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DIE MAGISCHE TIERWARTE Abenteuer im versteinerten Wald Marly kann es nicht fassen. Ihre Eltern sagen in letzter Sekunde die versprochene gemeinsame Brasilien-Reise ab und schicken sie stattdessen in ein Ferienlager am Chiemsee. Dort angekommen, entpuppt sich dieses aber keineswegs als langweilig. Zusammen mit ihren neuen Freunden Finni und Tim lernt sie den merkwürdigen Professor Kullemupp kennen. Er ist der Leiter der nah gelegenen Wildtierauffangstation. Es scheint, als ob der Professor ein Geheimnis hütet. Als Marly, Finni und Tim ihm eines Nachts in den Wald hinterherschleichen, sehen sie, wie er in einem Baum verschwindet. Die drei folgen ihm und eine unglaubliche Reise beginnt. Sie führt sie in eine Welt, in der Albino-Tiere zu Hause sind, eine Tierwarte über alles wacht und wo die Uhren anders ticken. Als dann noch in der Tierwarte das Notsignal eingeht, dass ein Albino-Faultier gerettet werden muss, stürzen sich die drei in ein aufregendes Abenteuer.
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Seitenzahl: 148
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ANIKA HASSE
Abenteuer im versteinerten Wald
Ein Faultier kommt dazwischen
Ein komischer Vogel
Patschinski schläft
Wanderung um Mitternacht
Erna Erle
Auf der anderen Seite
Das rote Buch
Die Villa Flora
Caspar, der Kellertroll
In Kunibärs Studierzimmer
Barbara Barbarack
Alarm in der Tierwarte
Ein unsichtbarer Spion
Der König kehrt zurück
Ein Sternbild verschwindet
Das Rätsel des Verstärkungszaubers
Unterwegs mit dem Wurzel-Express
Der Blendstein
Eine neue Generation
Die Kraft des Siebengestirns
Ein genialer Plan
Duell mit einem Unsichtbaren
Alles auf Anfang
„Ihr wollt die Reise wirklich absagen?“, ruft Marly entsetzt. „Ihr seid die gemeinsten Eltern auf der ganzen Welt!“
„Marly-Bärchen!“ Etwas hilflos versucht Pedro Santos seine vor Wut umherstapfende Tochter zu beruhigen.
„Unsere Reise nach Brasilien wird stattfinden. Nur eben erst nächstes Jahr!“
Marly wirft ihrem Papa einen wütenden Blick zu und stemmt ihre Hände in die Hüften. „Nächstes Jahr? Ist das euer Ernst?“ Marly kämpft mit den Tränen.
„Marly, du weißt doch, dass wir die Reise nicht ohne Grund verschieben!“, sagt Sylvia Santos ruhig. „Es ist nun mal unser Beruf, wilde Tiere auf der ganzen Welt zu erforschen und bedrohte Arten zu schützen.“
„Deine Mutter hat recht!“, steht Marlys Papa ihr bei.
„Das Forschungsteam im brasilianischen Regenwald hat um unsere Hilfe gebeten. Angeblich haben sie ein seltenes Exemplar eines Dreifinger-Faultieres gesichtet. Es geht sogar das Gerücht um, dass es sich um ein Albino-Faultier handeln könnte!“ Papa Pedros Augen fangen an zu glänzen. „Weißt du, wie selten so ein Tier ist?“
Verstohlen wischt sich Marly eine Träne mit ihrem Ärmel aus dem Gesicht und zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Nein! Ist mir auch völlig egal! Ich höre immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Nie habt ihr Zeit für mich. Ich dachte, dieses Mal ist es anders. Ihr habt es mir hoch und heilig versprochen!“
Mama Silvia greift nach Marlys Hand und zieht ihre Tochter zu sich herüber. „Marly, das wissen wir! Es tut uns auch schrecklich leid, aber so eine Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder.“
Marly schiebt die Hand ihrer Mutter beiseite und kneift wütend ihre Augen zusammen. „Eben! Für mich auch nicht. Ihr wisst genau, dass es mein größter Wunsch ist, wilde Tiere in freier Wildbahn zu sehen!“
Pedro Santos seufzt. „Marly, das wirst du auch, nur eben erst nächstes Jahr, versprochen!“
„Nein!“ Marly stampft wütend mit dem Fuß auf den Boden. „Warum nehmt ihr mich nicht einfach mit auf eure Forschungsreise? Ich könnte euch doch bei der Suche helfen!“
„So eine Expedition ist keine Urlaubsreise, Marly.“, antwortet Mama Silvia. „Falls es sich wirklich um ein seltenes Albino-Faultier handelt, dann wäre das eine wissenschaftliche Sensation!“
Marly wirft ihren Eltern einen wütenden Blick zu. „Dieses blöde Faultier ist euch also wichtiger als ich?“
„Natürlich nicht!“, sagt Marlys Papa hilflos. „Rede doch nicht so einen Unsinn, Marly-Bärchen.“ Er greift nach dem großen Globus, der auf dem Regal über Marlys Bett steht. Er deutet mit dem Finger auf Brasilien und fährt den Amazonas entlang, wobei er einigen Staub aufwirbelt. „Die hier lebenden Kragenfaultiere sind vom Aussterben bedroht. Durch die Abholzung des Regenwaldes wird ihr Lebensraum immer kleiner. Sie brauchen also wirklich unsere Hilfe!“
Marly beißt sich auf ihre Lippen. „Und was soll ich jetzt bitteschön die ganzen Ferien über machen?“
Papa Pedro lächelt und holt einen kleinen Flyer aus seiner Hosentasche hervor. „Wir haben für dich etwas gefunden, das genauso spannend ist.“ Er macht eine kurze Pause und zwinkert Marly zu. „Du wirst deine Ferien in einem Ferienlager am Chiemsee verbringen.“
Marly starrt ihre Eltern an und murmelt: „Ferienlager …? Chiemsee …?“
„Genau!“, antwortet Pedro. „Das Beste daran ist, dass es auf dem Gelände sogar eine Wildtierauffangstation gibt. Ist das nicht toll?“
Marly steht wie angewurzelt in ihrem Zimmer und schüttelt ihren Kopf so doll, dass ihr dunkelbrauner Dutt hin und her wackelt. „Was soll denn daran bitte spannend sein?“, schreit sie ihre Eltern an. „Solche Tiere, sehe ich jeden Tag bei Oma Gertrud im Tierheim! Ich möchte richtige wilde Tiere wie Krokodile, Elefanten und Giraffen sehen. Keine doofen Rehe oder Hasen!“
„Es gibt dort ganz viel zu erleben“, sagt Marlys Papa aufmunternd. „Nicht weit vom Ferienlager entfernt gibt es sogar ein ganz neues Naturkundemuseum mit einer eigenen Abteilung über Tiere, die rund um den Chiemsee vor Tausenden von Jahren gelebt haben sollen. Dafür interessierst du dich doch oder etwa nicht, Marly-Bärchen?“
Verzweifelt und enttäuscht lässt sich Marly auf den Fußboden sinken und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.
„Ich bin nicht euer Marly-Bärchen!“, zischt sie ihre Eltern an. „Ihr seid wirklich die gemeinsten Eltern der Welt!“
„Finni-Fee, ich habe großartige Neuigkeiten“, ruft Ulla mit trällernder Stimme, während sie mit einem Prospekt in der Hand in den Garten gelaufen kommt. Finni, die gerade schaukelnd in der Hängematte liegt und verträumt auf einem Gänseblümchen kaut, erschrickt sich so doll, dass sie es mit einem Ruck verschluckt. Hustend und nach Luft schnappend setzt sie sich auf. „Bekommen wir jetzt etwa doch Hühner?“
Ulla lacht und schüttelt den Kopf. „Nein, nein. Viel besser. Ich habe gerade einen Anruf von diesem Ferienlager am Chiemsee erhalten!“, sagt Tante Ulla aufgeregt und drückt Finni den Prospekt in die Hand. „Ich darf in den Sommerferien die Kräuterwanderung für die Kinder organisieren. Ein Feriencamp mitten in der Natur, mit Blick auf den Chiemsee, ganz in unserer Nähe.“
Finni, die noch vertieft in ihren Tagtraum ist, starrt auf das Papier in ihrer Hand und murmelt: „Toll! Das freut mich für dich.“
Ulla lässt sich neben Finni in die Hängematte plumpsen und legt liebevoll einen Arm um sie. „Aufwachen, Finni-Fee! Ich fahre da doch nicht alleine hin. Du kommst natürlich mit. Das wird toll. Wir werden deine Sommerferien gemeinsam im Ferienlager verbringen. Kräuterwanderungen machen, am Lagerfeuer sitzen und sogar in Holzhütten übernachten. Du wirst sehen, das wird ein richtiges Abenteuer. Na, was sagst du?“
Finni dreht nervös eine rote lange Haarlocke um ihren Zeigefinger. „Ein Ferienlager mit lauter anderen Kindern?“, murmelt sie. „Können wir nicht einfach hier zu Hause schlafen und nur tagsüber hinfahren? Es ist doch nicht so weit.“
Ulla Knudsen lacht laut auf und drückt ihre kleine Finni an sich heran. „Keine Angst, du musst nicht die ganze Zeit mit mir verbringen und auch nicht mit mir in einer Hütte schlafen! Nur wenn du mich brauchst, bin ich ganz in deiner Nähe! Das werden aufregende Ferien.“
Finni rümpft ihre mit Sommersprossen übersäte Nase. „Na, wenn du das sagst!“, seufzt sie und lächelt ihre Tante zaghaft an.
Ulla Knudsen springt freudestrahlend auf. „Ich muss sofort mit der Planung beginnen. Ich habe so viele Ideen für die Kräuterwanderungen!“
„Tim, hast du auch alle T-Shirts, die ich dir auf das Bett gelegt habe, eingepackt? Ich möchte nicht, dass du nach zwei Wochen nichts mehr zum Anziehen hast!“, ruft Erika Pfefferkorn, während sie in Windeseile die Hosen ihrer Jungs bügelt.
Tim, der gerade gemütlich auf seinem Bett liegt, bemerkt in diesem Moment, dass er genau auf den besagten zusammengelegten T-Shirts liegt.
„Ja, Mama, ich packe sie gleich ein!“, ruft er. In diesem Moment hört er schon die energischen Schritte seiner Mutter. Tim springt auf und wirft die zerknüllten T-Shirts zügig in den aufgeklappten Koffer auf dem Fußboden. „Pfefferkörnchen, wie oft habe ich dich jetzt schon gebeten, deinen Koffer fertig zu packen?“, seufzt Frau Pfefferkorn. „Morgen früh um 6 Uhr klingelt der Wecker. Wir müssen deine Brüder pünktlich an den Flughafen bringen. Und für dich, Glückspilz, geht es danach gleich an den Chiemsee. Also hopp, hopp!“
Tim lächelt seine Mama verschmitzt an. „Entschuldige, Mama, meine Erfindung der Koffer-Einpack-Maschine dauert leider länger als erwartet! Papa holt gerade noch den passenden Schraubenzieher.“
Im gleichen Moment biegt Herr Pfefferkorn, mit einem großen Schraubenzieher in der Hand, in Tims Zimmer ein. „Hiermit müsste es funktionieren!“, sagt er und zieht die letzten Schrauben an der Maschine fest.
Erika lächelt und streichelt über den braunen Lockenkopf ihres jüngsten Sohnes. „Wie der Pfeffer, so das Körnchen!“
Ein paar Minuten später läuft die Koffer-Einpack-Maschine auf Hochtouren. Tim und sein Vater sitzen zufrieden und begeistert auf dem Fußboden und beobachten, wie der Koffer mithilfe eines Greifarmes, der an einem Spielzeug-Baukran befestigt ist, wild durcheinander und nicht besonders gut, eingeräumt wird.
„Das hätte deinem Großvater sicher gefallen!“, sagt Franz Pfefferkorn zufrieden.
„Oh ja, das hätte ihm sogar sehr gefallen“, antwortet Tim und lacht.
„Vergiss bloß nicht dein Hightech-Taschenmesser, das du von Opa bekommen hast. Wer weiß, wofür du es gebrauchen kannst. Aber verstecke es gut vor der Ferienlager-Leitung… und deiner Mutter natürlich,“ flüstert Franz Pfefferkorn und stupst Tim in die Seite.
„Willkommen in unserem Ferienlager am wunderschönen Chiemsee!“, ruft Frau Müllerstein den Kindern zu, die sich draußen auf dem Hauptplatz, in einem großen Halbkreis vor ihr versammelt haben. „Dieses Jahr haben wir über 18 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Ich lese jetzt je drei Namen und eine dazugehörige Nummer laut vor, die sich zusammen eine Holzhütte teilen werden! Diejenigen, die ihren Namen gehört haben, bringen bitte ihre Taschen und Koffer in ihr neues Zuhause und kommen anschließend in den Speisesaal dort drüben.“ Marly, die ganz am Rand steht, verdreht genervt ihre Augen und grummelt leise: „Na super! Jetzt muss ich mir auch noch eine Hütte teilen.“
Die etwas pummelige Frau Müllerstein holt einen roten Schnellhefter hinter ihrem Rücken hervor und beginnt eifrig darin zu blättern. Ihre kleine runde Brille rutscht dabei immer tiefer die Nasenspitze herunter. „Pelle Pellmann, Jonas Schmid und Karim Aslan ihr schlaft in Hütte Nummer vier!“ Während Frau Müllerstein weiter die Namen vorliest, beobachtet Finni einen Schmetterling, der vor ihr auf der Wiese im Klee sitzt.
„Finja Knudsen?“ Frau Müllerstein blickt mit ernster Miene über ihre Brille. „Finja Knudsen?“, wiederholt sie noch einmal.
„Hier!“, antwortet Finni schüchtern.
„So, so, da haben wir wohl eine kleine Träumerin unter uns!“, sagt Frau Müllerstein mit schriller Stimme. „Du schläfst in Hütte Nummer 2.“
Zwei Mädchen in auffallenden Kleidern fangen leise an zu kichern und mustern Finni neugierig. Plötzlich tippt ihr jemand von hinten an die Schulter. Erschrocken dreht sie sich um und blickt in ein freundliches Gesicht eines Jungen mit braunen Locken.
„Hi Finja! Ich bin Tim“, sagt er und lächelt. „Komm, wir müssen hier entlang. Ist das deine Tasche?“ Finni nickt verlegen. Tim hebt die Tasche auf, wirft sie sich über die Schulter und geht zielstrebig los. Finni folgt ihm.
Die Holzhütte erinnert an ein kleines Gartenhaus. Sie hat zwei Etagen, zwei Eingangstüren und eine kleine Terrasse, auf der eine Holzbank steht. Als Finni und Tim ankommen, sitzt bereits ein Mädchen mit einer dunkelblauen bunt bestickten Jeansjacke auf der Bank und lässt ihre Beine baumeln.
„Hi, ich bin Marly“, sagt sie und mustert Finni und Tim. „Hier unten ist ein Stockbett für uns Mädchen und oben im Dach ein Einzelbett für dich …“ Fragend sieht sie Tim an.
„… Tim! Super!“, sagt er und klettert mit seinem kleinen Koffer geschickt die von außen angebrachte Holztreppe hinauf.
Finni wirft Marly einen schüchternen Blick zu. „Ich bin Finja. Aber alle nennen mich Finni.“
Marly springt von der Bank. „Na dann, bringen wir mal unsere Sachen rein, Finni!“
„Braucht ihr Hilfe?“, fragt Tim, der gut gelaunt aus seiner Luke zu den zwei Mädchen herunter blickt.
„Nee, bloß nicht!“, knurrt Marly ihn an. „Ich kann das alleine.“
„Ist ja gut“, sagt er und verdreht seine Augen. „Wollte nur nett sein!“
Marly nimmt ihre Tasche und verschwindet durch die Tür. Finni lächelt Tim unsicher zu und folgt Marly in die Holzhütte.
Der Speisesaal befindet sich in einer kleinen Scheune am Rande des Hauptplatzes. Runde, weiße Tische stehen verteilt in der Mitte des Raums und sind mit den Nummern der Hütten versehen. Gegenüber der Eingangstür befindet sich eine Bühne aus Holz, auf der Frau Müllerstein bereits an einem aufgebauten Pult steht und ihren Schnellhefter durchblättert.
„Ruhe, Kinder!“, ruft sie mit eindringlicher Stimme und schiebt ihre winzige Brille zurecht. „Ich lese euch nun die verschiedenen Freizeitaktivitäten für den heutigen und den morgigen Tag vor!“ Während Frau Müllerstein die einzelnen Aktivitäten von einem Blatt Papier abliest, sitzt Marly mit verschränkten Armen auf dem Stuhl und denkt über den Regenwald nach. Dabei wird ihre Laune immer mieser.
„So, hier ist garantiert für jeden etwas dabei“, hört Marly Frau Müllerstein noch sagen, bevor sie den Schnellhefter zuklappt.
Neugierig blickt Frau Müllerstein über ihre Brille in die Runde. „Das sind lediglich Vorschläge. Selbstverständlich könnt ihr eure freie Zeit auch selbst gestalten. Auf dem Tisch liegt für jeden von euch eine Karte, die eine gute Übersicht über das Ferienlagergelände zeigt.“
Tim beugt sich über den Tisch und begutachtet neugierig den Lageplan. „Seht mal! Wir sind mitten in einem riesigen Naturschutzgebiet“, sagt er zu Marly und Finni. „Es gibt hier sogar eine Wildtierauffangstation!“
Marly verdreht genervt die Augen. „Was wird es dort schon zu sehen geben? Außer Rehe und Hirsche!“ „Was gibt es da zu tuscheln?“, fragt Frau Müllerstein. „Wir haben uns nur über die Wildtierauffangstation unterhalten“, antwortet Tim lächelnd.
Frau Müllerstein rückt ihre Brille zurecht. „Professor Oskar Kullemupp leitet die Wildtierauffangstation. Er pflegt dort verletzte Tiere und wildert sie anschließend wieder aus. Ihr könnt ihn gerne jederzeit besuchen. Die Wanderung dauert etwa zwanzig Minuten. Aber bitte beachtet zwei Dinge: Erstens dürft ihr unter keinen Umständen das Gelände alleine verlassen und zweitens findet ihr euch täglich pünktlich um acht Uhr morgens sowie um 18 Uhr abends hier im Speisesaal ein.“ Ein leises Gemurmel geht durch den Speisesaal.
„Ach, bevor ich es vergesse!“, sagt Frau Müllerstein. „Am Freitag werden wir alle zusammen einen Ausflug in das neue Naturkundemuseum machen. Die Museumsdirektorin Barbara Barbarack hat uns persönlich eingeladen.“
Marly springt auf, greift sich einen Lageplan über das Ferienlagergelände und geht. Tim blickt ihr kopfschüttelnd hinterher. „Die ist aber mies drauf!“, sagt er.
Finni zuckt mit den Schultern. „Vielleicht hat sie ja Heimweh!“
„Keine Ahnung, jedenfalls ist sie ganz schön zickig!“, antwortet er. „Aber egal, was hast du jetzt vor?“
Finni blickt ihn überrascht an. „Ich?“, stottert sie. „Ich mache jetzt die Kräuterwanderung. Meine Tante Ulla leitet die Gruppe.“
Tim steht auf und rückt den Stuhl zurecht. „Cool! Ich komme mit!“, sagt er und lächelt. Finni nickt erstaunt und folgt ihm aus dem Speisesaal.
Marly steht alleine auf einem von Buchen gesäumten Weg vor einer Abzweigung und holt den Plan heraus, um sicherzugehen, dass sie auch den richtigen Weg nimmt. Das Gelände ist riesengroß und umgeben von einem wundervoll duftenden, dichten Mischwald, durch den sich überall kleine Wanderpfade schlängeln. Nach weiteren zehn Minuten Fußmarsch erreicht sie eine Lichtung, hinter der sich ein altes wunderschönes Bauernhaus befindet. Drumherum erkennt Marly einige umzäunte Flächen, in denen ein paar wenige Hirsche und Rehe friedlich grasen. Wie schon vermutet, gibt es hier nur stinknormale Tiere, denkt Marly enttäuscht. Sie steckt die Karte zurück in den Rucksack, rutscht geschickt einen kleinen Hügel herunter und schlendert auf das Bauernhaus zu. Es sieht sehr gepflegt und urig aus. Knallrote Geranien hängen vor den Fenstern in grünen Blumenkästen. Wilder Efeu schlängelt sich die Hausfassade empor und versperrt sogar den weiter oben gelegenen Fenstern die Sicht nach draußen. Marly blickt sich neugierig um und entdeckt ein offenes Scheunentor. Als sie sich diesem nähert, lässt sie eine dunkle Stimme vor Schreck zusammenzucken. „Hallo, wer bist du denn?“
Marly dreht sich so hastig um, dass sie für einen kurzen Moment das Gleichgewicht verliert und stolpert. „Ich bin Marly!“, antwortet sie und richtet sich auf. „Ich verbringe meine Ferien im Ferienlager.“
„So, so. Willkommen!“, sagt der Mann und wirft ihr einen freundlichen Blick zu. „Ich bin Oskar Kullemupp, ich leite hier die Wildtierauffangstation!“ Er streicht sich durch den Bart.
„Tag!“, antwortet Marly und runzelt die Stirn. Unter einem Professor hatte sie sich immer etwas anderes vorgestellt. Graue verwuschelte Haare, wie Albert Einstein eben. Aber Professor Kullemupp sieht ganz anders aus. Viel jünger und moderner. Er hat einen dunkelbraunen wilden Lockenkopf und einen Dreitagebart. Die vielen kleinen Lachfältchen an seinen Augen lassen ihn freundlich aussehen.
Professor Kullemupp räuspert sich. „Du bist sicher auf der Suche nach wilden Tieren, oder?“
Marly nickt.
„Im Moment habe ich nicht so viele Tiere da! Nur die da drüben“, antwortet er und zeigt auf die Außengehege mit den Hirschen und Rehen. „Bis vor zwei Tagen hatte ich noch zwei Luchse bei mir, die ich mit der Flasche aufgezogen und nun wieder ausgewildert habe! Sie waren alt genug, um alleine im Wald zu überleben.“
Marly blickt den Professor fragend an. „Luchse? Die gibt es hier doch gar nicht?“
Kullemupp nickt. „Richtig!“, antwortet er. „Das war auch wirklich eine Ausnahme, dass Wanderer hier bei uns in den Alpen zwei Luchswelpen gefunden haben!“
„Ich dachte, dass Luchse in Deutschland ausgerottet wurden!“, sagt Marly. „Das haben mir meine Eltern erzählt. Die sind nämlich Tierforscher!“, ergänzt sie stolz. „Interessant! Wenn das so ist, dann weißt du natürlich eine ganze Menge über Tiere“, sagt der Professor und lächelt. „Vielleicht hast du schon davon gehört, dass sich spezielle Wildtier- und Naturschutzprojekte für den Erhalt der Luchse seit Jahren einsetzen und ihnen einen geschützten Lebensraum schaffen. Dadurch leben aktuell wieder fast 100 Luchse in deutschen Wäldern!“
„Wow, das wusste ich gar nicht!“, sagt sie und lässt ihren Blick umherwandern. „Und sonst sind hier wirklich keine anderen Tiere, außer den Rehen und Hirschen dort drüben?“
Professor Kullemupp schüttelt den Kopf. „Leider nein. Das kann sich aber jederzeit ändern!“
Enttäuscht möchte sich Marly abwenden, als sie den auffällig schimmernden goldenen Ring am Finger des Professors bemerkt. Er funkelt so hell im Sonnenlicht, dass Marly kurz blinzeln muss.
„Komm doch einfach in ein paar Tagen wieder vorbei“, sagt Professor Kullmupp und dreht zerstreut an seinem Ring. „Wenn du Glück hast, entdeckst du die zwei ausgewilderten Luchse ja hier im Wald!“
Marly murmelt: „Ja, mal sehen. Ich muss wieder los.
Bis bald!“ Enttäuscht trottet sie davon und tritt ein paar