Die Macht der Körpersprache - David Givens - E-Book

Die Macht der Körpersprache E-Book

David Givens

4,8

Beschreibung

**Ohne Worte: Nonverbale Signale entschlüsseln** Nicht zuhören, sondern zuschauen, heißt die Devise, um die echten Motive, Gedanken und Lügen von Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten zu entlarven. David Givens, Experte für Körpersprache, erklärt, was Haare, Schultern, Hände, ja sogar Schuhe über die wahren Gedanken anderer aussagen. Er zeigt anhand vieler Beispiele aus dem Geschäftsalltag, wie Kommunikationswissenschaft und das Wissen um die Signale des Körpers helfen, die Mitarbeiter und Geschäftspartner wie ein offenes Buch zu "lesen". Die Macht der Körpersprache verrät beispielsweise, wieso die Hand eines Kollegen mehr darüber aussagt, was er denkt, als seine Worte. Oder warum Gesten weit besser haften bleiben als Ansprachen. Und wie man einen neugierigen Chef wortlos abwimmeln kann.

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David Givens

Die Macht der Körpersprache

Für meine Söhne, David Scott Givens und Aaron McKenna Huffman, in Liebe

David Givens

Die Macht der Körpersprache

Menschen lesen im Beruf

Übersetzung aus dem Englischen von Bärbel Knill

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Nachdruck 2017

© 2011 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2010 by David Givens. Foreword copyright © 2010 by Joe Navarro.

All rights reserved.

Die englische Originalausgabe erschien 2010 bei St. Martin‘s Griffin, New York, unter dem Titel Your Body at Work.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Bärbel Knill, Landsberg am Lech

Redaktion: Ulrike Kroneck, Melle-Buer

Satz: HJR, Jürgen Echter, Landsberg am Lech

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86881-670-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-960-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-961-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung Die Macht der Körpersprache im Unternehmen

1. Körpersprache am Arbeitsplatz

Körpersprache auf der Führungsebene

Die fehlende Geste

Die Hand in die Hüfte gestützt

Gespitzte Lippen

Die Körpersprache nach dem Meeting

2. Gesichter sprechen Bände

Das Lächeln

Der Smiley

Lächeln als Balzverhalten

Lächeln als Dresscode

Emotionen

Lass niemand sehen, dass du weinst

Emotionales Netzwerken

Sorgenfalten

3. Von Angesicht zu Angesicht

Blickkontakt bei Starbucks

Verbindung gekappt – der abgewandte Blick

Sie sah uns bewusst nicht an

When in Rome …

Auge in Auge

Die Botschaft der Augen am Konferenztisch

4. Hand-habung im Unternehmen

Der unanständige Finger

Cruz erhebt die Hand

Zeigt her eure Hände!

Der Händedruck

Universelle Gesten

Pantomimische Gesten

Die offene Hand

Die nach unten gekehrte Hand

Gesten, bei denen man sich selbst berührt

Auch Hände können lügen

5. Die Schultern machen den feinen Unterschied

Achselzucken richtig entschlüsseln

Der ultimative Katzenbuckel

Täuschung durch Achselzucken

Das »Warum nicht«-Achselzucken

Die Schultern und die Liebe am Arbeitsplatz

6. Ihr Haar ist Ihre Visitenkarte

Frisur und Mode

Narzisstisches Haar

Das Tier in uns

Die Glatze am Arbeitsplatz

7. Knacken Sie den Dresscode

Achten Sie darauf, was Sie anziehen

Über der Gürtellinie

Die Schultern machen den Anfang

Mit entblößter Kehle

Die Kontra-Anzug-Bewegung

8. Die Seele der Business-Schuhe

Ihr Schuh erzählt Ihre Geschichte

Schuhe, die schreien

Ich trage hohe Absätze, und wenn es mich umbringt!

In große Fußstapfen treten

9. Büroräume

Signale im Büro

Sagen Sie Nein zu Nippes

Was eine Skulptur sagen kann

Raus aus dem Schachteldenken

Der beste aller möglichen Arbeitsplätze

Sicherheit am Arbeitsplatz

10. Hinter den Kulissen – ein Meeting

Die Entwicklung eines Meetings

Prolog

Erster Akt: Eine Anweisung aus dem Stegreif

Zweiter Akt: Eine hitzige Debatte

Dritter Akt: Eine erfreuliche Ansage

11. Es gibt keinen schlimmen Chef

Lynns Problem-Boss

Symbole verstehen

Chads Boss-Bestie

Steves verschwundener Chef

Hinter Stahltoren

12. Beziehungssignale im Büro

Kreativitäts-Pusher

Beziehung abgebrochen

Gemeinsam auf dem Weg

Was ein Spaziergang bewirken kann

Bessere Geschäfte durch gemeinsames Gehen

Erfolgreichere Geschäfte durch Golf

Zu Fuß über Grasland

Beziehung heißt gemeinsam gehen und arbeiten

13. Signale der Vertrauenswürdigkeit

Auf Schweine kann man bauen

Vom Schweinebauch zum Schneeballsystem

14. Schluss: Die Macht der Körpersprache

Danksagung

Literaturverzeichnis

Vorwort

Als David Givens mich bat, das Vorwort für dieses Buch zu schreiben, fühlte ich mich sehr geehrt in Anbetracht dessen, wer mich da bat. Seit fast 15 Jahren lese ich David Givens’ Werke mit großer Begeisterung. Er hat mein Denken über menschliches Verhalten und nonverbale Kommunikation weitgehend gebildet und geformt, was sich in meinen eigenen Veröffentlichungen widerspiegelt. Wer von uns seine Arbeit verfolgt und sein Wörterbuch der nonverbalen Kommunikation benutzt hat, wird erkennen, was er ist: ein Genie, das unter uns lebt.

David Givens schreibt genauso, wie er lehrt – und man würde sich wünschen, dass alle Professoren so lehren würden –, indem er seinen Studenten die Augen öffnet und sie dann mitnimmt auf eine Reise des Lernens. Es ist eine köstliche Fahrt, auf der man Klarheit und eine differenzierte Sichtweise gewinnt und die uns eine Welt besser verstehen lässt, in der man in erster Linie nonverbal kommuniziert.

Anders als andere Autoren gewährt uns David Givens Zugang zu seinem Denken und seiner Weltsicht, nicht nur zu dem, was er uns wissen lassen will. Dadurch verleiht er seiner Arbeit die Perspektive des Anthropologen. Er erforscht die Beweggründe und das Verhalten der Menschen mit einem Funken Boshaftigkeit; denn in vieler Hinsicht verhalten wir uns manchmal nicht besser als unsere nächsten Verwandten – nämlich diejenigen im Zoo. Mit dem Wissensvorsprung des Anthropologen bringt er uns Demut bei und lässt uns, mit einem Lächeln und einer Hommage an unsere Lernfähigkeit, tief in unser Inneres, auf unser primitives Verhalten blicken, sodass wir uns selbst besser verstehen können. Er hält uns den Spiegel vor, sodass wir uns selbst auf eine neue Weise sehen können, mit einem neuen Verständnis dafür, was es heißt, ein Mensch zu sein und als solcher die eigenen Gedanken und Gefühle zu kommunizieren.

In diesem seinem neuesten Buch erfüllt er unsere Erwartungen vollauf.

Minutiös recherchiert und unter Anwendung sämtlicher geeigneter Wissenschaften (Soziologie, Biologie, Neurologie, Psychologie, Anatomie und Physiologie, um nur einige wenige zu nennen) zeigt er uns, was unser Verhalten antreibt und warum wir von solchen Kleinigkeiten beeinflusst werden wie die Art, wie unsere Hände aussehen oder wo wir unser Auto parken. Er untersucht die Körpersprache am Arbeitsplatz vom Scheitel bis zur Sohle, mit der Neugier und dem Wissensdurst eines Wissenschaftlers, der danach lechzt, zu finden, was andere übersahen. David Givens zerlegt das Thema in seine kleinsten Bestandteile: ausgehend davon, was die Frisur aussagt, über die Augen und die Hüften bis zu den Zehen. Was die Bücher Körpersprache der Liebe für die Paarbildung und Crime Signals für die Untersuchung von Verbrechen geleistet haben, hat David Givens mit diesem erstklassigen Werk Die Macht der Körpersprache jetzt für die Arbeitswelt geschaffen.

Mit einer Fülle von Beispielen aus der heutigen Arbeitswelt erforscht David Givens’ neues Buch die Grundlagen von Verhalten und Kommunikation im Unternehmen. Nur wer sein Leben dem Verständnis unserer Spezies gewidmet hat, kann mit einer Autorität wie Givens von Menschenführung sprechen, von Gier, Vertrauen und Enttäuschung im Umfeld eines Unternehmens. Was Desmond Morris mit seinem Buch Der nackte Affe für die Menschen allgemein geleistet hat, liefert David Givens nun für die »Affen im Unternehmen« : Sie und mich.

Wenn Sie gerne etwas dazulernen, wenn Sie die Naturwissenschaften lieben, wenn Sie gerne etwas über die Hintergründe des menschlichen Verhaltens erfahren möchten, wenn Sie sich für Kommunikation im Geschäftsleben interessieren oder wenn Sie im Bereich Human Resources oder in leitender Funktion tätig sind – dann werden Sie dieses Buch genießen. Es ist ein Buch, zu dem man immer und immer wieder greifen kann und in dem man jedes Mal wieder neue Juwelen findet. Es lehrt uns eine Menge über uns selbst.

Es gibt bereits viele Bücher über nonverbale Kommunikation, aber immer wieder einmal kommt ein Buch heraus, das neue Maßstäbe setzt, bei dem wir innehalten und das wir mit Bewunderung betrachten. Solche Bücher kann ich an einer Hand abzählen und dank David Givens habe ich nun ein weiteres, das ich der Liste hinzufügen kann.

Joe Navarro, Autor der Bücher

Menschen lesen und Louder Than Words

Tampa, Florida

EinleitungDie Macht der Körpersprache im Unternehmen

»Es war einer der größten Momente meines Lebens, als mir dieser Mann die Hand gab.«

Sam Solovey, Teilnehmer bei Donald Trumps NBC-Fernsehserie The Apprentice (O’Brien 2005, 22)

Seine Körpersprache ist absolut direkt. Gespitzte Lippen scheinen auf das Gegenüber zu zielen und die über den Kopf nach vorn gekämmte Frisur hat einen Namen: »Taj-Ma-Helmet« (engl. Wortspiel, dt.: »Fass meinen Helm an«). Um Frauen zu beeindrucken, trug er früher weinrote Anzüge mit passenden Lacklederschuhen. Wer ist dieser Mann? Es ist der nach eigenen Angaben Milliardär und Geschäftsmann Donald John Trump, dessen Auftreten die Macht der Körpersprache veranschaulicht, im Geschäftsleben, in der Chefetage wie auf Vorstandsebene.

In der Chefbüro-Szene seiner Reality-TV-Serie The Apprentice (in der Serie werden Kandidaten geprüft, der Sieger bekommt einen Einjahresvertrag von Donald Trump, d. Übers.), als Donald Trump mit der rechten Hand auf den Kandidaten zeigte und sagte »Sie sind gefeuert!«, sah man mehr als nur eine einfache Geste. Wie die Teilnehmerin der zweiten Apprentice-Staffel, Jennifer Crisafulli, in der Fernsehshow Today erzählte: »Da sind winzig kleine Geschosse, die auf einen zufliegen, unsichtbare Kugeln, aus seinem Finger mir direkt in die Brust« (O’Brien 2005, 22). Für Jennifer Crisafulli wurde durch Donald Trumps Geste über den Vorstandstisch eine mysteriöse Kraft über seine Fingerspitzen entladen. Da gab es keinen Zweifel – als Trump diese Worte sagte und mit der Hand auf sie zeigte, spürte Jennifer diese Kraft und wusste, sie war tatsächlich gefeuert.

Die »unsichtbaren Geschosse«, die Jennifer Crisafulli beschreibt, sollen den Worten des Chefs Nachdruck verleihen – gestische Schusskraft. Handbewegungen von der Art, wie Trump sie ausführt, sind nur einige unter Tausenden von nonverbalen Zeichen, Signalen und Hinweisen, die täglich am Arbeitsplatz gesendet und empfangen werden. Sie werden regelmäßig angewandt, den ganzen Arbeitstag lang – von Kollegen, Kunden, Vorgesetzten und Chefs. Nonverbale Zeichen haben vielleicht mehr noch als Botschaften auf Papier, SMS oder E-Mails die Macht, anzuspornen oder einzuschüchtern, Mitleid zu erregen und Loyalität, Wut oder Angst hervorzurufen.

Wir nutzen die Dramaturgie von Donald Trumps Körpersprache, um uns auf eine Reise in die nonverbale Arbeitswelt zu begeben. Auf dem Weg werden wir noch nicht kartierte Dimensionen von Büroräumen erforschen, Unternehmensbotschaften entziffern, die sich in Schuhen verbergen, und ausdrucksstarke Schultern beobachten, wie sie sich auf der Chefetage einschmeicheln. Wir werden die verborgene Bedeutung hinter Signalen finden, die an unsere Sinne gerichtet werden – Sehen, Tastsinn, Gehör-, Geschmacks- und Geruchssinn.

Fangen wir beim Geruch an. Denken Sie an den Duft von Kaffee, einem anscheinend allgemein üblichen Getränk, das jedoch eine wichtige Rolle am Arbeitsplatz spielt. In einer Mitteilung an die Unternehmensführung vom 14. Februar 2007 beklagte Aufsichtsrat Howard Schultz die Umstellung seines Unternehmens vom Verkauf der Kaffeebohnen aus offenen Behältern zum Verkauf in aromaversiegelten Tüten.

»Wir haben erreicht, dass der Kaffee frisch geröstet in Tüten kommt, aber zu welchem Preis?«, lamentierte er. »Wir haben den Duft verloren – das vielleicht wirkungsvollste Signal, das wir in unseren Filialen hatten« (Adamy 2007). Im Rahmen seiner Tätigkeit besucht Schultz 30 bis 40 Starbucks-Filialen in der Woche und Geruchssignale stehen ganz oben auf seiner Tagesordnung. Bei einer Filiale in Seattle klagte er über den starken Geruch von verbranntem Käse, der von einem überbackenen Sandwich herrührte. Da der Käsegeruch vom Starbucks-Thema »aromatischer Kaffee« ablenkte, ließ Schultz in all seinen Filialen die Backöfen auswechseln. Wegen des Geruchs hat Schultz den Backofen letztlich »gefeuert«.

Donald Trumps Gesten mit der Hand und Howard Schultz’ Aroma-Reaktion sind nur zwei von den Signalen am Arbeitsplatz, die ich gefunden habe. Signale am Arbeitsplatz sind die unausgesprochenen Bilder, Geräusche, Oberflächen und Gerüche, die offenbaren, was in der Arbeitswelt über die mündlichen oder schriftlichen Berichte hinaus vor sich geht. Je besser Sie darüber Bescheid wissen, desto besser sind Sie gerüstet in der nonverbalen Welt der Unternehmen, Chefs und Vorstände. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen einen neuen Blick auf die sensorische Seite des Arbeitslebens vermitteln, die in keinem Unternehmen dokumentiert ist.

David B. Givens

Center for Nonverbal Studies

Spokane, Washington

1. Körpersprache am Arbeitsplatz

»Man kann viel beobachten, wenn man achtsam ist.«

Lawrence Peter (»Yogi«) Berra

Der Arbeitsplatz ist ein Ort voller Worte. Telefone, E-Mails, Tastaturen, schriftliche Berichte, SMS, Memos und Meetings. Hunderte, Tausende, Millionen von Worten – gedruckt, gesprochen, geflüstert und laut ausgerufen – erwarten uns und wetteifern um unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Hör mich an, lies mich, beachte mich!

In Die Macht der Körpersprache geht es jedoch nicht um Worte, sondern um das, was dahintersteckt: unausgesprochene Gefühle, Emotionen und Stimmungen. Es handelt von dem, was nicht ausgesprochen wird – den heimlichen Motiven, verdeckten Plänen und verborgenen Vorhaben. Es stecken oft heimliche Beweggründe, Programme oder Entwürfe hinter den Businessphrasen eines Unternehmens. Sherlock Holmes hat uns in seiner Klugheit beigebracht, auf verborgene Hinweise an ganz alltäglichen Gegenständen zu achten, wie an Schuhsohlen, Fingernägeln oder Ärmeln. In Die Macht der Körpersprache werden Sie lernen, die versteckten Botschaften in nonverbalen Signalen und Körpersprache am Arbeitsplatz aufzuschlüsseln und zu entziffern – vom Scheitel bis zur Sohle. Was sagen Hände, Schultern, Gesichter und Augenlider im Konferenzraum aus, was Memos und Worte nicht sagen? Wie kann Kleidung Sie am Arbeitsplatz stärker oder schwächer erscheinen, im Job kompetenter oder weniger kompetent wirken lassen? Welche Geheimnisse stecken hinter Büroschränken, abgetrennten Kabinen, Gemeinschaftsräumen und Bürozellen? Überall, in jedem Büro steckt Bedeutung hinter Kleidung, Gestaltung und Verhalten.

Im Untertitel (des amerikanischen Originals, d. Übers.) von Die Macht der Körpersprache (A Guide to Sight-reading the Body Language of Business, Bosses, and Boardrooms, d. Übers.) nenne ich den Begriff »Lesen durch Sehen« (Sight-reading) und meine damit »intelligentes Beobachten«. Das englische Wort sight für Sehen hat seine Wurzel in dem 7000 Jahre alten indoeuropäischen Wort sekw, »wahrnehmen«. Wichtige Aspekte des englischen Wortes »read« für »lesen« sind »vorausahnen durch Beobachtung« und »Intention oder Stimmung ermitteln« (Soukhanov 1992, 1504). Somit ist das »Lesen durch Sehen« – das Entschlüsseln – der Akt des Vorausahnens von Intentionen und Stimmungen durch Wahrnehmung und Beobachtung von nonverbalen Signalen.

Wenn Sie lernen, die Signale am Arbeitsplatz zu entschlüsseln, wird Sie das nicht nur zu einem besseren Zuhörer machen, sondern auch zu einem besseren Mitarbeiter oder Vorgesetzten. Wenn Sie auf die Körpersprache achten, während Sie anderen zuhören, wird Ihnen das die Emotionen hinter den Worten enthüllen. Durch aktive Achtsamkeit entwickeln Sie mehr Empathie und mehr Überzeugungskraft am Arbeitsplatz und Sie können besser mit anderen zusammenarbeiten. Außerdem können Sie, wenn Sie hinter das gesprochene Wort sehen können, besser einschätzen, wie viel Vertrauen oder Misstrauen unter Ihren Kollegen herrscht. Vertrauen kann durch einfache Gesten wie einen Blick auf Augenhöhe gefestigt werden – und es kann durch ein subtiles Augenzwinkern verwehrt werden.

Aktives Zuhören, Empathie, Überzeugungskraft, Zusammenarbeit, Achtsamkeit und Vertrauen sind Grundzüge eines Führungsstils, der als »Dienende Unternehmensführung« bekannt ist. Dienende Unternehmensführung besteht in der Vorgabe, dass ein Chef nicht nur Menschen führen soll, um seine Macht zu vergrößern, sondern um das Wohlergehen der Angestellten durch die Ziele des Unternehmens zu fördern. Wer bei mir Kommunikation und Unternehmensführung studiert hat, möchte oft das Konzept der Dienenden Unternehmensführung im Job anwenden. Das Ziel ist, weniger durch Anweisung als vielmehr durch Beispiel zu führen. Indem der Chef sich beispielsweise beteiligt, wenn es gilt, eine eilige Postsendung einzutüten, kann er sein Engagement für das Projekt physisch demonstrieren, anstatt nur anzuordnen: »Dieses Mailing muss sofort rausgehen.«

Als Anthropologe, der sich auf nonverbale Kommunikation spezialisiert hat, untersuche ich, wie Menschen außerhalb des gesprochenen, per Handzeichen vermittelten oder geschriebenen Wortes kommunizieren. Nachdem ich fünf Jahre lang an der University of Washington in Seattle unterrichtet hatte, zog ich in das andere Washington, Washington D.C. Zwölf Jahre lang arbeitete ich dort – in der Stadt, die manche die Welthauptstadt der Behörden nennen – als Führungskraft im Verbandsmanagement. Als ich in den Staat Washington zurückkehrte, wurde ich Berater für nonverbale Kommunikation für das amerikanische Verteidigungsministerium, die Environmental Protection Agency (Staatliche Einrichtung der USA für Umweltschutz, d. Übers.) und das Federal Bureau of Investigation (FBI) sowie für Unternehmen wie Masterfoods USA, Pfizer, Best Buy, Kimberly-Clark Worldwide und Unilever. Aus der Feldforschung in verschiedenen Unternehmensumfeldern lernte ich, die stumme Sprache der Büros zu verstehen.

Einer meiner schönsten Aufträge war die Forschungsleitung für Unilever im Bereich Sprache der Hände. Ich wusste, dass menschliche Hände in Malerei und Skulptur eine wichtige Rolle spielten, von eiszeitlicher Höhlenmalerei bis hin zu den Meisterwerken von Michelangelo und Rodin, aber mir war nicht klar, wie wesentlich die Botschaften der Hände auf der Führungsetage sind. Wenn Kollegen von Angesicht zu Angesicht diskutieren, behalten sie die Hände mit sensibler, wenn auch unbewusster Wahrnehmung im Auge.

Was für mich bei der Unilever-Studie am auffälligsten war, war die Tatsache, wie sehr wir die Hände des anderen und ihre emotionalen Signale beobachten. Genau wie die Künstler nehmen wir ganz deutlich wahr, dass Handgelenke, Handflächen und Finger etwas Wichtiges zu sagen haben. Anders aber als bei den Künstlern sind unsere Beobachtungen oft unstrukturiert, vage und jenseits unserer bewussten Wahrnehmung. Wir bekommen eine Empfindung durch eine Handgeste vermittelt, können diese Empfindung aber nicht einfach in Worte fassen. Anders als Michelangelo, der die menschliche Anatomie studierte, können die meisten von uns nicht genau die Haltung oder Stellung der Hand beschreiben, durch die wir gemerkt haben, dass sich die Stimmung geändert hat. Zwischen der Geste und dem Gefühl gibt es keine Verknüpfung durch den Intellekt.

Um herauszufinden, wie gewöhnliche Menschen, die keine Künstler sind, die Sprache der Hände entziffern, zeigte mein Forschungsteam 100 Menschen in den Gegenden um Los Angeles, Kansas City (Missouri), Chicago und Boston zwölf hochauflösende Fotografien von Händen mit bestimmter Beschaffenheit und in unterschiedlicher Haltung. Die Fotos rangierten von den gepflegten Händen eines Erziehungsministers bis zu den rauen, groben Händen eines Elektrikers. Wir fragten: »Was ›sagen‹ Ihnen diese Hände?« – »Welche physischen Eigenschaften bemerken Sie?« – »Welche Merkmale mögen Sie oder mögen Sie nicht? Warum?« Und zuletzt: »Was mögen Sie an Ihren eigenen Händen am liebsten? Warum?« Die nicht repräsentative Gruppe der Befragten bestand zu 47 Prozent aus Männern und zu 53 Prozent aus Frauen zwischen 18 und 66 Jahren (das häufigste Alter war 37) – die Berufe reichten vom Arzt bis zum Donut-Bäcker.

Wir waren überrascht von der Qualität und Quantität der verbalen Antworten. Die Befragten bemerkten eine Menge und sie hatten mehr als nur ein bisschen zu sagen über Hände, deren Form, Größe, Beschaffenheit und Gestik. Ohne dass mein Team aus ausgebildeten Forschern der Anthropologie sie dazu aufgefordert hatte, gaben die Befragten freiwillig 4025 Beschreibungen (Wörter und Sätze) ab, um die zwölf Fotos von Händen zu beschreiben.

Was haben wir aus der Unilever-Studie über die stumme Sprache der Unternehmen gelernt? Je unattraktiver eine Hand ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Kollege bei einem Geschäftsmeeting die Gesten dieser Hand beachtet. In der Studie nahm die Aufmerksamkeit für die Gesten und die Haltung einer Hand immer weiter ab, je negativer die Bewertung dieser Hand ausfiel. Unansehnliche Merkmale beanspruchten die visuelle Aufmerksamkeit und kamen den Gesten – und damit dem Erzeuger der Gesten – in die Quere. Die Teilnehmer waren weniger gut in der Lage, die Gesten der ungepflegteren Hände zu lesen, zu interpretieren und zu dekodieren. Dies waren Hände, die – wiederum mit den Worten der Beobachter – »Runzeln«, »Narben«, »Flecken« oder »Schwielen« hatten, die »schmutzig«, »rau«, »trocken«, »fleckig« waren, deren »Nagelhaut trocken« war und die »kaputte Nägel« hatten.

Umgekehrt: Je attraktiver eine Hand ist, desto wahrscheinlicher wird sie von Kollegen wahrgenommen und werden ihre Signale dekodiert. In die Sprache der Hände-Studie übersetzt: Wir fanden heraus, dass die Aufmerksamkeit gegenüber der Haltung und Gestik einer Hand zunahm, je positiver die Bewertung ihrer Erscheinung ausfiel. Kurz gesagt, die Teilnehmer konnten die Gesten von physisch ansprechenden Händen besser erkennen und entziffern. Attraktive Hände wurden beschrieben als »sauber«, »gepflegt«, »manikürt«, »stark«, »nicht trocken« und »weich«.

Wer hätte gedacht, dass etwas so große Bedeutung haben könnte, von dem wir oft nicht einmal merken, dass wir es wahrnehmen? Vielleicht drückte es der Anthropologe Edward Sapir am besten aus, als er schrieb: »Wir reagieren auf Gesten mit extremer Achtsamkeit und man könnte fast sagen, mittels eines raffinierten und geheimen Codes, der nirgends geschrieben steht, den niemand kennt, aber den alle verstehen« (Sapir 1929, 137).

Am 25. Juli 2002 wurden die Forschungsergebnisse über die Sprache der Hand bei einer Pressekonferenz auf dem Dachgarten des Library Hotel in New York vorgestellt. »Seit wir mit dem Center for Nonverbal Studies zusammenarbeiten« – der privaten Forschungseinrichtung, die ich 1997 in Spokane, Washington, gründete – »verstehen wir besser, wie die Menschen gegenüber ihren Händen und den Händen ihrer Mitmenschen empfinden«, sagte Pablo Gazzera, Markenmanager für Handcreme bei Unilever (White 2002).

Forschungen der University of Chicago zeigen, dass ausdrucksvolle Gesten das verbale Gedächtnis unterstützen und das kognitive Denken fördern. Nonverbale Handsignale verstärken somit die Überzeugungskraft der gesprochenen Worte. Sie sind Schlüsselelemente in der stummen Sprache der Geschäftsmeetings und Hände sollten entsprechend der Rolle, die sie am Verhandlungstisch spielen, gepflegt sein. Doch sie sind nur ein Element in einer ganzen Sprache aus nonverbalen Signalen, in die Sie nun eingeführt werden.

Körpersprache auf der Führungsebene

Stellen Sie sich ein Vorstandsmeeting wie ein Pokerspiel vor. Wie der Poker-Guru und FBI-Profiler Joe Navarro erklärt: »Das vorrangige Ziel der Beobachtungen am Pokertisch ist, Informationen zu sammeln – man will so viel wie möglich über jeden der Gegner am Tisch erfahren« (Navarro 2006, 10–11). An einem Kartentisch wie einem Konferenztisch sind die Einsätze hoch und in beiden Spielen hat der Spieler, der die Körpersprache beobachtet, einen Vorteil.

Vom Drehstuhl im Konferenzraum aus kann man beobachten, wie die Emotionen über der Tischfläche auflodern. Man sieht Lippen, die sich anspannen, Augen rollen, Schultern, die hochgezogen werden, Hände, die sich zu Fäusten ballen. Ausgehend von diesen sichtbaren Hinweisen kann man – ohne Worte – einschätzen, wie die Vorstandsmitglieder zu den einzelnen Themen stehen. Genau wie das stille Pokerspiel »etwas erzählt«, geben sichtbare Körperbewegungen darüber Auskunft, was jemand im Schilde führt.

Als Anthropologe, der sich mit Körpersprache befasst, werde ich manchmal eingeladen, mich bei nichtöffentlichen Meetings hinter verschlossenen Türen dazuzusetzen. »Wir möchten, dass Sie uns sagen«, werde ich gebeten, »was in unserem Vorstand wirklich vor sich geht.« Also komme ich als Gast dazu, sitze still da und verschränke die Arme über dem Tisch. Im Geiste drehe ich den Ton herunter, sodass das permanente Geplapper im Raum meine Konzentration nicht stört. Ich will beobachten, wie sich die Teilnehmer des Meetings verhalten, anstatt zu hören, was sie sagen. Diese Methode, bekannt als »Beobachtung unter natürlichen Bedingungen«, wurde von Jane Goodall angewandt, um das Verhalten wild lebender Schimpansen in Afrika zu studieren. Um die Bewegungen und Gesten der Schimpansen besser beobachten zu können, ignorierte Goodall vorübergehend die ablenkenden Hechelrufe, Belllaute und Schreie. Was die Menschenaffen im Regenwald taten, war oft wichtiger als das, was ihre Laute sagten.

Im Konferenzraum beobachtete ich die Hände der Menschen, ihre Arme und Schultern, wie sie sich krümmen, strecken, verschränkt, zu- oder abgewendet werden und auf dem Spielfeld des Konferenztisches, der genau die richtige Höhe hat, ihren Tanz aufführen. In meiner Rolle als hospitierender Anthropologe stellte ich mir die Tischplatte so vor, wie Goodall die Ebene der Serengeti in Ostafrika gesehen haben mag. Ich malte mir Löwen, Schakale und Gnus aus, wie sie um das Überleben des am besten Angepassten kämpften. Auf der polierten Oberfläche der Unternehmensebene schoben Kollegen Papiere zusammen, fochten mit den Händen Duelle aus und betrieben ihre Geschäfte von Angesicht zu Angesicht. Je nachdem, welcher Tagesordnungspunkt gerade diskutiert wurde, war der gegenseitige Blickkontakt nachdenklich, fragend, ängstlich bis verlegen oder beharrlich standhaltend. Dass jeder Anwesende etwas sagte – manche lauter, manche leiser, manche öfter als andere – war die Norm. Geschäftliche Meetings bestehen nun einmal aus gesprochenen Worten. Doch was sagten Lippen, Augen und Fingerspitzen aus, das die Worte nicht sagten? Worin bestand die unausgesprochene Tagesordnung des Meetings, sein ungeschriebener Subtext? Meine Aufgabe war es, die Bedeutung des Schauspiels aufzudecken, indem ich die Körpersprache auswertete.

Die fehlende Geste

Eine eigentümliche Facette der Körpersprache ist, dass Gefühle, Haltungen und Stimmungen sowohl mit als auch ohne Bewegungen ausgedrückt werden können. Eine Hand, die auf den Tisch schlägt, kann zum Beispiel Beharrlichkeit oder Wut ausdrücken, während eine Hand, die sich unter der Tischfläche versteckt, eine innere Distanz oder einen Rückzug aus der Gruppe zeigen kann. Es hat immer eine Bedeutung, ob sich die Hand nun bewegt oder nicht.

Ich habe einen vielsagenden Fall von »schweigenden Händen« beobachtet bei einem 20-minütigen Meeting, das ich in Seattle, Washington, Anfang der 1980er-Jahre auf Video aufnahm. In den 1980ern kamen in steigender Anzahl Frauen in die Belegschaften und viele standen zum ersten Mal in ernsthafter, direkter Konkurrenz zu Männern. Barbara, eine der Teilnehmerinnen am Meeting, behielt während der gesamten Zeit beide Hände unter dem Tisch auf dem Schoß. Obwohl sie zu manchen Themen etwas sagte, blieben ihre Hände unsichtbar und machten überhaupt keine Aussage. Aus dem Videoband ging klar hervor, dass Barbaras sechs männliche Kollegen sowohl ihr als auch ihren Beiträgen nur sehr wenig Aufmerksamkeit schenkten. Sie sahen einander an, aber blickten selten auch nur in Barbaras Richtung.

Als ich ihr das Video nochmals vorspielte, fiel die Abwesenheit von Barbaras Handgesten umso mehr auf. Indem sie andere nicht mit den Händen einbezog, wenn sie zuhörte oder sprach, suggerierte Barbaras Auftreten wenig Interesse für die Teilnehmer im Raum. Die Tagesordnung des Meetings schien sie unberührt zu lassen und sie war aus der Gruppe ausgeschlossen. Was der Mensch nicht sehen kann, existiert für ihn nicht, und Barbara hatte sich, ohne dass sie es wollte oder es ihr bewusst war, zu einer nichtexistenten Person gemacht.

Als Barbara und ich das Band von dem Meeting nochmals ansahen, sagte Barbara mir, dass keine ihrer Bemerkungen von ihren Kollegen ernst genommen worden war. Das trug zu ihrer Haltung der inneren Distanz bei – sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, kippte ihren Körper von den Sprechern weg (anstatt sich zu ihnen hinzuorientieren) und hielt die Hände ganz ruhig. Da meine Rolle bei dem Unternehmen in Seattle die eines Beraters war, empfahl ich Barbara, in zukünftigen Meetings beide Hände auf die Tischplatte zu legen und – durch Gesten – zu den anderen Kontakt aufzunehmen, um sie in ihre persönliche Reichweite und ihren Einflussbereich zu bringen. Da Körperbewegungen den Blick anziehen, genügt es, eine Hand zu bewegen, um auf sich aufmerksam zu machen. Das ist, als hätte man gewinkt, um die Aufmerksamkeit einer Person am anderen Ende des Raumes auf sich zu lenken: »Hallo, hier bin ich!«

Wenn man die offene Hand über den Konferenztisch ausstreckt, wirkt das direkter, weil man damit Kommentare unmittelbar an Kollegen richtet. Die Geste ist eine ungeschriebene Einladung, Kontakt aufzunehmen. Ergänzt man das gesprochene Wort durch Persönlichkeit und Gestik, wirkt es persönlicher und beachtenswerter. Während die Worte selbst vom Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte aufgenommen werden (wie dem Wernicke-Areal), sprechen Gesten emotionale Bereiche in der rechten Hemisphäre an. Wenn man mit Gesten Emotionen ausdrückt, während man spricht, spricht man also beide Gehirnhälften des Zuhörers gleichzeitig an. Das verstärkt die Aussage spürbar und zeigt, dass Sie selbst fest von dem überzeugt sind, was Sie zu sagen haben. Gesten mit der Hand setzen nicht nur einen Akzent, sondern unterstützen die Worte und verleihen ihnen Nachdruck.

Des Weiteren verringern Handbewegungen die physische Distanz, die Sie von Ihren Zuhörern trennt. Kollegen fühlen sich Ihnen näher, wenn Sie ihnen im übertragenen wie im konkreten Sinn die Hände reichen. In ihrem Gehirn, das noch immer vom Primatendenken beeinflusst ist, wird dieses Händereichen als implizite Absicht interpretiert, die Hand auszustrecken und Sie zu berühren. Über einen Konferenztisch hinweg sendet eine ausgestreckte, offene Handfläche dieselbe positive Botschaft, die man sieht und empfindet, wenn man die Hände zum Händedruck ausstreckt. Die Bewegung des Handausstreckens allein sendet schon eine starke Botschaft der Zusammengehörigkeit aus.

In Kapitel 4 werden wir die Bedeutung der Beschaffenheit und Gestik von Händen am Arbeitsplatz genau entschlüsseln. Doch schon in Barbaras Fall haben wir gesehen, wie entscheidend Hände in einem Geschäftsmeeting sein können. Sie sind mit Sicherheit ein wichtiges Element in unserer nonverbalen Sprache am Arbeitsplatz – auch wenn es bei Weitem nicht das einzige ist.

Die Hand in die Hüfte gestützt

Der Arbeitsplatz des ehemaligen Wildhüters Jeff Baile waren früher die Weiten der Natur von Peoria County, Illinois. Als Polizeibeamter der Illinois Conservation Police hatte Baile unzählige unvorhergesehene Begegnungen in freier Wildbahn mit völlig fremden Menschen, Männern, die dem illegalen Geschäft der Wilderei nachgingen. Da er sich mit Körpersprache beschäftigt hatte, pirschte sich Baile vorsichtig im Busch an die Fremden heran und nutzte die Technik des Entschlüsselns von Körpersprache, um ihre Stimmungen und Absichten einzuschätzen, bevor er ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat. Eines von Jeffs verlässlichsten Signalen in der Körpersprache war etwas, das ich »Hand in die Hüfte« nenne, auch bekannt als Akimbo-Geste (Morris 1994, 4).

»Die Geste ›Hand in die Hüfte‹ hat mich immer schon fasziniert«, schrieb Jeff in einer E-Mail, »und ich wende das Wissen darüber andauernd an, wenn ich auf Patrouille bin. Ich habe erlebt, dass sie im Situationskontext normalerweise bedeutet, die Person ist in einer negativen Stimmung. Wenn ein Officer das also erkennen kann, hat er damit ein Warnsignal, dass es Ärger geben könnte. Und ich habe sogar an mir selbst bemerkt, dass ich das tue, wenn ich mich ärgere. Ich fand es sehr zuverlässig, um eine Stimmung zu erkennen, was für jeden Officer im Gesetzesvollzug wichtig ist.« (Bails 2000b, persönliches Gespräch.)

»Hand in die Hüfte« ist eine weltweit verbreitete Geste, bei der die Handflächen auf der Hüfte ruhen, während die Ellbogen nach außen angewinkelt werden und in spitzem Winkel vom Körper abstehen. In Worte gefasst mag die Geste »Hand in die Hüfte« mehrere Bedeutungen haben, aber die häufigste ist, wie Jeff Baile feststellt, dass eine Person eine abwehrende oder negative innere Haltung einnimmt. Obwohl sie meist im Stehen angewandt wird, habe ich auch schon deutliche Einarm-Versionen der Akimbo-Geste bei Konferenzen aus sitzender Position gesehen, wenn negative Emotionen und Widerstand aufkommen.

Ein Fall von Hand-in-die-Hüfte hat sich mir besonders ins Gedächtnis gebrannt. Die Geste kam von einem hochgewachsenen, kräftig gebauten Mann mittleren Alters, den ich »Dan« nenne. Dans angewinkelter rechter Arm war in seiner Hüfte eingerastet, während er dasaß und »Liz« zuhörte, einer jungen Frau, die halb so groß war wie er, und er lehnte strikt ab, was sie sagte. Seinen imposanten Oberkörper lehnte er nach vorn über den Konferenztisch, richtete die andere Schulter auf Liz und zielte damit direkt auf sie.

Die Hand in der Hüfte kann eine aggressive Haltung signalisieren.

Dans Lippen spannten sich an und öffneten sich, während er Liz über den Tisch hinweg ins Gesicht starrte. Sein hervorgestreckter rechter Ellbogen war überdeutlich für alle im Raum sichtbar. Wie eine Kobra, die ihre Haube ausbreitet, schien Dan drauf und dran, zuzubeißen. Seine Hand in der Hüfte signalisierte klar und deutlich eine aggressive Haltung.

Wie Jeff Baile in »Bowing Out Means Trouble«, einem Artikel für International Game Warden, schreibt: »Es ist ziemlich schwer einzuschätzen, welche Haltung die Menschen uns gegenüber haben, wenn wir auf freiem Feld auf sie zukommen. Wird das eine ganz normale Überprüfung ohne Probleme – oder eine Konfrontation? Es gibt jedoch eine Geste [Hand in der Hüfte], die die Menschen machen und die diese Frage beantwortet. Man führt sie unbewusst aus, wenn man über etwas wütend ist, und man kann sie aus einer meterweiten Entfernung sehen, wenn man darauf achtet« (Baile 2000a, 8). Aus nur einigen Fuß Entfernung müssen Liz und jeder am Konferenztisch Dans polemische Stimmung wahrgenommen haben, denn aller Augen waren auf Dan gerichtet. Dans Hand in der Hüfte machte seine negative Haltung für alle sichtbar.

Mein Kollege im Forschungsbereich nonverbale Kommunikation, Joe Navarro, damals Special Agent beim FBI, schickte mir eine E-Mail, in der er Bailes Interpretation der Hand in der Hüfte zustimmte, was wir so lebhaft dargestellt im Beispiel von Liz und Dan gesehen haben: »Meiner Erfahrung nach ist das eine Geste des Territorialanspruchs, die normalerweise auftritt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Viele haben das als Kind erlebt, wenn sie heimkamen und die Mutter an der Tür wartete, mit den Armen in Akimbo-Haltung. Da muss nichts mehr weiter gesagt werden: Das Kind wird Ärger kriegen« (Navarro 2001, persönliches Gespräch).

Im Freien, in Konferenzen oder zu Hause ist die Geste »Hand in die Hüfte« ein Anzeichen für Verärgerung, Ablehnung oder Wut. Studien zeigen, dass wir die Akimbo-Geste öfter bei Menschen anwenden, die wir nicht mögen, als bei solchen, die wir mögen. Wie der Biologe Desmond Morris sagt, ist »Hand in die Hüfte« eine weltweit verbreitete Geste, die oft bedeutet »bleib mir vom Leib. Es ist eine unbewusste Handlung, die wir zeigen, wenn wir uns in einem sozialen Umfeld antisozial fühlen. Das kann man beobachten, wenn Sportler gerade einen wichtigen Punkt, ein Spiel oder einen Wettkampf verloren haben« (Morris 1994, 4).

Obwohl es oft ein negatives Zeichen ist, kann Hand-in-die-Hüfte am Arbeitsplatz auch positive Konnotationen haben. Wenn ein Vorgesetzter einem Mitarbeiter zum Beispiel ein neues Arbeitsprojekt erklärt, kann die Akimbo-Haltung des Letzteren zeigen, dass sein oder ihr Körper bereit ist, Schritte zu unternehmen und aktiv zu werden, teilzunehmen oder Verantwortung für das Ereignis, die Aktion oder Aufgabe zu übernehmen. In diesem Kontext verraten die Hände in den Hüften, dass der Körper eines Mitarbeiters sich in den »Bereitschaftsmodus« versetzt hat, dass er es sofort angehen und die Aufgabe des Vorgesetzten ausführen kann; das Akimbo-Signal vermittelt eine positive, handlungsbereite Haltung, ähnlich wie das Aufkrempeln der Ärmel, um eine Aufgabe zu erledigen.

Gespitzte Lippen

Bisher haben wir einiges gesehen, was unsere Hände am Arbeitsplatz sagen können – oder nicht sagen können. Die Hände sind tatsächlich unsere »großen Kommunikatoren« und wir werden uns ihre Gesten und deren emotionale Bedeutung in Kapitel 4 genauer anschauen. Aber wie wir sehen werden, ist ein weiterer primärer anatomischer Bereich für Körpersprache am Arbeitsplatz das Gesicht. Das menschliche Gesicht sendet praktisch unzählige Signale.

Das menschliche Gesicht sendet praktisch unzählige Signale.

Eines der deutlicheren Signale, nach denen man Ausschau halten kann, wenn man die Mimik des Chefs bei einem Meeting entschlüsselt, ist das Spitzen der Lippen (Sie werden in Kapitel 2 sehr viel mehr über Lippensignale erfahren). Als Informationslieferant für Die Macht der Körpersprache erzählte mir Dave: »Ich kann immer erkennen, was mein Chef bei unseren Montagsmeetings von meinen Ideen hält, und zwar durch etwas Komisches, das er mit seinen Lippen macht. Er fängt an, so kleine Lippenbewegungen zu machen, als ob er an einem Strohhalm saugt.« Und Dave erzählte weiter: »Wenn er damit anfängt, weiß ich genau, dass er irgendwelche Einwände oder Probleme mit meiner Idee hat. Wenn ich das also sehe, dann fange ich noch mal an und formuliere neu, was ich sagen will, damit dieser Ausdruck aus seinem Gesicht verschwindet, bevor ich weitermache. Wenn er das mit den Lippen nicht macht, weiß ich, es ist alles in Ordnung.«

»Das mit den Lippen«, was Dave bemerkt, ist ein akuter Ausbruch von lippenspitzenden Bewegungen im Gesicht seines Chefs. Beim Lippenspitzen sieht man, wie die Lippen wiederholt nach außen gestülpt, gekräuselt und gerundet werden, mit einem Ausdruck von Ablehnung, Hinterhältigkeit oder kalkulierendem Nachdenken. Die hauptsächliche Aussage der gespitzten Lippen ist ein nachdenklicher Dissens, der sagt: »Ich bin nicht einverstanden.« Die fest nach vorn geschobenen Lippen beim Lippenspitzen, was für manche aussieht wie ein Schweinerüssel, zeigen, dass ein Zuhörer über die normale Schnute der Unsicherheit hinaus eine spürbar negative Haltung des Dissenses einnimmt.

Als Stimmungssignal spiegelt das Lippenspitzen, das Dave sieht, eine alternative verbale Antwort wider, die im Kopf seines Chefs Gestalt annimmt. Diese Formung geschieht im primären Sprachzentrum, bekannt als Broca-Areal, einem fingerförmigen Bereich auf der Großhirnrinde, der mit der Bildung von gesprochenen Wörtern zu tun hat. Beim Akt des Lippenspitzens zieht sich der Orbicularis oris, der Ringmuskel des Mundes, zusammen. Das ist ein ringförmiger Schließmuskel, der aus (1) marginalen Muskeln besteht, die unter dem sichtbaren Rand der Lippen liegen und (2) peripheren Muskeln, die um die Peripherie der Lippen lokalisiert sind, von den Nasenflügeln bis zum Kinn. Beim Menschen sind die Randmuskeln der Lippen (Pars marginalis) auf einzigartige Weise speziell für die Sprache entwickelt.

Bei Daves Chef signalisieren gespitzte Lippen einen inneren Widerstand gegen das, was er bei den Mitarbeiterkonferenzen als unattraktive Ideen empfindet. Das Spitzen zeigt an, dass sich im Broca-Areal im Kopf des Chefs eine alternative Idee oder ein Einwand geformt hat. Im Gehirn unseres nächsten Verwandten im Tierreich, des Schimpansen, kontrolliert ein motorischer Bereich, analog zum Broca-Areal, die Bewegungen zum Runden und Spitzen der Lippen, um Grimassen und emotionale Schreie zu produzieren (Liebermann 1991). Der keuchend-heulende Schrei bei Aufregung, den wir kurz zuvor in Bezug auf Jane Goodalls Schimpansen erwähnt haben, ist ein typisches Beispiel dafür. Die gerundeten, gespitzten Lippen des Chefs sind weder so offensichtlich noch so emotional wie Keuchen und Heulen, aber sie weisen doch auf eine deutliche Veränderung der inneren Haltung hin. Man kann beobachten, wie sich streitbare Worte formen, bevor sie durch die Lippen nach außen gelangen.

Die Körpersprache nach dem Meeting

»Wenn Roberts wütend war, wurden seine Lippen schmal und fest, nur mehr ein Spalt in einem verärgerten Gesicht.«

Porträt von KKR-Partner George Roberts am Tag, als RJR Nabisco fiel (Burrough und Helyar 1990, 481)

Am Arbeitsplatz sind persönliche Meetings unter Führungskräften, mit Kunden oder Mitarbeitern stets ergiebige Gelegenheiten, um Körpersprache zu entschlüsseln. Was aber, wenn man außen vor ist und zum Meeting nicht geladen war? Sie können noch immer die Körpersprache von einem strategisch günstigen Punkt aus beobachten – zum Beispiel zwischen dem Konferenzraum und den nächstgelegenen Toiletten. Koffein wirkt leicht harntreibend, also sorgt der Kaffee im Konferenzraum dafür, dass die Teilnehmer herauskommen. Wenn sie durch die Gänge laufen, werden die angespannten Lippen, geballten Fäuste und hängenden Schultern, die man drinnen zur Schau getragen hatte, nach außen sichtbar: Da Muskeln in Gesicht, Schultern und Händen, die auf Emotionen reagieren, ihren emotionalen Zustand nur langsam wieder verlassen, bleiben Angst, Unsicherheit und Wut weiterhin sichtbar, auch wenn man den Konferenzraum schon verlassen hat. Es ist, als gelte auch hier Newtons erstes Gesetz: Emotionen, die in Bewegung umgesetzt werden, neigen dazu, weiterzubestehen.

1989, während eines der größten Unternehmensaufkäufe in der Geschichte der USA, zahlte sich die Überwachung der Toiletten für KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) ganz hübsch aus, als das Unternehmen RJR Nabisco aufkaufte. Um RJRs Vorstandssitzung zu überwachen, die hinter verschlossenen Doppeltüren stattfand, suchte sich KKR clever ein freies Büro in der Nähe, das etwa 20 Fuß vom Konferenzraum entfernt war, und wartete dort die Entscheidung über das 25-Millionen-Dollar-Angebot ab.

Als der Kaffee die Blasen der RJR-Vorstände füllte, spazierten diese an den KKR-Mitarbeitern vorbei, denen man aufgetragen hatte, »Urinal-Patrouillen« aufzustellen (Burrough und Helyar 1990, 488). KKR-Mitarbeiter machten sich auf den Weg zur Toilette, um nach aussagekräftigen Signalen Ausschau zu halten – erschöpfte Seufzer, gespanntes Lächeln, erkennbares Achselzucken, Augenzwinkern oder Kopfnicken – um zu erfahren, wie der RJR-Vorstand zu dem Angebot stand. »Auf die Toilette zu gehen«, berichtete ein Vorstandsmitglied, »war, als ob man eine Sendestation betrat« (Burrough und Helyar 1990, 492).

Der Hauptrivale der KKR im Wettkampf um RJR Nabisco war deren eigener CEO, F. Ross Johnson. Im Unterschied zum Hauptakteur bei KKR, Henry Kravis, entschloss sich Ross Johnson, die Entscheidung von RJR aus der Distanz in einem Büro abzuwarten, das in einiger Entfernung zum Ort des Geschehens lag, drei Stockwerke unter dem Konferenzraum. Aus dieser Entfernung bekamen Johnson und seine Kollegen die Körpersprache und das emotionale Geplänkel in den Etagen über ihm nicht mit. Hätte Johnson auch nur die ängstlichen Gesichter gesehen, die wissenden Blicke, das konspirative Lächeln und die wütenden Ausrufe gehört, die oben im Gang gezeigt und geäußert wurden, wäre ihm vielleicht klar geworden, dass sein Vorstand ernsthaft zwischen zwei rivalisierenden Anbietern hin- und hergerissen war. Das Verhalten außerhalb des Konferenzraums verriet, was später zugegeben wurde: Es bestand nämlich ein unsichtbares Band zwischen Vorstandsmitgliedern, die Johnson favorisierten, und jenen, die KKR bevorzugten. Das Votum des Vorstands hätte also, mit anderen Worten, genauso gut für die eine wie die andere Seite ausfallen können.

Als KKR einen Bindungswillen aus der Körpersprache der Vorstände wahrnahm, verstärkte man die Bemühungen. Ross Johnson, der diesen Bindungswillen weder sah noch wahrnahm, blieb stur. Hätte er die Körpersprache lesen können, die im Raum deutlich wurde, und wäre im Vorstandsmeeting erschienen, um seine Sache zu vertreten, hätte er vielleicht gewonnen. Doch stattdessen blieb er auf die sprichwörtliche Armeslänge entfernt im unteren Stockwerk, während KKR oben alles mitbekam, und Johnson verlor das Wettbieten. In der Abschlussrunde trat einer der Vorstände offiziell vor, um RJR Nabisco an KKR zu übergeben, und die Aktion wurde unterstützt. »Alle, die dafür sind«, forderte der Vorstandsvorsitzende die Runde auf. Wie Bryan Burrough und John Helyas in Barbarians at the Gate schreiben, »sah man nur erhobene Hände. ›Alle, die dagegen sind?‹ Keine Hände« (Burrough und Helyar 1990, 499).

Aus meiner persönlichen Perspektive als Anthropologe, der sich mit nonverbaler Kommunikation befasst, würde ich auf Unternehmen setzen, die sich die Zeit nehmen, auf Gesten, Signale und Hinweise der Körpersprache zu achten. Wie Phil Hellmuth Jr., Gewinner von elf World-Series of Poker-Bracelets, weise anmerkt, kann man entweder lernen, Körpersprache zu lesen, oder man wird selbst ein offenes Buch, in dem andere lesen.

In Die Macht der Körpersprache werden Sie lernen, die Körpersprache von Mitarbeitern, Kollegen, Vorständen und Vorgesetzten zu lesen. Scheinbar beiläufige Gesten wie Handbewegungen, angespannte Lippen und Seitenblicke können Ansichten und Stimmungen offenbaren, die Memos und E-Mails nicht verraten. Sie werden auch lernen, die nonverbalen Signale des Arbeitsplatzes selbst und seiner Gestaltung zu entschlüsseln, von kostspieligen Kunstwerken an den Wänden im Unternehmen bis hin zum ulkigen Smiley auf einer Trennwand im Großraumbüro. Jeder Gegenstand hat seine eigene aufschlussreiche Geschichte zu erzählen.

Erinnern wir uns an das Hauptziel von Beobachtung: das Sammeln von Informationen. Sie wollen so viel wie möglich erfahren, über Ihren Chef, die Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten, und den geheimnisvollen Lebensraum namens Büro.