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So nicht, Mann! - Wie Frauen das Spiel um die Macht gewinnen Im Gegensatz zu Frauen nutzen Männer Sprache viel öfter als Machtinstrument, senden völlig andere Körperbotschaften und zeigen ein ausgesprochenes Revierverhalten. Diesen Machtdemonstrationen begegnet Frau am besten mit Arroganz - nicht als Lebenshaltung, wohl aber als effektives Werkzeug. Wie das konkret funktioniert, zeigt Peter Modler seit Jahren in seinen Arroganztrainings für Frauen, in denen typische Situationen aus dem Berufsleben nachgestellt werden. Seine erstaunlichen Erkenntnisse veranschaulicht Modler mit Hilfe zahlreicher Beispiele und Tipps, mit denen Frauen lernen, wie sie sich im Alltag besser durchsetzen können.
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Seitenzahl: 222
Peter Modler
Die Manipulationsfalle
Selbstbewusst im Beruf mit dem Arroganz-Training® für Frauen
FISCHER E-Books
Den Frauen, die in deutschen Kliniken arbeiten
Meine Arbeit mit Männern und Frauen in Führungspositionen hielt ich selbst ursprünglich für gar nicht so originell. Auf die Idee, darüber ein Buch zu schreiben, war ein Verlag gekommen, ich nicht. Ich zweifelte daran, dass jemand in einem Buch lesen wollte, was ich in meinen Seminaren erlebte. Es war doch alles so selbstverständlich, so offensichtlich. Daraus etwas zu machen, was nach Belehrung aussehen könnte, erschien mir überzogen. Ich ließ mich aber überreden und schrieb 2009 über meine Erfahrungen »Das Arroganz-Prinzip«. Mit einer Fachdiskussion über das Buch unter Kollegen rechnete ich, auch mit der einen oder anderen Rezension, aber nicht damit, dass daraus ein Bestseller wurde.
Natürlich haben auch sehr viele Menschen ganz zu Recht das Buch nicht gelesen, weil sie es einfach nicht brauchen. Viele Frauen kommen in ihrer beruflichen Umgebung mit Männern durchaus klar, das sollte man nicht vergessen. In meine Seminare kommen in der Regel aber eher diejenigen, bei denen das anders ist. Es sind meist Frauen, die gut ausgebildet sind, mit vielen Kompetenzen, oft mit nachweislichen beruflichen Erfolgen – aber leider auch mit der Erfahrung tiefer Irritation bis hin zu fast traumatischen Erlebnissen durch Übergriffe männlicher Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeiter und Kunden. Ich will diese Erfahrungen nicht unangemessen verallgemeinern, so, als ob das gesamte Berufsleben im deutschen Sprachraum eine einzige War-Zone im Geschlechterkrieg wäre. So ist es sicher nicht. Aber ich führe nun meine »Arroganz-Trainings®« seit über zehn Jahren durch, und die Nachfrage nimmt weiterhin stetig zu. Ich höre von immer neuen Erfahrungen aus allen Branchen, bei denen Frauen trotz großer Fähigkeiten kleingemacht werden. Daraus schließe ich mittlerweile, dass der Anteil solcher Erlebnisse am »normalen« Berufsalltag viel höher ist, als es sich unser politisch korrekter Konsens eingesteht. Übrigens ist das gerade in den sich besonders intellektuell gebenden Milieus in keiner Weise anders. Ich sehe auch innerhalb der Generation jüngerer Führungskräfte kein grundlegend anderes Verhalten. Man hat seine Lektion gelernt und vermeidet etwa im betrieblichen Kontext offen sexistische Bemerkungen. Aber sobald es um echte Machtauseinandersetzungen geht, um ein ganz konkretes Budget, eine reale Kostensenkung, eine tatsächliche Einflussposition, wird schnell deutlich, wie wenig mit allein sympathisch klingender Wortwahl eigentlich erreicht wird.
Der Umfang eines Buches ist begrenzt, und darum konnte schon im Vorgängerband »Das Arroganz-Prinzip« eine ganze Reihe von Themen nicht aufgenommen werden. Es war dort auch nur möglich, bestimmte Fragen kurz zu streifen, obwohl sie eigentlich eine viel gründlichere Betrachtung verdient hätten.
Darum gehe ich im hier vorliegenden Buch in einem eigenen Kapitel auf die Manipulationsmöglichkeiten durch männliche Vorgesetzte ein. Diese Strategien zu durchschauen ist nicht so einfach wie bei einer offenen Aggression, weil sie absichtlich leise daherkommen. In der Wirkung können sie aber viel gnadenloser sein. (Siehe Kapitel 2)
Auch dem Thema sexueller Übergriffe am Arbeitsplatz gehe ich in diesem Buch ausdrücklich nach. Es betrifft alle Hierarchiestufen in Organisationen und Betrieben, die Sachbearbeiterin genauso wie die Chefin, und es ist branchenübergreifend. Man ist solchen Übergriffen durchaus nicht hilflos ausgeliefert; wie man sich im Einzelfall zur Wehr setzen kann, stelle ich ausführlich in Kapitel 3 vor.
Landauf, landab wird das Evangelium gepredigt, man müsse überall und jederzeit authentisch sein. Leider kann dieser Anspruch, wenn er fundamentalistisch wird, gerade Frauen in Betrieben den Kopf kosten. Wie Sie aus Ihrer beruflichen Rolle eine Rüstung für die Seele machen, steht in Kapitel 4.
Viel bedeutsamer als die Frage, ob jemand aus Quoten-Gründen auf die jeweilige Position kam oder nicht, ist die Frage, wie man sich in den ersten Monaten vor Ort verhält. Vor welchen Fehlern man sich in der Anfangsphase im neuen Job unbedingt hüten sollte, lesen Sie in Kapitel 5.
Wenn Sie sich auch darüber ärgern, dass man Ihre beruflichen Qualitäten nicht entsprechend wahrnimmt, und, vor allem, Sie auch nicht das Gehalt bekommen, das Sie eigentlich verdienen – dann interessiert Sie vielleicht Kapitel 6.
Viele Frauen unterschätzen es komplett, welche Botschaften sie im E-Mail-Verkehr über den reinen Wortlaut hinaus aussenden. Mit dem falschen E-Mail-Verhalten kann man sich ziemlich schnell unwichtig machen. Darum geht es im Kapitel 7.
Es gibt Firmenkulturen, in denen frau es von Anfang an extrem schwer hat, wenn sie eine Führungsposition einnimmt. Das kann an einer dort seit langem zementierten Manipulationsstruktur liegen. Wie man die Anzeichen dafür erkennt und dann Konsequenzen zieht, statt sich dort jahrelang sinnlos abzuarbeiten, steht im Kapitel 8.
Gerade Frauen mit extrem guten Fähigkeiten im verbalen Ausdruck gehen oft in Konflikten mit machtbewussten Männern unter. Weil die verbale Kompetenz nämlich in Machtauseinandersetzungen gar nichts nützt. Aber was hilft stattdessen? Das verrät Kapitel 9.
Es ist ja durchaus nicht so, dass Konflikte am Arbeitsplatz nur zwischen Männern und Frauen entstehen. Auseinandersetzungen unter Frauen laufen aber in der Regel anders ab, wenngleich am Ende nicht weniger belastend. Was in diesem besonderen Kontext wie funktioniert, lesen Sie in Kapitel 10.
Immer wieder gibt es Situationen, in denen es eine einzelne Frau mit einer scheinbar geschlossenen Männergruppe zu tun hat. Wie findet man dort Zugang? Dafür gibt es ein paar Werkzeuge, und die werden in Kapitel 11 erklärt.
Jedes Geschlecht hält die eigenen Kommunikationsgewohnheiten für selbstverständlich. Das ist ein bisschen beschränkt. Was diese Art von Borniertheit für die Arbeit in Firmen und Organisationen bedeutet, steht in Kapitel 12. Dort finden Sie auch Hinweise zu einem speziellen Thema, nämlich wie Chefinnen mit Männern umgehen, die aus Macho-Kulturen kommen.
Ja, und wenn Sie sich dieses Buch zwar gekauft haben, aber einfach nicht zum Lesen kommen, dann empfehle ich wenigstens einen Blick in Kapitel 13. In den »Zehn Regeln gegen Manipulierbarkeit« steht das Wesentliche in kürzester Form. Zumindest das sollten Sie wissen.
Die Methode, mit der ich in meinen Seminaren arbeite, habe ich seit vielen Jahren nur geringfügig modifiziert: Ich engagiere zur Demonstration der Sprachsysteme einen Sparringspartner, der lediglich zwei Qualifikationen braucht: Zum einen muss er ein Mann sein und zum anderen deutsch können. Er wird nur in einem einzigen Seminar eingesetzt und danach nicht mehr; er darf kein professioneller Schauspieler sein und kein Therapeut. Dieser Sparringspartner wird nicht vorbereitet und bekommt keinerlei Regieanweisungen. Er betritt den Seminarraum nur, wenn wir dort zu dem konkreten Erlebnis einer Teilnehmerin kommen. Das inszenieren wir dann vor allen anderen Teilnehmerinnen. Die Betroffene selbst nimmt als Zuschauerin Platz, nachdem sie sich aus dem Kreis der Anwesenden eine Stellvertreterin ausgesucht hat. Der Sparringspartner übernimmt die Rolle des seinerzeit am Konflikt beteiligten Mannes. Dann wird die Szene nachgespielt, bis sie »stimmt«. Anschließend wird der Sparringspartner aus dem Raum geschickt, und wir drinnen unterhalten uns über bessere Handlungsalternativen. In einer zweiten Runde wird dieselbe Szene noch einmal aufgeführt, die Teilnehmerin wird sich – weil wir das Verhalten des beteiligten Mannes inzwischen analysiert und Alternativen entwickelt haben – anders verhalten als vorher. Der Sparringspartner wird gerade wegen seiner Unvorbereitetheit realistisch darauf reagieren, und wir können auf diese Weise konkret testen, was bei ihm wie funktioniert. Diese Methode ist angeregt vom Psychodrama Jacob Morenos und vom Provokativen Stil Noni Höfners, ist aber in dieser Form mit den Jahren von mir selbst entwickelt worden. Dafür, dass die Werkzeuge, die die Teilnehmerinnen im Verlauf dieser Workshops kennenlernen, in ihrem Berufsalltag nachhaltige Effekte haben können, gibt es viele Bestätigungen. Meine Erfahrungen mit dieser Methode habe ich auch diesem Buch zugrundegelegt.
Voraussichtlich wird es mit diesem neuen Band wieder ein paar Missverständnisse geben. Aber Verrat an Männern sollte man mir bitte ebenso wenig unterstellen wie Dressurversuche an Frauen. Ich bin kein Psychologe, den Ehrgeiz habe ich nicht, und ein Genderforscher bin ich auch nicht. Ich habe zuallererst ein wirtschaftlich motiviertes Interesse als Unternehmensberater: Firmen und Organisationen arbeiten in gemischten Teams besser, gerade auch auf Führungsebene. Das bedeutet, dass weder rein männliche noch rein weibliche Teams so gut sind wie der Mix. Das ist eine inzwischen vielfach belegte Tatsache, die auch meiner persönlichen Erfahrung entspricht. Insofern ist die erhöhte Beteiligung von Frauen an Management-Verantwortung eine ebensolche Bedingung für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg wie etwa eine gesicherte Energieversorgung oder eine Infrastruktur – etwas eigentlich Selbstverständliches, was sich nur noch durchsetzen muss.
Nur noch?
Leider sind die Hindernisse, die diesem eigentlich »Selbstverständlichen« entgegenstehen, enorm. Vernünftige Argumente allein nützen wenig. Kompetente Frauen und erst recht die in Führungspositionen müssen im Beruf nicht permanent das Schwert schwingen, aber sie sollten wissen, wo es bereitsteht, und – wenn es doch einmal nötig wird – dann auch professionell und ohne Zögern damit umgehen. Die Manipulationsfallen, die dabei eine Rolle spielen, bestehen aus Bauteilen, die beide Geschlechter liefern. Menschen aus einem vertikalen System manipulieren oft über direkten Druck, setzen ganz offen Erpressung ein und instrumentalisieren gezielt vorhandene berufliche Strukturen. Meistens haben diejenigen darunter zu leiden, die aus einem horizontalen System kommen.
Auch in diesem Buch gilt der Hinweis, dass alle verwendeten Eigennamen verändert wurden und vielleicht vorhandene Ähnlichkeiten mit lebenden Personen in keiner Weise beabsichtigt sind.
Für ihre unbestechliche, konstruktive Kritik danke ich meinen Töchtern Magdalena und Teresa, meinem Freund Ekkehard Pohlmann und meiner Mitarbeiterin Anne Kotterer.
Und nun ans Werk. Viel Spaß beim Lesen.
Ihr Peter Modler
Was ist das für eine Spezies, die möglichst an Orten mit hoher Passantendichte, in Bahnunterführungen, an Hauswänden, auf Fahrzeugen mit erheblichem technischen Aufwand Botschaften verbreitet, bei denen das Wichtigste der eigene Name ist? Welche biologische Art ist das, die sich wegen des Bedürfnisses, sich öffentlich bemerkbar zu machen, auf Verfolgungsjagden einlässt, Nachtsichtgeräte einsetzt und Strafanzeigen riskiert? Nur damit sich in einem bestimmten geographischen Raum das eigene Zeichen verbreitet? – Es scheint sich um Homo sapiens zu handeln, weil dieses Wesen ein technisches Know-how einsetzt, das Tiere völlig überfordern würde. Und, noch genauer, es handelt sich wohl überwiegend um den männlichen Teil dieser Spezies. Kaum einem weiblichen Exemplar ist das Ziel – mein Tag, mein Zeichen in allen Straßen – diesen Aufwand wert. Die Graffiti-Szene in den Großstädten des Planeten Erde hat sich inzwischen gesplittet in eine große Masse von Anwendern, die sich weiterhin nächtens Katz-und-Maus-Spiele mit der Polizei leisten, und eine kleine Strömung mit explizit künstlerischem Anspruch. Ursprünglich ausgegangen war die Bewegung von jungen Männern aus den Ghettos, die sich in ihrem Revier »einen Namen machen« wollten. Bereits ein kurzer Blick auf diese Szene charakterisiert sie als zugehörig zu einer typischen Form von Kommunikation, die die amerikanische Soziolinguistin Deborah Tannen als »vertikal« bezeichnet. In dieser Sprachwelt will man schnellstmöglich den eigenen Rang innerhalb der Gruppe und das eigene Revier in Abgrenzung zu anderen Territorien klären. Verbale Differenzierungen bekommen erst viel später Bedeutung.
Ein grundlegend ähnliches Interesse wie bei den Graffiti-Leuten beobachte ich immer wieder auch in vielfältig wechselnden beruflichen Settings in Firmen und Organisationen. Es gibt Ausnahmen, das schon, aber in der Regel ist, laut Tannen, vertikale Kommunikation überwiegend bei Männern anzutreffen. Die Deutsche Bahn hat diese Form der Kommunikation in Form vertikaler Zeichnungsbedürfnisse allein im Jahr 2011 über vierzehntausendmal erlebt. Ungleich häufiger aber, wenngleich nicht so plakativ-graphisch, tritt diese »Sprayer«-Mentalität in männlich dominierten Arbeitswelten auf, vom Kleinbetrieb bis zum Dax-Konzern. Die Tatsache, dass zur Graffiti-Szene kaum Frauen gehören (nach Einschätzung der ZEIT sind 94 Prozent aller »Writer« männlich), weist weit hinaus über diese eingegrenzte Szene. Denn die meisten Frauen bewegen sich in einer ganz anderen Kommunikationsstruktur. Dafür hat Tannen den Begriff »horizontale Kommunikation« geprägt. Das horizontale System setzt auf gleichwertigen Informationsaustausch und auf gegenseitige Gesichtswahrung. Es wird dort nicht gern gesehen, wenn jemand sich selbst herausstellt. Harmonische Gruppengefühle sind besonders wichtig. Es ist ein System, das sich sehr schnell sach- und inhaltsorientiert verhalten kann.
Demgegenüber beobachtet Tannen bei der Mehrzahl von Männern ein ganz anderes Kommunikationsverhalten. In ihrem vertikalen System ist zuerst zu klären, welchen Rang jede Person in einer Gruppe hat. Wenn diese Rangordnung geregelt ist, entspannt sich das System und ist arbeitsfähig. Wenn sie aber nicht geregelt ist, gerät es unter Stress und tut alles, um die Rangordnung zu klären, oft in Form von Rivalitätsspielen und Revierverhalten. Dieses System ist rasch machtorientiert und oft erst im zweiten Schritt an Sachfragen interessiert.
In manchen Firmenkulturen werden Tannens Erkenntnisse entrüstet zurückgewiesen, weil sie nicht zum offiziellen Anspruch der prinzipiellen Gleichberechtigung zu passen scheinen, den man sich auf die Fahnen geschrieben hat. Natürlich weiß Tannen genau wie ich, dass es auch Ausnahmen im von ihr beobachteten Verhalten gibt und eine Schwarzweißdarstellung nur vorläufig weiterhilft. In Wirklichkeit sind mehr Differenzierungen vonnöten als die, die ein Denken in Systemen wiedergeben kann. Es kann aber trotzdem sehr produktiv sein, mit solchen Hypothesen zu arbeiten. Durch eine sinnvolle Vereinfachung können nämlich charakteristische Grundzüge schneller erkennbar werden.
Was ich von vielen Frauen aus ihrem beruflichen Umfeld höre – unter dem Siegel der Verschwiegenheit –, bestätigt inzwischen für mich Tannens Ansatz voll und ganz.
Menschen aus einem vertikalen Kommunikationssystem tauschen sich zunächst auf den beiden Achsen von Rangordnung und Revierbotschaften aus, die in einem horizontalen System keine große Bedeutung haben. Es ist völlig sinnlos, diese beiden Achsen nur deswegen zu diskreditieren, weil sie im eigenen System eine so geringe Rolle spielen. Leider tauchen Inhalte und Sachfragen in diesen Koordinaten jedoch noch gar nicht auf! Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Themen grundsätzlich nie Bedeutung bekommen. Sie bekommen sie durchaus; aber oft erst dann, wenn Rang- und Revierfragen geklärt wurden. Dieser Zusammenhang wird im vorliegenden Buch an vielen Beispielen deutlich werden.
Im Interesse dieser beiden Achsen werden natürlich auch Manipulationsversuche unternommen. Verhängnisvoll für Menschen aus einem horizontalen System kann dabei sein, dass ihre Instrumentalisierung durch die andere Seite auch oft noch unterstützt wird von einem hohen Maß an Selbstmanipulation. Das liegt an dem Konformitätsdruck im horizontalen System. Dort lebt man nämlich oft nach dem Motto: Du sollst zu uns gehören (dann unterstützen wir dich auch), aber auffallen sollst du nicht und uns überragen erst recht nicht! In der Konfrontation mit vertikalen Leuten lässt sich ein horizontales System deshalb leicht manipulieren. Dass am Ende – und schon gar nicht unter dem Blickwinkel des beruflichen Potentials – keine der beiden Seiten etwas davon hat, steht auf einem anderen Blatt.
Vertreterinnen des horizontalen Sprechens kommt ein Koordinatensystem aus Rang und Revier sehr wahrscheinlich extrem fremd vor. Oft wird es auch reflexartig moralisch abgewertet (Das ist doch reine Steinzeit). – Abwarten. Lesen Sie erst weiter, bilden Sie sich dann ein Urteil. Es ist jedenfalls die frühzeitige Klärung von Revier- und Rangverhältnissen, die in einem mehrheitlich vertikalen System dortigen Stress herabsetzt und Sicherheit verbreitet, während ungeklärte Rangfragen und übersehene Revierstörungen Druck erzeugen und Stress steigern.
Auf dieser Basis und vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen mit Firmen und Organisationen habe ich im »Arroganz-Prinzip« eine Übersicht zu den Ebenen der Kommunikation entwickelt, die im Konfliktfall mit Anwendern des vertikalen Stils – das heißt vielen Männern – besonders relevant sind. In diesem Strukturschema werden (noch) keine moralischen Kriterien berücksichtigt, sondern allein die von Wirksamkeit. Ich versuche damit, eine Antwort auf ein einfaches, aber grundlegendes Problem zu geben: Was funktioniert eigentlich im Konflikt mit Leuten aus einem vertikalen System? Oder, um es ein bisschen platter zu sagen: Wie bekomme ich diesen Typen dazu, dass er mir endlich zuhört und ernst nimmt, was ich zu sagen habe? – Wenn Sie diese Übersicht schon kennen, können Sie gern sofort bei Kapitel 2 weiterlesen.
Der Graphik entsprechend ist gegenüber Vertretern eines vertikalen Kommunikationsstils die unwirksamste Ebene im Konflikt leider die der verbalen und intellektuellen Kommunikation: »High Talk«. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen, die ich in den folgenden Kapiteln vorstelle. – Noch mehr Details können Sie in meinem Buch »Das Arroganz-Prinzip« nachlesen. – Die zweitwirksamste Ebene habe ich mit dem Level einer zwar verbalen, aber überhaupt nicht intellektuellen Kommunikation als »Basic Talk« bezeichnet. Diese Ebene kann verbal scheinbar sehr einfach, aber auch sehr unsachlich und womöglich sehr persönlich sein; früher habe ich dieses Level »Small Talk« genannt, das war aber zu missverständlich. »Basic Talk« trifft es besser, weil es hier um eingeschränkte Verbalität geht. Die wirksamste Ebene ist jedoch »Move Talk«, auf der verbale Äußerungen gar keine Rolle spielen, sondern allein mit Raum und Körper agiert wird.
Dieses »Siegertreppchen« hat so gut wie keine Bedeutung gegenüber Vertreterinnen eines horizontalen Kommunikationsstils, also gegenüber den meisten Frauen (es gibt auch eine Minderheit von Männern, die so kommuniziert). Es wäre in den meisten Fällen dort nicht nur sinnlos, sondern sogar ausgesprochen kontraproduktiv. Wenn sich also manche Leserinnen darüber echauffieren, weil sie so nicht angesprochen werden möchten, haben sie diese Einschränkung vergessen: Als Verhaltensmöglichkeit gegenüber vielen Frauen ist das auch überhaupt nicht gedacht. Wohl allerdings gegenüber vertikal Kommunizierenden.
Meine Erfahrung bei der Begleitung von weiblichen Führungskräften ist seit langem, dass kaum eine Chefin, Partnerin, Unternehmerin ein Problem damit hat, Angriffe auf einer verbalen und intellektuellen Ebene (High Talk) zurückzuweisen. Die meisten sind so gut ausgebildet und wissen in ihrem Fachgebiet derart Bescheid, dass sie auf diesem Level souverän und wirksam reagieren können. Deshalb führen Offensiven vertikaler Gegner auf dieser Ebene auch seltener zu harten Auseinandersetzungen. Das ist auf Level zwei und eins völlig anders – denn dort wird es persönlich, unsachlich, übergriffig, ja sogar körperlich. Und wenn es auf diesen Niveaus zu Attacken kommt, geraten viele an sich kompetente Frauen oft in Zustände des Schocks, der Scham und der Lähmung. Leider mit dem Effekt, dass sich in der Zwischenzeit die andere Seite durchsetzt.
Nur am Rande eine kurze Bemerkung zum Thema »Frauenquote«. Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass sich allein an ihr wenig entscheidet, sondern daran, wie eine weibliche Führungskraft – egal, wie sie in diese Position kam –, in den ersten Monaten damit umgeht, wenn sie auf den Ebenen Basic Talk und Move Talk angegangen wird. Darauf sind viele Frauen aber alles andere als vorbereitet.
Dass das viele so unvorbereitet trifft, liegt nicht zuletzt an den leidenschaftlichen Wünschen, die publizistisch allerorten als bereits verwirklichte Realität ausgegeben werden. Durchaus exemplarisch stand etwa in der renommierten Wochenzeitung »Die Zeit« Ende 2012 eine ganze Seite unter dem Titel »Wie weiblich wird’s noch«, Untertitel: »Lange waren Frauen eine Mehrheit, die wie eine Minderheit behandelt wurde. Die Zeiten sind vorbei – sie geben nun den Ton an.« Was dann im Artikel folgte, war wieder die Inszenierung einer politisch-korrekten Wunschwelt als reale Beschreibung, wie man sie in den letzten Jahren immer wieder lesen konnte. Dass es gerade in dieser Zeitung stand, ist dabei völlig unerheblich, weil diese Art von intellektuellem Voodoo überall verbreitet wird. Angeblich befinden wir uns mitten in einer »Feminisierung der Republik«. Eine Reihe von Frauen in Führungspositionen wird aufgezählt, Frauen-Netzwerke gelobt, ein »Hegemoniegewinn« festgestellt. Der Beitrag schließt mit den Worten: »Ein letztes Beispiel für die geniale Verbindung von moralischer Minderheitenmacht und weiblicher Mehrheitskraft ist das fast völlige Fehlen von Kritik an Frauen als Frauen. Es ist absolut gängig, die Defizite von Männern in Führungspositionen zu benennen, jeder kann das runterbeten (dominant, eitel, testosterongesteuert, unsensibel, brutal, laut, sexistisch und so weiter). Aber was sind denn die zehn größten Schwächen von Frauen in Führungsjobs? Wer es weiß und sich traut, soll sich melden.«
Die unabsichtliche Pointe steckt genau im letzten Satz: »Wer sich traut, soll sich melden.« Denn gemeint ist natürlich auch: Wer sich nicht traut, soll die Klappe halten; nämlich wegen des entsprechenden moralischen Drucks. Genau das machen inzwischen zwar auch viele männliche Führungskräfte – die unkorrekte Klappe halten, weil sie wissen, dass man vieles nicht mehr sagen darf. Leider ändert allein dieser Verzicht auf eine bestimmte Sorte Verbalität nicht so viel an den realen Machtverhältnissen, wie man sich wünschen mag. Dieses verbalitätszentrierte Missverständnis entspricht vielmehr genau der horizontalen Kommunikation, von der Deborah Tannen spricht. Nur nützt das im tatsächlichen ernsthaften Konflikt mit einem Menschen, der vertikal auftritt und das für völlig selbstverständlich hält, herzlich wenig. Das ist bezeichnenderweise intern auch in vielen Redaktionen so, die ansonsten diesen Voodoo nach außen bereitwillig publizieren.
Das verbreitete lyrische Schönschreiben eines Umbruchs, in dem wir uns tatsächlich befinden, macht den Ort unklar, wo wir bei dieser gesellschaftlichen Reise stehen: Wir sind nämlich erst am Anfang des Gebirges, der Pass liegt noch lange nicht hinter uns. Wer an diesem Ort sein gutgläubiges Mantra wiederholt, als hätten wir die Klippen und Gletscher bereits passiert, verbreitet Illusionen, die niemandem nützen. Mit den Sturzbächen und den Lawinen sollte man bei vollem Bewusstsein rechnen, damit man nicht katastrophal überrascht wird.
Gestehen wir es uns ein: Wenn wir von Männern und Frauen reden, reden wir über Aliens, die einander fremd sind. Viele behaupten, mit ein bisschen gutem Willen sei ein Verständnis ohne weiteres zu erreichen. Das ist im betrieblichen Konfliktfall oft nur eine freundliche Augenwischerei. Tatsächlich ist der Grad an wechselseitiger Fremdheit hoch. Fremdes Denken, fremde Reflexe, fremde Ziele, fremdes Verhalten. Diese Aliens können sehr gut miteinander leben, und erst recht miteinander arbeiten. Aber oft erst dann, wenn sie sich wechselseitig als Aliens akzeptiert und in Rechnung gestellt haben, dass es einen Übersetzungsbedarf gibt. Sie könnten ein Dream-Team sein! Aber jede Seite braucht ihr eigenes Recht. Und dieses Recht gibt es nicht umsonst.
Ein horizontales Sprachsystem kann ebenso manipuliert werden wie ein vertikales, wenn man weiß, wo der Hebel anzusetzen ist. Denn in einem horizontalen System sind viele seiner Vertreterinnen beständig an einem harmonischen Gleichgewicht in der Gruppe interessiert. Dass das so ist, wissen auch die Männer. Und weil sie das wissen, selbst aber oft mehr an Rangerhöhung oder Machtzuwachs interessiert sind, setzen sie dieses Harmoniebedürfnis immer wieder in ihrem eigenen Interesse ein. Mitarbeiterinnen werden oft leichter missbräuchlich steuerbar, wenn männliche Vorgesetzte ihnen beispielsweise einen emotionalen Zugewinn in Aussicht stellen, der sich bezeichnenderweise materiell nie auszahlt.
Frau Pirna ist nur ein typisches Beispiel unter leider vielen. Sie arbeitete als chemisch-technische Assistentin im Labor einer norddeutschen Großforschungseinrichtung. Faktisch war sie schon seit Jahren weit über die Rolle einer bloßen Assistentin hinaus. Sie war es, die das Labor leitete. Bezahlt wurde sie aber nicht ihrer Tätigkeit entsprechend. Niemand zweifelte ihre Kompetenz an, alle möglichen Leute fragten nach ihrem Rat. Frau Pirna war Anfang fünfzig, sah aber mindestens zehn Jahre älter aus. Sehr freundliche Augen, doch tiefe Ränder darunter, die sie mit einer großen Sonnenbrille verdeckte. Als ich sie zum ersten Mal sah, hatte ich sofort den Eindruck, dass hier jemand in einem Zustand der Dauererschöpfung lebte.