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In 'Die Monikins', geschrieben von James Fenimore Cooper, wird der Leser in eine faszinierende Welt entführt, in der sprechende Affen die Hauptrolle spielen. Cooper's Werk zeichnet sich durch seinen detaillierten Schreibstil und die präzise Darstellung dieser alternativen Gesellschaft aus. Mit einem Hauch von Fantasie und Satire bietet das Buch einen tiefgründigen Einblick in die menschliche Natur und Gesellschaftsstrukturen. Cooper, bekannt für seine Werke des amerikanischen Realismus, schafft es, durch die Verwendung von Fabelwesen und Allegorien ein eindringliches Bild seiner Zeit zu schaffen. Seine kritische Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Themen ist auch in 'Die Monikins' unverkennbar. James Fenimore Cooper, ein bedeutender amerikanischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, nutzt dieses Werk, um seine Leser zum Nachdenken anzuregen und sie mit seiner einzigartigen Erzählweise zu fesseln. Durch die Kombination von Unterhaltung und tiefgründigen, philosophischen Themen empfiehlt sich 'Die Monikins' sowohl für Liebhaber der klassischen Literatur als auch für Leser, die nach intellektueller Herausforderung suchen.
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Seitenzahl: 645
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß manche, die dies lesen, wünschen mögen zu erfahren, wie ich in Besitz des Manuscripts gekommen. Ein solch’ Verlangen ist zu billig und natürlich, um ihm nicht zu willfahren, und die Sache soll so kurz als möglich erzählt werden.
Im Sommer 1828 auf einer Reise in jenen Schweizerthälern, die zwischen den zwei großen Alpenreihen liegen, und in welchen, beide, die Rhone und der Rhein ihren Ursprung nehmen, war ich von den Quellen des letzteren zu denen jenes Flusses fortgegangen, und hatte das Becken in den Gebirgen erreicht, das so berühmt ist, weil es den Gletscher der Rhone enthält, als der Zufall mir einen jener seltnen Augenblicke von Erhabenheit und Stille verschaffte, welche in dieser Halbkugel wegen ihres nicht häufigen Vorkommens nur um so köstlicher sind. Auf jeder Seite war die Aussicht durch hohe, zerrissene Berge begrenzt, deren Gipfel nahe an der Sonne erglänzten, während unmittelbar vor mir und auf gleicher Linie mit dem Auge jener wunderbare gefrorene See lag, aus dessen Ueberfluß die Rhone hervorstürzt, um, ein schäumender Strom, weg nach dem fernen Mittelländischen Meer zu enteilen. Zum ersten Mal, auf einer Pilgerfahrt von vielen Jahren, fühlte ich michin Europa allein mit der Natur.Ach, der Genuß, wie nothwendiger Weise alle solche Genüsse im Drängen der alten Welt, war kurz und trügerisch. Ein Trupp kam um die Ecke eines Felsens herum, auf dem engen Maulthierpfad, in einzelnen Reihen; zwei Damen beritten, ebenso viel Herren zu Fuß, und voran der gewöhnliche Führer. Es war nichts weiter als Höflichkeit, aufzustehen unddie Taubenaugen zu begrüßen, die blühenden Wangen der ersteren, als sie vorüberzogen. Sie waren Engländer und die Herren schienen mich für ihren Landsmann zu erkennen. Einer der letztern blieb stehen, und erkundigte sich höflich, ob der Uebergang über die Furka nicht durch Schnee gesperrt sei. Die Antwort war Nein, und für diese Belehrung sagte er mir, ich würde den Grimsel etwas schwierig finden, »aber,« fügte er lächelnd hinzu, »den Damen gelang der Uebergang, und Sie werdensich kaumbedenken.« Ich dachte, ich möchte wohl Schwierigkeiten überwinden, über die seine schönen Gefährtinnen hinausgekommen; er sagte mir dann, Sir Herbert Taylor sei Generaladjutant geworden, und wünschte mir guten Morgen.
Ich saß, sinnend über Charakter, Hoffnungen, Erstrebungen und Interessen der Menschen, eine Stunde lang, und schloß dann, daß der Fremde Soldat sein müsse, der selbst in dieser kurzen und zufälligen Zusammenkunft einiges von dem gewöhnlichen Arbeiten seiner Gedanken über sein Gemüth hatte überfließen lassen. Meine einsame Wanderung über die Rhone wieder aufzunehmen und mich den Weg der steilen Seite des Grimsel hinaufzuarbeiten, kostete zwei weitere Stunden, und froh war ich, als ich die kleine kaltblickende Wasserfläche auf seinem Gipfel zu Gesicht bekam, die der todte See heißt. Der Pfad war an einer sehr kritischen Stelle mit Schnee erfüllt, wo in der That ein fehlgesetzter Tritt den Unvorsichtigen in’s Verderben verlocken mochte. Eine große Gesellschaft erschien auf der andern Seite und erkannte vollkommen das Schwierige, denn sie hatte Halt gemacht, und war in ernster Berathschlagung mit dem Führer über die Möglichkeit des Durchgangs. Man beschloß es zu versuchen. Zuerst kam eine Dame mit dem lieblichsten, heitersten Antlitz, wie ich es nur je gesehen. Sie war auch eine Engländerin, und obwohl sie zitterte und erröthete und über sich selbst lachte, schritt sie vor mit Muth, und würde sicher meine Seite erreicht haben, hätte nicht ein unglücklicher Stein sich unter einem Fuße gedreht, der viel zu niedlich war für diese wilden Berge. Ich sprang vor und war so glücklich, sie vom Untergang zu retten. Sie fühlte die ganze Fülle ihrer Schuld, und bezeigte ihren Dank bescheiden aber mit Wärme. In einem Augenblick war ihr Gemahl bei uns; er ergriff meine Hand mit der Bewegung, die der empfinden mußte, der Zeuge gewesen war, wie er Gefahr gelaufen, einen Engel zu verlieren. Die Dame schien froh, uns zusammen allein zu lassen.
»Sie sind ein Engländer,« sagte der Fremde.
»Ein Amerikaner.«
»Ein Amerikaner! Das ist seltsam. – Wollen Sie mir eine Frage vergönnen? – Sie haben mehr als mein Leben gerettet, Sie haben mir wahrscheinlich die Vernunft erhalten. Wollen Sie mir eine Frage vergönnen? Kann Geld Ihnen dienen?«
Ich lächelte, und sagte ihm, daß, so närrisch es ihm auch scheinen möge, ich, obgleich ein Amerikaner, doch ein Mann von Ehre wäre. Er schien verlegen, und sein schönes Gesicht arbeitete sich ab, bis ich anfing ihn zu bemitleiden; es war augenscheinlich, er wollte mir irgendwie zeigen, wie sehr er sich für meinen Schuldner halte, und doch wußte er nicht genau, was er vorschlagen sollte.
»Wir können uns wieder treffen,« sagte ich, seine Hand drückend.
»Wollen Sie meine Karte hinnehmen?«
»Sehr gerne.«
Er legte »Viscount Householder« in meine Hand, und dafür gab ich ihm meinen unbedeutenden Namen.
Er sah von der Karte auf mich und von mir auf die Karte, und ein angenehmer Gedanke schien über seinen Geist hinzublitzen.
»Werden Sie Genf diesen Sommer besuchen?« fragte er ernst.
»In einem Monat.«
»Ihre Adresse –
»Hotel de l’Ecu.«
»Sie sollen von mir hören. – Adieu.«
Wir schieden; er, seine liebliche Frau, seine Führer stiegen zur Rhone herab, während ich meinen Weg zum Grimsel-Hospiz fortsetzte. Nach einem Monat erhielt ich ein dickes Paquet im Ecu; es enthielt einen werthvollen Diamantring, mit der Bitte, ich möchte ihn als ein Andenken der Lady Householder tragen, und außerdem ein schön geschriebenes Manuscript. Das folgende kurze Schreiben erklärte das Weitere:
»Die Vorsehung brachte uns zu mehr Zwecken, als zuerst ersichtlich, zusammen. Ich habe lange gezögert, anliegende Erzählung herauszugeben, denn in England herrscht die Neigung vor, über außerordentliche Thatsachen zu spotten, aber die Entfernung Amerika’s von meinem Wohnort wird mich hinlänglich vor dem Lächerlichen schützen. Die Welt muß die Wahrheit haben, und ich sehe dazu kein besseres Mittel, als zu Ihnen meine Zuflucht zu nehmen. Alles, was ich erbitte, ist, daß Sie das Buch schön drucken lassen, und ein Exemplar an meine Adresse, Householder-Hall, Dorshetshire, England, und ein andres an Capitain Noah Poke, Stonington, Connecticut, in Ihrem Vaterland, schicken wollen. Meine Anna betet für Sie, und ist für immer Ihre Freundin. Vergessen Sie uns nicht.
Ihr ergebenster Householder.
Ich bin genau dieser Bitte nachgekommen, und nachdem ich die beiden Exemplare, wie mir geboten, abgesendet habe, ist der übrige Theil der Auflage zur Verfügung eines jeden, der sich geneigt fühlen mag dafür zu bezahlen. Für das nach Stonington gesandte Exemplar erhielt ich folgenden Brief:
»An Bord des Debby und Dolly. Stonington, 1. Avril l835.
Dem Verfasser des Spion, Esq.
Sir,
Ihr Geehrtes ist mir zugekommen, und fand mich in guter Gesundheit, so wie ich hoffe, daß es mit diesen Zeilen bei Ihnen der Fall sein wird. Ich habe das Buch gelesen und muß sagen, es ist einiges Wahre darin, was, die Bibel, den Kalender und die Staatsgesetze ausgenommen, überhaupt alles ist, was man von einem Buch sagen kann. Ich erinnere mich des Sir John wohl, und werde dem, was er versichert, nichts entgegensagen, schon aus dem Grund, weil Freunde einander nicht widersprechen sollen. Ich war auch mit den vier Monikins bekannt, wovon er spricht, wiewohl ich sie anders nennen hörte. Meine Frau sagt, sie wundre sich, daß alles wahr sein sollte, und ich lasse sie dabei, da etwas Ungewißheit eine Frau vernünftig macht. Was mein Segeln ohne Geometrie betrifft, so war das kaum nöthig zu drucken, denn es ist nichts seltnes in diesen Breitegraden, wenn man nur ein oder zwei Mal des Tags einen Blick auf den Compaß wirft. Und so nehme ich Abschied von Ihnen, und erbiete mich, jeden Auftrag für Sie bei den Inseln zu besorgen, nach denen ich morgen, wenn es Wind und Wetter erlaubt, absegle. Ihr
Noah Poke.
Inhaltsverzeichnis
Der Philosoph, der eine neue Lehre verkündet, ist gehalten, wenigstens einige Grundbeweise von der Vernunftmäßigkeit seiner Sätze zu liefern, und der Geschichtschreiber, der Wunder zu erzählen wagt, die bis dahinvon menschlicher Erkenntniß verborgen gehalten worden, ist es einer gebührenden Rücksicht für die Meinungen andrer schuldig, einige glaubhafte Zeugnisse für seine Wahrhaftigkeit beizubringen. Ich bin in Hinsicht dieser beiden großen Erfordernisse in einer besondren Lage, da ich für meine Philosophie wenig mehr als ihre Wahrscheinlichkeit, und keinen andern Zeugen als mich selbst aufzuweisen habe, um die wichtigen Thatsachen zu begründen, die jetzt zum ersten Mal der lesenden Welt vorgelegt werden sollen. In dieser Verlegenheit fühle ich recht wohl die Verantwortlichkeit, die ich auf mich nehme, denn es gibt Wahrheiten von so wenig anscheinender Wahrscheinlichkeit, daß sie Erdichtungen gleichen, und ferner der Wahrheit so ähnliche Erdichtungen, daß der gewöhnliche Beobachter geneigt ist zu versichern, er sei ein Augeuzeuge ihrer Wirklichkeit gewesen; zwei Thatsachen, welche alle unsre Geschichtschreiber wohl thun würden sich zu Gemüth zu führen, da eine Kenntniß der Umstände ihnen den Schmerz ersparen würde, Zeugnisse, die ihnen viele Mühe kosten, in dem einen Fall in Mißcredit gebracht zu sehen, und in dem andern viele peinvolle und unnöthige Mühe zu vermeiden. Also sowohl in Hinsicht dessen, was der Franzose die piéces justificatives meiner Theorien nennen würde, als auch was meine Thatsachen betrifft, auf mich selbst zurückgewiesen, sehe ich keinen andern Weg, den Leser zu bewegen mir zu glauben, als indem ich eine ungeschminkte Nachricht von meiner Abstammung, Geburt, Erziehung und Leben bis zu der Zeit gebe, wo ich Augenzeuge jener wunderbaren Begebenheiten ward, die ich das Glück habe zu erzählen, und womit zu seinem Glück der Leser jetzt bekannt gemacht werden soll.
Ich werde mit meiner Abstammung, meinem Stammbaum beginnen, sowohl weil es die gewöhnliche Ordnung der Dinge so mit sich bringt, als auch um von diesem Theil meiner Erzählung gehörigen Vortheil zu ziehen, da er nicht nur dem übrigen Glaubwürdigkeit verschaffen wird, sondern auch dazu beitragen mag, Wirkungen auf ihre Ursachen zurückzuführen.
Ich habe mich gemeiniglich als auf gleichem Fuß mit den ältesten Edelleuten Europa’s angesehen, da wenige Familien klarer und direkter in den Nebel der Zeiten hinaufgeführt worden, als die, deren Glied ich bin. Meine Abkunft von meinem Vater wird unbestreitbar dargethan sowohl durch die Pfarrregister als durch das Testament von ihm selbst; und ich glaube, niemand kann die Wahrheit des ganzen Stammbaums seiner Familie deutlicher beweisen, als ich es im Stande bin mit dem meines Vorfahrs bis zur Stunde, wo er, zwei Jahre alt, schreiend vor Kälte und Hunger in dem Kirchspiel St. Giles in Westminster in dem vereinten Königreich Großbritanien gefunden ward. Ein Orangen-Weib hatte Erbarmen mit seinem Leiden. Sie sättigte ihn mit einer Brodkruste, wärmte ihn mit Wermuthbier und dann geleitete sie ihn voll Menschlichkeit zu einem Manne, mit welchem sie von jeher häufige aber ärgerliche Verhandlungen hatte, – zu dem Gemeindeaufseher. Der Fall mit meinem Vorfahr war so dunkel, daß er ganz klar war. Niemand konnte sagen, wem er angehörte, woher er gekommen, oder was etwa aus ihm werden sollte; und da das Gesetz damals noch nicht zuließ, unter Umständen wie diese, die Kinder auf der Straße verhungern zu lassen, sah sich der Gemeindeaufseher, nachdem er alle geeignete Schritte gethan, um die Kinderlosen und Barmherzigen seiner Bekannten zu dem Glauben zu vermögen, solch ein verlassenes Kind sei als besondres Pfand von der Vorsehung einem jeden von ihnen ins Besondre bestimmt, qenöthigt, meinen Vater der Obhut einer der gewöhnlichen Ammen des Kirchspiels zu übergeben. Es war ein großes Glück für die Authenticität dieses Stammbaums, daß des Orangen-Weibes Verwenden diesen Erfolg hatte, denn wäre mein Vater den glücklichen Zufällen und edelmüthigen Launen freiwilliger Wohlthätigkeit ausgesetzt gewesen, so ist es mehr als wahrscheinlich, ich würde einen Schleier über jene wichtigen Jahre seines Lebens werfen müssen, die er notorisch im Arbeitshause zubrachte, und die jetzt, in Folge dieses Vorfalls, leicht durch rechtskräftige Beweise und documentarische Evidenz beglaubigt werden können.
So geschieht es denn, daß in den Jahrbüchern unsrer Familie sich keine Lücken finden; selbst jene Periode, die gewöhnlich nur mit Mährchen und eitlen Erzählungen in dem Leben der meisten Männer ausgefüllt wird, ist Gegenstand eines gesetzlichen Aufzeichnens in dem Leben meines Vorfahren, und war es so immer bis zum Tag seiner angenommenen Volljährigkeit, da er einem sorgsamen Meister den Augenblick übergeben ward, wo der Pfarrsprenkel mit einigem gesetzlichen Grund, denn von Schicklichkeit und Anstand kann ja hier keine Rede sein, seiner los werden konnte. Ich hätte bemerken sollen, daß das Orangen-Weib von dem Schild eines Metzgers, dessen Thür gegenüber mein Vorfahr gefunden ward, Veranlassung nahm, ihm sehr scharfsinnig den Namen Thomas Goldenkalb zu geben.
Dieser zweite wichtige Uebergang in der Geschichte meines Vaters, seine Lehrzeit nämlich, kann als eine Vorbedeutung seines künftigen Glücks betrachtet werden. Er ward Lehrling bei einem Händler in Mode-Artikeln, bei einem Ladeninhaber, der mit solchen Gegenständen verkehrte, wie sie gewöhnlich von denen gekauft werden, die nicht recht wissen, was sie mit ihrem Gelde thun sollen. Dieses Gewerb war von ausserordentlichem Nutzen für das künftige Wohlergehen des jungen Abentheurers, denn ungerechnet die bekannte Thatsache, daß die, welche ergötzen, weit besser bezahlt werden, als die, so belehren, so setzte ihn auch seine Stellung in den Stand, jene Launen der Menschen zu studieren, welche, wenn gehörig geleitet, an sich selbst eine Mine des Reichthums sind, und ausserdem zu der wichtigen Wahrheit führen, daß die größten Begebenheiten dieses Lebens weit öfter das Ergebniß des bloßen Antriebs als der Berechnung sind.
Ich habe es in direkter Ueberliefernng mündlich von den Lippen meines Großvaters überkommen, daß niemand in dem Charakter seines Herrn hätte glücklicher sein können als er selbst; dieser Mann, der zu rechter Zeit als mein Großvater von mütterlicher Seite sich erwieß, war einer jener vorsichtigen Krämer, die andre aus eignem Vortheil in ihren Thorheiten bestärken, und die Erfahrung von fünfzig Jahren hatte ihn in den Kniffen seines Handwerks so gewandt gemacht, daß er selten eine neue Ader in seiner Mine anschlug, ohne sich für sein Beginnen durch einen Erfolg belohnt zu sehen, der seinen Erwartungen gänzlich entsprach.
»Tom,« sagte er eines Tags zu seinem Lehrling, als die Zeit Vertrauen zwischen ihnen hervorgebracht, und gleiche Gefühle geweckt hatte, »du bist ein glücklicher Junge, oder der Gemeindeaufseher hätte dich nie zu meiner Thür gebracht. Du kennst schlecht den Reichthum, der für dich aufgespeichert ist, alle die Schätze, die zu deinem Befehl stehen, wenn du dich eifrig erweisest, und besonders treu meinen Interessen bist.« Mein vorsichtiger Großvater ließ selten eine Gelegenheit vorübergehen, ohne eine nützliche Moral einfließen zu lassen, obgleich auch im Allgemeinen sein Handel durch Wahrhaftigkeit sich auszeichnete. »Nun wie hoch denkst du, Junge, beläuft sich mein Kapital?«
Mein Vorgänger in männlicher Linie wagte keine Antwort, denn bis jetzt waren seine Gedanken auf den Profit beschränkt gewesen, und nie hatte er gewagt, seine Ideen bis zu jener Quelle zu erheben, aus der, wie er nothwendig sehen mußte, er in reichem Strom herfloß; aber auf sich selbst beschränkt durch diese unerwartete Frage, und schnell in den Zahlen, fügte er zehn Prozent zu der Summe, welche, wie er wußte, letztes Jahr der Netto-Gewinn ihrer vereinten Kunstfertigkeit gewesen, hinzu, und nannte den Betrag als Antwort auf die Frage.
Mein Großvater von mütterlicher Seite lachte meinem direkten Lenear-Vorfahren geradezu in das Gesicht. »Du urtheilst, Tom,« sagte er, als seine Lustigkeit sich ein wenig gelegt hatte, »nach dem, was du für die Interessen des wirklichen Kapitals vor deinen Augen hältst, während du auch das in Rechnung bringen solltest, was ich unser schwebendes Kapital nenne.«
Tom sann einen Augenblick; denn wenn er auch wußte, daß sein Herr Geld in den Fonds hatte, so rechnete er doch das nicht als einen Theil der verfügbaren Mittel, die mit seinem gewöhnlichen Geschäft zusammengehangen hätten; und in Hinsicht des schwebenden Kapitals sah er nicht recht ein, wie es von großem Belang sein konnte, da das Mißverhältniß zwischen dem Einkaufspreiß und den Verkaufspreißen der einzelnen Artikel, womit sie handelten, so groß war, daß bei einer solchen Untersuchung nicht viel herauskommen konnte. Da jedoch sein Herr selten für etwas bezahlte, bevor er nicht im Besitz des Einkommens davon war, welches die Schuld einige sieben Mal überstieg, dachte er anfangs, der alte Mann spiele auf die Vortheile an, die er durch Credit erlangte, und nach einigem weitern Nachdenken faßte er ein Herz und sagte noch ein Mal soviel.
Nochmals überließ sich mein mütterlicher Großvater einem herzlichen Lachen. »Du bist geschickt auf deine Art, Tom«, sagte er, »und ich liebe die Genauheit deiner Rechnungen, denn sie zeugen von Talent für die Handlung; aber in unserm Beruf liegt Genie sowohl als Geschicklichkeit. Komm hierher, Junge,« fügte er hinzu, und zog Tom an ein Fenster, von wo sie die Nachbarn auf ihrem Weg zur Kirche sehen konnten, denn an einem Sonntag überließen sich meine zwei vorsichtigen Vorfahren diesen moralischen Ansichten von der Menschheit, als besonders passend für diesen Tag. »Komm hierher, Junge, und du sollst einen kleinen Theil jenes Kapitals sehen, welches, während du es versteckt glaubst, draußen herschreitet am Tageslicht und in den offenen Straßen. Hier, du siehst das Weib unseres Nachbars, des Pastetenbäckers, mit welchem Air wirft sie ihr Haupt, und zeigt die Schleife, die du ihr gestern verkauftest; nun eben jene, müßig und eitel, und wenig trauenswerth wie sie ist, sie trägt einen Theil meines Kapitals bei sich.«
Mein würdiger Vorfahr staunte, denn er wußte nicht, daß der andere jemals sich einer solchen Unvorsichtigkeit schuldig gemacht, um einem Weibe zn trauen, das, wie sie beide wußten, mehr kaufte, als ihr Mann zu bezahlen Willens war.
»Sie gab mir eine Guinee, Meister, für das, was nicht sieben Shillinge kostete.»
»Freilich, Tom, und Eitelkeit trieb sie dazu; ich stelle auf ihre Thorheit, Junge, und auf die aller andern, Wechsel aus; nun siehst du nicht, mit welchem Kapital ich meine Geschäfte führe. Dort, dort ist die Magd, die da hinten die Oberschuhe trägt; ich zog erst letzte Woche auf mein Kapital in jenes Weibes Besitz eine halbe Krone.«
Tom dachte lange Zeit über diese Anspielungen seines vorsichtigen Meisters nach, und obgleich er sie fast eben so gut verstand, als sie von den Eigentümern der sanften Augen und sich spreitzenden Backenbärten unter meinen Lesern verstanden sein werden, gelangte er doch durch Nachdenken zuletzt zu einem praktischen Verstehen des Gegenstandes, den er, ehe er noch in den dreißigen war, ziemlich wohl, um einen französischen Ausdruck zu gebrauchen, erploitirt hatte.
Ich höre nach unbestreitbarer Ueberlieferung, die ich auch aus dem Mund seiner Zeitgenossen empfangen, daß die Ansichten meines Vorfahrs zwischen zehen und vierzig einige wesentliche Veränderungen erlitten; ein Umstand, der mich oft auf den Gedanken gebracht, daß man wohl thun würde, nicht zu sehr auf seine Grundsätze während der beugsamen Periode des Lebens zu vertrauen, wo das Gemüth, gleich dem zarten Schößling, leicht auf die Seite gewandt und der Einwirkung der umgebenden Ursachen unterworfen wird.
Während der früheren Jahre der Bildungsperiode bemerkte man in meinem Vorfahr lebhafte Gefühle des Mitleids beim Anblick von verlassenen Kleinen; auch sah man ihn niemals an einem Kind, besonders an einem Knaben vorübergehen, der noch im Flügelkleide war, und vor Hunger in den Straßen schrie, ohne seine Brodkruste mit ihnen zu theilen. In der That diese seine Gewohnheit soll beständig und gleichförmig gewesen sein, jedes Mal wenn dies Begegnen Statt hatte, nachdem mein würdiger Vater sein eignes Mitgefühl durch ein gutes Mittagessen geschärft hatte, ein Umstand, der einer lebhaftem Mitempfindimg des Vergnügens, das er verschaffen wollte, zugeschrieben werden mag.
Nach seinem sechszehnten Jahre hörte man ihn manchmal von Politik reden, ein Gegenstand, über den er sich vor seinem zwanzigsten mit Erfahrung und Beredsamkeit ausließ. Sein gewöhnliches Thema war Gerechtigkeit und die heiligen Rechte des Menschen, über welche er bisweilen sehr glänzende Sprüche äußerte, wie sie recht eigentlich einem Manne zukamen, der auf dem Boden des großen Staatstopfs sich befand, welcher damals wie jetzt, tüchtig kochte, und wo ihm die Hitze, die den Topf in Wallungen erhielt, am fühlbarsten ward. Man versichert mich, über Taxen, über die Unbilden Amerika’s und Irland’s konnten wenig junge Leute in dem Pfarrsprengel mit mehr Eifer und Salbung reden. Um diese Zeit hörte mau ihn auch in den Straßen rufen: Wilkes und Freiheit!
Aber wie dies bei allen Leuten von seltnen Fähigkeiten so ist, es fand sich im Gemüth meines Vorfahrs eine Centralisation von Kräften, welche bald alle seine herumschweifenden Sympathien, den bloßen Auswuchs lebhafter, überfließender Gefühle, zu einer gehörigen und nützlichen Unterwerfung brachte, indem sie alles in das Eine verschlingende und geräumige Gefach seines eignen Selbst zusammenfaßte. Ich nehme für meinen Vater in der Hinsicht nichts Besondres in Anspruch; wie oft habe ich solche Leute beobachtet; gleich unvernünftigen Reutern, die, ehe sie nur noch fest im Sattel sitzen, vielen Staub erregen, und herum trotten, als wenn die Heerstraße für ihre excentrische Ritte zu enge wäre, die aber hernach gerade auf ihr Ziel losschießen, wie der Pfeil vom Bogen, – ihnen gleich überlassen sich die Meisten beim Eintritt in ihre Laufbahn ihren überschwenglichen Gefühlen, sind aber später gerade die, die am ersten eine gehörige Herrschaft darüber erlangen, und sie in die Schranken des gesunden Menschenverstandes und der Klugheit einschließen. Vor seinem fünf und zwanzigsten Jahr war mein Vater ein so exemplarischer und beständiger Anhänger des Plutus, als nur irgend jemand damals zwischen Ratcliffe-Highway und Bridge-Street gefunden ward, – ich nenne diese Orte besonders, da alle übrige in der großen Hauptstadt, in der er geboren ward, wie man weiß, in Hinsicht des Geldes gleichgültiger sind.
Mein Vorfahr war gerade dreißig Jahr alt, als sein Herr, der wie er selbst ein Junggesell war, sehr unerwartet und zu bedeutendem Aergerniß der Nachbarschaft einen neuen Inwohner in seinen spärlichen Haushalt in der Person eines kleinen Mädchens einführte. Jemand mußte ebenfalls auf sein Kapital von Schwachheit spekulirt haben; denn dieß arme, kleine, hülflose, verlassene Wesen ward seiner Sorgfalt, wie Tom selbst, von der Wachsamkeit des Gemeindeaufsehers übergeben. Viele gutgemeinte Scherze ergingen von Seite der Witzigeren seiner Nachbarn bei dieser plötzlichen Wendung seines Glücks über den gedeihenden Modehändler, und nicht geringen, böswilligen Hohn erhielt er hinter seinem Rücken, da viele der Kundigen in der Nachbarschaft eine weit stärkere Aehnlichkeit des kleinen Mädchens mit all den andern unverheiratheten Männern der acht oder zehn anstoßenden Straßen als mit dem würdigen Haushälter finden wollten, der zu ihrem Unterhalt ausersehen worden. Ich war sehr geneigt, die Ansicht dieser edlen Beobachter als Autorität in meinem Stammbaum anzunehmen, weil ich dadurch das Dunkel, worin alle alten Geschlechter wurzeln, nm eine Generation früher erreicht haben würde, als wenn ich zugebe, daß die kleine Betsey die Tochter von dem Herrn meines directen männlichen Vorfahren gewesen; aber bei näherem Nachdenken habe ich mich entschlossen, der weniger allgemeinen, aber einfacheren Auslegung der Sache beizustimmen, da sie mit der Vererbung eines nicht kleinen Theils unseres Besitzes zusammenhängt, ein Umstand, der an und für sich schon der Genealogie Würde und Wichtigkeit gibt.
Was aber auch immer die Ansichten des vermeintlichen Vaters in Hinsicht seiner Rechte auf die Ehren dieses edlen Titels gewesen sein mögen, er faßte bald eine so feste Zuneigung zu dem Kinde, als wenn es ihm wirklich sein Dasein verdankte. Das kleine Mädchen ward sorgfältig gewartet, reichlich genährt und gedieh auch demgemäß. Sie hatte ihr drittes Jahr erreicht, als der Modehändler von seiner kleinen Puppe, die sich eben von dieser Krankheit erholte, die Blattern bekam, und nach dem zehnten Tag starb.
Das war ein unvorhergesehener und betäubender Schlag für meinen Vorfahr, der damals in seinem 35. Jahre stand, und Hauptcommis des Geschäfts war, welches mit den wachsenden Thorheiten und Eitelkeiten der Zeit gewachsen war. Bei Eröffnung von seines Herrn Testament fand sich, daß meinem Vater, der allerdings zuletzt bedeutend zur Erwerbung des Geldes mitgewirkt hatte, der Besitz des Geschäfts, die Verfügung über alle Fonds und die alleinige Verwaltung des Vermögens überlassen ward. Ihm ward auch die ausschließliche Vormundschaft über die kleine Betsey anvertraut, der sein Herr gütigst jeden Shilling seines Vermögens vermachte.
Ein gewöhnlicher Leser wird sich vielleicht erstaunen, daß ein Mann, der so lange die Schwachheiten der Menschen ausgebeutet, so viel Zutrauen auf einen bloßen Commis gehabt haben sollte, um seinen ganzen Besitz so vollständig in seiner Hand zu lassen, aber man muß sich erinnern, daß der menschliche Scharfsinn noch kein Mittel ausgefunden, wodurch wir unsere Habe mit in die andere Welt nehmen können, man muß sich erinnern, daß, was nicht zu ändern, ertragen werden muß, daß er notwendigerweise dieses wichtige Vertrauen zu einem seiner Nebenmenschen haben mußte, und daß es besser war, die Verwaltung seines Geldes einem zu überlassen, der das Geheimniß wußte, wie es aufgehäuft worden, und also weniger Antrieb zur Unredlichkeit hatte, als einem, der den Lockungen der Begehrlichkeit ausgesetzt war, ohne Kenntnis von den directen und gesetzlichen Mitteln zu haben, sein Verlangen zu stillen. Man hat daber angenommen, daß der Erblasser, indem er sein Geschäft einem Manne überließ, der so sehr alle dessen Vollkommenheiten, moralische und pekuniäre, zu würdigen wußte, wie mein Vorfahr, in der festen Ueberzeugung stand, er sichre ihn hinlänglich vor aller Versuchung der Sünde des Raubs und Betrugs, indem er ihn so sehr mit den einfachern Mitteln sich zu bereichern versähe. Außerdem muß man auch billiger Weise annehmen, daß die lange Bekanntschaft hinlängliches Vertrauen erzeugt hatte, um die Wirkung jenes Sprüchworts zu schwächen, das ein Witzbold einem Possenreisser in den Mund gelegt hat: »Macht mich zu eurem Testamentsvollstrecker, Vater, und ich kümmere mich nichts darum, wem ihr das Erbe laßt.«
Dem sei, wie ihm wolle, nichts ist sichrer, als daß mein würdiger Vorfahr das ihm Anvertraute mit der gewissenhaftesten Treue eines Mannes ausführte, dessen Rechtschaffenheit in der Moral des Handels streng geschult worden. Die kleine Betsey wurde ihrem Stand gemäß erzogen, und über ihre Gesundheit so sorgfältig gewacht, als wenn sie statt die einzige Tochter eines Modehändlers die einzige Tochter des Fürsten gewesen; ihre Aufführung wurde beaufsichtigt von einer bejahrten Dame, ihr Geist seiner ursprünglichen Reinheit überlassen, ihre Person eifersüchtig gegen die Pläne gieriger Glücksritter geschützt; ja, um die lange Reihe seiner väterlichen Aufmerksamkeiten und Sorgen voll zu machen, trug mein wachsamer und treuer Vorfahr, um allen Zufällen zuvorzukommen und soweit es menschlicher Vorsicht gestattet wäre, allen Wechseln des Lebens entgegenzuarbeiten, Sorge, sie gesetzlich den Tag, wo sie ihr 19. Jahr erreicht hatte, an den Mann zu verheirathen, welchen, wie wir alle Ursache zu glauben haben, er für den untadeligsten seiner Bekannten hielt, – mit andern Worten an sich selbst. Nähere Bestimmungen waren zwischen beiden Theilen unnöthig, da sie so lange mit einander bekannt gewesen, und bei der großen Freigebigkeit von seines frühern Herrn Testament, bei der langen Minderjährigkeit, und dem Eifer des ehemaligen Hauptcommis, war der Ehesegen kaum gesprochen worden, als unsre Familie in den unbestrittenen Besitz von 400,000 Pf. eintrat. Ein in Hinsicht der Religion und Gesetze weniger gewissenhafter Mann würde es nicht für nöthig gehalten haben, der verwaisten Erbin nach Ablauf der Vormundschaft eine so befriedigende Versorgung zu bereiten.
Ich war der fünfte von den Kindern aus dieser Verbindung, und der einzige unter ihnen, der über das erste Jahr hinauskam. Meine arme Mutter überlebte meine Geburt nicht, und so kann ich von ihren Eigenschaften nur nach jener wichtigen Quelle aller Familienarchive, der Überlieferung, reden. Nach allem, was ich gehört, muß sie ein sanftes, ruhiges, häusliches Weib gewesen sein, die durch Charakter und andere Eigenschaften ausgezeichnet, wohl im Stande war, die klugen Plane meines Vaters für ihre Wohlfahrt zu unterstützen. Wenn sie Ursachen zu Klagen hatte (und daß sie deren hatte, müssen wir denken, denn wer ist ohne sie?), wurden sie mit weiblicher Treue verheimlicht und in dem heiligen Schreine ihres eignen Herzens versteckt; und wenn die trügerische Phantasie manchmal ihr dunkel die Umrisse ehelicher Glückseligkeit verschieden von den Umständen entwarf, die in trüber Wirklichkeit ihr vor Augen standen, verweilte sie nur bei dem Gemälde mit einem Seufzer und zog sich zurück in ein Gemach, wozu niemand den Schlüssel berührte als sie selbst und auch sie selten.
Von diesem unterdrückten und wenig auffallenden Gram, (denn manchmal, fürchte ich, kam es zu dieser Stärke des Gefühls,) hatte mein edler und unermüdlicher Vorfahr, so schien es, keine Ahnung. Er fuhr fort in seinen Geschäften mit seiner gewöhnlichen einförmigen Hingebung, und das letzte, was ihm in den Sinn gekommen, wäre der Zweifel gewesen, daß er in seiner Vormundschaft nicht genau seine Pflicht gethan. Wäre es so gewesen, sicher hätte niemand mehr durch sein Unterlassen gelitten als ihr Gemahl, und niemand mehr Recht zur Klage gehabt. Da sich aber ihr Gemahl nie eine solche Beschuldigung auch nur zu machen gedachte, ist es gar nicht zu erstaunen, daß mein Vorfahr in Unwissenheit von seines Weibes Kummer bis zur Stunde seines Todes verblieb.
Es ist schon bemerkt worden, daß die Ansichten des Nachfolgers von dem Modehändler einige wesentliche Veränderungen zwischen den Jahren zehen und vierzig erlitten. Nachdem er sein zwei und zwanzigstes Jahr erreicht, oder mit andern Worten, sobald er für sich selbst sowohl als seinen Herrn Geld zu verdienen begann, hörte er auf »Wilkes und Freiheit!« zu rufen; man vernahm während der ganzen fünf Jahre, die auf seine Volljährigkeit folgten, keine Sylbe von ihm über die Verpflichtungen der Staatsgesellschaft, dem Schwachen und Unglücklichen gegenüber; er berührte die Pflichten des Christen nur leichthin, nachdem er fünfzig Pfd. reich geworden, und über die Thorheiten der Menschen zu spotten, – das wäre niedrige Undankbarkeit von einem Manne gewesen, der so augenscheinlich sein Brod durch sie verdient hatte. Doch waren um diese Zeit seine Bemerkungen über Taxen ganz besonders bitter und wohl angebracht. Er spottete über die Staatsschuld wie über einen Fluch des Staats, und sagte vorbedeutungsvoll, in Folge der Lasten und Beschwerden, die sie stündlich auf die schon überladenen Schultern des Kaufmanns häufe, die Auflösung der Staatsgesellschaft voraus.
Die Zeit seiner Vermählung und Nachfolge in den Kisten und Kasten seines früheren Herrn kann als die zweite Epoche in den Ansichten meines Vorfahren angesehen werden. Von diesem Augenblick an stieg sein Ehrgeiz, seine Ansichten erweiterten sich wie seine Mittel, und seine Betrachtungen über sein großes schwebendes Kapital wurden tiefer und philosophischer. Ein Mann von meines Vaters angebornem Scharfsinn, dessen ganze Seele in Verfolgung des Gewinns vertieft war, der so lange seinen Geist durch den Verkehr mit den Elementen der menschlichen Schwächen gebildet hatte, und schon 400,000 Pf. besaß, mußte natürlich für sich einen erhabneren Weg nach der Größe einschlagen, als der war, auf welchem er so mühsam während der Jahre peinlicher Prüfung gewandert war.
Das Eigenthum meiner Mutter war hauptsächlich in guten Verschreibungen und Pfändern angelegt worden, da ihr Beschützer, Patron, Wohlthäter und vom Gesetz bestellter Vater einen unbesiegbaren Widerwillen dagegen hatte, sich der seelenlosen, conventionellen, unbegränzten Körperschaft, dem Staate zu vertrauen. Das erste Zeichen, das mein Vater von einer Veränderung seiner beabsichtigten Bestrebungen gab, war, daß er alle seine Ausstände einkassirte, und so den Napoleonischen Plan annahm; er concentrirte seine Kräfte in Einen Punkt, um dann mit Massen zn operiren. Um diese Zeit hörte er auch plötzlich auf, über Taxen zu spotten. Diesen Wechsel kann man dem vergleichen, der mit der Sprache ministerieller Blätter vorgeht, wenn sie aufhören einen fremden Staat zu höhnen, mit welchem die Nation Krieg geführt, den man aber endlich für zweckmäßig hält zu beendigen; und es geschah auch fast aus denselben Gründen, da es die Absicht meines listigen Vorfahrs war, eine Macht sich zum Verbündeten umzuschaffen, die er bisher immer als einen Feind behandelt hatte. Das Ganze der 400,000 Pf. wurde freigebig dem Land vertraut, und der frühere Modehändlers Lehrling betrat den Kampfplatz der tugendhaften und patriotischen Börsenspekulation als Bulle, wenn auch mit mehr Vorsicht, doch wenigstens mit einem Theil der Energie und Störrigkeit jenes verzweifelnden Thiers, das dieser Klasse von Abentheurern den Namen gibt. Erfolg krönte seine lobenswerthen Bestrebungen, das Gold strömte auf ihn ein, wie Wasser bei der Fluth, und erhob ihn, Geist und Körper, zu jener neidenswerthen Höhe, wo, wie es scheinen möchte, allein der rechte Anblick von der Gesellschaft in ihren unzähligen Phasen erlangt werden kann. All seine früheren Ansichten vom Leben, welche er, wie alle andre von ähnlicher Herkunft und ähnlichen politischen Gefühlen, in den frühsten Jahren sich gebildet hatte, und welche mit Recht nähere Ansichten genannt werden können, wurden jetzt vollständig durch die höhere und weitre Aussicht, die sich vor ihm aufthat, verdunkelt.
Ich fürchte die Wahrheit wird mich zuzugeben nöthigen, daß mein Vorfahr nie in der gewöhnlichen Bedeutung des Worts wohlthätig war, aber dann behauptete er immer, seine Theilnahme an seinen Mitgeschöpfen sey von einer höheren Art, umfasse in einem Gesammtblick alle Quellen des Guten und Bösen, sei von jener Art Liebe, die den Vater bestimmt, sein Kind zu züchtigen, damit die Lehre des gegenwärtigen Leidens die Wohlthat künftigen Wohlverhaltens und Brauchbarkeit hervorbringe. Nach diesen Grundsätzen verfahrend, entfremdete er sich immer mehr von seinen Mitmenschen, ein Opfer, das wahrscheinlich die Strenge seiner durch die That bewiesenen Mißbilligung ihrer wachsenden Schlechtigkeit und die unnachsichtliche Staatsklugheit erheischte, die nöthig war, um ihr Gewicht zu geben. Um diese Zeit fühlte auch mein Ahnherr recht innig, was man den Werth des Geldes nennt, ein Gefühl, das meiner Meinung nach ihrem Besitzer eine mehr als gewöhnlich lebhafte Würdigung der Gefahren verleiht, denen diese edle Metalle ausgesetzt sind, sowie es ihn ihre Vorrechte und Anwendung ganz besonders kennen lehrt.
Er ließ sich gelegentlich über die Bürgschaften und Garantie’n aus, die man nothwendig der Staats-Gesellschaft ihrer eignen Sicherheit wegen leisten müsse, stimmte nie, selbst nicht für einen Gemeindediener, wenn er nicht ein eifriger, solider Bürger war, und fing nachgerade an auch als Subscribent bei den patriotischen Fonds und den andern ähnlichen kleinen moralischen und pecuniären Stützen der Regierung aufzutreten, deren allgemeiner und lobenswerther Zweck ja sei, unser Land, unsre Altäre und unsern Heerd zu schützen.
Meiner Mutter Sterbebett ist mir als ein rührender, trauervoller Auftritt beschrieben worden. Es scheint, daß in dem Maße, als diese sanfte, eingezogene Frau der Hülle der Sterblichkeit sich entwand, ihr Geist heller, ihre Seelenkräfte stärker und ihr Charakter in jeder Hinsicht höher und gebietender ward. Obgleich sie weit weniger als ihr Gemahl von unserm »Heerd und unsern Altären« gesprochen, sehe ich doch keinen Grund zu zweifeln, daß sie immer ganz ebenso treu dem erstern und ebenso andächtig bei den andern gewesen. Ich werde ihren Übergang von dieser zu einer bessern Welt beschreiben, wie ich es oft von den Lippen eines Mannes vernommen, der zugegen war, und später mich vorzüglich zu dem machte, der ich bin. Dieser Mann war der Pfarrer der Gemeinde, ein frommer Geistliche, ein Gelehrter und ein Mann von Ehre sowohl durch seinen Charakter als durch die Geburt.
Meine Mutter, obgleich seit langem sich bewußt, daß sie sich ihrem letzten großen Tag nähere, hatte standhaft verweigert, ihren Gemahl seinen alles verschlingenden Geschäften zu entziehen, indem sie ihn von ihrer Lage hätte benachrichtigen lassen. Es war ihm bekannt, daß sie krank sei, sehr krank, wie er wohl denken mußte, aber da er ihr nicht nur vergönnte, sondern auch von freien Stücken allen Rath, alle Hilfe ihr zukommen ließ, die Geld verschaffen konnte (mein Vorfahr war kein Geizhals in der gemeinen Bedeutung des Worts), so glaubte er alles gethan zu haben, was ein Mensch in Hinsicht auf Leben und Tod thun könnte, denn solche Fälle, gestand er, stünden nicht unter seiner Kontrolle. Er sah den Dr. Ethrington, den Oberpfarrer, täglich kommen und gehen einen Monat lang, ohne Unruhe, ohne Befürchtung; denn er dachte die Unterredung mit ihm werde einen beruhigenden Einfluß auf meine Mutter ausüben, und er hatte eine große Vorliebe für alles, was ihn ungestört der Beschäftigung überließ, worin sich jetzt alle seine Geisteskräfte so ausschließlich concentrirt hatten. Der Arzt erhielt bei jedem Besuch seine Guinee mit gewissenhafter Pünktlichkeit, die Wärterinnen waren wohl aufgenommen und wohl zufrieden, denn Niemand mischte sich in ihr Geschäft als der Arzt, und alle sonstige ihm obliegende Dienste wurden so regelmäßig von meinem Vorfahren erfüllt, als wenn das hinwelkende ergebene Wesen, von dem er bald für immer getrennt werden sollte, die freie Wahl seiner jugendlich frischen Zuneigung gewesen.
Als daher ein Diener hereintrat, um zu melden, Dr. Ethrington wünsche eine geheime Unterredung, war mein würdiger Vorfahr, der sich keiner Vernachlässigung irgend einer dem Freund der Kirche und des Staats zukommenden Pflicht bewußt fühlte, nicht wenig betroffen.
»Ich komme, Herr Goldenkalb, mit einer traurigen Botschaft«, sagte der fromme Oberpfarrer, indem er in das geheime Kabinet trat, wozu auf sein Verlangen er zum ersten Mal zugelassen worden.«Das schreckliche Geheimniß kann Ihnen nicht länger vorenthalten werden, und Ihre Frau gibt endlich ihre Einwilligung, daß es Ihnen durch mich offenbart werden soll.«
Der Pfarrer hielt ein, denn bei solchen Gelegenheiten ist es vielleicht nicht übel, wenn man den Theil, der erschüttert werden soll, etwas von dem Schlag durch sein eignes Errathen aufnehmen läßt: und ziemlich geschäftig soll auch bei dieser peinlichen Gelegenheit die Einbildungskraft meines Vaters gewesen sein. Er ward blaß, öffnete seine Augen, bis sie wieder gänzlich die Höhlen füllten, in die sie allmählig seit zwanzig Jahren eingesunken, und that mit ihnen hundert Fragen, die seine Zunge sich zu thun weigerte.
»Es ist nicht möglich, Herr Pfarrer«, sagte er endlich kläglich,«daß ein Weib wie Betsey, einen Blick in die, mit der letzten großen geheimen Reise verbundenen Vorfälle sollte gethan haben, die meiner Sorge und Erfahrung entgangen sind.»
«Ich fürchte, Sir, Madame Goldenkalb hat Blicke in jene letzte große geheime Reise gethan, zu der wir uns alle früher oder später einschiffen müssen, die aber gänzlich ihrer Wachsamkeit entgangen sind. Aber davon will ich ein ander Mal sprechen. Jetzt ist es meine peinliche Pflicht, Sie zu benachrichtigen, daß der Arzt der Meinung ist, Ihre vortreffliche Frau werde nicht das Ende des Tags, vielleicht nicht dieser Stunde erleben.«
Mein Vater ward von dieser Botschaft betroffen, und länger als eine Minute blieb er schweigend und ohne Regung. Er warf seine Augen auf die Papiere, mit welchen er so eben beschäftigt gewesen, und die einige sehr wichtige mit dem nächsten Abschlußtag zusammenhängende Berechnungen enthielten, und begann alsdann endlich: »Wem dem wirklich so ist, Herr Pfarrer, wird es gut sein, mich zu ihr zu begeben, da in ihrer Lage die arme Frau mir in der That etwas von Wichtigkeit mitzutheilen haben kann.« – »Zu dem Zweck bin ich jetzt gekommen, Ihnen die Wahrheit zu sagen«, antwortete ruhig der Geistliche, der wohl wußte, daß durch Bestreitung seiner ihn ganz beherrschenden Schwachheit mit einem solchen Mann in einem solchen Augenblick nichts zu gewinnen war. Mein Vater nickte mit dem Kopf Beistimmung, und nachdem er erst sorgsam die offenen Papiere in einem Sekretär verschlossen, folgte er seinem Gefährten zum Bette seines sterbenden Weibes.
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Obgleich mein Vorfahr viel zu weise war, um nicht manchmal in weltlicher Rücksicht auf seinen Ursprung zurückzuschauen, so warf er doch diese Rückblicke nie so weit, daß sie das hohe Geheimniß seines moralischen Zustandes hätten erreichen können, und während seine Gedanken, wie man hätte sagen mögen, immer auf der Jagd waren, Blicke in die Zukunft zu thun, waren sie doch viel zu irdisch, um sich über einen andern Abrechnungstag zu verbreiten, als den, der durch die Stockbörse regulirt ward. Bei ihm war geboren worden, nur der Anfang einer Speculation und sterben das Abschließen der allgemeinen Bilanz zwischen Gewinn und Verlust. Ein Mann also, der so selten über die wichtigen Wechsel des Lebens nachgedacht hatte, war um so weniger vorbereitet, auf die sichtliche Erhabenheit des Sterbebettes zu blicken. Obgleich er nie meine Mutter wahrhaft geliebt hatte, denn Liebe war ein viel zu reines und erhabenes Gefühl für einen Mann, dessen Einbildung gewöhnlich über den Schönheiten des Rentenbuchs verweilte, war er doch immer gütig gegen sie gewesen, und zuletzt war er selbst, wie schon gesagt, sogar ziemlich geneigt, zu ihren zeitlichen Bequemlichkeiten soviel beizutragen, als nur immer mit seinen Bestrebungen und Gewohnheiten verträglich war. Andrerseits verlangte das ruhige Gemüth meiner Mutter eine mehr erregende Ursache, als dieß bei der Zuneiguug ihres Mannes der Fall war, um diese Keime tiefer, ruhiger, weiblicher Liebe zu beleben, die gewiß in ihrem Herzen versteckt waren, wie der Saame, den des Winters unerfreuliche Kälte drückt. Das letzte Zusammentreffen eines solchen Paars konnte nicht wohl von heftigen Ergüssen des Schmerzes begleitet sein. Doch war mein Vorfahr tief von den körperlichen Veränderungen im Aeußern seiner Frau betroffen. »Du bist sehr mager geworden, Betsey« sagte er, und nahm nach einer langen feierlichen Pause ihre Hand; »vielmehr als ich geglaubt hatte, oder hätte denken können. Gibt die Wärterin Dir stärkende Suppe und Nahrung?« Meine Mutter lächelte das geisterhafte Lächeln des Todes, aber wieß bei dieser Aeußerung voll Ueberdruß mit der Hand zurück. »Dieß all ist jetzt zu spät«, antwortete sie, und sprach mit einer Deutlichkeit und Stärke, wozu sie lange ihre Kraft zurückgehalten. »Nahrung und Kleidung stehen nicht ferner unter meinen Bedürfnissen.«
»Gut, gut Betsey, fehlt es einem weder an Nahrung noch Kleidung, so kann man doch gerade nicht in großer Noth sein, und ich freue mich, daß es dir in soweit wohl ergeht. Doch sagt mir Dr. Ethrington, körperlich stehe es nicht so gut, und ich bin ganz besonders hierher gekommen, um zu sehen, ob ich etwas anordnen kann, was beitragen mag, deine Lage leichter zu machen.«
»Das kannst du, mein Gemahl; meine Bedürfnisse für dieses Leben sind fast vorüber, eine kurze Stunde oder zwei werden mich über diese Welt hinausbringen, über ihre Sorgen, ihre Eitelkeiten, ihre – –« Meine arme Mutter gedachte wahrscheinlich hinzuzufügen, ihre Herzlosigkeit oder ihren Eigennutz; aber sie strafte sich und machte eine Pause. »Durch die Gnade unsres gebenedeiten Erlösers und die gütige Bemühung dieses vortrefflichen Mannes,« begann sie wieder und warf ihr Auge erst nach oben voll heiliger Ehrfurcht, und dann nach dem Geistlichen mit ruhiger Dankbarkeit, »verlasse ich dich ohne Beängstigung und wäre eins nicht, auch ohne Sorge.«
»Und was macht dich so besonders besorgt, Betsey?« fragte mein Vater, und schneuzte sich, sprach aber mit ungewöhnlicher Zärtlichkeit; »wenn es in meiner Macht steht, dein Herz darüber oder über sonst etwas zu beruhigen, nenne es, und ich will Befehle geben, es sogleich auszuführen. Du bist ein gutes frommes Weib gewesen, und kannst dir wenig vorzuwerfen haben.«
Meine Mutter sah ernst und nachdenkend auf ihren Gemahl. Nie vorher hatte er so große Theilnahme an ihrem Glück gezeigt; und wäre es, ach! nicht zu spät gewesen, dieses Aufglimmen von Güte hätte die eheliche Fackel zu einer glänzenderen Flamme anfachen mögen, als sie je früher geglüht hatte.
»Mein Gemahl, wir haben einen einzigen Sohn –«
»Ja, Betsey, und es wird dich erfreuen zu vernehmen, daß der Arzt glaubt, der Junge möge eher am Leben bleiben, als einer seiner armen Brüder und Schwestern.«
Ich kann mir die heilige, geheimnißvolle Urquelle der Mutterliebe nicht erklären, die bewirkte, daß meine Mutter die Hände faltete, ihre Augen zum Himmel erhob und während ein Freudestrahl über die gebrochenen Augen und welken Wangen glitt, Gott für das theure Pfand ihren Dank stammelte. Sie selbst eilte schon weg zum ewigen Glück derer, die reinen Herzens sind, der Erlösten, und ihre Phantasie, ruhig und einfach, hatte ihr schon Bilder vorgezaubert, worin sie und ihre Abgeschiednen vor dem Throne des Höchsten standen, seinen Ruhm sangen und unter den Sternen glänzten,– und doch freute sie sich jetzt, daß das letzte und geliebteste von all ihrer Nachkommenschaft ausgesetzt seyn sollte all den Uebeln und Lastern, – ja all dem Greuel eines Zustandes, den sie selbst so gerne verließ.
»Von unserm Knaben möcht’ ich jetzt sprechen,« begann meine Mutter wieder, als ihr Gebet geendet; »das Kind wird Belehrung und Sorgfalt nöthig haben, kurz, Vater und Mutter brauchen.«
»Betsey, du vergißt, daß er immer noch den erstern haben wird.«
»Du bist zu sehr in deine Geschäfte vertieft und außerdem nicht geeignet, ein Kind zu erziehen, das zum Unglück und zur Verführung großer Reichthümer geboren ward.«
Mein herrlicher Ahn sah auf, als dächte er, seine sterbende Gefährtin habe in Wahrheit für immer von ihrer Besinnung Abschied genommen.
»Es gibt öffentliche Schulen, Betsey, ich verspreche dir, das Kind soll nicht vergessen werden, ich will ihn wohl unterrichten lassen, sollte es mich Tausende jährlich kosten.«
Sein Weib, streckte die Hand nach der Seinigen aus, und drückte mit der abgemagerten so hart, als eine sterbende Mutter konnte; für einen schnellen Augenblick schien sie selbst von ihrer letzten Sorge befreit zu sein. Aber ihre Kenntniß von ihres Mannes Charakter, die sie durch dreißigjährige harte Erfahrung gewonnen, konnte durch die Dankbarkeit eines Augenblicks nicht umgestoßen werden.
»Ich wünsche«, begann sie wieder ängstlich, »dein feierliches Versprechen zu erhalten, die Erziehung unseres Knaben dem Herrn Etherington zu übertragen, du kennst seinen Werth und mußt volles Vertrauen in ihn haben.«
»Nichts würde mir größre Freude machen, meine liebe Betsey, und wenn Herr Etherington ihn aufnehmen will, will ich Jack noch diesen Abend in sein Haus schicken, denn die Wahrheit zu sagen, ich bin nur wenig dazu geschaffen, die Aufsicht über ein Kind unter einem Jahr zu übernehmen. Ein Hundert des Jahrs mehr oder weniger soll einen so guten Handel nicht zerschlagen.«
Der Geistliche war ein Mann von Ehre und sah ernst bei dieser Rede; jedoch als er den ängstlichen Augen meiner Mutter begegnete, verloren seine ihren Unwillen in einem Blick von Ruhe und Mitleid.
»Der Lohn für seine Erziehung wird sich leicht bestimmen,« fügte meine Mutter hinzu, »aber der Doctor hat nur ungern die Verantwortlichkeit wegen meines armen Jungens übernommen, und zwar nur unter zwei Bedingungen.«
Der Papierspeculant bat mit den Augen um Aufschluß.
»Die eine ist, daß das Kind von seinem vierten Jahr an allein seiner Sorge überlassen werden soll, und die andere, daß du ein Vermächtniß machst zur Unterhaltung zweier armen Schüler an einer der Hauptschulen.«
Als meine Mutter die letzten Worte herausgebracht, fiel sie zurück auf ihr Kissen, von wo ihre Theilnahme an dem Gegenstand sie vermochte, ihr Haupt ein wenig aufzurichten; sie rang leise nach Athem in der Ueberfülle ihrer Angst die Antwort zu vernehmen. Mein Vorfahr zog die Stirne zusammen, wie einer, der einsah, es sei eine Sache, die Nachdenken forderte.
»Du weißt vielleicht nicht, Betsey, daß dergleichen Stiftungen viel Geld wegnehmen, viel Geld, und oft unnützer Weise.«
»Zehn Tausend Pfund ist die Summe, über die Madame und ich übereingekommen,« bemerkte fest der Geistliche, der nach meiner Vermuthung gehofft hatte, seine Bedingung werde zurückgewiesen werden, da er mehr den dringenden Bitten eines sterbenden Weibes als seiner eignen Ansicht von dem, was wünschenswerth oder nützlich sein möchte, gefolgt war.
»Zehen Tausend Pfund!«
Meine Mutter konnte nicht sprechen, doch gelang ihr ein bittendes Zeichen der Bejahung.
»Zehen Tausend Pfund ist viel Geld, meine liebe Betsey, viel, sehr viel.«
Meine Mutter wechselte die Farbe zur Blässe des Todes und nach ibrem Athmen zu urtheilen, schien sie in den letzten Zügen.
»Nun, nun, Betsey,« sagte mein Vater ein wenig hastig, denn er ward erschreckt bei ihrem blassen Antlitz und großer Betrübniß; »mag es so sein, das Geld, – ja, ja, es soll bezahlt werden, wie Du wünschest; nun gib Dein treues Herz zur Ruhe.«
Diese Spannung des Gefühls war zu stark für die Schwäche meiner Mutter, die eine Stunde zuvor kaum, so schien es, hätte sprechen können. Sie reckte ihre Hand nach ihrem Gemahl aus, lächelte freundlich in sein Gesicht, und lispelte das Wort Dank; dann, da ihr Körper alle Kräfte verlor, sank sie in den letzten Schlaf, so ruhig, wie das Kind sein Haupt neigt auf dem Busen der Amme. Dieß war, bei allem dem, ein plötzlicher und gewissermaßen unerwarteter Tod; alle Anwesenden waren von Ehrfurcht erfüllt. Mein Vater staunte für eine ganze Minute auf die ruhigen Züge seines Weibes und verließ schweigend das Zimmer. Ihm folgte Dr. Etherington, welcher ihn zu seinem geheimen Kabinette begleitete, wo sie diesen Abend zum ersten Mal zusammengekommen, und keiner sprach eine Sylbe, bis sie sich gesetzt.
»Sie war eine gute Frau, Dr. Etherington,« sagte der Verwittwete, und schüttelte voll Bewegung sein Knie.
»Sie war eine gute Frau, Herr Goldenkalb.«
»Und ein gutes Weib.«
»Ich habe sie immer für ein gutes Weib gehalten, Sir.«
»Treu, gehorsam und sparsam.«
»Drei Eigenschaften, die von großem praktischen Nutzen in den Geschäften dieser Welt sind.«
«Ich werde nie wieder heirathen, Sir.«
Der Geistliche machte eine Verbeugung.
»Nein, ich könnte nie so eine zweite finden.«
Wieder verbeugte der Geistliche sein Haupt, jedoch, war die Beistimmung von einem leichten Lächeln begleitet.
»Nun sie hat mir einen Erben gelassen.«
»Und etwas mitgebracht, was er erben könnte,« bemerkte der Doctor trocken.
Mein Ahn blickte forschend zu seinem Gefährten auf, aber offenbar war viel von seinem Sarkasmus weggeworfen.
»Ich übergebe dem letzten Verlangen meiner geliebten Betsey gemäß das Kind Eurer Sorgfalt, Doctor Etherington.«
«Ich nehme den Auftrag an, Herr Goldenkalb, nach dem der Verstorbenen gegebenen Versprechen, aber ihr werdet Euch erinnern, daß eine Bedingung an dieß Versprechen geknüpft war, welche getreu und schnell erfüllt werden muß.«
Mein Vorfahr war zu sehr an Beobachtung der Verbindlichkeiten des Handels gewöhnt, dessen Gesetzbuch nur für gewisse Fälle Betrügereien zuläßt, die indeß in seinen allgemein angenommenen Regeln der Ehre gehörig bestimmt sind. Es ist eine Art besondrer Moral, mehr auf Convenienz unter seinen Bekennern gegründet, als auf die allgemeinen Rechtssätze. Er achtete den Buchstaben des Versprechens, während es ihm in seiner Seele verlangte, den eigentlichen Sinn desselben zu vermeiden; und seine List suchte schon emsig nach den Mitteln, was er so sehr wünschte; zu vollbringen.
»Ich leistete freilich der armen Betsey ein Versprechen,« antwortete er sinnend, »und es war sogar ein Versprechen unter sehr feierlichen Umständen.«
»Versprechen an Sterbende sind doppelt bindend, da durch ihr Abscheiden in die Welt der Geister sie die Erfüllung derselben, so zu sagen, der ausschließlichen Oberaufsicht des Wesens überlassen, das nicht lügen kann.«
Mein Vorfahr seufzte; sein ganzes Wesen erzitterte und sein Vorsatz wurde erschüttert.
»Doch ließ Euch die arme Betsey als ihren Stellvertreter in diesem Fall,« bemerkte er nach einem Zögern von mehr als einer Minute, und warf seine Augen forschend auf den Geistlichen.
»Gewisser Maßen, freilich, Herr.«
»Und ein Stellvertreter mit voller Macht ist gesetzlich wie ein Eigenthümer, nur unter einem andern Namen; ich denke die Sache kann zu unsrer gegenseitigen Zufriedenheit abgemacht, und die Absicht der armen Betsey dennoch vollkommen erreicht werden. Sie, das arme Weib, verstand wenig von Geschäften, wie es auch für ihr Geschlecht am besten war; und wenn Weiber Sachen von Wichtigkeit unternehmen, machen sie gewöhnlich seltsame Arbeit.«
»Wird nur die Absicht der Verstorbenen vollständig erfüllt, so werdet Ihr mich nicht begehrlich finden.«
»Ich dacht’ es auch; ich wußte, zwischen zwei verständigen Leuten könne keine Schwierigkeit sich zeigen, wenn sie, so etwas in Ordnung zu bringen, mit ehrlichen Absichten zusammenkommen. Die Absicht der armen Betsey war, ihr Kind unter Eure Obhut zu bringen, in der Erwartung (und ich lasse ihr hierin alle Gerechtigkeit widerfahren), der Knabe werde von Euren Kenntnissen mehr Nutzen ziehen, als möglicher Weise von meinen.«
Dr. Etherington war zu ehrlich, diesen Vordersätzen zu widersprechen, und zu höflich, sie ohne eine Verbeugung der Anerkennung anzunehmen.
»Da wir, mein lieber Herr, in Hinsicht der Präliminarien ganz einstimmig sind,« fuhr mein Vorfahr fort, »wollen wir ein wenig mehr ins Einzelne gehen. Es scheint mir nicht mehr als billig, daß, wer die Arbeit thut, auch den Lohn empfange; in diesem Grundsatz bin ich erzogen worden; darin möchte ich meinen Sohn erzogen haben, und nach ihm hoffe ich immer zu verfahren.«
Eine zweite Verbeugung bezeugte die schweigende Beistimmung des Geistlichen.
»Nun, die arme Betsey, – der Himmel segne sie, sie war eine sanfte, ruhige Lebensgefährtin, und verdient reichlich dafür belohnt zu werden in einem künftigen Zustand; aber die arme Betsey hatte wenig Kenntniß von Geschäften; sie bildete sich ein, wenn sie 10,000 Pfund für milde Zwecke vermache, handle sie recht, während sie in der That eine Ungerechtigkeit beging. Wenn Ihr die Mühe und Sorge der Erziehung des kleinen Jack übernehmt, wer anders als Ihr sollte die Belohnung erhalten?«
»Ich erwarte, Herr Goldenkalb, daß Ihr die Mittel zur Unterhaltung des Kindes herbeischaffet.«
«Davon ist nicht nöthig zu sprechen, Sir,« unterbrach ihn mein Vorfahr schnell und stolz; »ich bin ein vorsichtiger und ein kluger Mann, ein Mann, der den Werth des Geldes kennt, glaub ich, aber kein Geizhals, mein eigen Fleisch und Blut verkümmern zu lassen. Jack soll nie an etwas Mangel leiden, so lange es in meiner Macht steht, es herbeizuschaffen. Ich bin lange nicht so reich, als die Nachbarn annehmen, Herr, aber dann bin ich auch kein Bettler. Ich darf sagen, wenn all meine Ausstände gehörig berechnet werden, ich 100,000 Pfund besitze.«
«Man sagt, Ihr hättet eine weit größere Summe mit der verstorbenen Mad. Goldenkalb erhalten,« bemerkte der Geistliche nicht ohne Tadel in seiner Stimme.
«Ach, mein Herr, ich brauch’ Euch nicht zu sagen, was allgemeine Gerüchte sind, aber ich will meinen eignen Credit nicht untergraben. Sprechen wir von etwas anderm. Ich wollte nur gerecht sein, Herr Pfarrer. Die arme Betsey verlangte, zehen tausend Pfund sollten zu einem Stipendium oder für zwei Studirende verwandt werden; nun, was haben diese Studierende für mich und die meinigen gethan, oder was werden sie noch thun? Anders ist es mit Euch, Ihr werdet Mühe haben, viel Mühe, ich zweifle nicht daran; und Euch gebührt eine hinlängliche Belohnung. Ich wollte Euch daher vorschlagen, meine Unterschrift auf drei – vier – oder auch fünf tausend Pfund anzunehmen,« fuhr mein Vorfahr fort und stieg mit dem Gebot, je mehr er den Unwillen auf des Geistlichen Stirn sich erhöhen sah. »Ja, Herr, ich will die letzte Summe annehmen, die wohl nicht zu viel für Eure Mühe und Sorge ist, und wir wollen den kindischen Plan der armen Betsey mit den zwei Stipendien und der Stiftung vergessen. Fünf tausend Pfund, Topp, Doktor, für Euch, und die Stiftung sei für immer vergessen.«
Als mein Vater seinen Vorschlag so bestimmt ausgesprochen, wartete er auf den Erfolg mit dem Vertrauen eines Mannes, der lange mit der Begehrlichkeit der Menschen umgegangen. Ihm etwas ganz Neues, schlug seine Berechnung fehl. Das Gesicht des Doktor Etherington erröthete, ward blaß und nahm zuletzt den Ausdruck des bemitleidenden Tadels an. Er stand auf und schritt mehrere Augenblicke schweigend im Zimmer auf und ab; indeß glaubte der andre, er überlege bei sich die Möglichkeit, ein höheres Gebot für seine Zustimmung zn erhalten, als er plötzlich stille stand, und meinen Vorfahren in einem milden aber festen Ton anredete.
»Ich halte es für meine Pflicht, Herr Goldenkalb,« sagte er, »Euch vor dem Abgrund zu warnen, über dem ihr hängt. Die Liebe zum Geld, welches die Wurzel alles Uebels ist, welches Judas vermochte selbst seinen Erlöser und Gott zu verrathen, hat tiefe Wurzel in Eurem Herzen gefaßt. Ihr seid nicht mehr jung, und obwohl noch stolz in Eurer Stärke und Glückseligkeit, näher dem großen Rechnungstag, als Ihr vielleicht selbst glauben mögt. Es ist noch keine Stunde, seit Ihr Zeuge von dem Abscheiden einer reuigen Seele wart, um vor ihren Gott zu treten; seit Ihr die sterbende Bitte von ihren Lippen hörtet und in solcher Umgebung, bei solch einem Auftritt das Versprechen gabt, ihre Wünsche zu ehren, und jetzt, unter der Herrschaft des verfluchten Geistes des Gewinnes wolltet Ihr mit diesen heiligsten Verpflichtungen Euer Spiel treiben, um ein wenig werthloses Gold mehr in der Hand zu behalten, die schon voll ist bis zum Ueberfließen? Denkt Euch, der reine Geist Eures vertrauenden einfachen Weibes wäre zugegen bei dieser Unterredung, denkt ihn Euch trauernd über Eure Schwäche und gebrochene Treue; – ja ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, denn es ist kein Grund vorhanden zu glauben, die seligen Geister dürften nicht über uns wachen und trauern, bis wir erlößt sind von dieser Masse von Sünde und Verworfenheit, worin wir wohnen, und dann bedenkt, welches ihr Kummer sein muß, wenn sie ihr scheidendes Verlangen so bald vergessen sieht, wenn sie bemerkt, wie nutzlos das Beispiel ihres heiligen Endes gewesen, wie eingewurzelt und fürchterlich Eure eignen Schwachheiten sind!« Mein Vater war mehr von der Art als von den Worten des Geistlichen zerknirscht; er fuhr mit der Hand über die Stirne, als wolle er den Anblick von seines Weibes Geist da auswischen, er wandte sich um, zog sein Schreibzeug herbei, schrieb einen Wechsel auf zehen tausend Pfund und händigte ihn dem Geistlichen mit der demüthigen Weise eines gestraften Knaben ein.
»Jack steht zu Eurer Verfügung, mein lieber Herr,« sagte er, als das Papier eingehändigt war, »sobald Ihr nach ihm schicken wollt.«
Sie gingen schweigend weg, der Geistliche zu unzufrieden, und mein Vorfahr zu betrübt, um ceremonielle Worte zu machen.
Als mein Vater sich allein befand, blickte er erst verstohlen in der Stube herum, um sich zu versichern, daß der strafende Geist seines Weibes nicht etwa eine weniger in Frage zustellende Gestalt, als die der Luft angenommen, und dachte dann wenigstens eine Stunde lang über alle die Hauptvorfallenheiten des Abends voll Schmerz nach. Man sagt, Beschäftigung sei ein sicherer Trost im Kummer, und so zeigte es sich jetzt; denn glücklicher Weise hatte mein Vater grade an jenem Tag seine Privatrechnung über die ganze Summe seines Vermögens abgeschlossen. So machte er sich denn an die angenehme Arbeit, zog ganz einfach den Betrag des ebenausgestellten Wechsels davon ab, und da er fand, daß er noch über 782311 Pf. verschiedene Schilling und selbst Pence gebiete, ergab sich für ihn ein sehr natürlicher Trost für die Größe der eben weggegebenen Summe durch die Vergleichung mit dem, was ihm noch blieb.
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Doktor Etherington war beides, ein frommer Mann und ein Mann von Geburt. Als der zweite Sohn eines Baronet alter Herkunft war er so ziemlich in den Ansichten seiner Caste erzogen worden und wahrscheinlich nicht ganz über deren Vorurtheile hinaus; aber dieß zugegeben, hielten wenige Geistliche mehr auf die Moral und den Grund der Bibel als er. Seine Demuth nahm daher eine gebührende Rücksicht auf den Stand; sein Christenthum wurde verständig von den Glaubensartikeln geleitet, uud seine Menschenliebe war von jenem unterscheidenden Charakter, wie sie einem warmen Vertheidiger von Kirche und Staat zukam.
Bei Annahme des vertrauten Pfandes, das ihm jetzt geworden, hatte er nur dem wohlwollenden Wunsche nachgegeben, das Sterbekissen meiner Mutter leicht zu machen. Mit dem Charakter ihres Gemahls bekannt, hatte er eine Art frommen Betrugs angewandt, indem er die Bedingung der Stiftung an seine Einwilligung knüpfte; denn trotz der angemessenen Sprache seiner Strafrede, des Versprechens und aller andern kleineren begleitenden Umstände dieses Abends hätte man noch fragen können, wer am meisten erstaunt war, nachdem der Wechsel eingehändigt und gehörig honorirt worden, er, der sich im Besitz der 10,000 Pf. Sterling befand, oder er, der sie verloren hatte. Immer verfuhr Dr. Etherington mit der gewissenhaftesten Rechtlichkeit in der ganzen Sache; und obgleich ich weiß, daß ein Schriftsteller, der so viele Wunder zu erzählen hat, als nothwendiger Weise die folgenden Seiten dieses Manuskripts zieren müssen, eine wohlbewachte Sparsamkeit beobachten sollte, wenn er den Glauben seiner Leser in Anspruch nimmt, so nöthiqt mich dennoch die Wahrheit, hinzuzufügen, daß jeder Heller von dem Geld nur im Hinblick auf die Wünsche der sterbenden Christin verwandt ward, die vermittelst der Vorsehung das Werkzeug gewesen, den Armen und Ungelehrten solche Reichtümer zuzuwenden. Ueber die Weise, wie die Wohlthat endlich benutzt ward, werd’ ich nichts weiter sagen, da keine Untersuchung meinerseits mich jemals in den Stand gesetzt hat, solche Nachweise zu erhalten, als mich zu einiger Glaubwürdigkeit berechtigen würden.
Was mich betrifft, so hab’ ich wenig mehr über die Begebenheiten der folgenden zwanzig Jahre hinzuzufügen. Ich ward getauft, gesäugt, bekam Hosen, wurde geschult, reiten gelernt, konfirmirt, auf die Universität geschickt und zum Doctor gemacht, ganz wie dieß bei allen Herrn der Hochkirche in den vereinigten Königreichen Großbritannien und Irland der Fall ist. Während dieser wichtigen Jahre unterzog sich Dr. Etherington seiner Pflicht, welche er, nach den vorherrschenden Gefühlen der Menschheit zu urtheilen (die seltsam genug uns im allgemeinen nicht geneigt macht, von andrer Leute Geschäften uns belästigt zu sehen), ziemlich beschwerlich gefunden haben muß; er unterzog sich ihr ganz auf die Art, wie meine gute Mutter nur ein Recht zu erwarten hatte. Der größte Theil meiner Ferien ward in seiner Pfarrwohnung zugebracht; denn er hatte geheiratet, war dann Vater, dann Wittwer geworden, und hatte seine Stadtpfarrei mit einer auf dem Lande vertauscht, alles dieß in der Zeit von dem Tod meiner Mutter an bis zu meinem Abgange nach Eton; und auch nachdem ich Oxford verlassen, brachte ich weit mehr von meiner Zeit unter seinem freundlichen Dach als unter dem meines Vaters zu. In der That, ich sah den letztern wenig.