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Diese sieben Laster, oder sieben Todsünden, seit dem 12. Jahrhundert in großen theologischen Abhandlungen und in pastoralen Schriften beschrieben, sind heute noch in vielen Gesellschaften vorhanden. Die folgende Geschichte darüber ist eingebettet in eine Alpenüberquerung, von Oberstdorf nach Meran, erzählt wird von den Zerwürfnissen innerhalb einer industriellen Unternehmerfamilie.
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Seitenzahl: 38
Hochmut (Maria) Neid (Bärbel) Zorn (Franz) Gier (Axel) Völlerei (Rita) Wollust (Herbert) Trägheit (Marianne)
Diese sieben Laster, oder sieben Todsünden, seit dem 12. Jahrhundert in großen theologischen Abhandlungen und in pastoralen Schriften beschrieben, sind heute noch als Vorstellung in vielen Gesellschaften vorhanden. Die folgende Geschichte darüber ist eingebettet in eine Alpenüberquerung, von Oberstdorf nach Meran, erzählt wird von den Zerwürfnissen innerhalb einer industriellen Unternehmerfamilie.
Hieronymus Bosch Die sieben Todsünden, 14. Jahrhundert
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Wie immer begrüßt mich Johann sehr freundlich und öffnet die Wagentür.
„Guten Morgen, Herr Direktor, das Gepäck habe ich bereits eingeladen.“
Ich steige ein. Auf dem Rücksitz liegt die FAZ. Beim Lesen der Wirtschaftsseite höre ich aus dem Autoradio die ersten Nachrichten. Der DAX-Wert unserer Aktie steht bei 26,08 Punkten. Das ist eine positive Veränderung gegenüber dem Vortag um 1,8 Prozent. Der Bildschirm des Computers, im Rücksitz des Beifahrersitzes integriert, ist noch dunkel. Diese Rituale sind mir sehr vertraut. Meine Frau Traudel, meine Haushälterinnen Gundi und Barbara sowie Sepp, der Gärtner, winken mir nach, als wir das Familienanwesen in Herrsching, eine Villa mit Zugang zum Ammersee, über den langen Kiesweg verlassen. Die beiden Hunde, Gin und Tonic, laufen uns bis zum Gartentor hinterher.
Ein schöner Sommermorgen begrüßt uns. Über dem Wasser gibt es, wie immer frühmorgens, Nebelschwaden. Barsche, Schleie und andere Fische tauchen aus der dunklen Tiefe an die Oberfläche. Wasserflöhe und Libellen schwirren über dem spiegelglatten See. Die Schwalben schnappen nach ihnen, jedoch verfehlen sie sie fast immer. Schon als Kind habe ich dieses Treiben gerne beobachtet. Unser Bauerngarten blüht in all seiner Pracht. Und mittendrin spendet der in voller Blüte stehende Kastanienbaum Schatten für das Gemüse. Ich erinnere mich noch genau:
Mit zwölf Jahren musste ich raus aus dieser heilen Welt, in ein Internat im Schwarzwald. Das Schulgebäude lag in einem dunklen, engen Tal. Fast fünf Monate war dort Winter. Das nächstgrößere Dorf, mit tausendachthundert Einwohnern, war sehr weit entfernt. Ich konnte mich zunächst nicht an das Internat gewöhnen. Doch langsam verschwand meine frühere bunte Kinderwelt. Nur einmal in der Woche durfte ich mit meinen Eltern telefonieren. In den Ferien konnten wir Kinder nach Hause. Als ich vierzehn war, starb mein Opa, der das Familienunternehmen aufgebaut hatte. Er hatte mir immer kleine Päckchen mit Süßigkeiten und auch viel Taschengeld geschickt.
Johann holt mich aus meiner Gedankenwelt zurück. Er ist nicht nur mein Coiffeur und Butler, er ist auch mein Begleiter und in vierzig Jahren zu einem Freund geworden. Mit ihm kann ich über alles reden. Über Familienprobleme, aber auch stressige Aufsichtsratssitzen sieht und analysiert er mit einer einfachen und menschlichen Logik.
Ich bin wie immer gespannt auf seine Meinung zum heutigen Tagesablauf.
„Johann, wir fahren zuerst in die Firma.“
Über die A96, nach München, ist es in normalen Zeiten nur eine Stunde Fahrzeit. Doch bereits nach der Auffahrt auf die Bundesstraße werden wir zum dritten Male in diesem Monat durch eine Blockade von diesmal zehn Demonstranten aufgehalten. Einige haben sich mit den Händen am Boden festgeklebt.
Was wollen die schon wieder?
Johann hält an, steigt aus und redet wild diskutierend mit den Demonstranten. Nichts passiert. Dann steige ich aus. Pfiffe und Beschimpfungen werden mir entgegengeschleudert.
„Herr Direktor Reddering, wir sind Friedensaktivisten und protestieren gegen das neu entwickelte Waffensystem AK-KHS-01, ein Tötungsgerät für den Kampfhubschrauber Steinadler, das als reine Angriffswaffe für die Militärs dieser Welt entwickelt wurde“, so der Rädelsführer.
„Ich lade euch alle für den Nachmittag zu einem Gespräch in meiner Firma ein. Dann können wir über alle Details reden“ entgegne ich.
„Lasst uns bitte weiterfahren, ich habe einen sehr wichtigen Termin.“
Plötzlich durchströmt ein Kribbeln meine rechte Körperseite. Meine Beine versagen. Johann steht hinter mir und hält mich fest. Die Demonstranten erstarren und sind schockiert. Der Rädelsführer wählt den Notruf, die 112. Sie rollen ihre Transparente ein und geben den Weg frei für den Rettungswagen, der bereits nach fünf Minuten mit Blaulicht angebraust kommt.
„Johann, bitte benachrichtige meine Sekretärin, Frau Mittler, sage ihr, dass sie alles in die Wege leiten soll“, sind meine letzten Worte.