Die Nacht des heiligen Markus - Helle Stangerup - E-Book

Die Nacht des heiligen Markus E-Book

Helle Stangerup

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Beschreibung

Ein bewegendes Frauenschicksal im Dänemark der Reformationszeit: In einer alten Burg im Dänemark des 16. Jahrhunderts. Es ist der Nacht des 26. April, der Nacht des heiligen Markus. Ein Explosion: Ides Experiment, mit dem sie Gold herstellen wollte, ist fehlgeschlagen - und gleichzeitig setzen die Wehen der Hochschwangeren ein. So beginnt Mettes Leben...So liegen die Schatten des Aberglaubens von Anfang an auf dem Ungeborenen. Das Mädchen Mette verfügt über unheimliche seherische Gaben. Sie kann Tod, Geburt, Krankheit und Leben vorhersagen. Ihrem Zauber kann sich auch der adelige Staatsmann Peder Ixe nicht entziehen. Aber ihre Mutter ist auch selbst an Peder interessiert, und sie verheiratet ihre Tochter mit einem anderen. Erst Jahre später, früh verwitwet und Mutter von zwei Kindern, trifft Mette den Mann wieder, den sie nie vergessen konnte ... AUTORENPORTRÄTHelle Stangerup wurde 1939 in Frederiksberg geboren. Sie wuchs in Dänemark, England sowie in England auf. Sie ist Juristin, und sie stammt aus einer Schriftstellerfamilie. Sie debütierte 1967 mit einem Kriminalroman, dem sechs weitere folgten. Der Durchbruch gelang ihr 1985 mit dem historischen Roman 'Prinzessin Christine', der zum bestverkauften dänischen Roman der 80er Jahre wurde und in mehrere Sprachen vorliegt. Helle Stangerup wurde 1986 zur Dänischen Schriftstellerin des Jahres gewählt und sie wurde auch mit dem Goldenen Lorbeer ausgezeichnet. -

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Hel­le Stange­rup

Die Nacht des heiligen Markus

 

 

Saga

1. Kapitel

Ide Munk gebar ihr Kind bei einer Explosion. In dem Augenblick, als die Hebamme Kopf und Schultern des Neugeborenen faßte und daran zog, ertönte der Knall. Die Mauern bebten, Scheiben zersprangen, und die Nordwand bekam einen Riß von oben bis unten. Putz und Kalk rieselten auf das Himmelbett und die Wäschetruhe, über die Frauen und Dienstmädchen, und der Kalenderstab fiel vom Tisch und kullerte zum Funkenregen des Kamins.

Die Hebamme blieb vorgebeugt am Gebärstuhl stehen, das Kind zwischen den Händen, und drehte langsam den Kopf nach oben. Die Augen sahen aus wie graue Knöpfe auf das flache Gesicht genäht und starrten Ide voller Entsetzen an.

Dann ließ sie das Kind los. Sie ließ es fallen wie ein Stück heißes Eisen. Ein kurzer Schrei entfuhr dem zahnlückigen Gebiß. Die schaufelähnlichen, großen blutigen Hände griffen nach den Rökken, und sie rannte los.

Die andern folgten ihr. Sie purzelten übereinander, stießen an der Tür wie ein Stoffballen zusammen und kämpften sich frei. Die Schritte huschten wie Ratten in panischer Flucht die Wendeltreppe hinunter, und Ide saß allein da.

Ihr Kleid war bis zum Bauch hochgezogen. Sie stellte die Füße zu beiden Seiten des stummen, bewegungslosen Kindes fest auf den Boden. Vom unteren Stockwerk vermischte sich das Kreischen der Frauen mit dem Brüllen der Männer, und das Geräusch neuer Schritte folgte. Es kam von draußen. Der ganze Schwarm lief über den Hofplatz und die Zugbrücke. Es ertönte ein Klappern. Das war sicher Ane. Sie war zwölf Jahre alt, erst eine Woche im Dienst und hatte noch nicht gemerkt, daß die östlichste Brückenplanke lose war, was sonst jeder vom Gesinde wußte.

Ide wunderte sich. Sie verstand ihre Verwunderung nicht. Sie hätte von Schrecken erfüllt sein müssen. Nur das Kind des Satans persönlich konnte auf diese Weise geboren werden.

Zwischen jeder Wehe hatte sie gefleht: »Mutter Maria, leihe mir deine Schlüssel, damit ich meine Lenden öffnen kann«, und alles auf dem Hof war eilends gelöst worden. Die Gurte der Pferde und die Halsbänder der Hunde, die Kette über dem Kessel und die Fäden in ihrem Webstück. Jeder Knoten war aufgeknüpft und jeder Pflock in Haus, Stall, Scheune und Pferch um der Bitte willen herausgezogen worden. An die Allerseligste Jungfrau um Hilfe gegen Schmerz und Tod. Und das für ein Kind des Teufels.

Wieder diese merkwürdige Verwunderung. Der Teufel herrschte über alle Dämonen und die Flammen der Hölle und marterte die Seelen der Verdammten. Der Teufel war Herr über alles Böse, über Hexerei und Schwarze Magie. Doch seine eigene Brut ließ er in einer beliebigen Aprilnacht wie einen nassen Lumpen auf dem Boden in einem beliebigen Hof in Seeland liegen.

Ides Körper war schwer, und die Brüste spannten. Nur die Gedanken flogen so leicht dahin wie die weißen Flocken des Löwenzahns im Sommerwind.

Sie war eine Sünderin. Wenn auch keine große. Jedenfalls keine zu große Sünderin. Nicht so schwarz wie Maria weiß. Sie hatte ihrer Schwester Kirschen gestohlen. Sie hatte sich durch angebliches Kranksein vor vielen Stickstunden gedrückt und insgeheim ihren Onkel verabscheut, den Bischof von Ribe, der ihr nicht die Hostie vor dem Hochaltar auf die Zunge legen konnte, ohne seine dicken Finger wie heimtückische Nattern um ihren Hals zu legen.

Drei Kinder hatte er nach dem Ablegen des heiligen Gelübdes gezeugt, zwei sogar mit einer Dame adeliger Herkunft. Aber ein Bischof war ein Bischof und Hassen eine Sünde.

Die Kälte von den zerborstenen Fenstern strömte wie in Spiralen um ihre Beine, während Ide grübelte, warum sie vom Bösen persönlich ausgewählt worden war. Sie tat es nüchtern und ruhig, so wie sie oft nach dem Grund gesucht hatte, warum Gott der Allmächtige vom Nachtfrost im Mai alle Blüten auf den Zweigen verzehren ließ und damit im September die süßen Früchte des Herbstes vernichtete.

Ides Eltern waren fromme Leute. Die Mutter stets mit beiden Beinen auf der Erde, groß, hager und grau wie ein erloschener Leuchtturm in der Finsternis, eine ständige Warnung vor unbekannten Riffen und kommenden Zeiten. Das heimliche Lachen des Vaters klang immer wie ein bullerndes Feuer im Schornstein, trotz seines harten Schicksals. Eines Tages am Kirchenportal von Hjerm versprach er Herrn Oluf die Hand seiner Tochter.

Ide hatte sich auf den Tag gefreut. Zwei Jahre früher hatte sie mit ihrem Vetter Holger auf Koldinghus getanzt. Sie hatte seine verstohlenen Blicke genossen. Ihr wurde ganz heiß. Er flüsterte, daß die Farbe ihrer Haare wie Nüsse im September seien und ihre Augen wie Kornblumen im Juli, und als er sie küßte, meinte sie mit den Elfen zu schweben. Holger heiratete dann eine andere, und hier wartete der Mann, der sie betrachten, bewundern und liebkosen sollte, damit das Leben zu einem schwebenden Rausch wurde.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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