Die Liebe hat viele Gesichter - Isabella Lovegood - E-Book + Hörbuch
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Die Liebe hat viele Gesichter E-Book und Hörbuch

Isabella Lovegood

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Beschreibung

Funkelstein - Wo die Liebe zu Hause ist und sich nicht verstecken lässt. Offiziell verbindet Patrick und Christian eine Männerfreundschaft, tatsächlich sind sie jedoch seit einem halben Jahr ein Paar. Christian steht offen zu seiner Homosexualität und findet sich nur schwer damit ab, dass ihre Beziehung geheim bleiben muss. Obwohl er Patricks Ängste nicht nachvollziehen kann, fügt er sich ihm zuliebe. Christians großer Traum, sich nicht nur in Funkelstein niederzulassen, sondern ein eigenes Massage-Studio zu eröffnen, scheint durch ein Schnäppchenhaus in greifbare Nähe zu rücken. Als das Projekt am Veto der Bank zu scheitern droht, springt Patrick über seinen Schatten. Kurzentschlossen bietet er Christian an, sich am Kauf des Hauses zu beteiligen, und löst damit eine Lawine an Ereignissen aus. Im Laufe dieses Sommers kommt jedoch nicht nur die Wahrheit über ihre Beziehung ans Licht, auch alte Geheimnisse treten zutage und so manche Überraschung wirbelt ihr Leben zusätzlich durcheinander. Ein berührender Wohlfühlroman über neue Wege und alte Ängste, die überwunden werden müssen, damit die Liebe in all ihrer Vielseitigkeit erblühen kann. Dies ist der 4. Band der Reihe ROMANTIC SUMMER, einem Gemeinschaftsprojekt von fünf österreichischen Autorinnen. Jeder Roman kann unabhängig von anderen Büchern der Reihe gelesen werden. Für mehr Lesevergnügen empfiehlt es sich, die Reihen SWEET CHRISTMAS und ROMANTIC SUMMER zu lesen. Alle Bücher und Reihen verbindet der Ort Funkelstein sowie Protagonisten, die als Nebenfiguren da und dort auftauchen. Weitere Romane im schönen Funkelstein gibt es in der Reihe "Funkelküsse". Mehr über die Autorin unter www.isabella-lovegood.at.

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Seitenzahl: 349

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Zeit:7 Std. 48 min

Sprecher:Kai Seuthe
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Buchbeschreibung:
Über die Autorin:
Herzlich willkommen in Funkelstein!
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Petras Käse-Cracker
Danksagung und Schlusswort

Die Liebe hat viele Gesichter

Von Ingrid Fuchs

(Isabella Lovegood)

Buchbeschreibung:

Offiziell verbindet Patrick und Christian eine Männerfreundschaft, tatsächlich sind sie jedoch seit einem halben Jahr ein Paar.

Christian steht offen zu seiner Homosexualität und findet sich nur schwer damit ab, dass ihre Beziehung geheim bleiben muss. Obwohl er Patricks Ängste nicht nachvollziehen kann, fügt er sich ihm zuliebe.

Christians großer Traum, sich nicht nur in Funkelstein niederzulassen, sondern ein eigenes Massage-Studio zu eröffnen, scheint durch ein Schnäppchenhaus in greifbare Nähe zu rücken. Als das Projekt am Veto der Bank zu scheitern droht, springt Patrick über seinen Schatten. Kurzentschlossen bietet er Christian an, sich am Kauf des Hauses zu beteiligen, und löst damit eine Lawine an Ereignissen aus.

Im Laufe dieses Sommers kommt jedoch nicht nur die Wahrheit über ihre Beziehung ans Licht, auch alte Geheimnisse treten zutage und so manche Überraschung wirbelt ihr Leben zusätzlich durcheinander.

Ein berührender Wohlfühlroman über neue Wege und alte Ängste, die überwunden werden müssen, damit die Liebe in all ihrer Vielseitigkeit erblühen kann.

Über die Autorin:

Ingrid Fuchs ist eine österreichische Autorin, die seit 2016 mit ihrem Mann auf Mallorca lebt. Ihre Wohlfühlromane laden ein, den Alltag auszublenden und in eine Welt einzutauchen, in der sich Probleme und Sorgen meist auf menschliche und empathische Art lösen lassen und in der es immer ein Happy End gibt.

Aus ihren Geschichten spricht eine tiefe Sehnsucht nach harmonischen, liebevollen zwischenmenschlichen Beziehungen. Ihre Protagonisten sind sehr oft Figuren mit Lebenserfahrung, die sich trotz allem die Hoffnung auf Liebe bewahrt haben oder wieder für sich entdecken.

Die Mehrzahl ihrer mittlerweile über vierzig Romane sind unter dem Pseudonym Isabella Lovegood entstanden. Hier darf auch Erotik die Handlung mittragen, dies jedoch immer einvernehmlich und auf Augenhöhe.

Copyright © 2022 Ingrid Fuchs

Alle Rechte vorbehalten. Jede Weitergabe, Kopie oder sonstige Vervielfältigung verletzt das Urheberrecht und fügt der Autorin finanziellen Schaden zu.

[email protected]

Covergestaltung: Michael Troy MT-Design Bildnachweis: ©belchonock, www.123RF.com ©Yasonya, www.stock.adobe.com

Lektorat und Korrektorat: Elisabeth Lackner, Reingard Wöss Sandra Pulletz, Danielle A. Patricks

Schauplätze, Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten sind rein zufällig und ungewollt.

Die Liebe hat viele Gesichter

Liebesroman - Gay-Romance von Ingrid Fuchs

(Isabella Lovegood)

Band 4 der Reihe ROMANTIC SUMMER

Herzlich willkommen in Funkelstein!

Der idyllische Ort in den österreichischen Alpen bezaubert nicht nur im Winter. Das wissen alle, die hier leben, aber auch immer mehr Touristen verlieben sich in die wundervolle Landschaft und seine herzlichen, manchmal auch etwas schrulligen Bewohnerinnen und Bewohner.

Immerhin hat Funkelstein auch im Sommer viel zu bieten. Der klare, erfrischende See ist umgeben von Bergen und schroffen Gipfeln, die zum Wandern und Staunen einladen, ebenso wie saftig-grüne Almwiesen und würzig duftende Wälder.

Hier wird leidenschaftlich gern gefeiert, getanzt und gegessen und für einen gemütlichen Plausch ist immer Zeit. Doch wenn jemand Hilfe braucht, wird nicht lang gefragt, sondern angepackt.

Kurzum, Funkelstein ist ein Fleckchen, auf dem es sich gut leben und urlauben lässt – zumindest in der Fantasie.

Schön, dass du hier bist! Ich wünsche dir viel Spaß!

Deine

Ingrid Fuchs

Kapitel 1

Patrick

Ein großes Schild wies darauf hin, was sich hinter dem verschlossenen Einfahrtstor befand, vor dem er soeben angehalten hatte: »Valentin Flink – Sägewerk und Holzhandel«. Der Mittelkonsole entnahm Patrick einen kleinen Schlüsselbund und hielt ihn seinem Beifahrer hin. »Bist du so lieb ...? Der Messingfarbene ist für das Tor. Du kannst es dann gleich offenlassen.«

Wortlos griff Christian danach und schlängelte sich geschmeidig aus dem Kleinwagen. Patrick schmunzelte. Sein Freund war zehn Zentimeter größer als er, vor allem aber breiter gebaut, was seiner Beweglichkeit jedoch keinen Abbruch tat.

Das Tor schwang auf und Patrick fuhr auf das Gelände, das ungewohnt ruhig dalag. Von Montag bis Freitag herrschte hier reger Betrieb, doch heute, einem Samstag Anfang April, standen die Maschinen still und alle Mitarbeiter befanden sich im wohlverdienten Wochenende.

Neben dem einstöckigen Gebäude, dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift »Büro« trug, stand wie vereinbart der Transporter mit offener Ladefläche, den er sich leihen durfte. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass das Holz, das er benötigte, fertig geschnitten auf Paletten direkt daneben aufgeschichtet lag.

Patrick parkte, stellte den Motor ab und stieg aus. Tief sog er den aromatischen, harzigen Geruch ein, der für diesen Platz so typisch war, und wandte sich lächelnd Christian zu, als er seine Schritte herankommen hörte. »Riechst du das?«

»Klar. Das ist der Duft, der dich umgibt, wenn du von der Arbeit kommst. Nur noch viel intensiver. Ich werde dieses Aroma von frisch geschnittenem Holz für immer und ewig mit dir in Verbindung bringen.«

Das liebevolle Strahlen in Christians dunkelbraunen Augen drang direkt in Patricks Herz und verbreitete dort eine wohlige Wärme. »Das klingt, als wäre es etwas Gutes«, antwortete er und erwiderte sein Lächeln.

»Das Beste überhaupt.« Für einen Moment blickten sie einander in die Augen, dann wandte sich Christian ab und sah sich interessiert um. »Hier lagert aber eine Menge Holz. Kein Wunder, dass es so kräftig riecht. Was ist das alles?«

Das Lager reichte von einem wahren Gebirge aus ganzen Baumstämmen auf der einen Seite bis zu riesigen Stapeln Brettern, Balken und Latten in unterschiedlichen Dicken und Längen, die auf dem Gelände verteilt waren.

»Fichte, Tanne und Lärche sind immer vorrätig, dazu noch Bergahorn, Schwarzerlen, Eichen und Grünerlen. Das sind die hier heimischen Baumarten, aber auf Bestellung ist alles erhältlich.« Sogar Patrick selbst bemerkte den Stolz, der in seiner Stimme mitschwang. Dabei hatte er mit dem Sägewerk nur insofern zu tun, als der Betrieb seinem Onkel gehörte und die Hölzer, mit denen er täglich als Tischler arbeitete, von hier stammten.

»Max und ich waren als Kinder oft hier, obwohl die Erwachsenen das nicht so gerne sahen. Aber irgendwie hat es uns immer hierher gezogen. Erst haben wir mit unseren Cousins Siegmar und Michael Verstecken gespielt, später haben wir angefangen, aus dem Abfallholz allerhand zu bauen und zu basteln.«

»Und so bist du zu deinem Beruf gekommen«, ergänzte Christian.

»Ja, Siegmar und ich sind gleich alt. Wir haben uns immer gegenseitig angefeuert und beflügelt. Als Kinder genauso wie später in der Ausbildung zum Bau- und Möbeltischler.«

»Trotzdem ist er jetzt dein Chef.«

Patrick zuckte mit den Schultern. »Im Unterschied zu mir ist Siegmar der geborene Unternehmer, von daher war das naheliegend. Und mir macht es nichts aus, die Nummer zwei zu sein.« Um genau zu sein, war es das, was er als der jüngere Sohn gewohnt war. Es gab Leute, die ihm mangelnden Ehrgeiz nachsagten, aber so empfand er das nicht. »Wir hatten beide vor, in Funkelstein zu bleiben, doch für zwei Betriebe gibt es nicht genug Arbeit und die vielen Maschinen kosten eine Menge Geld.«

Christian nickte mit einem warmen Lächeln. »Ich denke, es ist für deinen Cousin von unschätzbarem Wert, jemanden zu haben, auf den er sich zu hundert Prozent verlassen kann. Etwas Besseres kann einem als Chef ja gar nicht passieren.« In seiner Stimme schwang ein Hauch Bewunderung mit, die Patrick ein wenig peinlich war, obwohl sein Freund vermutlich recht hatte.

»Was ist in den Gebäuden?« Christian wies mit einer umfassenden Geste über das Gelände.

»Das da drüben sind die Grobsäge und die Trocknungsanlage. Und in dieser Halle da«, er deutete mit der Hand zu dem langgestreckten Gebäude, »werden die Bretter fein bearbeitet, auf das gewünschte Maß gebracht, gehobelt, was eben so gebraucht wird. Falls es dich interessiert, müssen wir mal wiederkommen, wenn alles in Betrieb ist.« Patrick sah seinen Freund fragend an.

»Eine Exklusiv-Führung also? Das wäre toll.«

»Ich werde mal mit Onkel Valentin reden«, versprach er. »Jetzt wird es aber Zeit, dass wir uns an die Arbeit machen.«

Patrick wandte sich um, öffnete den Kofferraum seines Wagens und entnahm ihm zwei Paar Arbeitshandschuhe, von denen er eines an Christian weitergab. »Hier, damit deinen kostbaren Händen nichts passiert.«

Der lachte. »Du tust gerade so, als wäre ich ein Chirurg.«

Patrick warf ihm einen strafenden Blick zu. »Mach dich nicht kleiner, als du bist. Wenn mehr Leute rechtzeitig zu dir zu einer Heilmassage kämen, wäre so manche OP nicht nötig, da wette ich drauf.«

Christian grinste. »Könnte es sein, dass du auch mal wieder gerne eine Massage hättest?«

Patrick antwortete mit einem frechen Zwinkern. »Von dir auf jeden Fall. Wo und wann immer du willst.« Dann trat er an den Transporter, öffnete die Verschlüsse der hinteren Bordwand und klappte sie herunter. »Los gehts!«

Brett für Brett und Balken für Balken schoben sie nun auf die Ladefläche, bis die Paletten leer waren. Obwohl die Luft an diesem sonnigen Morgen noch kühl von den Bergen herab wehte, kamen sie ins Schwitzen. Christian schüttelte den linken Handschuh ab und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Puh, das Fitnessstudio kann ich mir heute ersparen.«

»Du wirst doch nicht schon schlappmachen? Das war erst der Anfang.«

Christian lachte. »Ich weiß, das wird ein arbeitsreiches Wochenende!«

Obwohl ihr Ziel nicht einmal einen Kilometer entfernt war, zurrten sie die Ladung ordnungsgemäß fest.

»Soll ich wieder absperren, sobald du draußen bist?«, bot sein Freund an.

»Ja, das wäre super, danke!« Patrick nahm ihm die Handschuhe ab und lächelte ihn an. »Ich freue mich wirklich, dass du mitgekommen bist und uns hilfst. Du wirst sehen, das wird Spaß machen.«

»Bestimmt. Außerdem ist mir ganz egal, was wir machen. Hauptsache gemeinsam.«

Das breite Lächeln seines Freundes entzündete einen warmen Funken in Patricks Herz. Wie so oft versanken sie in den Augen des anderen. Sie standen so nahe beieinander, dass ihm der Geruch von Christians Rasierwasser in die Nase stieg. Der Duft weckte die wohlige Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Nacht und verursachte im selben Moment ein sehnsüchtiges Prickeln in seinem Unterleib. Er war sicher, von ihm niemals genug zu bekommen. Erst als Christian sich ein wenig zu ihm neigte, um ihn zu küssen, wurde Patrick bewusst, wo sie sich befanden. Er zuckte zurück.

»Nicht!«, zischte er. »Wir stehen genau vor der Überwachungskamera.«

Wortlos wandte sich sein Freund ab und ging mit langen Schritten zum Tor. Patrick sah ihm bedauernd hinterher. Der verletzte Ausdruck, der über Christians Gesicht gehuscht war, hatte auch ihm einen schmerzhaften Stich versetzt. Verdammt! Das Letzte, was er wollte, war, ihm wehzutun.

Seufzend stopfte er die Handschuhe hinter den Fahrersitz des Transporters, stieg ein und knallte die Tür zu. Er wendete und verließ das Gelände des Sägewerks. Dann hielt er an und wartete, bis Christian das Tor verschlossen und auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.

»Danke.«

Sein Freund reagierte nicht, sondern sah geradeaus.

»Es tut mir leid«, fing Patrick an, wurde jedoch mit einer abwehrenden Handbewegung gestoppt.

»Nein, mir tut es leid. Ich vergesse immer wieder, dass niemand von uns wissen darf. Bist du sicher, dass ich überhaupt zu deinen Eltern mitkommen soll?«

Einen winzigen Moment bezweifelte Patrick das tatsächlich, doch dann lächelte er Christian beschwichtigend an. »Aber sicher. Sie wissen ja, dass wir befreundet sind.«

Das abfällige Schnauben ließ ihn ahnen, dass auch dies nicht unbedingt die Worte gewesen waren, die Christian hatte hören wollen. Patrick unterdrückte ein weiteres Seufzen und fuhr los. Ihm war klar, dass sein Freund seine Beweggründe nicht nachvollziehen konnte, was ihn noch mehr unter Druck setzte.

Christian war in Bruck an der Mur aufgewachsen, das mit seinen knapp sechzehntausend Einwohnern zwar auch nicht gerade eine Großstadt war, aber doch nicht so klein, dass praktisch jeder jeden kannte. In Funkelstein mit seinen etwas mehr als zweitausend Bewohnern sah das anders aus.

Patricks Familie lebte seit Generationen hier und war maßgeblich am Ortsgeschehen beteiligt. Sein Bruder Max arbeitete für die Gemeindeverwaltung, dessen Freundin Sandra im Kindergarten. Vater Fredl Flink betrieb einen Kiosk am Hauptplatz, Mutter Conny war Vorsitzende der Landfrauen, obwohl die Eltern die Landwirtschaft seit vielen Jahren nur noch für den Eigenbedarf führten. Dann waren da außerdem das Sägewerk seines Onkels Valentin und Siegmars Tischlerei. Seine Cousine Claudia leitete das Postamt. Und Patrick selbst war neben seinem Beruf als Tischler zusätzlich Obmann des Eislaufvereins und Eismeister für den Funkelsteiner See. Bei der Vorstellung, was für einen Wirbel sein Outing auslösen könnte, lief es ihm kalt über den Rücken.

Der SUV seines Bruders stand bereits vor dem Haus. Die braune Mischlingshündin seiner Eltern erhob sich ein wenig steifbeinig von ihrem weichen Kissen neben der Haustür und kam mit gemächlichem Schwanzwedeln auf Patrick zu, als er ausstieg. Sie war schon alt und hatte es nicht mehr so eilig.

Er ging in die Hocke und streichelte sie liebevoll mit beiden Händen. »Na, mein Mädchen? Alles gut bei dir?« Sie legte ihm eine Pfote aufs Knie und ihre Rute klopfte in einem gleichmäßigen Rhythmus auf den Boden. Dann wandte sie sich Christian zu und beschnüffelte ausgiebig seine Hosenbeine und die Hand, die er ihr entspannt hinhielt.

»Das ist also Kira?«, fragte er Patrick, der sich freute, dass er sich ihren Namen aus seinen Erzählungen gemerkt hatte.

»Ja, genau. Komm, lass uns reingehen. Vielleicht haben wir ja Glück und es gibt noch eine Tasse Kaffee, bevor wir loslegen.«

Wohlige Wärme, Kuchenduft und fröhliche Betriebsamkeit empfingen sie. Das war etwas, das er an seinem Elternhaus liebte: Egal, wann er kam, es strahlte beinahe ausnahmslos Behaglichkeit aus. Die Küche war abgenutzt und urig und stammte von seinen Großeltern. Nur die Geräte waren im Laufe der Jahrzehnte ausgetauscht worden, wenn eines von ihnen den Geist aufgegeben hatte. Obwohl es noch den alten, mit Holz befeuerten Tischherd gab, war der moderne E-Herd, ausgestattet mit allen möglichen Raffinessen, der ganze Stolz seiner Mutter.

Die vier Personen am Tisch hatten die Ankömmlinge noch gar nicht bemerkt, da war Patrick die Quelle des betörenden Duftes bereits förmlich ins Auge gesprungen: ein großes Tablett mit Muffins.

»Hallo Leute, da sind wir!«, begrüßte er die versammelte Familie. Das Gespräch verstummte und aller Augen richteten sich auf sie.

Christian hob grüßend die Hand und lächelte in die Runde. »Guten Morgen!«

Patricks Mutter sprang auf. Sie kam auf ihn zu und umfasste seine zum Gruß vorgestreckte Hand mit ihren beiden. »Guten Morgen, Christian! Ich freue mich, dass du meinen Jungs heute hilfst.« Sie lächelte ihn freundlich an und er nickte.

»Aber sehr gern. Mit sechs Händen geht es eben schneller als mit vier.«

»Willst du einen Kaffee und einen Blaubeermuffin zur Stärkung?«

»Danke, da sag ich nicht Nein. Sie duften absolut verführerisch.«

»Hallo, Schatz, du auch?«, wandte sie sich an ihren Sohn, der sich gerade aus der Jacke schälte.

»Ich dachte schon, mich fragst du gar nicht.« Patrick grinste und bändigte beidhändig seine langen Haare, die von der Wollmütze elektrostatisch aufgeladen waren.

»Zur Not hättest du dir ja auch einfach selbst was nehmen können. Bist ja da daheim«, erwiderte sie schmunzelnd und holte bereits Tassen aus dem Schrank. »Setzt euch.«

Er beobachtete, wie Christian ganz selbstverständlich alle Hände reihum schüttelte, bevor er der Aufforderung der Hausherrin nachkam und sich einen Stuhl zurechtzog.

»War das Holz vorbereitet wie ausgemacht?«, erkundigte sich Max und Patrick nickte.

»Ja, sieht vollständig aus, soweit ich es im Kopf hatte.«

Sein älterer Bruder runzelte die Stirn. »Wo ist die Stückliste?«

»Liegt vermutlich im Büro. – Danke, Mama!« Patrick nahm seine dampfende Kaffeetasse in Empfang.

»Das wird schon passen. Valentins Leute sind zuverlässig«, warf sein Vater ein. »Höchste Zeit, dass wir den Hühnerstall reparieren. Für übermorgen ist noch einmal Schneefall vorhergesagt.«

Max stöhnte genervt.

Zeitgleich rief Sandra: »Oh, wie schön! In Funkelstein kann ich vom Winter gar nicht genug bekommen.«

»Ist ja auch dein Erster hier. Warte mal ab, wie du in ein paar Jahren darüber denkst«, gab Max trocken zurück und strich seiner Freundin liebevoll eine rote Haarsträhne hinters Ohr, um sie danach auf die Wange zu küssen. Automatisch flog Patricks Blick zu seinem Freund, der die beiden amüsiert beobachtete.

Insgeheim war Patrick ein wenig neidisch, weil sein Bruder seine Liebe so offen zeigen konnte, während er selbst sie ständig verstecken musste. Bisher war das für ihn kein Problem gewesen. Seine Affären mit Männern waren nie so tief gegangen, dass er das Bedürfnis gehabt hätte, sie irgendjemandem vorzustellen. Erst mit Christian wuchs dieser Wunsch und es war ihm sehr bewusst, dass er seinen Liebsten mit seiner Zurückhaltung geradezu quälte, obwohl das nicht in seiner Absicht lag.

Patrick schob den Gedanken beiseite und griff nach einem Muffin. Mit Genuss sog er den Duft des flaumigen Kuchens ein, bevor er den ersten Bissen nahm.

»Mmh, köstlich«, stöhnte er mit vollem Mund und Christian nickte zustimmend und ebenfalls kauend.

»Hat Sandra gebacken«, ließ sein Vater verlauten und lächelte seiner »neuen Tochter«, wie er sie gerne nannte, anerkennend zu.

Amüsiert stellte Patrick fest, dass Max bei diesen Worten vor Stolz auf seine Freundin nur so strahlte. Allerdings gönnte er seinem großen Bruder sein Glück – seine Sandra Glück, wie sie mit vollem Namen hieß – von Herzen. Max war bereits einmal verheiratet gewesen. Leider hatte sich diese Verbindung sehr bald als der sprichwörtliche Griff ins Klo herausgestellt. Trotzdem war die zwanzigjährige Katharina, die aus dieser Ehe stammte, ein wahrer Sonnenschein. Sie fehlte allen, seit sie in der Landeshauptstadt Graz studierte. Deshalb erkundigte sich Patrick nach ihr: »Wann kommt denn Kitty wieder? Die Palmweihe am nächsten Wochenende wird sie sich doch nicht entgehen lassen?«

»Nein, bestimmt nicht. Sie kommt am Freitag und bleibt dann bis nach Ostern«, gab Sandra mit dem ihr eigenen strahlenden Lächeln Auskunft. Sie und Kitty hatten in Graz zusammengewohnt und waren dicke Freundinnen. »Ich bin schon richtig gespannt, wie die Funkelsteiner Ostern feiern.«

Patrick grinste. »Wie alles: ausgiebig, traditionell mit altem Brauchtum und viel Essen und Trinken!«

Max leerte seine Kaffeetasse, stellte sie auf den Tisch zurück und erhob sich. »Lasst uns loslegen.«

Patrick nickte zustimmend und stand ebenfalls auf. Im Gehen stopfte er sich noch einen Muffin in den Mund.

»Freut mich, dass sie dir schmecken!« Sandra lachte ihn spitzbübisch an und fragte dann: »Braucht ihr mich draußen?«

Patrick schüttelte den Kopf, sagen konnte er nichts.

Das erledigte sein Bruder für ihn, der sich an der Tür noch einmal umdrehte. »Nein, bleib im Warmen. Wir schaffen das zu dritt.«

»Hast du Lust, mir beim Kochen zu helfen?«, vernahm Patrick die Stimme seiner Mutter, während er in die Jacke schlüpfte. Sandras Antwort hörte er nicht mehr.

»Das wäre doch eigentlich eher mein Part«, stellte Christian fest, als sie gemeinsam auf den Hof hinaustraten.

Max drehte sich zu ihnen um und grinste ihn an. »Keine Chance, dich zu drücken! Aber du kannst uns trotzdem gerne mal bekochen.«

»Gute Idee«, stimmte Patrick zu und Christian stupste ihn in die Seite.

»Tu nicht so, als ob das nicht ohnehin schon beinahe zur Gewohnheit geworden wäre.«

»Ja, für mich, aber Max kam bisher noch nicht in den Genuss deines Könnens«, verteidigte er sich.

»Das stimmt. Wenn wir uns das nächste Mal auf ein Bier treffen, könnten wir das doch in deiner Bude machen und ich bereite was vor«, schlug nun Christian bereitwillig vor.

»Klingt gut. Aber jetzt müssen wir zusehen, dass wir den Hühnerstall dicht bekommen«, mahnte Max.

»Schon gut, großer Bruder, das wissen wir doch. Ich fahre mit dem Transporter näher heran, damit wir das Holz nicht so weit schleppen müssen. Falls wir weiteres Werkzeug brauchen, habe ich auch noch einiges dabei.«

Max nickte. »Okay, ich hole mal alles Brauchbare aus dem Schuppen. Christian, kommst du mit?«

Patrick sah den beiden nach, als sie die große asphaltierte Fläche überquerten. Sein Freund wurde von Max mit seinen ein Meter neunzig zwar ein Stück überragt, aber sonst machte er neben ihm eine gute Figur. Seine Schultern waren beinahe gleich breit und für einen Moment ruhte Patricks Blick auf dem knackigen Hintern in der alten, löchrigen Jeans, die er eigens für diesen Arbeitseinsatz mitgebracht hatte.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schwang er sich in die Fahrerkabine. Er freute sich darauf, mit Max und Christian zu arbeiten. Allerdings hatte er Bedenken, dass ihm Max, wie sonst auch, das Zepter aus der Hand nehmen könnte. Doch dies war sein Projekt. Sein Bruder war gelernter Elektriker und ein geschickter Allrounder. Mit dem Fachwissen und der Erfahrung als Bau- und Möbeltischler, die sich Patrick im Laufe der Jahre angeeignet hatte, konnte Max hier jedoch sicherlich nicht mithalten.

Er lenkte den Transporter an dem gemütlichen Bauernhaus vorbei, das von seinen Urgroßeltern erbaut und von seinem Vater modernisiert worden war, zu den Nebengebäuden. Der ehemalige Kuhstall wurde zur Hälfte als Garage genutzt. Ein abgeteilter Bereich beherbergte drei Ziegen, die zwar Milch gaben, jedoch vorrangig als Streicheltiere gehalten wurden.

In dem daran anschließenden Gebäude hatten bis vor Kurzem zwei Schweine ein glückliches Dasein gefristet, bis sie geschlachtet worden waren. Demnächst würden wieder zwei Ferkel einziehen, um nach angemessener Zeit die gesamte Familie Flink mit ihrem Fleisch zu versorgen.

Daneben befand sich der Hühnerstall. Als Patrick aus dem Wagen stieg, hörte er das fröhliche Gegacker der ungefähr fünfundzwanzig Hühner unterschiedlicher Rassen, die sich in der noch recht schwachen Frühlingssonne tummelten. Früher waren sie überall herumgelaufen. Doch seit rund einen Kilometer entfernt zum Missfallen seiner Eltern eine kleine Wohnsiedlung entstanden war, hatte sich das Verkehrsaufkommen auf der früher so ruhigen Zufahrtsstraße vervielfacht. Deshalb mussten die Hühner nun in der Nähe des Flink’schen Anwesens bleiben. Sie und die Ziegen nutzten gemeinsam einen eingezäunten Freilaufbereich, der rund tausend Quadratmeter umfasste. Für die Schweine gab es einen gleich großen Bereich. Die gesamte Fläche wurde im Sommer von alten Obstbäumen und einigen Büschen beschattet.

Gemeinsam mit Max und Christian betrat er das kleine Gebäude und blickte nach oben.

Max stieß einen leisen Pfiff aus. »Puh, der Dachstuhl ist ganz schön morsch! Kein Wunder, dass er der Schneelast nicht mehr standgehalten hat.«

»Gut, dass Papa den durchhängenden Balken rechtzeitig bemerkt und die Stützen angebracht hat.« Patrick deutete auf die beiden Eisensteher, die normalerweise auf Baustellen verwendet wurden, um frisch betonierte Zwischendecken abzustützen, bis sie fest waren.

»Das heißt, wir machen das Dach komplett neu?«, erkundigte sich Christian.

»Ja, und dafür müssen wir erst das alte Material entfernen, bevor wir es neu aufbauen können«, bestätigte Patrick.

»Na, dann ...« Max schlüpfte in seine mitgebrachten Handschuhe und Patrick reichte sein zweites Paar wieder an seinen Freund weiter.

»Von innen oder außen?« Max sah Patrick fragend an.

»Ich denke, von innen ist es zu gefährlich.« Er freute sich insgeheim, dass sein Bruder sich offenbar seiner Leitung unterordnete. Das war ein ungewohntes, aber auch sehr gutes Gefühl.

Sie lehnten zwei Leitern an die gemauerte, stabile Außenwand und gemeinsam mit seinem Bruder entfernte er zuerst die alte, brüchige Teerpappe, danach Brett für Brett der Holzkonstruktion. Einige zerfielen buchstäblich in ihren Händen, andere wehrten sich und würden noch Brennholz für den Tischherd abgeben.

Als Max an einem Stück kräftiger zog, krachte das halbe Dach nach unten auf den Betonboden. Einige Hühner, die sich vom Abbruchlärm nicht hatten vertreiben lassen, stoben erschrocken bei der offenen Tür hinaus.

»Hoffentlich hat es keines erwischt.« Max blickte durch die entstandene Öffnung ins Innere.

»Dann gibt es morgen Brathuhn«, witzelte Patrick.

»Und du bringst Mama bei, dass es Luisa, Pippa oder wie sie alle heißen, getroffen hat. Schließlich bist du der Baustellenleiter.«

So sehr Patrick seine Position bei dem Projekt gefiel, die Aussicht war nicht besonders prickelnd, ihr die traurige Botschaft vom Ableben einer ihrer geliebten Hennen überbringen zu müssen.

Christian, der die abgelösten Teile, die sie ihm hinuntergereicht hatten, nach Brauchbarkeit sortiert und zur Seite geschafft hatte, steckte nun von unten den Kopf durch die Tür. »Soll ich nachsehen oder werft ihr gleich auch den Rest herunter?«

»Geh da jetzt bloß nicht rein!«, wehrte Patrick erschrocken ab. »Wenn der ganze Mist einem Huhn auf den Kopf fällt, könnte ich das verschmerzen ...« Er vollendete den Satz nicht, sondern sah seinen Liebsten nur eindringlich an, dann scheuchte er ihn mit einer Handbewegung zurück. Über die Öffnung hinweg blickte er zu seinem Bruder und gab zu bedenken: »Wenn wir den Rest einfach runterwerfen, gehen vielleicht die Sitzstangen und Legenester kaputt.« Glücklicherweise waren diese in dem Teil untergebracht, über dem das Dach noch so weit intakt war.

Max nickte. »Ja, wir müssen weitermachen wie bisher. Also auf die andere Seite und weg damit.« Er entfernte ein paar Holzreste, dann stieg er die Leiter hinunter, um sie in eine neue Position zu bringen.

Nachdem das erledigt war, räumten sie die Trümmer aus dem drei mal drei Meter großen Gebäude. Erleichtert stellten sie fest, dass sich darunter kein erschlagenes Huhn befand.

Kapitel 2

Christian

Gemeinsam mit Patrick folgte er Max ins Haus. Schon an der Haustür rief dieser: »Was gibt es denn zu essen? Ich bin am Verhungern!«

»Brathuhn mit Reis«, antwortete Patricks Mutter aus der Wohnküche.

Christian hätte beinahe laut herausgelacht, weil ihm die Unterhaltung beim Hühnerstall von vorhin einfiel.

»Und Pflücksalat«, setzte sie hinzu, als sie den Raum betraten.

»Schon aus deinem Garten?«, erkundigte sich Patrick und Conny nickte stolz.

»Ja, das Gewächshaus war eine sehr gute Idee von euch!« Sie lächelte ihre Söhne anerkennend an und Christian konnte gar nicht anders, als ebenfalls zu strahlen. Eigentlich war ja er es gewesen, der Patrick und Max vor einigen Wochen den Vorschlag gemacht hatte, als sie gemeinsam bei einem Bier darüber nachgedacht hatten, womit die Brüder ihrer Mutter zum Geburtstag eine Freude machen könnten. Nachdem sie ihm erzählt hatten, wie leidenschaftlich sie ihren Garten versorgte, war es für ihn naheliegend gewesen, die Wachstumsperiode, die in dieser doch recht rauen Gegend eher kurz war, durch ein Gewächshaus zu verlängern.

Mit Patricks Familie an dem großen rustikalen Esstisch zu sitzen, war ein eigenartiges Gefühl. Natürlich kannte man sich. Funkelstein war schließlich ein kleiner Ort. Doch niemand außer Max – und vermutlich auch Sandra – wusste, was ihn mit Patrick tatsächlich verband. Trotzdem wurde er behandelt, als gehörte er dazu.

Er fühlte sich wohl in dieser Runde, doch gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen, ihnen etwas vorzuspielen. Je besser er sie kennenlernte, umso weniger konnte er nachvollziehen, warum es Patrick so wichtig war, nicht einmal seine engste Familie einzuweihen, dass weit mehr zwischen ihnen war als eine reine Männerfreundschaft.

Nach dem Essen machten sie sich rasch wieder an die Arbeit. Am Vormittag hatten sie den Transporter abgeladen und die Holzteile in der Reihenfolge bereitgelegt, wie sie sie verarbeiten würden. Nun war auch Herr Flink senior mit von der Partie, der von ihm Fredl genannt werden wollte, so wie es in Funkelstein allgemein üblich war, dass sich alle duzten.

Patrick griff nach seinen Handschuhen und verzog das Gesicht. »Mist, wir hätten sie mit ins Haus nehmen sollen. Die sind ja eisig kalt.«

»Unsere nicht. Sind in der Sonne gelegen.« Max grinste und warf Christian sein Paar zu.

»Jaja, schön für euch! Uns wird ohnehin gleich warm werden. Wir müssen heute noch den Dachstuhl aufbauen und die erste Lage Bretter befestigen, sonst haben die Hühner eine verdammt kalte Nacht vor sich.«

»Und gefährlich ist es außerdem, wenn sie keinen Schutz vor Raubtieren haben«, stellte Fredl fest.

Max sah seinen Bruder auffordernd an. »Los gehts! Patrick, sag an.«

Die nächsten zwei Stunden arbeiteten sie konzentriert, bis alle Balken für den Dachstuhl montiert waren.

»Kurze Kaffeepause, dann gehts weiter«, kommandierte Patrick.

»Du machst das toll«, stellte Christian leise fest, als sie hinter den anderen beiden zum Haus hinübergingen. »Richtig kompetent. Man merkt, dass du hier in deinem Element bist.«

»Danke!« Patrick wirkte erfreut, aber auch überrascht über die Anerkennung. »Um ehrlich zu sein, finde ich es ziemlich cool, dass Max sich mir da so unterordnet. Das hatte ich nicht erwartet. Normalerweise gibt er den Ton an. So bin ich es seit jeher von ihm gewohnt.«

»Als jüngerer Bruder ist es nicht immer einfach. Und fünf Jahre Unterschied sind ja nicht wenig.«

»Noch dazu, wo ich von Natur aus zarter gebaut bin als er und als Kind oft krank war.« Patrick hatte schon einige Male angedeutet, dass er sich früher oft nicht für voll genommen gefühlt hatte. Daher war es nicht verwunderlich, wie sehr er es genoss, bei diesem Projekt den Ton anzugeben.

Nach einer kleinen Aufwärmpause mit Kaffee und weiteren Muffins machten sie sich wieder ans Werk.

»Willst du die Nägel einschlagen oder reichst du uns gemeinsam mit Papa die Bretter zu?«, fragte Patrick seinen Freund.

Christian hob abwehrend die Hände. »Bei den Brettern bin ich besser aufgehoben. Mit Messern kann ich umgehen, aber mit Hammer und Nägeln stehe ich auf Kriegsfuß.«

Patrick lachte. »Dachte ich mir schon.«

»Warum mit Messern?«, griff Fredl die Bemerkung auf. »Ich dachte, du bist Masseur?«

»Stimmt, aber auch gelernter Koch und Kellner. Ich habe sogar einige Jahre im Gastgewerbe gearbeitet, obwohl mir bald klar war, dass mir das auf Dauer zu stressig ist.« Er nahm das nächstgelegene Brett und einige Nägel und reichte sie Patrick nach oben. Fredl machte dasselbe bei seinem Erstgeborenen, dann erschwerten die Baugeräusche eine weitere Unterhaltung.

Ein Brett nach dem anderen wurde von den Brüdern an den Sparren befestigt.

»Das geht ja dahin«, stellte Christian bewundernd fest.

»Wir sind ein tolles Team.« Auch Fredl war sichtlich zufrieden mit dem Baufortschritt. »Morgen kommen dann diese Latten rauf, dazwischen eine Lage Schafwolle als Dämmung und eine zweite Schicht Bretter«, erklärte er Christian ungefragt. »Ein Freund von mir deckt das Dach am Montag noch mit Biberschwanz-Ziegeln aus rotem Ton. Bis an mein Lebensende brauche ich mir keine Gedanken mehr über den Hühnerstall zu machen.«

»Schafwolle? Etwa von der Familie Hammerl?«, fragte er nach. »Dass sie Strickwolle und Handarbeiten produzieren, wusste ich schon, aber von Dämmmaterial habe ich noch nichts gehört.« Die Hammerls züchteten nicht nur Schafe, sondern auch Alpakas. Aus der Wolle dieser putzigen Tiere hatte ihm Patrick zu Weihnachten einen wunderbar flauschigen Schal geschenkt.

Fredl schüttelte den Kopf. »Nein, nicht von ihnen. Ihre Tiere haben so schöne Wolle, da wäre es ja schade, sie hier hineinzustopfen. Ich habe eine Rolle davon im Baumarkt gekauft.«

Als sie die Arbeit an diesem Tag beendeten, dämmerte es bereits und es war empfindlich kalt geworden, aber das Dach war mit einer Lage Brettern zumindest dicht und sicher.

»Gott sei Dank ist das geschafft.« Fredl streckte sich und stöhnte verhalten. Die Hühner, die sich den Tag über eher am anderen Ende des Geheges aufgehalten hatten, kamen nun, da das Hämmern verstummt war, neugierig herbei.

»Ja, kommt nur und schaut euch euer neues Dach an«, lockte Fredl das Federvieh. »Und ich hole Conny, damit sie es auch begutachten kann. Dann kann sie ihre Schätzchen gleich für die Nacht einsperren.«

Er ging zum Wohnhaus hinüber, während Patrick, Max und Christian das Werkzeug in den Schuppen brachten.

Auch Conny war sichtlich erleichtert. »Das habt ihr super gemacht! Gute Arbeit. Denkt ihr, es ist dicht?«

»Warum fragst du? Ich hätte nichts davon gehört, dass uns die Schlechtwetterfront schon heute erreicht.« Max runzelte besorgt die Stirn. Er war in Funkelstein für die Koordination der Schneeräumung und des Streudienstes verantwortlich.

»Nein, nein, eh nicht für diese Nacht«, beruhigte ihn seine Mutter schnell. »Kommt ihr noch rein, was jausnen?«

Kapitel 3

Patrick

Erst eineinhalb Stunden später machten Max und Sandra Anstalten aufzubrechen und Patrick stieß Christian unter dem Tisch an. Mit einem leichten Nicken gab der ihm zu verstehen, dass er ebenfalls dazu bereit war, sich zu verabschieden.

»Bleibst du über Nacht in Funkelstein?«, erkundigte sich Max bei Christian, als sie ins Freie traten. »Mein Kollege hat vorhin angefragt, ob er mit dem Streuwagen ausrücken soll, weil die Straßen stellenweise glatt werden.«

Bevor Christian antworten konnte, mischte sich Patrick ein. »Über die steile Funkelpasse sollte man dann besser nicht fahren, wenn es nicht sein muss. Aber Christian schläft ohnehin bei mir.«

»Das ist gut. Wann starten wir morgen?«

»Spätestens um zehn, würde ich sagen. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns und wer weiß, wie lange sich die Schlechtwetterfront tatsächlich Zeit lässt.«

»Stimmt, dann besser früher. Regen oder gar Schnee können wir echt nicht gebrauchen, bevor das Dach fertig und dicht ist. Also um halb zehn?«

»Okay, neun dreißig«, bestätigte Patrick.

»Habt einen schönen Abend!« Sandra lächelte ihnen fröhlich zu, bevor sie an der Beifahrerseite des SUV einstieg.

Ihm fiel auf, wie angenehm er es empfand, dass die beiden seine Beziehung zu Christian als so selbstverständlich betrachteten. Oder ihm zumindest dieses Gefühl vermittelten.

»Müssen wir heute noch den Transporter zurückbringen?«, fragte ihn Christian, als sie einstiegen.

Patrick schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, aber es liegt ja auf dem Weg und wenn es wirklich rutschig wird, fahre ich lieber mit meinem eigenen Auto. Puh, ich bin ordentlich müde und die Knie zittern mir auch. Die ganze Zeit auf der Leiter zu stehen, ist höllisch anstrengend.« Er startete den Transporter.

»Vielleicht sollten wir uns morgen doch abwechseln?«, schlug Christian besorgt vor.

»Lieb von dir, aber ich geb dir bestimmt keinen Hammer in die Hand. Das kann ich nicht verantworten!« Patrick grinste ihn an, bevor er sich vergewisserte, dass er ungehindert auf die Zufahrtsstraße einbiegen konnte. »Aber falls du nicht so erledigt bist wie ich, könntest du mich ja noch ein bisschen massieren.«

Christian legte ihm kurz die Hand auf den Oberschenkel und drückte ihn leicht. Er fühlte ihre Wärme durch die Jeans hindurch. »Das mache ich gern, aber ich übernehme keine Verantwortung für die Folgen.«

»Mmhh, ich glaube, damit kann ich leben.«

»Ich fühle mich bei deiner Familie so richtig wohl. Sie sind alle so herzlich und unkompliziert«, stellte Christian fest und Patrick nickte zustimmend, während er sich gleichzeitig fragte, was nun kommen würde. Doch die befürchtete Frage, warum er ihnen nicht endlich von ihrer Beziehung erzählen wollte, blieb aus.

»Der Frischkäse, den deine Mutter aus der Ziegenmilch macht, ist sensationell«, kam stattdessen aus dem Dunkel neben ihm. »Über dich auch noch so gute, unverfälschte Lebensmittel beziehen zu können, ist für mich das i-Tüpfelchen zum Glück.«

Patrick lachte. »Freut mich. Liebe geht eben doch durch den Magen.« Ihm kam der Gedanke, ob das für Christian wenigstens ein kleiner Ausgleich dafür war, dass er sich nicht öffentlich zu ihm bekennen konnte. »So, da sind wir schon. Öffnest du wieder das Tor? Aber nimm den Schlüssel bitte mit. Ich muss noch einen Sprung ins Büro.«

Er parkte den Transporter an der Stelle, wo er ihn abgeholt hatte, und versperrte ihn. Dann schloss er die Bürotür auf und deponierte den Autoschlüssel auf dem freien Haken im Schlüsselkasten, wo er hingehörte. Die Schlüssel für Büro und Gelände klippte er mit dem Karabiner wieder auf seinem eigenen Schlüsselbund fest, sobald Christian das große Tor verschlossen hatte. Dann fuhren sie zu Patricks Wohnung, die in einem anderen Ortsteil von Funkelstein lag.

»Was machen wir heute noch?«

Patrick wandte den Kopf und schmunzelte über Christians erwartungsvolle Miene. »Warum fragst du?«

»Es ist Samstag Abend. Wir könnten in die Funkelbar gehen. Da tritt heute diese Reggae-Band auf.«

Er unterdrückte ein Seufzen. Manchmal hatte er das Gefühl, Christian wäre nicht drei Jahre jünger als er, sondern mindestens zehn. »Ernsthaft?« Er warf ihm neuerlich einen Blick zu, der ihm zeigte, dass sein Freund voll motiviert war. Am liebsten hätte er sich nach diesem arbeitsreichen Tag mit einem Bier auf die Couch fallen lassen und wäre, dicht an Christian gekuschelt, durch die Fernsehprogramme gezappt. Er schüttelte innerlich über sich selbst den Kopf. In letzter Zeit war er bequem geworden und das gefiel ihm nicht. Früher hätte er keinen Live-Auftritt in der Funkelbar ausfallen lassen. Er gab sich einen Ruck.

»Du hast recht. Die Jungs sollen ziemlich cool sein. Gib mir eine halbe Stunde auf der Couch, bevor wir wieder losziehen.«

Christian zog skeptisch die Augenbrauen hoch. »Bist du sicher, dass du dann noch mal auf die Füße kommst?«

»Ja, versprochen.«

Patricks Badezimmer war zu klein für zwei Männer, also ließ er Christian den Vortritt in die Dusche und hatte dadurch automatisch seine Ruhepause. Dennoch kostete es ihn Überwindung, danach den bequemen Platz zu verlassen, zumal ihn sein Feierabendbier zusätzlich entspannt hatte. Aber er hatte es seinem Freund versprochen und außerdem war er sicher, dass sie den Abend in der Funkelbar genießen würden. Schließlich bestand das Leben nicht nur aus Arbeit und auf dem Sofa herumliegen konnte er in zwanzig Jahren auch noch.

»Brrrr ... Es ist verdammt kalt geworden«, stellte Christian fest und klang etwas ernüchtert, als sie auf die Straße traten.

»Doch lieber aufs Sofa?«, zog Patrick ihn auf. In Wirklichkeit hatte er nun auch Lust auf Musik und Gesellschaft und wäre enttäuscht gewesen, wenn sein Freund jetzt einen Rückzieher gemacht hätte.

»Auf keinen Fall. Wie weit ist das von hier zu Fuß?«

»Zwanzig Minuten ungefähr.«

Christians leises Stöhnen brachte Patrick zum Schmunzeln. »Wir können auch fahren, aber dann musst du ans Steuer.«

»Ich habe ja nichts gegen deine Sardinenbüchse, doch ganz nüchtern mag ich nicht bleiben. Zu Reggae gehört schon ein ordentlicher Cocktail.«

Patrick konnte den mehr oder minder süßen Mischgetränken wenig abgewinnen. Ein kühles Blondes war ihm da eindeutig lieber. Allerdings hatte er mitbekommen, dass die Cocktails noch besser ankamen, seit Harry Streimelhofer die Funkelbar übernommen hatte. Anscheinend verstand er davon mehr, als er ihm zugetraut hatte.

Die kalte Luft biss ihm in die Nase und er war froh, dass ihn sein Vollbart ein wenig schützte. Neben ihm kam Christian ins Rutschen und er erwischte ihn gerade noch am Ellenbogen.

»Danke! Puh, das war knapp. Ich muss mir für den nächsten Winter Schuhe mit besserem Grip zulegen.« Er wandte den Kopf und für einen Moment berührten sich ihre Lippen beinahe. Die ruhige Nebenstraße, auf der sie sich befanden, war menschenleer. Trotzdem zuckte Patrick ganz automatisch zurück. Im Licht der Straßenlaternen erkannte er den Schimmer der Enttäuschung, der immer dann in Christians Augen auftauchte, wenn er sich vor ihm zurückzog.

»Tut mir leid. Diese Vorsicht ist so tief in mir verankert. Du weißt, dass das nichts mit dir persönlich zu tun hat, oder?«

»Ja, du hast es mir ja schon oft genug versichert. Trotzdem ist es hart, dir so nahe zu sein und dabei so weit entfernt.«

Patrick schnaubte genervt durch die Nase. »Wir sind uns doch nahe, aber das geht nur uns beide was an.«

»Schon gut. Lassen wir das. Ich will einfach einen schönen Abend mit dir verbringen, okay?«, antwortete Christian in einem weichen, versöhnlichen Tonfall.

Patrick seufzte innerlich, stieg aber erleichtert darauf ein. »Ja, das will ich auch.« Sie gingen soeben unter einer Straßenlaterne hindurch und er sah ihn mit einem liebevollen Lächeln an. »Was hältst du davon, wenn wir am kommenden Wochenende eine kleine Wanderung auf den Funkelstein machen? Um diese Jahreszeit sind kaum Leute unterwegs.« Im nächsten Moment hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Der letzte Satz klang ja schon wieder so, als ob er sich mit oder wegen Christian verstecken wollte. »Ich finde es schön, wenn ich die Weite der Landschaft für mich allein habe, doch mit dir teile ich sie gern«, schob er rasch hinterher.

Christian wandte den Kopf und stupste ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. »Jetzt hast du die Kurve gerade noch gekriegt«, brummte er, doch dahinter lag ein Lachen, wie Patrick erleichtert bemerkte. »Für Schneetouren bin ich aber nicht ausgerüstet«, warnte Christian dann. »Und was ist mit dem Palmsonntag? Hast du da irgendwelche Aufgaben?«

»Nein, zur Messe mit der Palmweihe sollte ich mich vielleicht in der Kirche sehen lassen, aber sonst steht nichts Besonderes an.«

Nun bogen sie auf den Hauptplatz ein, den sie überqueren mussten. Hier waren noch mehr Menschen zu sehen, aber alle wirkten, als hätten sie es eilig, in die warmen Stuben zu kommen.

Wenigstens waren hier die Gehsteige größtenteils mit Kies bestreut, was ein sicheres und schnelleres Vorwärtskommen gewährleistete.

Heiße Reggae-Rhythmen drangen bis auf den Parkplatz der Funkelbar, der bereits gut besetzt war. Ein paar Leute standen in Grüppchen vor dem Lokal und rauchten.

Wärme, Musik und Stimmengewirr schlugen ihnen entgegen, als sie eintraten. Sie öffneten ihre Jacken und kämpften sich durch die Menge zur Bar. Jemand klopfte Patrick auf die Schulter und er grüßte mit erhobener Hand zurück. Nun konnten sie auch die Band sehen.

In der Mitte saß ein Mann mit dem typischen Aussehen eines waschechten Jamaikaners und schlug die Trommel. Die dunkle Hautfarbe ließ seine Zähne strahlend weiß erscheinen und sein breites Lächeln verriet, wie sehr er es liebte, seine Musik zu spielen. Die Dreadlocks wippten im Takt seiner Hände. Seine Bandkollegen sahen zwar europäisch aus, entlockten ihren Instrumenten jedoch durchaus karibische Klänge. Der dunkelhäutige Musiker fing an zu singen und schloss dabei die Augen. Seine dunkle, klangvolle Stimme jagte Patrick einen wohligen Schauer über den Rücken.

Er drehte sich zu Christian um, der ihm mit einem entspannten Lächeln zeigte, wie sehr er die Atmosphäre genoss. Dabei bemerkte er, dass sich sein Freund bereits leicht zur Musik wiegte. Es würde wohl nicht lange dauern, bis ihn der Rhythmus vollends erfasste.

Doch zuerst steuerten sie die Theke an. Es dauerte eine Weile, bis sie an die Reihe kamen. Patrick bestellte für sich ein Bier, Christian eine Piña colada. An eine Unterhaltung war nicht zu denken, aber deshalb waren sie ja auch nicht hier. Es fühlte sich an, als ob der Rhythmus alle seine Zellen in Schwingungen versetzte. Er sah seinem Freund an, wie sehr er die Stimmung genoss, und war froh, dass er seiner Müdigkeit nicht nachgegeben hatte.

Gleichzeitig leerten sie ihre Gläser und mischten sich unter die Tanzenden. Patrick entdeckte viele bekannte Gesichter, aber auch von außerhalb schienen zahlreiche Gäste gekommen zu sein. Gut für Harry. Obwohl er ihn nicht besonders mochte, gönnte er ihm den Erfolg. Und im Moment war er ohnehin in einer absolut gelassenen und entspannten Stimmung.

Christian wurde von einer hübschen Blondine angetanzt. Er schenkte ihr ein fröhliches Lächeln, wandte sich aber nach ein paar Takten wie zufällig von ihr weg. Dann geriet Patrick in ihr Blickfeld. Sie kam ihm vage bekannt vor, trotzdem war er sich ziemlich sicher, dass mit ihr nie mehr gewesen war als ein Flirt. Sie warf ihm aus ihren blauen, gekonnt geschminkten Augen bedeutungsvolle und eindeutig auffordernde Blicke zu.