Die Lederstrumpf-Romane - James Fenimore Cooper - E-Book

Die Lederstrumpf-Romane E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

James Fenimore Cooper (1789-1851) war ein amerikanischer Schriftsteller der Romantik. Sein umfangreiches Werk umfasst zahlreiche historiografische Werke, Essays und Satiren über Amerika wie Europa. Besonders bekannt sind bis heute seine fünf »Lederstrumpf«-Romane.

Alle Lederstumpf-Romane in vollständiger Gesamtausgabe in einem Band

· Der Wildtöter

· Der letzte Mohikaner

· Der Pfadfinder

· Die Ansiedler oder Die Quellen des Susquehannah

· Die Prärie (Die Steppe)

James Fenimore Coopers Lederstrumpfgeschichten sind ein Welterfolg. Sie erzählen von den endlosen Wäldern Amerikas und den erbitterten Kämpfen um die Vorherrschaft im Nordosten des Landes zwischen Indianern und Siedlern.

Sie begeistern immer wieder aufs Neue durch die breit angelegte, fesselnde Handlung, die jeden in ihren Bann zieht. Diese Abenteuergeschichten von Flucht, Verrat und Verantwortung schufen das Urbild des Indianerromans.

Cooper war der erste große Geschichtenerzähler der USA und seine Romane wurden zu Vorlagen für eine Reihe von Verfilmungen und Ausgangspunkt für viele Hollywood-Western.

Der Mythos Amerikas als großartige und faszinierende Abenteuergeschichte!

Der nexx verlag veröffentlicht Neu- und Wiederauflagen von besonderen Klassikern der Weltliteratur, die bezüglich Rechtschreibung und Lesegewohnheiten aufwändig „in die Gegenwart geholt“ werden, ohne den Text zu verfremden. Erleben Sie das Lesen dieser besonderen Bücher neu oder entdecken Sie die wunderbaren Werke für sich!

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James Fenimore Cooper

Die Lederstrumpf-Romane

Der Wildtöter

Der letzte Mohikaner

Der Pfadfinder

Die Ansiedler

Die Prärie

Vollständige Gesamtausgabe.

James Fenimore Cooperw

Die Lederstrumpf-Romane

Vollständige Gesamtausgabe.

ISBN/EAN: 978-3-958-70685-9

1. Auflage

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam

angepasst.

Cover: Gemälde "American Frontier Life" von Arthur Fitzwilliam Tait

(1819–1905), Gestaltung: nexx verlag gmbh

www.nexx-verlag.de

Der Wildtöter

Vorrede

Dieses Buch wurde nicht ohne manche Besorgnisse wegen seiner mutmaßlichen Aufnahme geschrieben. Einen und denselben Charakter durch fünf verschiedene Werke hindurchführen, konnte als allzu kecke Zumutung an die Gutmütigkeit des Publikums erscheinen, und Manche möchten mit Grund dies als ein Unterfangen ansehen, das an sich schon zur Missbilligung herausfordere. Auf diesen sehr natürlichen Vorwurf kann der Verfasser nur erwidern, dass, wenn er in diesem Fall einen schweren Fehler begangen, seine Leser selbst einigermaßen die Verantwortung dafür auf sich haben. Die günstige Aufnahme, welche den späteren Schicksalen und dem Tode Lederstrumpfs zuteilwurde, hat der Seele des Verfassers wenigstens es zu einer Art von Notwendigkeit gemacht, auch von seinen jüngeren Jahren Nachricht zu geben. Kurz, die Gemälde seines Lebens, wie sie nun einmal sind, waren schon so vollständig, dass sie wohl einiges Verlangen erwecken konnten, die Gesamtzeichnung zu sehen, nach welcher sie alle gemalt wurden.

Die »Lederstrumpf-Erzählungen« bilden jetzt eine Art von fünfaktigem Drama, vollständig, was den Inhalt und den Plan betrifft, wenn auch vermutlich sehr mangelhaft in der Ausführung. So wie sie sind, hat sie die Lesewelt vor sich. Der Verfasser hofft, sie werde, entschiede sie auch dahin, dass der hier vorliegende Akt, der letzte in der Ausführung, obwohl der erste in der natürlichen Ordnung der Lektüre, nicht der beste der ganzen Folge sei, doch das Urteil fällen, dass er auch nicht eben der schlechteste sei. Mehr als einmal hat er sich versucht gefühlt, sein Manuskript zu verbrennen und sich zu einem anderen Gegenstand zu wenden, obwohl er im Verlauf seiner Arbeit eine Aufmunterung von so Eigentümlicher Art erhielt, dass es sich lohnt, sie zu erwähnen. Ein anonymer Brief aus England, von der Hand einer Dame, wie ihn deucht, kam ihm zu, worin er dringend aufgefordert wurde, ungefähr eben das zu tun, was er schon mehr als halb ausgeführt hatte – ein Wunsch, den er sehr gerne als ein Zeichen deutet, dass sein Versuch teilweise werde verziehen, wo nicht entschieden gebilligt werden.

Wenig braucht er über die Charaktere und die Szenerie dieser Erzählung zu sagen. Jene sind natürlich Werk der Dichtung; diese aber ist der Natur so treu, als nur immer die vertraute Bekanntschaft mit dem jetzigen Aussehen der geschilderten Gegend, und Vermutungen über ihren früheren Charakter, so wahrscheinlich als die Einbildungskraft sie an die Hand gab, den Verfasser in Stand setzten, sie zu schildern. See, Berge, Tal und Wald sind insgesamt, wie er glaubt, genau genug dargestellt, während Fluss, Fels und Küste treue Abzeichnungen der Natur sind. Selbst die einzelnen vorspringenden Punkte existieren, etwas verändert durch die Zivilisation, aber doch so entsprechend den Schilderungen, dass Jeder, der mit der Szenerie der fraglichen Gegend vertraut ist, sie leicht erkennt.

Was die historische Treue bei den Ereignissen dieser Erzählung im Ganzen und im Einzelnen betrifft, so ist der Verfasser gesonnen, hier auf seinem Recht zu bestehen, und darüber nicht mehr zu sagen, als was er für notwendig erachtet. Bei dem großen Streit um Wahrheit, der zwischen Geschichte und Fiktion waltet, ist der Vorteil so oft auf der Seite der letzteren, dass er sehr geneigt ist, den Leser auf seine eigenen Forschungen zu verweisen, um über diesen Punkt ins Reine zu kommen. Sollte es sich bei genauer Untersuchung zeigen, dass ein anerkannter Historiker, dass öffentliche Urkunden oder auch Lokaltraditionen den Angaben dieses Buchs widersprechen, so ist der Verfasser bereit, zuzugestehen, dass der Umstand seiner Aufmerksamkeit gänzlich entging, und seine Unwissenheit zu bekennen. Andererseits, sollte sich's finden, dass die Annalen Amerikas nicht eine Silbe enthalten, die dem, was hier der Welt vorgelegt wird, widerspräche – wie er denn fest glaubt, dass die Forschung dies ausweisen werde – so wird er für seine Erzählung genau so viel Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen, als sie verdient.

Es gibt eine ansehnliche Klasse von Romanlesern – ansehnlich ebenso wegen ihrer Zahl als in jedem anderen Betracht – die man oft mit dem Mann verglichen hat, der »singt, wenn er liest, und liest, wenn er singt«. Diese Leute sind über die Maßen phantasiereich in allem Tatsächlichen, und so buchstäblich pedantisch, wie die Übersetzung eines Schulknaben, in Allem, was zur Poesie gehört. Zum Nutzen all dieser Leute wird hiermit ausdrücklich erklärt, dass Judith Hutter eben Judith Hutter ist, und keine andere Judith; und überhaupt, dass, wenn irgendwo bei einem Taufnamen oder bei der Farbe des Haares eine Ähnlichkeit, ein Zusammentreffen sich findet, nichts weiter gemeint ist, als was für den Unbefangenen in der Gleichheit des Taufnamens oder der Haarfarbe liegt. Lange Erfahrung hat den Verfasser belehrt, dass dieser Teil seiner Leser der bei weitem am schwersten zu befriedigende ist, und er möchte ihnen, zum Besten beider Parteien, den ehrerbietigen Rat geben, den Versuch zu machen und Werke der Einbildungskraft so zu lesen, als wären es Erzählungen positiver Tatsachen. Ein solches Verfahren könnte sie vielleicht in Stand setzen, an die Möglichkeit der Dichtung zu glauben.

Erstes Kapitel

Ereignisse haben für die menschliche Vorstellung die Wirkungen der Zeit. So kann sich, wer weit gereist ist und viel gesehen hat, leicht einbilden, lange gelebt zu haben, und diejenige Geschichte, welche am reichsten ist an wichtigen Begebenheiten, nimmt am frühesten den Charakter und Schein eines weit zurückreichenden Alters an. Auf keine andere Weise vermögen wir uns das Gepräge von Ehrwürdigkeit zu erklären, das schon den Annalen Amerikas anhaftet. Wenn der Geist zurückschaut in die frühesten Tage der Geschichte der Kolonien, so scheint jene Periode fern und dunkel, da die tausend Wechselfälle, welche an die Kettenglieder der Erinnerung sich herandrängen, den Ursprung der Nation in eine Ferne rückwärts schieben, die scheinbar im Nebel unvordenklicher Zeit liegt, und doch würden vier Menschenalter von gewöhnlicher Lebensdauer hinreichen, um von Mund zu Mund, in der Gestalt der Tradition, Alles zu überliefern, was zivilisierte Menschen im Bereich der Republik geleistet haben. Obwohl New York allein eine Bevölkerung besitzt, größer in Wahrheit, als die der vier kleinsten Königreiche Europas, oder auch als die der gesamten Schweizerischen Eidgenossenschaft, ist es doch erst wenig mehr, als zwei Jahrhunderte her, seit die Holländer ihre Niederlassungen gründeten und das Land aus dem wilden Zustand emporhoben. So wird, was durch die Häufung von wechselnden Ereignissen den ehrwürdigen Schein des Alters annimmt, zu vertrauterer Gewöhnlichkeit zurückgeführt, wenn wir es ernst und nüchtern nur in seinem Zeitverhältnis ins Auge fassen.

Dieser Blick auf die Perspektive der Vergangenheit wird den Leser vorbereiten, dass er die Gemälde, die wir zu entwerfen im Begriff stehen, mit weniger Überraschung betrachtet, als er vielleicht sonst empfunden hätte, und einige weitere Erläuterungen führen vielleicht seine Einbildungskraft zurück zur genaueren und deutlicheren Anschauung desjenigen Gesellschaftszustandes, den wir zu schildern wünschen. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass die Niederlassungen an den östlichen Ufern des Hudson, wie Claverack, Kinderhook und selbst Poughkeepsie vor hundert Jahren als nicht sicher vor Einfällen der Indianer galten, und noch steht an den Uferhöhen des genannten Flusses, nur einen Musketenschuss weit von den Cajen von Albany, ein Schloss eines jüngeren Zweiges der Van Rensselaers mit Schießscharten zur Verteidigung gegen eben jenen schlauen Feind, obwohl es aus einer kaum so fernen Zeit stammt. Andere ähnliche Erinnerungen und Urkunden von der großen Jugend des Landes findet man hin und wieder selbst in den Gegenden, die als der eigentliche Mittelpunkt amerikanischer Zivilisation betrachtet werden – zum klarsten Beweis, dass alle unsere Sicherheit vor Einfällen und feindlicher Gewalttat die Frucht einer nicht viel längeren Zeit ist, als welche nicht selten Ein Menschenleben umfasst.

Die Begebenheiten dieser Erzählung fallen zwischen die Jahre 1740 und 1745, wo die mit Niederlassungen besetzten Striche der Kolonie New York sich auf die vier Atlantischen Bezirke, einen schmalen Landgürtel auf jeder Seite des Hudsons, von dessen Mündung bis zu den Fällen in der Nähe seines Ursprungs, und auf einige wenige vorgeschobene »Nachbarschaften« am Mohawk und Schoharie beschränkten. Breite Gürtel der Wildnis reichten nicht nur bis an die Ufer des ersten Stromes, sondern kreuzten ihn sogar, indem sie nach Neu-England hin sich fortsetzten und mit ihren Wäldern Schutz und Versteck boten dem geräuschlosen Mokassin des eingeborenen Kriegers, wenn er auf dem verborgenen und blutigen Kriegspfad daherschlich. Ein Blick aus der Vogelperspektive auf die ganze Gegend östlich vom Mississippi musste damals eine unermessliche Ausdehnung von Wäldern zeigen, abwechselnd mit einem vergleichungsweise schmalen Saum angebauten Landes der See entlang, punktiert gewissermaßen durch die schimmernden Spiegel der Seen, und durchschnitten von den bewegten Linien der Ströme. In einem so ungeheuren Bild feierlich ernster Einsamkeit verliert sich der Landstrich, dessen Schilderung wir beabsichtigen, fast in Unbedeutendheit, doch fühlen wir uns ermutigt, zur Ausführung zu schreiten, durch die Überzeugung, dass, leichte und unwesentliche Unterschiede abgerechnet, derjenige, dem eine genaue Anschauung eines Teils dieser wilden Gegend zu verschaffen gelingt, notwendig auch einen ziemlich richtigen Begriff vom Ganzen dem Leser geben muss.

Welche Veränderungen und Verwandlungen auch durch die Menschenhand mögen bewirkt worden sein, der ewige Kreis der Jahreszeiten ist nicht zerrissen worden. Sommer und Winter, Saat- und Ernte-Zeit kehren mit erhabener Genauigkeit immer wieder in der ihnen gesetzten Ordnung, und bieten dem Menschen eine der alleredelsten und genussreichsten Gelegenheiten, die hohe Macht seines weitreichenden Geistes zu bestätigen, indem er die Gesetze erfasst, welche ihre strenge Gleichförmigkeit beherrschen, und ihre nie endenden Umkreisungen berechnet. Hunderte von Sommersonnen hatten die Wipfel der edlen Eichen und Fichten erwärmt, und ihre Glut selbst bis in die zähen Wurzeln hinabgesendet, als man Stimmen einander rufen hörte in den Tiefen eines Waldes, dessen laubreiche Höhe in dem glänzenden Licht eines wolkenlosen Junitages schwamm, während die Stämme der Bäume in dem Schatten unten in düstrer Größe sich erhoben. Die Anrufungen waren von verschiedenem Ton, und rührten unverkennbar von zwei Männern her, die den Weg verloren hatten, und jetzt in verschiedenen Richtungen den rechten Pfad wieder suchten. Endlich zeugte ein jauchzender Schrei von glücklichem Erfolg und im Augenblick darauf brach ein Mann hervor aus dem verworrenen Labyrinth eines kleinen Sumpfes und trat in eine Lichtung, welche teils durch die Verheerungen des Windes, teils durch die des Feuers entstanden zu sein schien. Dieser kleine, offene Platz, der eine freie Ansicht des Himmels gestattete, obwohl er ziemlich angefüllt war mit gefallenen Bäumen, lag neben einem der hohen Hügel oder niederen Berge, aus welchen beinahe die ganze Oberfläche der benachbarten Gegend bestand.

»Hier ist ein Platz zum Atemschöpfen!« rief der befreite Waldmann, sobald er sich unter blauem Himmel befand, und schüttelte seinen gewaltigen Körper, wie ein Spürhund, der eben einer Schneewehe entronnen ist: »Hurra! Wildtöter; hier ist wenigstens Tageslicht und dort der See!«

Diese Worte waren kaum gesprochen, als der zweite Waldmann bei dem Buschwerk des Sumpfes hervortauchte und auf dem freien Platz erschien. Nachdem er in der Eile seine Waffen und seine in Unordnung gekommene Kleidung wieder zu Recht gemacht, kam er zu seinem Genossen heran, der schon Anstalten zu einem Aufenthalt machte.

»Kennt Ihr diese Stelle?« fragte der als ›Wildtöter‹ Angerufene; »oder habt ihr so gejauchzt bei dem Anblick der Sonne?«

»Beides, Junge, beides; ich kenne die Stelle und es tut mir nicht leid, einen so nützlichen Freund zu erblicken, als die Sonne ist. Jetzt haben wir doch wieder die Richtungen des Kompasses im Kopf, und es ist jetzt unser eigener Fehler, wenn wir sie uns wieder durch irgendetwas kunterbunt durcheinanderwerfen lassen, wie uns vorhin geschah. Mein Name ist nicht Hurry Harry, wenn dies nicht der Platz ist, wo die Land-Jäger im letzten Sommer lagerten und eine Woche zubrachten. Seht, dort sind die abgestorbenen Büsche von ihrem Zelt, und hier ist die Quelle. So sehr ich die Sonne liebe, Junge, so brauche ich mir doch jetzt nicht von ihr sagen zu lassen, dass es Mittag ist; dieser mein Magen ist ein so guter Zeitmesser, als es nur immer in der Kolonie gibt, und er weist schon auf halb ein Uhr. So öffnet denn den Quersack, damit wir uns wieder aufziehen, um weitere sechs Stunden zu gehen.«

Auf diesen Vorschlag machten sich Beide daran, die nötigen Vorbereitungen zu ihrem einfachen, aber herzhaften Mahl zu machen. Wir wollen diese Unterbrechung des Gesprächs benützen, dem Leser einen Begriff von der äußeren Erscheinung der Männer zu geben, welche beide bestimmt sind, eine nicht unbedeutende Rolle in unserer Erzählung zu spielen. Es wäre nicht leicht gewesen, ein edleres Bild kraftvoller Männlichkeit zu finden, als welches in der Person desjenigen sich darbot, der sich selbst Hurry Harry nannte. Sein wahrer Name war Henry March; aber die Grenzmänner haben von den Indianern die Sitte angenommen, sobriquets (Spitznamen) zu geben, und so wurde die Bezeichnung: »Hurry« weit öfter gebraucht, als sein eigentlicher Name und nicht selten wurde er Hurry Skurry genannt, ein Spitzname, den er wegen seines fahrigen, rücksichtslosen, kurzangebundenen Wesens bekommen hatte, und wegen einer physischen Rastlosigkeit, die ihn in so beständiger Bewegung erhielt, dass er auf der ganzen Linie der zwischen der Provinz und Kanada zerstreuten Wohnungen bekannt war. Die Statur Hurry Harrys betrug über sechs Fuß einen Zoll, und da er ungemein wohl gebaut war, entsprach seine Stärke vollkommen den Begriffen, die sein riesenhafter Körper erweckte. Das Gesicht passte gar nicht übel zu dem übrigen Mann, denn es war gutmütig und hübsch. Sein Wesen war frei und offen, und obwohl sein Benehmen und seine Art notwendig von der Rohheit des Grenzer-Lebens etwas annehmen mussten, verhütete doch die einer so edlen Natur angeborene Großartigkeit, dass er nie ganz gemein werden konnte.

Wildtöter, wie Hurry seinen Begleiter nannte, war seinem Äußeren wie seinem Charakter nach, ein ganz anderer Mensch. Was den Wuchs betrifft, so maß er wohl gegen sechs Fuß in seinen Mokassins, aber sein Körper war vergleichungsweise leicht und schlank, zeigte jedoch Muskeln, die, wo nicht ungewöhnliche Stärke, doch ungewöhnliche Gewandtheit verrieten. Sein Antlitz hätte wenig Empfehlendes gehabt, außer der Jugendlichkeit, wäre nicht darin ein Ausdruck gewesen, der selten seines gewinnenden Eindrucks bei Allen verfehlte, die Gelegenheit hatten, es genauer zu prüfen, und dem Gefühl des Vertrauens, das es einflößte, sich zu überlassen. Dieser Ausdruck war einfach der: argloser Wahrhaftigkeit, gepaart mit einem Ernst des Willens und einer Lauterkeit des Gefühls, die man sonst nicht leicht sah. Zu Zeiten erschien dies Gepräge von aufrichtiger Redlichkeit in solcher Einfalt, dass es auf den Verdacht bringen konnte, es fehle ihm an der Fähigkeit, zwischen Trug und Wahrheit zu unterscheiden; aber Wenige kamen in nähere, innigere Berührung mit dem Mann, ohne dies Misstrauen gegen seine Einsichten und Beweggründe zu verlieren.

Beide Grenzmänner waren noch jung, denn Hurry Harry hatte erst das sechs- oder achtundzwanzigste Jahr erreicht, und Wildtöter zählte noch einige Jahre weniger. Ihr Anzug bedarf keiner genauen Beschreibung, nur so viel mag erwähnt werden, dass er zu einem nicht kleinen Teil aus zugerichteten Hirschhäuten bestand, und die gewöhnlichen Spuren an sich trug, welche verrieten, dass er Männern gehörte, die ihr Leben auf der Grenze zwischen der zivilisierten Gesellschaft und den endlosen Wäldern zubrachten. Dennoch bemerkte man einige Aufmerksamkeit und ein Bestreben, sich proper und malerisch zu zeigen in Wildtöters Anzug, und ganz besonders im Punkt seiner Waffen und seines Jagdzeuges. Seine Büchse war im vollkommensten Stand, der Handgriff seines Waidmessers war zierlich geschnitzt, sein Pulverhorn mit passenden Sinnbildern, leicht eingeschnitten in den Stoff, woraus es bestand, verziert, und seine Jagdtasche mit Wampum geschmückt. Dagegen trug Hurry Harry, sei es nun aus natürlicher Gleichgültigkeit, oder im geheimen Bewusstsein, wie wenig seine äußere Erscheinung einer künstlichen Nachhilfe bedurfte, Alles in nachlässiger, liederlicher Weise an sich, als fühle er eine edle Verachtung gegen die ärmlichen Nebendinge, wie Kleidung und Schmuck. Vielleicht wurde der eigentümliche Eindruck, den sein hoher Wuchs und seine schöne Gestalt machten, durch diese einstudierte, hochmütige Gleichgültigkeit in seiner äußeren Erscheinung, eher verstärkt als vermindert.

»Kommt, Wildtöter, haut ein, und beweist, dass Ihr einen Delawaren-Magen habt, wie Ihr nach Eurer Behauptung eine Delawaren-Erziehung gehabt!« rief Hurry, der mit gutem Beispiel voranging, und den Mund aufriss, um ein Stück kalten Wildbrets aufzunehmen, das für einen europäischen Bauern eine ganze Mahlzeit gewesen wäre; »haut ein, Bursche, und zeigt Eure Mannhaftigkeit an diesem armen Teufel von Damtier mit Euern Zähnen, wie Ihr es schon getan mit Eurer Büchse.«

»Nein, nein, Hurry, daran ist nicht viel Mannhaftigkeit, ein armes Tier zu töten, und dazu noch außer der rechten Zeit, wohl aber mag es eine sein, eine Unze oder einen Panter zu fällen,« antwortete der Andere, sich anschickend, der Aufforderung zu folgen. »Die Delawaren haben mir meinen Namen gegeben nicht so wohl in Betracht eines kühnen Herzens, als vielmehr eines scharfen Auges und eines flinken Fußes. Es mag nichts Feiges daran sein, ein Tier zu fällen, aber gewiss ist es keine große Tapferkeit.«

»Die Delawaren selbst sind keine Helden,« murmelte Hurry zwischen den Zähnen, da er den Mund zu voll hatte, um ihn ganz auftun zu können, »sonst hätten sie sich niemals von den lumpigen Vagabunden, den Mingos, zu Weibern machen lassen.«

»Die Sache ist nicht recht bekannt – ist nie recht erklärt worden,« antwortete Wildtöter ernst, denn er war ein ebenso eifriger Freund, wie sein Begleiter als Feind gefährlich war; »die Mingos füllen die Wälder mit ihren Lügen, und missdeuten Worte und Verträge. Ich lebe jetzt zehn Jahre unter den Delawaren, und kenne sie als so mannhaft wie jede andere Nation, wenn die rechte Zeit zum Schlagen kommt.«

»Hört, Meister Wildtöter, weil wir einmal bei dem Gegenstand sind, können wir wohl unser Herz gegen einander öffnen, wie es sich unter Männern ziemt; antwortet mir auf Eine Frage: Ihr habt so viel Glück gehabt mit dem Wild, dass Ihr davon einen Ehrentitel führt, wie es scheint, aber habt Ihr je eine menschliche oder vernünftige Kreatur getroffen? – habt Ihr je abgedrückt auf einen Feind, der im Stande war, auch auf Euch abzudrücken?«

Diese Frage erzeugte in der Brust des Jünglings eine Eigentümliche Kollision zwischen Kränkung und richtigem Gefühl, die sich leicht im Mienenspiel seines redlichen Gesichts lesen ließ. Der Kampf war jedoch kurz; die Aufrichtigkeit des Herzens gewann bald die Oberhand über falschen Stolz und die Prahlsucht des Grenzmanns.

»Die Wahrheit zu gestehen, niemals,« antwortete Wildtöter, »aus dem Grund, weil sich nie eine geeignete Gelegenheit zeigte. Die Delawaren sind friedlich gewesen die ganze Zeit meines Aufenthaltes unter ihnen, und ich halte es für unrecht, einem Menschen das Leben zu nehmen anders als in offenem, ehrlichem Krieg.«

»Was! habt Ihr nie einen Kerl betroffen, der diebisch unter Euren Fallen und Häuten herumschlich, und habt an ihm mit eigener Hand das Gesetz exequiert, um den Behörden die Mühe zu ersparen in den Ansiedlungen, und dem Burschen selbst die Kosten des Prozesses?«

»Ich bin kein Fallenjäger, Hurry,« erwiderte der junge Mann stolz: »ich lebe von der Büchse, einer Waffe, in deren Handhabung ich keinem Mann von meinen Jahren nachstehen will zwischen dem Hudson und dem St. Lawrence. Ich biete nie eine Haut zum Verkauf, die nicht ein Loch am Kopf hat neben denen, welche die Natur dort gemacht hat zum Sehen und zum Atmen.«

»Ja, ja, das ist Alles recht gut mit den Tieren, aber es macht doch eine armselige Figur neben Skalpen und Hinterhalten. Einen Indianer aus einem Hinterhalt niederschießen, heißt nur nach seinen eigenen Grundsätzen handeln, und jetzt, da wir einen rechtmäßigen Krieg haben, wie Ihr es nennt, wird, je eher Ihr diese Schmach von Eurem Gewissen wischt, um so gesünder Euer Schlaf sein, wenn auch nur dadurch, dass Ihr wisst, es schleicht und heult Ein Feind weniger in den Wäldern. Ich werde nicht lange Eure Gesellschaft suchen und hegen, Freund Natty, wenn Ihr den Sinn nicht höher tragt, als Eure Büchse gegen vierfüßige Kreaturen zu gebrauchen.«

»Unsere Reise ist beinahe zu Ende, wie Ihr sagt, Meister March, und wir können heute Nacht uns trennen, wenn es Euch gelegen scheint. Ich habe einen Freund, der auf mich wartet, und der es für keine Schande halten wird, mit einem Mitmenschen umzugehen, der noch keinen seiner Gattung erschlagen hat.«

»Ich möchte wohl wissen, was den schleichenden Delawaren in diese Gegend des Landes geführt hat, so früh in der Jahreszeit,« murmelte Hurry vor sich hin in einer Weise, die ebenso sehr Misstrauen zeigte, als auch Gleichgültigkeit dagegen, ob er es verrate. »Wo sagt Ihr, dass der junge Häuptling Euch zu treffen verabredet habe?«

»Auf einem kleinen, runden Felsen, unten am See, wo, wie man mir sagt, die Stämme ihre Verträge zu machen und ihre Streitäxte zu begraben pflegen. Diesen Felsen habe ich oft von den Delawaren nennen hören, obwohl See und Fels mir gleich unbekannt sind. Der Landstrich wird von den Mingos und von den Mohikanern in Anspruch genommen, und ist in Friedenszeit eine Art von gemeinsamem Grund und Boden zum Fischen und Jagen; was es aber in Kriegszeiten werden mag, weiß der Himmel allein!«

»Gemeinsamer Grund und Boden!« rief Hurry, laut lachend. »Ich möchte wohl wissen, was Floating Tom Hutter dazu sagen würde. Er spricht den See als sein Eigentum an, in Kraft fünfzehnjährigen Besitzes, und wird ihn schwerlich weder den Mingos noch den Delawaren abtreten, ohne darum zu kämpfen.«

»Und was wird die Kolonie sagen zu einem solchen Streit? diese ganze Gegend muss einen Eigentümer haben, da die Herrenleute ihre Begehrlichkeit selbst bis in die Wildnis ausdehnen, auch da wo sie nicht das Herz haben, in eigener Person sich darin umzusehen.«

»Das mag in anderen Teilen der Kolonie angehen, Wildtöter, aber hier nicht. Kein menschliches Wesen, den Herrn ausgenommen, hat einen Fußbreit Boden in dieser Gegend des Landes als sein anzusprechen. Nie wurde eine Feder eingetaucht, Etwas zu Papier zu bringen in Betreff des Hügels oder des Tales hier herum, wie ich den alten Tom oft und viel habe sagen hören, und so hat er den besten Anspruch darauf unter allen Menschen die atmen; und was Tom anspricht, das wird er wohl auch behaupten.«

»Nach dem, was ich von Euch gehört habe, Hurry, muss dieser Floating Tom ein außergewöhnlicher Sterblicher sein; weder Mingo, noch Delaware, noch Bleichgesicht. Auch sein Besitz wäre, nach Eurem Sagen, schon alt, und weit älter als die Grenzansiedlungen. Was ist des Mannes Geschichte und Wesen?«

»Ha, was des alten Toms menschliche Natur anlangt, so gleicht sie wenig anderer Leute Natur, sondern mehr der menschlichen Natur einer Bisamratte. Einige glauben, er sei in seiner Jugend Freibeuter auf dem Salzwasser gewesen, und der Genosse eines gewissen Kidd, der wegen Seeräuberei gehängt wurde, lang ehe Ihr und ich geboren oder bekannt wurden, und er sei in diese Gegend gekommen in der Hoffnung, des Königs Kreuzer würden nie über die Berge herüberkommen, und er könne sich in den Wäldern im Frieden des Raubes erfreuen.«

»Dann war er im Irrtum, Hurry, sehr im Irrtum. Des Raubes kann sich ein Mensch nirgends im Frieden erfreuen.«

»Das ist, je nachdem er eine Gemütsart hat. Ich habe Solche gekannt, die sich dessen gar nicht anders erfreuen konnten, als in wilder Lustbarkeit, und wieder andere, die ihn am besten genossen in einem einsamen Winkel. Manche Menschen haben keinen Frieden und Ruhe, wenn sie keinen Raub finden, und Andere nicht, wenn es ihnen gelingt. Die menschliche Natur ist kurios in diesen Dingen. Der alte Tom scheint zu keiner von beiden Arten zu gehören, denn er genießt seinen Raub, wenn er das Seinige wirklich so erworben, sehr ruhig und behaglich mit seinen Töchtern, und wünscht nicht mehr.«

»Ja, er hat auch zwei Töchter; ich habe die Delawaren, die in der Gegend herum jagten, ihre Geschichten von diesen jungen Frauen erzählen hören. Ist keine Mutter da, Hurry?«

»Es war eine da, wie natürlich, aber sie ist jetzt gute zwei Jahre tot und versenkt.«

»Ha, wie!« sagte Wildtöter, seinen Begleiter mit einigem Erstaunen anschauend.

»Tot und versenkt, sag' ich, und ich denke, das ist gut und klar gesagt. Der alte Kerl versenkte seine Frau in den See, als er von ihr scheiden musste, wie ich als Augenzeuge der Zeremonie versichern kann; aber ob Tom dies getan, um sich das Graben zu ersparen, was kein Spaß ist unter Wurzeln, oder in der Einbildung, dass Wasser die Sünde eher abwasche als Erde, ist mehr als ich sagen kann.«

»War die arme Frau eine ungewöhnliche Sünderin, dass sich ihr Gatte so viel Mühe mit ihrem Leichnam gab?«

»Keine außerordentliche, obwohl sie wohl ihre Fehler hatte. Ich denke, dass Judith Hutter eine so christliche und eines guten Endes würdige Frau war, wie nur irgendeine, die so lange außerhalb des Läutens von Kirchenglocken lebte; und ich meine, der alte Tom versenkte sie wohl fast eher, um sich Mühe zu ersparen, als dass er sich welche gemacht hätte. Es war freilich ein wenig Stahl in ihrem Temperament, und da der alte Hutter ein ziemlicher Flintenstein ist, so gab es wohl hin und wieder Funken zwischen ihnen, aber im Ganzen konnte man sagen, dass sie sich freundschaftlich vertrugen. Wenn sie Feuer fingen, so wurden den Zuhörern solche Blicke in ihr früheres Leben zu Teil, wie man sie etwa in den dunkleren Teilen der Wälder bekommt, wenn ein verirrter Sonnenstrahl, bis herab zu den Wurzeln der Bäume dringt. Aber ich werde Judith immer wertschätzen, da es immer Lob und Empfehlung genug für eine Frau ist, die Mutter eines solchen Geschöpfs, wie ihre Tochter, Judith Hutter, zu sein.«

»Ja, Judith war der Name, den die Delawaren nannten, obwohl sie ihn auf ihre Weise aussprachen. Nach ihren Gesprächen sollte ich nicht meinen, dass das Mädchen sehr nach meinem Geschmack wäre.«

»Nach deinem Geschmack!« rief March, ebenso über der Gleichgültigkeit als über der Anmaßung seines Genossen Feuer fangend; »was Teufels habt Ihr da von Eurem Geschmack zu schwatzen, und dazu noch, wenn es eine Frau, wie Judith, betrifft? Ihr seid nur erst ein Knabe – ein Schössling, der kaum Wurzeln geschlagen. Judith hat Männer unter ihren Anbetern gezählt, seit sie ihr fünfzehntes Jahr zurückgelegt hat, was jetzt beinahe fünf Jahre her ist, und wird nicht Lust haben, auch nur einen Blick auf ein halbgewachsenes Bürschchen zu werfen, wie Ihr seid.«

«Es ist Juni, und kein Wölkchen zwischen uns und der Sonne, Hurry, und somit braucht es all diese Hitze nicht,« antwortete der Andere, im mindesten nicht aus der Fassung gebracht; »und Jeder darf seinen Geschmack haben, und ein Eichhörnchen hat das Recht, sich sein Urteil über einen Panter zu bilden.«

»Ja, aber es möchte nicht immer klug sein, es den Panter wissen zu lassen,« brummte March. »Aber Ihr seid jung und gedankenlos, und ich will Eure Unwissenheit übersehen. Kommt, Wildtöter,« fuhr er mit gutmütigem Lachen fort, nachdem er eine Weile nachdenklich geschwiegen, »kommt, Wildtöter, wir sind geschworene Freunde, und wollen nicht hadern um ein leichtsinniges, gefallsüchtiges Weibsbild, weil es zufällig schön ist – zumal da Ihr sie noch gar nie gesehen. Judith ist nur für einen reifen Mann und es ist töricht, einen Knaben zu fürchten. Was haben denn die Delawaren von der Hexe gesagt? denn ein Indianer hat am Ende doch auch seine Vorstellung von den Frauen, so gut wie ein weißer Mann.«

»Sie sagten, sie sei schön anzusehen, und gefällig im Gespräch; aber zu sehr Bewunderern sich hingebend und leichtsinnig.«

»Das sind eingefleischte Teufel! Welcher Schulmeister und Gelehrte ist am Ende einem Indianer gewachsen, was den Blick in die Natur betrifft? Manche Leute meinen, sie seien nur gut auf der Fährte des Wildes oder auf dem Kriegspfad, aber ich sage: es sind Philosophen, und sie verstehen sich auf einen Mann so gut wie auf einen Biber, und auf eine Frau so gut wie auf beide. Nun, das ist wirklich Judiths Charakter auf ein Tüpfelchen! Euch die Wahrheit zu gestehen, Wildtöter, ich hätte das Mädchen schon vor zwei Jahren geheiratet, wären nicht zwei ganz besondere Umstände – und der eine ist eben ihr Leichtsinn.«

»Und was mag der andere sein?« fragte der Jäger, der weiter aß, wie einer, der sich eben nicht sehr für den Gegenstand interessierte.

»Der andere Umstand war die Ungewissheit, ob sie mich nähme. Das Mädel ist schön, und das weiß sie. Knabe, kein Baum, der auf diesen Hügeln wächst, ist gerader, oder schwankt mit leichterer Beugung im Wind, und nie habt Ihr das hüpfende Reh in natürlicherer Beweglichkeit gesehen. Wenn das Alles wäre, würde jede Zunge ihr Lob verkündigen; aber sie hat solche Mängel, dass ich es schwierig finde, sie zu übersehen, und manchmal schwöre ich, nie wieder den See zu besuchen.«

»Und was ist der Grund, dass Ihr immer wieder kommt? Nichts wurde je dadurch sicherer, dass man darüber schwur.«

»Ach, Wildtöter, Ihr seid in diesen Angelegenheiten ein Neuling; Ihr klebt so an Eurer früheren Erziehung, als hättet Ihr nie die Ansiedlungen verlassen. Bei mir ist es ein anderer Fall, und nie empfinde ich das Bedürfnis, eine Idee festzuhalten, dass ich nicht auch Lust fühle, darüber zu schwören. Wenn Ihr in Betreff Judiths alles wüsstet, was ich weiß, würdet Ihr ein wenig Verfluchen wohl gerechtfertigt finden. Nun, die Offiziere streifen manchmal hinüber an den See, von den Forts am Mohawk, um zu fischen und zu jagen, und dann scheint die Kreatur ganz außer sich! Ihr könnt das sehen an der Art, wie sie ihre Schmucksachen trägt, und dem vornehmen Wesen, das sie bei den galanten Herren annimmt.«

»Das ist unpassend bei eines armen Manns Tochter,« antwortete Wildtöter ernst; »die Offiziere sind alle vornehme Leute, und können ein Mädchen wie Judith nur mit bösen Absichten ansehen.«

»Das ist die Ungewissheit und der Dämpfer! Ich habe meine Besorgnisse wegen eines gewissen Kapitäns, und Judith hat nur ihre eigene Torheit anzuklagen, wenn ich Unrecht habe. Überhaupt wünschte ich, sie als sittsam und anständig ansehen zu dürfen, und doch sind die Wolken, die an diesen Bergen herumtreiben, nicht unsicherer und unzuverlässiger. Nicht ein Dutzend Weiße haben seit ihrer Kindheit sie mit Augen angesehen, und doch das Benehmen, das sie gegen zwei oder drei dieser Offiziere zeigt, löscht meine Flammen!«

»Ich würde nicht mehr an ein solche Frau denken, sondern meinen Sinn ganz dem Wald zuwenden; der wird Euch nie täuschen, beherrscht und bemeistert von einer Hand, die nie bebt.«

»Wenn Ihr Judith kenntet, würdet Ihr sehen, wie viel leichter dies zu sagen als zu tun ist. Könnte ich mein Gemüt beruhigen wegen der Offiziere, so würde ich das Mädchen mit Gewalt an den Mohawk entführen, sie zwingen mich zu heiraten, trotz ihrem flatterhaften Geist, und den alten Tom der Sorge Hettys, seiner anderen Tochter, überlassen, die, wenn nicht so schön, noch von so schnellem Witz wie ihre Schwester, doch bei weitem die pflichtgetreuere ist.«

»Ist denn noch ein Vogel in demselben Nest?« fragte Wildtöter, sein Auge mit einer Art halberwachter Neugier emporhebend – »die Delawaren sprachen nur von einer!«

»Das ist ganz natürlich, wenn es sich von Judith Hutter und Hetty Hutter handelt. Hetty ist nur hübsch, während ihre Schwester, das sag' ich dir, Knabe, ein Geschöpf ist, wie man es nicht mehr findet zwischen hier und der See; Judith ist so voll Witz, Beredsamkeit und Schlauheit, wie ein alter indianischer Redner, während die arme Hetty im besten Fall nur einen guten Willen, aber einen schwachen Verstand hat; sie steht, möchte ich sagen, auf der Grenzscheide der Unwissenheit und manchmal taumelt sie auf die eine, manchmal auf die andere Seite hinüber.«

»Das sind Geschöpfe, die Gott in seine besondere Obhut, nimmt,« sagte Wildtöter feierlich; denn er sieht mit Sorgfalt auf Alle herab, die um ihr bescheiden Teil Vernunft zu kurz kommen. Die Rothäute ehren und achten die so beschränkt Begabten, weil sie wissen, dass der schlimme Geist es mehr liebt, in einem schlauen Wesen zu wohnen, als in einem, das keinen tiefen Verstand hat, auf den er wirken kann.«

»Dann will ich dafür bürgen, dass er nicht lange hausen wird bei der armen Hetty, denn das Kind ist, wie gesagt, gar einfältigen Geistes. Der alte Tom hat ein Gefühl für das Mädchen, und so auch Judith, so prächtig und raschen Witzes sie auch selbst ist; sonst möchte ich nicht dafür geradestehen, dass sie ganz sicher wäre unter der Art von Männern, wie manchmal an das Ufer des Sees kommen.«

»Ich dachte, das Wasser sei ein unbekannter und wenig besuchter Platz,« bemerkte der Wildtöter, dem es sichtlich unbehaglich wurde beim Gedanken, der Welt zu nahe zu sein.

»So ist es auch ganz, mein Junge; nicht die Augen von zwanzig weißen Männern haben ihn erblickt; aber doch können zwanzig Grenzmänner von echtem Schrot und Korn – Jäger und Fallensteller und Kundschafter und dergleichen – genug Unheil anrichten, wenn sie den Versuch machen. Es wäre mir etwas Entsetzliches, Wildtöter, wenn ich nach einer Abwesenheit von sechs Monaten Judith verheiratet fände!«

»Habt Ihr des Mädchens Wort und Zusage, die Euch zu besserer Hoffnung berechtigen?«

»Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was es ist. Ich sehe gut genug aus, Junge! so viel kann ich in jeder Quelle sehen, worauf die Sonne scheint – und doch konnte ich die kleine Hexe nie zu einer Zusage oder auch nur zu einem herzlich gemeinten Lächeln bringen, obwohl sie oft Stunden lang lacht. Wenn sie gewagt hat, in meiner Abwesenheit zu heiraten, wird sie wohl die Süßigkeit des Witwenstandes zu kosten bekommen, noch ehe sie zwanzig Jahre alt ist!«

»Ihr würdet doch dem Mann, den sie gewählt, Nichts zu Leid tun, Hurry, bloß darum, weil sie ihn mehr nach ihrem Geschmack gefunden, als Euch?«

»Warum nicht? Wenn ein Feind meinen Weg durchkreuzt, sollte ich ihn nicht hinausschlagen? Seht mich an – bin ich ein Mann, dem es gleichsieht, dass er von irgendeinem kriechenden, schleichenden Hautkrämer sich den Rang ablaufen ließe in einer Sache, die mich so nahe angeht als die Zärtlichkeit der Judith Hutter? Zudem, wenn wir außer dem Bereich des Gesetzes leben, müssen wir uns selbst Richter und Vollstrecker sein. Und wenn auch ein Mann in den Wäldern tot gefunden würde: Wer sollte auftreten und sagen, Wer ihn erschlagen, selbst den Fall gesetzt, dass die Kolonie die Sache aufnähme und Lärm darüber schlüge?«

»Wenn der Mann der Judith Hutter Gatte sein sollte, so könnte ich, nach dem was vorgegangen, wenigstens genug sagen, um die Kolonie auf die Spur zu leiten.«

»Ihr! – Ein halbgewachsener Wildbret-Schütze und junger Laffe! Ihr wagt es, daran zu denken, als Ankläger aufzutreten gegen Hurry Harry, und wenn es auch nur eine Waldtaube beträfe oder einen Iltis?«

»Ich würde wagen die Wahrheit zu reden, Hurry, beträfe es Euch oder irgendeinen Sterblichen.«

March starrte einen Augenblick seinen Begleiter in stummem Staunen an; dann fasste er ihn mit beiden Händen an der Kehle und schüttelte den vergleichungsweise Zartgebauten mit einer Heftigkeit, die einige Knochen zu verrenken drohte. Auch geschah dies nicht im Scherz, denn Zorn flammte aus den Augen des Riesen, und gewisse Zeichen schienen weit mehr Ernst anzukündigen, als der vorliegende Fall dem Anschein nach erheischte oder rechtfertigte. Was immer Marchs eigentliche Absicht sein mochte – und wahrscheinlich hatte er selbst keine bestimmte und bewusste – gewiss ist, dass er ungewöhnlich aufgebracht war; und wohl die Meisten, die sich von einem solchen Giganten, in solcher Gemütsaufregung und in einer so tiefen, hilflosen Einsamkeit so gewürgt gesehen hätten, würden eingeschüchtert und versucht worden sein, selbst in gerechter Sache nachzugeben. Nicht so Wildtöter. Sein Gesicht blieb unbewegt; seine Hand zitterte nicht, und er gab seine Antwort in einem Ton, der nicht einmal zu dem künstlichen Mittel einer erhöhten, lauteren Stimme griff, um wenigstens die Entschlossenheit der Seele kund zu geben.

»Ihr könnt mich schütteln, Hurry, bis Ihr den Berg einfallen macht,« sagte er ruhig, »aber Nichts als die Wahrheit werdet Ihr aus mir herausschütteln. Wahrscheinlich hat Judith Hutter keinen Gatten zum Erschlagen, und Ihr keinen Anlass, einem aufzupassen, sonst würde ich ihm von Eurer Drohung sagen in der ersten Unterredung, die ich mit dem Mädchen habe.«

March ließ seine Hände los, und saß da, den Anderen mit schweigendem Staunen betrachtend.

»Ich dachte, wir seien Freunde,« sagte er endlich, »aber Ihr habt das letzte Geheimnis von mir gehört, das in Euer Ohr kommen soll.«

»Ich verlange auch keine mehr, wenn sie diesem gleichen sollten. Ich weiß, wir leben in den Wäldern, Hurry, und man nimmt an, dass wir außer dem Bereich menschlicher Gesetze seien – und vielleicht sind wir es wirklich der Tat nach, wenn es auch dem Rechte nach anders sich verhält – aber es gibt ein Gesetz und einen Gesetzgeber, die über den ganzen Kontinent walten und herrschen. Wer jenes oder diesen ins Angesicht schlägt, darf mich nicht seinen Freund nennen.«

»Ich will verdammt sein, Wildtöter, wenn ich nicht glaube, dass Ihr im Herzen ein Mährischer Bruder seid, und kein wohlgesinnter, treuherziger Jäger, wie Ihr zu sein vorgegeben.«

»Wohlgesinnt oder nicht, Hurry, Ihr werdet mich so treuherzig und gerade in Werken finden, wie in Worten. Aber dies Auflodern in plötzlichem Zorn ist töricht, und zeigt, wie wenig Ihr mit den roten Männern gelebt. Judith Hutter ist ohne Zweifel noch ledig, und Ihr schwatztet nur wie die Zunge lief, nicht wie das Herz empfand. Hier ist meine Hand, und wir wollen nicht mehr davon sprechen noch daran denken.«

Hurry schien noch verblüffter als je zuvor; dann brach er in ein lautes, gutmütiges Lachen aus, das ihm die Tränen in die Augen trieb. Darauf ergriff er die dargebotene Hand und die Freunde versöhnten sich.

»Es wäre närrisch gewesen, um eine bloße Idee zu hadern,« rief March, indem er wieder zu essen anfing, »und ziemte eher den Rechtsmännern in den Städten, als vernünftigen Menschen in den Wäldern. Man sagt mir, Wildtöter, viel böses Blut komme von Vorstellungen und Ideen unter den Leuten in den untern Bezirken, und sie erhitzen sich darüber manchmal bis zum Äußersten.«

»Das tun sie – das tun sie; und über andere Dinge, die man besser sich selbst überließe. Ich habe von den Mährischen Brüdern sagen hören, es gebe Länder, wo die Menschen sogar über ihre Religion hadern; und wenn sie sich über einen solchen Gegenstand erhitzen können, Hurry, so habe der Herr Erbarmen mit ihnen! Wir jedoch haben keinen Anlass, ihrem Beispiel zu folgen, zumal nicht über einen Gatten, den diese Judith Hutter vielleicht nie sieht oder zu sehen wünscht. Ich meines Teils fühle mehr Neugierde hinsichtlich der schwachsinnigen Schwester, als Eurer gepriesenen Schönheit. Es ist Etwas, das die Gefühle eines Mannes anspricht und rührt, wenn er einem Mitgeschöpf begegnet, das ganz das äußere Wesen eines zurechnungsfähigen Sterblichen hat, und das doch nicht ist, was es scheint, nur wegen eines Mangels an Vernunft. Das ist schlimm genug bei einem Mann, aber wenn es einer Frau geschieht, und sie ist ein junges und vielleicht einnehmendes Geschöpf, so regt es alle Gefühle von Barmherzigkeit und Mitleid auf, die in ihrer Natur liegen. Gott weiß, Hurry, solche arme Wesen sind schutzlos genug mit samt all ihrem Witz; aber ein grausames Geschick ist es, wenn dieser große Beschützer und Führer ihnen fehlt.«

»Hört, Wildtöter – Ihr wisst, was die Jäger und Fallensteller und Pelzwerkleute überhaupt für Menschen sind; und ihre besten Freunde werden nicht leugnen, dass es hitzige und eigenwillige Menschen sind, die nicht viel nach Anderer Rechten und Gefühlen fragen – und doch, glaub' ich, fände sich in dieser ganzen Gegend kein Mann, der Hetty Hutter ein Leid täte, wenn er auch könnte; nein, nicht einmal eine Rothaut!«

»Hierin, Freund Hurry, lasst Ihr den Delawaren wenigstens und all den ihnen verbündeten Stämmen nur Gerechtigkeit widerfahren, denn eine Rothaut sieht ein so von Gottes Macht heimgesuchtes Wesen als Gegenstand seiner besonderen Obhut an. Ich freue mich indessen zu hören, was Ihr sagt, ich freue mich, es zu hören, aber da die Sonne jetzt gegen den Nachmittagshimmel hin sich wendet, täten wir nicht besser, die Fährte wieder zu verfolgen und weiter zu ziehen, damit wir Gelegenheit bekommen, diese wunderbaren Schwestern zu sehen?«

Hurry March gab freudig seine Zustimmung; die Überbleibsel der Mahlzeit waren bald gesammelt; dann schulterten die Wanderer ihre Taschen, nahmen ihre Waffen auf, verließen die kleine Lichtung, und begruben sich wieder in den tiefen Schatten des Waldes.

Zweites Kapitel

Unsere zwei Abenteurer hatten nicht weit zu gehen. Hurry wusste die Richtung, sobald er den offenen Platz und die Quelle gefunden hatte, und er ging jetzt voran mit dem zuversichtlichen Schritt eines Mannes, der seiner Sache gewiss ist. Der Wald war, wie natürlich, dunkel, aber nicht mehr durch Buschwerk unwegsam, und der Boden war fest und trocken. Nachdem sie etwa eine Meile zurückgelegt, blieb March stehen, und begann forschende Blicke um sich zu werfen; indem er die verschiedenen Gegenstände sorgfältig prüfte, und gelegentlich sein Auge auf die Stämme der gefallenen Bäume richtete, mit welchen der Boden ziemlich besäet war, wie dies gewöhnlich der Fall ist in einem amerikanischen Wald, zumal in den Gegenden des Landes, wo das Bauholz noch keinen Wert hat.

»Das muss der Platz sein, Wildtöter,« bemerkte endlich March; »hier ist eine Buche neben einer Schierlingstanne und drei Fichten in der Nähe, und dort ist eine weiße Birke mit gebrochenem Wipfel; und doch sehe ich keinen Felsen und keine herabgebogenen Zweige, wie ich Euch gesagt, dass wir finden würden.«

»Gebrochene Zweige sind ungeschickte Merkzeichen, da der Unerfahrenste weiß, dass Zweige nicht oft von selbst brechen,« antwortete der Andere; »und sie führen auch leicht zu Argwohn und Entdeckung. Die Delawaren verlassen sich nie auf geknickte Zweige, außer in Friedenszeiten und auf offener Fährte. Was die Buchen und Fichten und Schierlingstannen betrifft, ha, die sind auf allen Seiten um uns her zu sehen, nicht bloß zu zweien oder dreien, sondern zu vierzig, fünfzig und hunderten.«

»Sehr wahr, Wildtöter, aber Ihr erwägt nicht die Stellung. Hier ist es eine Buche und eine Schierlingstanne.«

»Ja, und dort ist wieder eine Buche und eine Schierlingstanne, so liebevoll wie zwei Brüder, oder, was das betrifft, liebevoller als manche Brüder, und dort sind wieder welche, denn beide Bäume sind in diesen Wäldern keine Seltenheit, Ich fürchte, Hurry, Ihr versteht Euch besser darauf, Biber zu fangen und Bären zu schießen, als eine schwierige Fährte aufzuspüren. Ha! dort ist aber nun doch, was Ihr zu finden wünscht!«

»Ei, Wildtöter, das ist eine von Euern delawarischen Anmaßungen, denn ich will mich hängen lassen, wenn ich etwas Anderes sehe, als diese Bäume, welche in der unerklärlichsten und verwirrendsten Weise um uns her emporragen.«

»Schaut dorthin, Hurry – so, in einer Linie mit der schwarzen Eiche – seht Ihr nicht das gekrümmte Bäumchen, das heraufgezogen ist zu den Zweigen der Linde daneben? Nun, dies Bäumchen war einmal von Schnee bedeckt, und wurde von dessen Wucht niedergedrückt; aber es hat sich nicht selbst wiederaufgerichtet, und so wie Ihr es jetzt seht, an die Lindenzweige angelehnt. Die Hand eines Menschen hat ihm diesen Liebesdienst geleistet.«

»Das war meine Hand!« rief Hurry: »ich fand das schwache, junge Ding auf die Erde gedrückt, wie ein unglückliches Geschöpf vom Missgeschick niedergebeugt, und richtete es so auf, wie Ihr seht. Am Ende, Wildtöter, muss ich doch gestehen, dass Ihr nach und nach ein ungemein gutes Auge für die Wälder bekommt.«

»Es bessert sich, Hurry – es bessert sich, muss ich gestehen; aber es ist erst das Auge eines Kindes, verglichen mit dem von Anderen, die ich kenne. Da ist jetzt Tamenund, obwohl ein Mann so alt, dass Wenige sich seiner kräftigen Jahre erinnern. Tamenund lässt Nichts seiner Beobachtung entgehen, die mehr der Witterung eines Hundes als dem Blick eines Auges gleicht. Dann Unkas, der Vater von Chingachgook, und der rechtmäßige Häuptling der Mohikaner, ist auch einer, dessen Blick beinahe unmöglich etwas entgehen kann. Ich komme weiter, ich will es gestehen, ich komme weiter, aber bin bis jetzt noch weit von der Vollkommenheit entfernt.«

»Und wer ist denn dieser Chingachgook, von dem Ihr so viel schwatzt, Wildtöter?« fragte Hurry, indem er in der Richtung auf das aufgerichtete Bäumchen zu weiter schritt; »eine schleichende Rothaut, im besten Fall, nach der ich Nichts frage.«

»Nicht so, Hurry, sondern der Beste unter den schleichenden Rothäuten, wie Ihr sie nennt. Wenn er seine Rechte hätte, so wäre er ein großer Häuptling; aber so ist er nur ein mutiger und redlicher Delaware; geachtet zwar, und dem man auch in manchen Dingen gehorcht, aber von einem gefallenen Geschlecht, und einem gefallenen Volk angehörend. Ach, Hurry March, es würde Euch das Herz im Leibe warm machen, in ihren Hütten zu sitzen in einer Winternacht, und den Erzählungen und Überlieferungen von der alten Größe und Macht der Mohikaner zuzuhören.«

»Hört, Freund Nathaniel,« sagte Hurry, indem er stehen blieb und seinem Begleiter ins Gesicht schaute, um seinen Worten desto mehr Nachdruck zu geben, »wenn ein Mann Alles glaubte, was anderen Leuten zu ihren Gunsten zu sagen beliebt, so würde er wohl eine zu große Meinung von ihnen, und eine zu kleine Meinung von sich selbst bekommen. Diese Rothäute sind merkwürdige Prahler, und ich behaupte, mehr als die Hälfte ihrer Überlieferungen sind reine Erdichtungen.«

»Es ist etwas Wahres in dem, was Ihr sagt, Hurry, ich will es nicht leugnen, denn ich habe es gesehen und glaube es. Ja, sie prahlen, aber das ist eben eine Gabe der Natur, und es ist sündhaft, natürliche Gaben zu unterdrücken. Seht, das ist der Platz, den Ihr gesucht.«

Diese Bemerkung schnitt das Gespräch ab, und beide Männer richteten jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit auf das unmittelbar vor ihnen Liegende. Wildtöter deutete seinem Begleiter auf den Stamm einer ungeheuren Linde, welche ihre Zeit erfüllt hatte, und unter ihrer eigenen Wucht niedergestürzt war. Dieser Baum lag, wie Millionen seiner Brüder, wo er gefallen, und vermoderte unter dem langsam aber sicherwirkenden Einfluss der Jahreszeiten. Der Verfall hatte jedoch seinen Mittelpunkt angegriffen, als er noch aufrecht, in der Pracht seiner Vegetation dastand, und sein Herz ausgehöhlt, wie oft Krankheit die edelsten Organe des Tierischen Lebens zerstört, während den Beobachter eine blühende Außenseite täuscht. Wie der Stamm so in einer Länge von etwa hundert Fuß am Boden lag, entdeckte das rasche Auge des Jägers diese Eigentümlichkeit, und aus diesem und anderen Umständen schloss er, dass es der Baum sei, den March suche.

»Ja, hier haben wir, was wir brauchen,« rief Hurry, am dickeren Ende der Linde hineinschauend; »Alles ist so säuberlich, als wäre es im Wandschrank einer alten Frau aufbewahrt gewesen. Kommt, geht mir an die Hand, Wildtöter, und wir sind in einer halben Stunde auf dem Wasser.«

Auf diese Aufforderung kam der Jäger zu seinem Begleiter heran, und beide machten sich mit gutem Bedacht und nach allen Regeln ans Werk, als Männer, welche an diese Art von Treiben und Geschäft gewohnt waren. Zuerst entfernte Hurry einige Stücke Rinde, welche vor der großen Öffnung am Baum lagen, und von welchen der Andere behauptete, sie seien so gelegt, dass sie eher die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die Höhlung versteckt hätten, wenn ein Wanderer des Weges gekommen wäre. Dann zogen die Beiden ein Kanu heraus mit seinen Sitzen, Rudern und anderem Zubehör, bis auf Angelschnüre und Ruten hinaus. Dies Fahrzeug war gar nicht klein; aber so groß war seine Verhältnismäßige Leichtigkeit, und so riesenhaft Hurrys Stärke, dass dieser es anscheinend ohne alle Mühe auf die Schulter nahm, und allen Beistand ablehnte, selbst während er es in die schwierigere Lage, in welcher er es zu tragen genötigt war, emporhob.

»Geht voran, Wildtöter,« sagte March, »und öffnet das Gebüsch, das Übrige kann ich allein tun.« Der Andere gehorchte, und die Männer verließen den Platz, indem Wildtöter den Weg für seinen Begleiter lichtete, und sich je nach dessen Anweisung bald rechts bald links wandte. Nach ungefähr zehn Minuten traten sie beide plötzlich in das glänzende Licht der Sonne, auf einen niederen Kiesplatz, der wohl zur Hälfte seines Saumes vom Wasser umspült wurde.

Ein Ausruf des Erstaunens entfuhr den Lippen Wildtöters – ein Ausruf, der jedoch leise und vorsichtig war, denn seine Weise war viel besonnener und geregelter als die des rücksichtslosen Hurry – als er, den Rand des Sees erreichend, das Schauspiel sah, das sich ganz unerwartet seinen Blicken darbot. Es war in der Tat so ergreifend, dass es wohl eine kurze Beschreibung verdient. In gleicher Linie mit dem Kiesplatz lag ein breiter Wasserspiegel, so friedlich und durchsichtig, dass er aussah wie ein Bett der reinen Gebirgsatmosphäre, eingefugt zwischen einer Einfassung von Hügeln und Wäldern, Seine Länge betrug etwa drei Stunden, in der Breite war er unregelmäßig, denn er erweiterte sich dem Platz gegenüber bis zu einer halben Meile oder mehr, und zog sich mehr südlich bis zur Hälfte dieser Ausdehnung und noch enger zusammen. Die Küste war natürlich unregelmäßig, unterbrochen durch Buchten, und durch vorspringende, niedere Landausläufer. Am nördlichen, nächsten Ende war er begrenzt durch einen einzelnen Berg, während östlich und westlich das Land minder steil abfiel, in gefällig abwechselndem Schwunge der Linien. Doch war der Charakter der Gegend gebirgig; hohe Hügel, oder niedere Berge stiegen auf neun Zehnteilen des Umkreises steil am Wasser hinauf. Die Ausnahmen dienten in der Tat nur, der Szene einige Abwechslung zu geben; und auch über die vergleichungsweise niedrigen Teile des Ufers hinaus war der Hintergrund hoch, wenn auch entfernter.

Die auffallendsten Eigentümlichkeiten dieser Szene aber waren die feierliche Einsamkeit und die süße Ruhe. Nach allen Seiten, wohin das Auge sich wandte, fiel es auf nichts als die spiegelgleiche Fläche des Sees, die friedvolle Wölbung des Himmels und den dichten Kranz der Wälder. So reich und üppig waren die Umrisse des Waldes, dass man kaum eine Öffnung bemerkte, und alles sichtbare Land, von dem runden Berggipfel bis an den Saum des Wassers bot Eine, sich gleichbleibende Farbe ununterbrochenen Grüns dar. Als wäre die Vegetation noch nicht zufrieden mit einem so vollständigen Triumph, bedeckten die Bäume auch noch den See selbst, und rangen sich von unten gegen das Licht hinaus; und meilenlange Strecken waren an seinem östlichen Ufer, wo ein Boot unter den Zweigen dunkler, an Rembrandt erinnernder Schierlingstannen, zitternder Espen und schwermütiger Fichten hätte hingleiten können. Mit einem Wort, die Hand des Menschen hatte noch nie irgendetwas entstellt oder verunstaltet an dieser Urszene, die im Sonnenlicht schwamm, ein prachtvolles Bild überschwänglich großartiger Waldherrlichkeit, gedämpft durch den weichen Hauch des Junis, und gehoben durch die schöne Abwechslung vermöge der Nähe einer so weitgedehnten Wassermasse.

»Das ist groß! – das ist erhebend! – das ist eine Bildung der Seele, wenn man nur hinsieht!« rief Wildtöter, wie er auf seine Büchse gelehnt dastand, und rechts und links, nach Norden und Süden, aufwärts und abwärts schaute, in welcher Richtung nur immer sein Auge zu schweifen vermochte; »kein Baum zerstört auch nur durch eine Rothauthand, so viel ich entdecken kann, sondern Alles treu geblieben der Ordnung des Herrn, um zu leben und zu sterben nach seinem Willen und Gesetz! Hurry, Eure Judith muss eine sittliche und wohlgeartete junge Frau sein, wenn sie nur die Hälfte der von Euch angegebenen Zeit im Mittelpunkt eines so begünstigten Platzes verlebt hat.«

»Das ist eine nackte Wahrheit, und doch hat das Mädchen so unstete Gedanken und Grillen. All ihre Zeit hat sie jedoch nicht hier verlebt, denn der alte Tom hatte, eh' ich ihn kannte, die Gewohnheit, die Winter in der Nachbarschaft der Ansiedler oder unter den Kanonen der Forts zuzubringen. Nein, nein, Judith hat mehr als ihr gut ist, von den Ansiedlern angenommen, und besonders von den galanten Offizieren.«

»Wenn auch, wenn auch, Hurry, dies ist eine Schule, ihr den Kopf wieder zurecht zu setzen. Aber was ist denn das, was ich dort, gerade uns gegenüber sehe, was zu klein scheint für eine Insel und zu groß für ein Boot, obwohl es mitten im Wasser steht?«

»Ha, das ist was die tapferen und galanten Herren von den Forts Muskrat ›Kastell‹ nennen; und der alte Tom selbst pflegt zu grinsen bei dem Namen, obwohl er seine Art und seinen Charakter hart antastet. Es ist das feststehende Haus; denn es sind zwei; dieses, das nicht von der Stelle rückt, und das andere, welches schwimmt, und bald in diesem bald in jenem Teil des Sees sich befindet. Das letzte ist bekannt unter dem Namen der Arche, obwohl es über mein Vermögen geht, zu sagen, was die Bedeutung des Wortes ist.«

»Es muss von den Missionaren herkommen, Hurry, die ich von einem solchen Ding habe reden und lesen hören. Sie sagen, die Erde sei einmal mit Wasser bedeckt gewesen, und Noah sei mit seinen Kindern vom Ertrinken dadurch gerettet worden, dass er ein Fahrzeug erbaute, das man Arche hieß, worin er sich zu rechter Zeit einschiffte. Manche von den Delawaren glauben diese Überlieferung, und manche leugnen sie; aber Euch und mir, als geborenen weißen Männern, ziemt es, an ihre Wahrheit zu glauben. Seht Ihr etwas von dieser Arche?«

»Sie ist weiter südlich, ohne Zweifel, oder liegt in einer der Buchten vor Anker. Aber das Kanu ist bereit, und fünfzehn Minuten werden genügen, zwei solche Ruderer wie Euch und mich nach dem Kastell zu bringen.«

Auf diese Aufforderung half Wildtöter seinem Genossen die verschiedenen Sachen in das Kanu zu bringen, das schon auf dem Wasser schwamm. Sobald dies geschehen, schifften sich die beiden Grenzmänner ein und trieben mit einem kraftvollen Stoß die leichte Barke acht oder zehn Ruthen weit von der Küste weg. Jetzt nahm Hurry den Sitz im Hinterteil ein, während Wildtöter sich vorn hinpflanzte, und unter gemächlichen aber stetigen Ruderschlägen glitt das Kanu über den friedlichen Wasserspiegel hin, dem ganz seltsam aussehenden Bau zu, welchen der Erstere Muskrat-Kastell genannt hatte. Manchmal hielten die Männer im Rudern inne und beschauten sich die Szene, wenn sich auf den entfernteren Punkten neue Aussichten eröffneten, die sie weiter den See hinabschauen ließen, oder einen umfassenderen Anblick der bewaldeten Berge gewährten. Die einzigen Abwechslungen jedoch bestanden in neuen Formationen der Hügel, mannigfaltigen Krümmungen der Buchten und weiterer Ausdehnung des Tales nach Süden; alles Land war dem Anschein nach in höchste Laubgala gekleidet.

»Das ist ein Anblick, der das Herz erwärmt!« rief Wildtöter, als sie so zum vierten oder fünften Mal hielten; »der See scheint ganz gemacht, um uns recht in das Innere der edlen Waldungen hineinsehen zu lassen, und Land und Wasser stehen gleich herrlich da in der Schönheit der Vorsehung Gottes! Ihr behauptet, Hurry, es gebe keinen Mann, der sich rechtmäßigen Eigentümer all dieser Herrlichkeit nenne?«

»Keinen, als den König, mein Junge. Er mag einiges Recht auf diese Natur geltend machen, aber er ist so weit entfernt, dass seine Ansprüche den alten Tom Hutter nie anfechten werden, der einmal Besitz genommen hat, und diesen wohl auch behaupten wird, so lange sein Leben dauert. Tom ist kein Squatter (Siedler, die sich ohne Besitztitel auf einem Stück Land niederlassen), da er nicht auf dem Land lebt, aber ich nenne ihn einen Floater (Schwimmer).«

»Ich beneide diesen Mann! – Ich weiß, es ist Unrecht, und ich kämpfe gegen dies Gefühl, aber ich beneide diesen Mann! denkt nicht, Hurry, ich brüte über einem Plan, mich in seine Schuhe zu stellen, denn ein solcher Gedanke hat keinen Raum in meiner Seele; aber ein wenig Neid kann ich nicht unterdrücken! Es ist ein natürliches Gefühl, und die Besten unter uns sind eben doch am Ende natürliche Menschen, und geben zu Zeiten solchen Empfindungen Raum.«

»Ihr dürft nur Hetty heiraten, um das halbe Besitztum zu erben,« rief Hurry lachend; »das Mädchen ist hübsch; ja, wenn nicht ihrer Schwester Schönheit wäre, so wäre sie sogar schön; und dann ist ihr Witz so klein, dass Ihr sie leicht zu Eurer Denkweise in allen Dingen bekehren könnt. Nehmt Ihr Hetty aus des alten Burschen Händen, und ich stehe Euch dafür, er gibt Euch ein Recht auf jedes Tier, das Ihr fällen könnt auf fünf Meilen im Umkreis von seinem See.«

»Ist viel Wild da?« fragte plötzlich der Andere, der nur wenig auf Marchs Scherz achtete.

»Es hat die ganze Gegend für sich. Kaum wird je ein Gewehr darauf abgedrückt, und was die Fallensteller betrifft, so ist das keine Gegend, die sie stark besuchen. Ich selbst sollte nicht so viel hier sein, aber Judith zieht mich hierhin, während der Biber dorthin zieht. Mehr als hundert spanische Dollars hat mich die Kreatur die beiden letzten Jahre gekostet, und doch konnte ich dem Wunsch nicht entsagen, ihr Angesicht wieder zu sehen.«

»Besuchen die roten Männer oft diesen See, Hurry?« fragte Wildtöter weiter, seine eigene Gedankenreihe verfolgend.

»Ha, sie kommen und gehen; manchmal in Truppen und manchmal einzeln. Der Strich scheint keinem eingeborenen Stamm insbesondere zu gehören; und so ist er in die Hände des Hutter-Stammes gefallen. Der alte Mann erzählt mir, einige Schlauköpfe hätten den Mohawks eine indianische Urkunde abzuschwatzen und abzuschmeicheln gesucht, um bei der Kolonie einen Besitztitel auszuwirken; aber es ist nichts erfolgt, weil noch keiner, der einem solchen Handel gewachsen wäre, sich mit der Sache befasst hat. Die Jäger haben zurzeit noch ein gutes Freilehen an dieser Wildnis.«

»Umso besser – umso besser, Hurry. Wenn ich König von England wäre, der Mann, der einen von diesen Bäumen fällte, ohne eine gute Gelegenheit zur Benützung des Holzes, müsste mir in ein ödes und unwirtliches Land verbannt werden, das nie ein vierfüßiges Tier betrat. Recht froh bin ich, dass Chingachgook den Ort unseres Zusammentreffens bei diesem See bestimmte, denn bisher hat mein Auge noch kein so herrliches Schauspiel gesehen.«

»Und das deswegen, weil Ihr Euch so viel unter den Delawaren umgetrieben habt, in deren Land es keine Seen gibt. Weiter nördlich und weiter westlich gibt es solch kleine Gewässer genug; und Ihr seid jung und erlebt es wohl noch, sie zu sehen. Aber wenn es auch andere Seen gibt, Wildtöter, so gibt es doch keine andere Judith Hutter!«

Auf diese Bemerkung lächelte sein Begleiter, und dann senkte er seine Ruderschaufel ins Wasser, als berücksichtigte er die Hast eines Liebenden. Beide ruderten jetzt kräftig, bis sie sich auf hundert Schritte dem »Kastell« näherten, wie Hurry vertraulich das Haus Hutters nannte, wo sie wieder mit Rudern innehielten; und der Anbeter Judiths zügelte seine Ungeduld umso leichter, als er bemerkte, dass das Gebäude im Augenblick von Bewohnern leer war. Diese neue Pause sollte Wildtöter in Stand setzen, das sonderbare Gebäude zu betrachten, dessen Bauart so neu war, dass sie eine eigene Beschreibung verdient.

Muskrat-Kastell, wie das Haus witzig benannt worden war von einem mutwilligen Offizier, stand im offenen See, eine volle Viertelmeile vom nächsten Punkt des Ufers entfernt. Auf den beiden anderen Seiten erstreckte sich das Wasser viel weiter, denn die Entfernung von dem nördlichen Ende des Sees betrug etwa zwei Meilen, und von dem östlichen Ufer beinahe, wo nicht ganz, eine Meile. Da nicht das Mindeste von einer Insel zu sehen war, sondern das Haus auf Pfeilern stand, das Wasser darunter durchfloss und Wildtöter schon entdeckt hatte, dass die Tiefe des Sees beträchtlich war, fragte er begierig nach einer Erklärung dieses sonderbaren Umstandes. Hurry löste ihm das Rätsel, indem er ihn belehrte, dass auf dieser Stelle allein eine lange schmale Sandbank, die sich nördlich und südlich einige hundert Schritte weit erstreckte, sich bis auf sechs oder acht Fuß unter dem Spiegel des Sees erhebe, und dass Hutter hier Pfähle eingeschlagen und darauf, der Sicherheit wegen, seine Wohnung sich erbaut habe.

»Der alte Bursche wurde dreimal durch Feuersbrünste verjagt im Kampf zwischen den Indianern und den Jägern; und in einem Gefecht mit den Rothäuten verlor er seinen einzigen Sohn, und seit dieser Zeit hat er seine Sicherheit auf dem Wasser gesucht. Hier kann ihn niemand angreifen, ohne in einem Boot zu kommen, und der Raub und die Skalpe lohnten sich kaum der Mühe, Kanus auszuhöhlen. Und dann ist es in keiner Weise gewiss, wer bei einem solchen Strauß dem Anderen heimleuchten würde, denn der alte Tom ist mit Waffen und Munition wohl versehen, und das Kastell ist, wie Ihr wohl seht, eine feste Brustwehr gegen leichte Schüsse.«