Höhle und denke über alles nach. Was soll ich auch anderes tun, denn Penny ist im Dorf und ich bin wieder einmal allein. Meine Mutter hat heute ausnahmsweise mal Besuch. Von daher soll ich mich möglichst von allen fern halten. Meine Mom wird immer vorsichtiger, seit die Menschen so misstrauisch werden. Eigentlich gönnt hier keiner dem anderen etwas. Erst letzte Woche haben sie den Dorfheiler verjagt, einfach weil er für die Heilung einer Frau, Lebensmittel als Bezahlung eingefordert hat. Wie gemein ist das denn wohl, da hilft man den Menschen und wird dann auch noch mit Steinen beworfen. Anscheinend sind Chris und einige andere der Meinung, dass er hätte dankbar sein können, anderen helfen zu dürfen. Keine Ahnung was wir jetzt tun sollten, wenn jemand krank wird. Aber soweit, scheint hier keiner mehr sehen zu können. Man gut dass wir noch Lucy haben. Denn diese ist absolut kräuterkundig, was wir aber niemanden verraten werden.
Penny hat wieder keine Zeit. Die Dorfbewohner kommen und gehen, und wieder beobachte ich sie. Ich sehe auch, wie Chris sich mit seinem Vater streitet, wild sind die beiden am Gestikulieren. Doch plötzlich dreht sich sein Vater einfach um, und geht in Richtung Dorf. Ich hoffe, dass Chris jetzt auch geht, denn langsam will ich wieder nach Hause. Auf einmal erscheint auch Penny am Ufer. Ja, ja, mir hat sie noch erklärt, dass sie heute unbedingt zu Hause helfen müsse. Sie steht vor Chris und kichert immer wieder, das sieht von weitem einfach lächerlich aus. Die ganze Zeit redet hauptsächlich sie. Wahnsinn ihre Aura verändert sich mit einem mal, in ein dunkles Rot. Was hatte denn das zu bedeuten. Sie kichert auch nicht mehr, sondern gestikuliert heftig mit den Armen. Mich überkommt eine böse Vorahnung, die Gänsehaut die ich ständig habe wenn Chris in der Nähe ist, verstärkt sich noch. Als ich sehe, wie Penny ihm ihre Haare zeigt und auf den Rücken weist, wird mir ganz übel. Sie wird doch nicht….? Das kann sie nicht machen, sie ist doch meine Freundin. Nein, das wird eine ganz harmlose Geste gewesen sein, rede ich mir ein. Doch der Druck in meinem Magen nimmt zu. Ganz egal, ich muss sehen, dass ich hier weg komme. Jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Als ich aus der Höhle schleiche, bemerke ich wie Penny, in Tränen aufgelöst, wieder ins Dorf läuft.
Ich versuche hinten um den Felsen herum zu schleichen, denn auf gar keinen Fall, will ich riskieren Chris in die Arme zu laufen. Kurz bevor ich den Dorfrand erreiche, werde ich am Arm gepackt. Ehe ich aufschreien kann, legt sich mir eine Hand auf den Mund. „Da bist du ja.“ Mein Gott das war Chris. Mir wird ganz übel, Penny hatte mich doch verraten. Aber was ich nicht verstehe ist, warum? Wie konnte sie das tun, sie ist doch meine Freundin? Doch da Chris mich weiter zieht, frage ich mich jetzt was er wohl mit mir vorhat. Was würden die Dorfbewohner mit mir tun, wenn sie erst mein Mal sehen? Ich versuche um mich zu treten. Aber das bringt mir nicht viel. Als wir ein ganzes Stück vom Dorf entfernt sind, lässt er mich, höhnisch grinsend, los. Um im nächsten Moment in meine Haare zu greifen. Angewidert schaut er auf die Asche, die sich durch den Regen rausspült, und jetzt über seine Hand läuft. „Ich habe immer gewusst, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Allerdings hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass es so schlimm ist. Mal sehen, irgendwie werde ich durch dich aber eine wirklich gute Verhandlungsbasis haben.“ Er macht mir Angst. Was hat er mit mir vor? Anscheinend will er mich nicht an die Dorfbewohner ausliefern. Denn er zieht mich an den Haaren, immer weiter weg vom Dorf. Er zerrt so stark an ihnen als wolle er sie mir ausreißen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Vor Schmerzen in der Kopfhaut, laufen mir die Tränen runter. Was will er denn mit mir verhandeln? Meine Eltern haben nichts, was sie ihm geben könnten. Sein Vater und er waren doch schon mit die Wohlhabendsten im Dorf. In diesem Moment sehe ich eine Hütte. Dadurch abgelenkt komme ich ins Stolpern. Nun muss er noch einmal zufassen, diesmal am Arm, denn das Büschel Haare, hat er mir eben ausgerissen. Angewidert entfernt er diese von seiner Hand. Bei der Hütte angekommen, stößt er mich hinein. So grob, dass ich auf die Knie falle, und sie mir aufschürfe. Als ich mich ängstlich, schniefend in die Ecke kauere, zieht er mein Oberteil am Hals nach unten, so dass er einen ganzen Teil von meinem Rücken sieht: „Hat die kleine doch tatsächlich die Wahrheit gesagt, du widerliche Hexe. Das bringt mir bestimmt einen Ring. Wir beide werden in ein paar Tagen einen Ausflug machen. Aber bis dahin wirst du hier bleiben. Gib die Hände nach vorn.“ Verdammt was soll das alles. Mir laufen die Tränen über das Gesicht, aber er hat einen so boshaften Ton in der Stimme, dass ich mich gar nicht traue mich ihm zu wiedersetzen. Ich verstehe das alles nicht. Gibt es Menschen die für Frauen mit Mal Schmuck eintauschen? So hörte es sich auf jeden Fall an. Anscheinend bin ich ihm nicht schnell genug, denn ungeduldig zieht er meine Arme nach vorn, und bindet meine Hände zusammen. So lässt er mich allein. Ich kann noch hören wie er die Tür abschließt. Meine Eltern werden sich furchtbare Sorgen machen. Und dass wohl auch zu Recht, ich kann mir nicht vorstellen, dass das was Chris mit mir vorhat irgendwie harmlos ist. Weinend sitze ich in der Ecke, warum hatte Penny das getan, wir sind doch Freundinnen, oder besser waren wir es. Ich zerre an den Fesseln, aber außer dass ich mir die Handgelenke aufscheuere, passiert nichts. Irgendetwas schreit auch hinter der Hütte. Es hört sich so an, als wenn er Vögel eingesperrt hat. Die Schreie, sie gehen mir durch und durch, denn sie hören sich so gequält an. Langsam habe ich schon keine Tränen mehr. Irgendwann schlafe ich erschöpft ein.
Kapitel 3
Mein Gott diese Dunkelheit ist beängstigend. Sie drückt mir die Luft ab. Plötzlich höre ich Stimmen, sie scheinen aus der Dunkelheit zu kommen. Lachend erklären sie mir, dass sie mich bald holen kommen, und dann wäre alles vorbei. Es ist kein fröhliches Lachen, nein eher als wenn jemand Spaß daran hat, den anderen zu quälen. Schweißgebadet wache ich wieder auf. So etwas Schreckliches habe ich noch nie geträumt. Was ist denn bloß los, ich will einfach wieder nach Hause. Schluchzend drücke ich mich weiter in die Ecke. Dieser Traum war so real. Ein Geräusch lässt mich aufschrecken, nein er durfte einfach noch nicht wieder hier sein. Ich halte die Luft an. Tatsächlich wird der Schlüssel umgedreht. Die Tür aufgestoßen und ich sehe Seth, den Sohn des Schmiedes. Im ersten Moment bin ich erleichtert, doch gehört er vielleicht auch zu Chris? Konnte das sein, wo dieser sich doch immer über das Stottern von Seth lustig macht. Aber was sollte er sonst hier wollen. In diesem Moment kniet er sich vor mich, um meine Hände los zu binden. „I-ich w-will d-dir h-helfen. K-komm m-mit“ Keine Ahnung ob ich ihm wirklich vertrauen kann, aber mir bleibt einfach auch keine andere Wahl. Also folge ich ihm nach draußen. Zusammen schleichen wir uns um die Hütte, was ich da sehe, lässt mir erneut den Magen umdrehen. Es sind einige Vögel in viel zu kleinen Käfigen hier. Es ist meist ein Adler darin, manche auch mit Küken. Viele sind allerdings tot. Es riecht fürchterlich. Seth lässt die Vögel, die noch leben, frei. Einige können nur weglaufen, da sie zu schwach sind zum Fliegen. Es sind aber keine Seeadler, wie sie hier meist vorkommen. Diese sind viel kleiner und braun weiß. Als ich dem zuletzt freigelassenen Vogel nachsehe, flucht Seth. Schnell schaue ich wieder in seine Richtung. Er hält einen toten in der Hand, jetzt kann ich sehen was er meint. In einem der Käfige sitzt in der einen Ecke ein Küken, dieses gibt aber schon keinen Laut mehr von sich. Nur ganz schwach kann ich erkennen, dass der Kopf sich etwas bewegt. „D-den k-können w-wir n-nicht m-mehr r-retten.“, sagt Seth voll Trauer in der Stimmen. „Nein, das kannst du nicht machen, solange er lebt hat er auch eine Überlebenschance.“, entschlossen greife ich in den Käfig und drücke das kleine an mich. Natürlich habe ich keine Ahnung von Vogelkindern. Bei uns gelten zwar Adler als ein sehr wertvolles Tier, von daher verstehe ich diese Käfige auch nicht, aber ich hatte nie etwas mit ihnen zu tun, denn zu den Falknern durfte ich ja nicht. Das einzige was ich weiß, ist dass sie durchgekautes Essen brauchen. Das kann noch zu einem Problem werden. So nehme ich mir ein kleines Stück Brot aus der Hosentasche. Ich nehme immer etwas zu Essen mit in die Höhle, denn wenn es zu langweilig ist, beschäftige ich mich damit. Früher haben Penny und ich regelmäßig dort gegessen. Der Gedanke an die Zeit versetzt mir einen Stich, denn es erinnert mich an ihren Verrat. Dieser Gedanke bringt mich jetzt aber nicht weiter, daher versuche ich nicht darüber nachzudenken.
Jetzt bin ich nur froh, das Brot noch nicht gegessen zu haben. So kaue ich darauf herum und versuche es dem Vogel einzuverleiben. Da er von allein nicht zupackt, schiebe ich es ihm mit dem kleinen Finger tief in den Hals. Seth beobachtet mich. „W-wir m-müssen l-los, i-ich w-weiß n-nicht w-wann er w-wiederkommt.“, so dreht er sich um, schaut aber noch einmal über die Schulter, ob ich auch komme. Natürlich folge ich ihm, was sollte ich auch sonst tun. Nach einigen Metern wird mir bewusst, dass wir in die entgegengesetzte Richtung gehen, nämlich immer weiter vom Dorf weg. Irritiert frage ich ihn danach. „W-wir k-können n-nicht z-zurück. E-er h-hat d-deinen E-eltern g-gesagt d-das d-du e-ertrunken w-wärst. E-er war s-so gut g-gelaunt a-als er w-wieder k-kam, deshalb b-bin ich ihm g-gefolgt. D-da ich d-diese H-hütte kenne, bin ich h-hier g-gucken g-gekommen. M-manchmal l-lasse i-ich hier e-einige V-vögel frei. W-wir müssen w-wo anders h-hin.“ Mir fällt auf, dass ihm das Reden mit mir im Moment sehr zu schaffen macht, wahrscheinlich weil er so aufgeregt ist, denn Lucy sagte mal, dass wenn er entspannt sei, es viel besser ist. So frage ich im Moment nicht weiter nach, denn jetzt muss ich ihm einfach vertrauen, auch wenn ich zugeben muss, dass es mir wirklich schwer fällt. Nachdem was Penny getan hat, obwohl wir befreundet waren. So gehen wir eine ganze Zeit lang schweigend hintereinander her. Nebenbei gebe ich dem Küken immer wieder etwas zu fressen, ich kann nur hoffen, dass es das Ganze überleben wird. Als die Dämmerung heraufzieht, bleibt Seth an einem Felsen stehen, hinter einigen Zweigen ist eine Höhle versteckt. Er zeigt dort rein, und ich bin im ersten Augenblick wirklich nicht sicher, aber dann werfe ich die Angst doch über Bord und gehe hinein. Warum hat er diese Höhle? Da ich kaum etwas sehen kann, bleibe ich einfach stehen. So schubst Seth mich an, als auch er herein kommt. Er drängt sich an mir vorbei und macht ein kleines Feuer, so dass ich jetzt auch etwas erkennen kann. Es scheint alles zu geben, was mich doch wieder zweifeln lässt. Wofür sollte er alles so gut vorbereitet haben, denn eigentlich konnte er doch gar nicht wissen, dass er mich retten muss, oder? Vorsichtig gehe ich wieder in Richtung Ausgang. „I-ich l-lebe hier seit einigen W-wochen, als m-mein V-vater mich verjagte, wusste i-ich nicht w-wohin. I-ich war i-ihm P-peinlich. V-vorhin w-war ich im D-dorf um m-mir e-ein p-Paar L-lebensmittel zu stehlen. D-da habe ich aalles m-mitbekommen. A-also können w-wir uns j-jetzt zusammen t-tun oder allein w-weitermachen. A-allerdings solltest d-du wenigstens h-heute Nacht h-hier bleiben.“ Spricht er eigentlich alles an, als wisse er, was in mir vorgeht. So reicht er mir einfach noch etwas Wasser. Nun setzte ich mich ihm gegenüber, denn er hat ja Recht, was sollte ich allein schon machen. Mein Vogel scheint zu schlafen, und ich bin auch ziemlich erschöpft, so lehne ich mich zurück, und versuche zur Ruhe zu kommen. Seth reicht mir noch zwei Decken, dann legt auch er sich hin.
Wieder Träume ich von dieser fürchterlichen Dunkelheit, erneut fühle ich mich von den Stimmen bedroht. Schwer keuchend erwache ich wieder. Seth schaut mich erstaunt an: „Du h-hast g-geschrien.“ Da es sich fragend anhört erzähle ich ihm, von meinen Träumen. Interessiert schaut er mich weiter an. Erwartungsvoll zeigt er auf meine Haare. „Sie sind anders ich weiß. Um solche Dinge, wie mit Chris zu verhindern, hat meine Mutter sie immer mit Asche eingerieben. Schreckt es dich jetzt ab, dann werde ich sofort verschwinden. „Q-quatsch, aber d-da ist d-doch noch mehr, s-sonst wäre e-er n-nicht so weit g-gegangen?“ Betreten schaue ich zu Boden, vertraue ich ihm soweit um ihm von meinem Mal zu erzählen? Während ich noch überlege, reicht er mir wortlos ein Stück Brot und etwas Käse. Er bedrängt mich nicht weiter. Während des Essens, schaue ich ihn die ganze Zeit an. Nebenbei füttere ich auch meinem Vogel, dieser scheint heute schon etwas munterer zu sein. Nach dem Essen drehe ich meinen Oberkörper etwas, so dass er ein wenig von meinem Mal sieht. Zischend zieht er die Luft ein. Erschrocken drehe ich mich wieder um. „W-wahnsinn, i-ich habe n-noch n-nie ein so g-großes gesehen.“ Mist, und er hatte noch nicht einmal alles zu sehen gekriegt. Gerade als ich die Flucht ergreifen will, legt er mir sanft die Hand auf den Arm. „D-du s-solltest k-kämpfen üben, und ins D-dorf k-kannst du nie w-wieder z-zurück, sie w-würden dich töten. D-das K-kämpfen kann ich dich l-lehren. N-natürlich n-nur wenn du willst.“ Keine Ahnung warum, aber das gibt jetzt den Ausschlag, dass ich ihm vertraue. Denn er macht nicht den Eindruck, als wenn er mich jetzt verabscheut, nein er will mir sogar noch helfen. Also nicke ich schüchtern. „Es würde mich sehr freuen, wenn du mir etwas beibringen könntest. Denn so hilflos wie gestern will ich nie wieder sein. Aber den Kleinen hier, werde ich behalten. Auch wenn ich zugeben muss, er ist schon ziemlich hässlich, mit diesen paar Kielen, zwischen dem Pflaum und sein großer wackelnder Kopf und die Glubschaugen machen das auch nicht besser.“ Nun muss Seth richtig lachen. „D-das ist n-nun mal bei S-schlangenadlern so, aber selbstverständlich d-darfst du i-ihn behalten.“ „Meinst du wirklich, ich kann nie wieder zurück? Sie werden sich große Sorgen machen.“, frage ich nun doch schüchtern. „Nein, denn, w-was a-auch immer er m-mit d-dir vorhatte, er w-würde es d-durchziehen. B-bei dem Mal, bin ich mir n-nicht einmal s-sicher ob er uns nicht v-verfolgt.“ Erschrocken schaue ich ihn an. Meine Güte so würde ich uns beide in Gefahr bringen. Aber so tapfer, um mich allein durchzuschlagen, bin ich nun mal auch nicht. Ich kann nur hoffen, dass er sich irrt.
Kapitel 4
Seth steht auf und winkt mir zu, ihm zu folgen. Draußen sehe ich wie er fürsorglich einige Äste zusammenlegt, es mit Moos auskleidet, um den Vogel bequem in die Sonne zu packen. Anfangen will er mit meiner Kondition, wie er meint. Was soll denn wohl mit der nicht in Ordnung sein? Allerdings will ich auch nicht gleich widersprechen, denn er nimmt ja so einiges für mich auf sich. Aber nachdem ich die ersten Male bis zum Fluss und wieder zurückgelaufen bin, weiß ich, was er meint. Es sind bestimmt nicht mehr wie zweihundert Meter, doch ich bin völlig am Ende. Meine Lunge brennt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass gar kein Sauerstoff in meiner Lunge ankommt. Immer wieder japse ich nach Luft. Erschöpft lasse ich mich erst einmal ins Gras fallen. Nicht einmal trinken kann ich, so schnell atme ich. Also, so werde ich nie vor irgendjemandem weglaufen können. Er hat Recht, das muss unbedingt besser werden. Morgen würde ich das wieder tun, beschloss ich. Leider habe ich bei diesem Gedanken Seth’s Ehrgeiz nicht mit bedacht. Sobald ich wieder gleichmäßig atme, und auch ordentlich getrunken habe, schickt er mich wieder los. So geht es noch zweimal, bis er meint, es sei Zeit etwas zu essen. Die letzten Male werden immer schlechter, so dass ich auch nicht verstehe, was das bringen soll. Doch als ich nach dem Essen protestieren will, schüttelt er nur den Kopf und zeigt auffordernd in Richtung Fluss. Vor mich hin schimpfend mache ich mich also wieder auf. Dies bringt mir nur entsetzliches Seitenstechen ein. So das ich mit Tränen in den Augen einfach hinfalle. Sauer bleibe ich liegen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Gut ich bin nie groß gelaufen, ging ja auch nicht, denn immer musste ich ja aufpassen, dass mich niemand sieht. Also war Schleichen eigentlich meine bevorzugte Gangart.
Besorgt kommt Seth auf mich zu, als er sich zu mir runterbeugt, schimpfe ich: „Das ist doch Mist, ich bin nun mal nicht zum Laufen geschaffen. Wenn ich doch bloß normal wäre, dann könnte ich jetzt zusammen mit meinen Eltern etwas tun. Aber nicht einmal das, war mir in den letzten Jahren vergönnt. Wir brauchen uns nichts vormachen, so etwas kann ich nicht. Immer hat Mom alles für mich gemacht, denn raus durfte ich schließlich nie.“ „N-nun zum s-schimpfen hast d-du ja genug L-luft. A-also geht d-das L-laufen auch wieder.“, antwortet er grinsend. „Ich will aber nicht mehr.“, schreie ich und gehe humpelnd wieder zu unserer Höhle. Unterwegs schnappe ich mir noch den kreischenden Vogel. Stöhnend lehne ich mich drin an die Wand. Seth kommt mit seinem Becher zu mir. Schweigend reicht er ihn rüber, und statt jetzt irgendeinen Kommentar zu lassen, macht er ihn immer wieder voll. Am Ende ist mir schon richtig schlecht. So dauert es nicht lange und ich muss mal. Hätte ich bloß nicht so viel getrunken, nun musste ich irgendwie wieder aufstehen um raus zu gehen. Mich auf beiden Händen abstoßend, schaffe ich es beim dritten Anlauf. Nach draußen zu gehen ist wirklich anstrengend.
Nachdem ich wieder reinkomme, lege ich mich einfach gleich hin, denn eigentlich will ich nur noch schlafen. Anscheinend bin ich so erschöpft, dass ich nicht einmal mehr träume, denn ich wache erst wieder auf, als es draußen schon dunkel ist. Meine Blase hat mich geweckt. Seth ist noch wach, und hält mir wieder eine Tasse mit Trinken hin. Wenn ich dachte, vorhin wäre das Aufstehen mühselig gewesen, dann habe ich mich aber so richtig geirrt. Während meiner Aufstehversuche, durchzuckt mich ein Wahnsinnsschmerz, in meinem rechten Bein. Aufschreiend schmeiße ich mich wieder hin. Mitfühlend drückt Seth gegen die Fußsohle. Nur damit ich im linken auch einen Krampf bekomme. Es tut so weh, dass mir die Tränen über mein Gesicht laufen. Als es etwas besser wird, hilft er mir beim Aufstehen. Wenn ich auch nur die geringste Chance hätte, jetzt allein hochzukommen, würde ich seine Hand zur Seite schlagen. Doch so muss ich seine Hilfe annehmen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass das alles seine Schuld ist. So humpele ich nach draußen. Als ich endlich wieder drin bin, sitzt er immer noch am Feuer. Mit besorgtem Blick schaut er mir entgegen. „E-es t-tut mir leid, d-das es dir so s-schlecht geht. A-aber ich h-habe es n-nur gut g-gemeint. Du m-musst viel T-trinken, so das d-dein K-körper alles verarbeiten kann. V-viel bewegen wird dir auch h-helfen. A-aber du wirst w-weitermachen m-müssen, denn mit Sicherheit w-werden s-sie dich j-jagen.“ „Der einzige der es auf mich abgesehen hat, bist doch wohl du. Ich weiß noch nicht einmal mehr, wie ich mich hinlegen soll, vor allem habe ich jetzt schon Angst vorm nächsten Aufstehen. Demzufolge bist du doch derjenige der mich quält….“ Mist als ich sein betroffenes Gesicht sehe, merke ich erst wie verletzend meine Worte sind. Klar weiß ich, dass es sein kann, dass Chris die Sache nicht so auf sich beruhen lässt. Er war einfach zu erpicht auf diesen Tausch. Da ist die Wahrscheinlichkeit schon sehr hoch, dass er mich verfolgt. Auch wenn ich immer noch keine Ahnung habe, was er eintauschen will. Trotzdem bin ich jetzt nicht bereit, dies alles zuzugeben, dafür sind die Schmerzen einfach zu groß. So lege ich mich mit einem Stöhnen wieder hin. Auch Seth legt sich ohne ein weiteres Wort schlafen. Schweigend nehme ich das Trinken und stelle es neben mich. Denn selbst wenn es nur eine kleine Chance gibt, dass es mir dadurch besser geht, würde ich diese nutzen. Zweimal wache ich nachts aufschreiend auf, denn wieder ist diese erdrückende Dunkelheit da. Auch die Stimmen reden wieder davon, mich finden zu wollen. Dies alles erschreckt mich dermaßen, dass ich mich nicht nach draußen traue. So muss ich einhalten, bis ich in der Dämmerung mühsam wieder aufstehe. Mir tut wirklich alles weh, nicht nur die Beine. Als wäre es nicht schon schlimm genug, wie ein Säugling zu laufen, der sich auf jeden Schritt konzentrieren muss, nein auch mein Rücken und meine Arme kann ich nicht einfach so bewegen. Mist ich werde mich heute soweit es geht, gar nicht rühren, da kann er machen was er will. Natürlich ist mir bewusst, dass das jetzt bockig ist, aber das ist mir einfach egal. Nachdem ich wieder in die Höhle komme, bin ich vor Anstrengung schweißgebadet. Da Seth noch schläft, lege ich mich auch wieder hin.
Kapitel 5
Beim nächsten Aufwachen, kann ich mich an meinen Traum gar nicht mehr erinnern. Nur muss es um einiges schlimmer gewesen sein, denn meine Atmung geht genauso schnell, wie gestern nach dem Laufen. Was hat das alles zu bedeuten, ich fühle mich richtig verfolgt. Aber warum? Weshalb war Chris so entsetzt und gleichzeitig doch glücklich und erleichtert? Was war an meinem Mal so wichtig? Ich bin doch nur ein Mädchen mit Mal, die wurden doch entsorgt, über so etwas ist man nicht glücklich! Außerdem sprach er doch von Verhandlungsbasis aber worüber will er verhandeln und vor allem mit wem? Gut mein Mal war riesig, aber bis jetzt hatte sich noch keines meiner Talente gezeigt. Alle meinten, dass man ja auch ein großes Mal haben kann, ohne ein besonders wichtiges Talent zu besitzen. Und dann diese unheimlichen Träume, was wollten diese Stimmen von mir? Mir raucht schon langsam der Kopf, als der Vogel hinter mir, laut und eindringlich anfängt zu schreien. Vorsichtig drehe ich mich um, denn mal von den Schmerzen bei jeder Bewegung abgesehen, habe ich echt Angst vor einem erneuten Krampf. Jetzt erst, fällt mir auf, das Seth nicht mehr an seinem Platz liegt. Erschrocken komme ich hoch. Er wird mich doch nicht allein gelassen haben, das konnte er doch nicht tun. Gut, ich war echt gemein zu ihm, aber allein würde ich das nie hinbekommen. Die Angst, jetzt ganz auf mich allein gestellt zu sein, sorgt dafür, dass ich ohne zu überlegen auf die Beine komme. Der Schmerz ist immer noch präsent, doch die Panik macht es mir möglich, mich schnell zu bewegen. In diesem Moment sehe ich zwei Becher mit Trinken und eine Scheibe Brot mit Käse. Erleichtert stoße ich die Luft aus, mir wird erst jetzt bewusst, dass ich sie angehalten habe. Er würde mir ja wohl nicht noch Frühstück hinstellen, bevor er mich allein lässt. Sicher bin ich mir aber nicht, also beeile ich mich mit dem Frühstück, auch dem Küken gebe ich etwas davon ab. So bin ich in Rekordzeit fertig und gehe schnell raus. Schnell ist natürlich übertrieben, denn ich eiere immer noch, bei jedem Schritt. Vor der Höhle schaue ich mich um, aber Seth ist nirgends zu sehen, ich will ihn schon suchen gehen, da fällt mir ein, dass ich den Eingang der Höhle noch verdecken muss. Das mir das noch einfällt, schiebe ich auf diese fürchterlichen Träume, denn irgendetwas werden sie ja zu bedeuten haben. In den letzten Jahren, hatte ich mit so etwas ja keine Probleme.
Während ich also Seth suche, denke ich darüber nach, wie sehr sich mein Leben in nur zwei Tagen verändert hat. Wenn ich bedenke, dass meine einzige Sorge gewesen ist, auch mal raus zu dürfen. Jetzt kommt es mir richtig lächerlich vor. In diesem Augenblick sehe ich ihn, er ist am Fluss. Immer wieder sticht er mit einem Stock ins Wasser, um einige Fische zu fangen. Meine Güte, wie froh ich bin ihn zu sehen. Jetzt kommen mir meine Worte von gestern Abend richtig fies vor. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob ich die Geduld hätte mich mit jemandem wie mir zu befassen. Auch ihm wird bewusst sein, das ich eigentlich nur eine Gefahr für ihn bin. Schließlich hat er genug eigene Probleme. Sein Vater hat ihn einfach vertrieben, nur weil er ein Sprachproblem hat. Ich meine es gibt doch wohl ganz andere Sachen. Da ist nun wirklich nichts dabei. Allein hätte er es mit Sicherheit leichter, denn ich bin nun wirklich keine Hilfe bei dieser ganzen Sache. Statt froh und dankbar für seine Hilfe zu sein, beschimpfe ich ihn. Mein schlechtes Gewissen wird immer größer, inzwischen ist mir richtig schlecht. Es wäre ihm nicht zu verdenken, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will.
Irgendwie scheint er meine Gegenwart gespürt zu haben, denn er schaut mich direkt an und winkt mich zu sich. Das nehme ich erst einmal als gutes Zeichen. So schnell wie ich mit den Schmerzen kann, also schleichend, gehe ich zu ihm. Er steigt von seinem Stein runter und weist auf den anderen. So setzen wir uns hier erst einmal in die Sonne. Stolz zeigt er auf drei Fische, die er schon gefangen hat. Da der Druck in meinem Magen immer mehr zunimmt, fange ich erst einmal mit meiner Entschuldigung an: „Es tut mir leid, was ich gestern gesagt habe. Ich hatte noch niemals solche Schmerzen. Eigentlich ist es mir auch peinlich, dass ich so schnell schlapp gemacht habe. Weshalb ich meinen Frust an dir ausgelassen habe. Bitte, ich wäre wirklich dankbar, wenn du mir weiter helfen würdest. Denn irgendetwas ist an mir, was die haben wollen. Ohne dich schaffe ich es hier draußen einfach nicht. Bitte….“ Seth hebt die Hand, so höre ich mitten im Satz auf. Er schaut an mir vorbei, während er redet. „A-alles ist in O-ordnung, natürlich b-bleibe ich bei d-dir. A-auch ich d-denke das du e-etwas Besonderes b-bist. M-meiner Meinung nach, könntest du ddas gesuchte K-kind sein. N-nur das w-würde Sinn e-ergeben, a-aber selbst w-wenn nicht, musst du l-lernen dich zu v-verteidigen. D-die Veränderungen k-kommen, in l-letzter Zeit v-viel zu schnell, so d-das du nicht viel Zeit hasst d-deine Talente in d-den Griff zu bekommen. Da d-du immer I-isoliert warst, m-musst du viel a-aufholen. D-daher dieses T-tempo. T-tut mir leid.“ Am Ende schaut er mich wieder an. Es scheint ihm zu helfen, wenn er mich nicht direkt ansieht, aber das ist für mich in Ordnung. „Du hast absolut recht, so wie es jetzt ist, kann es auf keinen Fall bleiben. Auch wenn ich meine, dass ein Mädchen nicht dieses Kind sein kann, sagen meine Träume mir, dass irgendjemand etwas Schreckliches mit mir vorhat. Denn sie werden immer häufiger. Bitte, ich kann zwar heute nicht laufen, eigentlich kann ich mich nicht einmal bewegen, aber ich werde es tun, so wie du gesagt hast. Während ich viel trinke, überlegst du, was ich sonst noch lernen muss. Du bist in diesen Dingen um einiges besser, wie ich. In Ordnung?“ Er nickt mir nur lächelnd zu.
Seth nimmt die Fische hoch. Nachdem er sie ausgenommen hat, gibt er mir die Innereien. Das ist sowas von ekelig, das ich mich überwinden muss, sie überhaupt in die Hand zu nehmen. Fragend schaue ich ihn an, denn was sollte ich mit dem Mist. Doch er weist nur zu unserem Vogel, der in diesem Moment wieder laut anfängt zu schreien. „Auf gar keinen Fall werde ich dieses vorkauen, das kannst du echt vergessen.“, meine ich und schaue ihn entsetzt an. Seth lacht laut auf, und zeigt noch einmal in Richtung Schreihals. Dieser reckt schon den Kopf. Prompt werde ich rot, er hatte gar nicht gemeint ich solle es vorkauen, ich sollte es ihm so geben. Gott ist mir das peinlich. Da mein Vogel immer noch schreit, sage ich „Scream werde ich dich nennen, denn deine Schreierei ist ja fürchterlich.“ Während ich ihm ein kleines Stück vor den Schnabel halte, sehe ich wie Seth nickt, also scheint ihm der Name auch zu gefallen. „Au!“, schreie ich auf, denn Scream hat mir voll in den Finger gebissen, vor lauter Gier. Entsetzt schaue ich ihn an, denn er schnappt immer weiter zu, also reiche ich ihm schnell mehr. So ein Fresssack, er hat in null Komma nichts, die Innereinen von zwei Fischen weg. Anschließend legt er sich hin, anscheinend will er jetzt hier schlafen.
Seth steht auf, um in Richtung Höhle zu gehen. Kurz überlege ich, ihm zu folgen. Aber ich will mir erst die Hände waschen, außerdem wird mir ein wenig Wasser nicht schaden. So gehe ich etwas in den Fluss. Das Wasser ist zwar kalt, aber ich fühle mich besser, als ich mich frisch gemacht habe. So gehe ich am Ufer immer wieder auf und ab. Schließlich muss meine Kleidung wieder trocknen, außerdem soll ich mich ja viel bewegen.
Seth hatte tatsächlich recht, mit jedem Mal Auf und Abgehen, fühlen sich meine Muskeln nicht mehr so schlimm an. Also trinke ich auch jedes Mal, wenn ich an dem schlafenden Scream vorbeikomme, ein paar Schlucke. Gegen Mittag wacht er wieder auf und da er schließlich nicht sein ganzes Leben lang getragen werden kann, gehe ich vor, in Richtung Höhle. Sanft rufe ich ihn und tatsächlich folgt er mir auch ein gutes Stück. Als ich merke wie sein Gang immer torkliger wird, nehme ich ihn hoch. Zusammen kommen wir oben an. Seth hat schon ein Feuer gemacht, über dem die Fische liegen. Stolz berichte ich, von meinen Fortschritten. Er ist sichtlich erfreut. Anscheinend spricht er wirklich nur das Nötigste, was man bei seiner Vorgeschichte ja auch gut verstehen kann. Aber so muss ich einfach aufmerksamer sein, um zu sehen, was er meint. Bis jetzt scheint es ja zu klappen.
Während wir essen, schaue ich mir seinen Stock an. Als er ihn mir reicht, untersuche ich ihn ganz genau. Es ist ein ganz normaler Stock, dessen Spitze so bearbeitet worden ist, dass sie wie eine Klinge aussieht. Wahrscheinlich dient er nicht nur als Hilfsmittel um Fische zu fangen, sondern man konnte sich auch bestimmt gut damit verteidigen. Falls man sie zu gebrauchen weiß. „Könntest du mir beibringen, mit so etwas umzugehen? Nur für den Fall das ich mal angegriffen werde?“ Antwortend nickt er nur. Erfreut und voller Erwartung rufe ich: „Wann machst du mir auch so einen, dann können wir gleich anfangen.“ Schweigend schaut er mich nur an. Aus seinem Blick kann ich erkennen, dass er nicht vorhatte mir einen zu machen. „Seth, ich habe keine Ahnung von solchen Dingen. Wie soll ich denn wissen, welcher geeignet ist.“, versuche ich ihn doch noch zu überreden, doch er guckt nur weiter vor sich hin. „Dann muss ich es wohl so lange versuchen, bis es der richtige ist, stimmt’s?“ bei diesen Worten passieren zwei Dinge. Erst sehe ich, wie er nickt und im nächsten Moment gehe ich auch schon in die Knie. Denn es durchfährt mich ein Schmerz, in meinem linken Schulterblatt, als wenn sich jemand dort festkrallt. Keuchend versuche ich wieder zu Atem zu kommen, doch jetzt bekomme ich auch noch einen Krampf in meinem Bein. Fluchend und weinend liege ich am Boden. Seth beeilt sich zu mir zu kommen. Anscheinend geht er davon aus, dass es sich wieder um einen Krampf handelt, denn er drückt gegen meine Fußsohle. Nachdem der Schmerz nachlässt, schimpfe ich wieder einmal vor mich hin: „Verdammt noch mal, was ist das denn schon wieder, diesen Schmerz hatte ich noch nie, nimmt das denn überhaupt kein Ende mehr? Ist es nicht genug, dass ich meine Eltern nicht wiedersehe, nein jetzt krallt sich auch noch etwas in meine Schulter. Ich will das alles nicht mehr. Dieser ganze Mist, geht mich doch eigentlich nichts an. Ich will mein altes Leben zurück, nie wieder werde ich darüber klagen, dass ich nicht ins Dorf darf.“, heulend laufe ich einfach in den Wald. Ich will ein wenig für mich sein. Klar ist mir bewusst, dass ich aufhören muss, ewig zu jammern. Denn dadurch wird es auch nicht besser. Früher habe ich immer gedacht, wie stark ich sein könnte, wenn man mir bloß die Gelegenheit dazu lassen würde. Was habe ich meine Brüder immer beneidet, für mich war immer klar, dass sie ein abenteuerliches Leben führen. Doch so toll sind Abenteuer nicht, wenn ich mal ehrlich bin.
Wo ich aber schon einmal im Wald bin, knicke ich mir gleich einen Ast ab. Damit habe ich wenigstens etwas erledigt. Zurück bei der Höhle, sehe ich gerade noch, wie Seth Scream noch etwas zu fressen geben will, aber anscheinend nimmt er von ihm nichts an. So setze ich mich wieder hin und übernehme es. Gierig greift er wieder zu. Diesmal bin ich aber mit meinen Fingern schneller. Seth sieht sich den Stock, an. „Der ist doch gut, oder?“, erwartungsvoll sehe ich ihn dabei an. Seinem Gesicht kann ich entnehmen, dass er es anders sieht, aber er sagt nichts. Zeigt nur auf meine Schulter. Er will sie sich wohl ansehen, so ziehe ich mein Oberteil an die Seite. Da er wohl nicht alles erkennt, zieht er es noch weiter runter. „Wahnsinn!“, anscheinend ist er so erstaunt, dass er ganz vergisst zu stottern. So versuche ich meinen Kopf so weit zu drehen, damit auch ich etwas sehen kann, doch das geht leider nicht. „Erzähl schon.“, fordere ich ihn ungeduldig auf. „E-es scheint ein Adler zu werden, d-denn einiges ist jetzt s-schwarz. S-sieht aus als wenn e-es ein S-stück vom F-flügel w-wird.“ Jetzt wollte ich es erst recht sehen, aber ganz egal wie ich mich auch verbiege, außer noch mehr Schmerzen in den Muskeln, bringt es mir nichts ein.
Wieder reicht er mir einfach ein Messer, und zeigt auf meinen Stock. Gut ich kann mich genauso gut damit beschäftigen. So fange ich einfach an zu schnitzen. Doch anscheinend hatte er mit seinem Blick wieder einmal Recht, denn ich bekomme einfach keine Spitze hin. Wütend lege ich ihn an die Seite und laufe, meine Schmerzen ignorierend, zum Fluss hin und zurück. Scream versucht mir zu folgen. Ein Stück schafft er es auch, doch da komme ich schon wieder zurück. Das mache ich zwei Mal,