Die Nanny und der spanische Milliardär - Cathy Williams - E-Book + Hörbuch

Die Nanny und der spanische Milliardär Hörbuch

Cathy Williams

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Beschreibung

"Finde sie, heirate sie!" Schockiert hört Selfmade-Milliardär Rafael Almirez, was sein Patenonkel von ihm verlangt. Offenbar lebt dessen uneheliche Tochter in Buenos Aires. Und weil Sofia bald ein Vermögen erben wird, soll Rafael sie vor Mitgiftjägern bewahren. Durch Heirat! Als Gärtner verschafft er sich undercover Zutritt zu der Familie, in der Sofia als Nanny arbeitet. Die feurige Schönheit fasziniert Rafael sofort. Doch wie wird sie reagieren, wenn er seine wahre Identität enthüllt, auf einer Vernunftehe besteht und sie mit nach England nimmt?

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Zeit:5 Std. 3 min

Sprecher:Dora Holtkamp
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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Cathy Williams Originaltitel: „Shock Marriage for the Powerful Spaniard“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2439 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Annette Stratmann

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733714116

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ich bin froh, dass du gekommen bist, Rafael. Ich war nicht sicher, ob du es schaffen würdest, nachdem du gerade einen neuen Großauftrag an Land gezogen hast. Die Zeitungen sind voll davon. Sehr freundlich von dir, dass du es trotzdem einrichten konntest, einem sterbenden alten Mann einen Besuch abzustatten.“

Rafael zog die Augenbrauen hoch und musterte seinen Patenonkel skeptisch.

David Dunmore sah mit seinen runden Brillengläsern, dem grauen Wuschelkopf und dem gütigen Lächeln aus wie der Weihnachtsmann persönlich. Aber Rafael wusste, dass sich hinter der harmlosen Fassade ein gewieftes Schlitzohr verbarg. Ein Mann mit einem messerscharfen Verstand, der auch vor emotionaler Erpressung nicht zurückschreckte.

Sein Patenonkel hätte ihn niemals zu sich gebeten, wenn er nicht etwas Dringendes auf dem Herzen gehabt hätte. Je verschlungener die Einleitung, desto heikler das Anliegen. Gemessen an der geschlagenen Stunde Small Talk, die sie bereits hinter sich hatten, musste es sich also um einen gewaltigen Anschlag handeln, den der alte Herr plante.

Mit seinem Drink in der Hand lehnte Rafael sich im Sessel zurück und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Er war schon länger nicht mehr hier gewesen, zuletzt vor ein paar Monaten. Damals war sein Onkel für eine Weile ans Bett gefesselt gewesen und vor Langeweile fast die Wände hochgegangen. Normalerweise trafen sie sich in dem etwas angestaubten Altherrenclub, den David sehr schätzte, weil er sich dort – wie er sagte – selbst beim Denken zuhören könne. Bei einem anständigen Whisky, natürlich, und einem deftigen Essen, das kein Sternekoch „verpfuscht“ hatte.

„Kohl und Fleischpastete, wer braucht das?“, pflegte Rafael dann zu kontern. Beide Männer genossen ihr humorvolles Geplänkel, wohl wissend, dass es auf gegenseitigem Respekt und tiefer Zuneigung beruhte.

Rafael sah sich um. Er hatte schon fast wieder vergessen, wie exklusiv und gediegen die Villa seines Onkels im Londoner Nobelviertel Belgravia ausgestattet war. Die Einrichtung stammte noch aus der Zeit, bevor der Minimalismus in Mode gekommen war. Edle Perserteppiche schmückten den hölzernen Dielenboden, eine Fülle Souvenirs aus fremden Ländern konkurrierte mit zahlreichen wertvollen Gemälden und zierlichen Porzellanfiguren.

„Ich dachte, du hättest es aufgegeben, mir den sterbenden Greis vorzuspielen“, bemerkte er milde lächelnd. „Der Kardiologe hat festgestellt, dass du wieder Bäume ausreißen kannst.“

„Ach, was wissen die Ärzte schon!“

„So einiges, sollte man annehmen. Dr. Hillmann zum Beispiel ist der Spezialist für Herzprobleme. Wenn er dich für gesund erklärt, ist die Sache mit deinem drohenden Tod erst mal vom Tisch.“

„Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als wäre ich auf dem Wege der Besserung. Aber du glaubst nicht, welchem Stress ich in letzter Zeit ausgesetzt war.“

Rafaels Miene wurde ernst. „Geht es um Freddy? Muss er wieder den starken Mann markieren? Keine Sorge, ich kümmere mich um den Mistkerl.“

„Das kannst du gar nicht. Du hast keinerlei Befugnis in meiner Firma, und Freddy die Hölle heißzumachen zieht bei ihm nicht. Er weiß, dass ich ernsthaft angeschlagen bin und mich nicht mehr so wie früher um die Geschäfte kümmern kann. In der Zwischenzeit hat er einiges Unheil angerichtet. Aber er ist nun mal mein Stiefsohn – und dank der Scheidungsvereinbarung einer der Hauptaktionäre. Ich kann nichts gegen ihn unternehmen. Drei meiner besten Führungskräfte haben seinetwegen bereits die Kündigung eingereicht, und ich fürchte, Freddy wird versuchen, sie durch seine Kumpane zu ersetzen. Vor fünf Jahren hätte ich noch die Energie gehabt, dem Jungen auf die Finger zu klopfen, aber jetzt …“

Er seufzte schwer. „Die alte Garde tritt nach und nach ab, wenn auch früher als geplant. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dich hergebeten habe.“

Rafael schwieg. Er hatte ein feines Gespür für die Stimmungen seines Onkels und ahnte, dass es um etwas Schwerwiegendes ging. David Dunmore griff nach der altmodischen Aktenmappe, die auf dem Couchtisch aus Walnussholz lag, und zog einen Umschlag aus ihr hervor. Er reichte ihn Rafael und lehnte sich mit erwartungsvoller Miene auf dem Sofa zurück, die Hände über dem Bauch gefaltet.

„Was ist das?“

„Lies.“

Der Umschlag enthielt einen einzelnen Bogen Papier. Rafael war überrascht, dass es sich um einen handgeschriebenen Brief handelte. Inzwischen kommunizierte doch alle Welt per E-Mail. Es war eine klare, schön geschwungene Schrift, vermutlich die einer Frau.

Unter dem forschenden Blick seines Patenonkels überflog er die handgeschriebenen Zeilen. Der Inhalt verschlug ihm die Sprache.

„Ich wusste, dass du ein wenig erstaunt sein würdest“, sagte David.

„Ein wenig erstaunt? Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Wann hat dich dieses unverschämte Pamphlet erreicht, und was wird es dich kosten?“

„Na, na, nicht so voreilig, Rafael. Zunächst einmal – es ist alles wahr, was in dem Brief steht.“ David schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und fuhr fort: „Ich traf Maria Suarez vor über zwanzig Jahren. Ich war Mitte vierzig, sie sechsundzwanzig. Sie war die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Die Scheidung von Fiona lag hinter mir. Ich hatte ihr einen satten Anteil meines Vermögens abtreten müssen und eigentlich erst einmal die Nase voll von Frauen. Maria aber kam wie eine frische Brise in mein Leben …“

„Okay“, warf Rafael ein. „Bevor du jetzt weiter über weibliche Schönheit und frische Brisen philosophierst, lass uns die Sache auf den Punkt bringen.“ Er war fest entschlossen, den alten Mann, der einst sein sicherer Hafen in turbulenten Zeiten gewesen war, vor jedem Schaden zu bewahren.

„Diese Frau, wer auch immer sie ist, meldet sich bei dir, um dir mitzuteilen, dass du auf der anderen Seite des Erdballs eine Tochter hast. Eine Tochter, von deren Existenz du bisher keine Ahnung hattest. Sie behauptet, dass sie nicht mehr lange zu leben hat und ihr Gewissen sie drängt, dir zu schreiben.“ Rafael schnalzte verächtlich mit der Zunge. „Woher weiß sie überhaupt, wo du wohnst? Wenn sie deine Adresse kennt, dann weiß sie auch, dass du reich bist.“

David musterte ihn voller Unbehagen.

„Wie habt ihr euch denn kennengelernt?“, fragte Rafael weiter.

Die verlorene Tochter, dass ich nicht lache, dachte er zornig. Wahrscheinlich arm wie eine Kirchenmaus und in akuter Geldnot. Gesetzt den Fall, die rührselige Geschichte enthielt überhaupt ein Körnchen Wahrheit. Wenn David diesen Unfug glaubte, war es seine Pflicht als sein Patensohn, ihm die Augen zu öffnen. Er würde nicht zulassen, dass noch weitere Goldgräberinnen den alten Herrn hemmungslos ausnahmen. Die Story von der unehelichen Tochter war genau der Köder, auf den er hereinfallen würde. Oder besser gesagt schon hereingefallen war, so wie es aussah.

„Ich verbrachte damals ein Jahr in Argentinien, um geeignete Standorte für meine südamerikanischen Boutique-Hotels zu suchen“, erzählte David. Sein verklärtes Lächeln brachte seinen Patensohn dazu, frustriert die Zähne zusammenzubeißen. „Da traf ich sie, diese wunderschöne Frau mit dem rabenschwarzen Haar und dem sanftesten Wesen, das du dir nur vorstellen kannst. Ich habe mich Hals über Kopf in sie verliebt …“

„Doch leider gab es kein Happy End“, unterbrach Rafael ihn trocken. „Soweit ich weiß, bist du nach England zurückgekehrt, hast Ingrid geheiratet und durftest bei der Scheidung einem weiteren Batzen deines Vermögens Lebewohl sagen. Ganz zu schweigen von den Geschäftsanteilen, die dein lieber Stiefsohn sich gerade unter den Nagel reißt.“ Er schüttelte unwirsch den Kopf. „Aber zurück zu meiner Frage. Woher wusste diese Maria, wo sie dich erreicht?“

„Das ist doch kein Problem, mein Junge! Dafür musste sie nur in einem meiner Hotels nachfragen oder einen Blick ins Internet werfen. Heutzutage hat niemand mehr eine Privatsphäre.“

„Schön und gut, aber du bist hier, und von der Schönen mit dem rabenschwarzen Haar und der sanften Seele ist weit und breit nichts zu sehen. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass sie jemals hier aufgetaucht wäre. Was ist passiert?“

„Ich musste damals überstürzt aus Argentinien abreisen, praktisch mitten in der Nacht, weil meine Mutter einen Herzinfarkt hatte. Antonio, mein engster Mitarbeiter vor Ort, sollte Maria alles erklären. Als ich zurückkam, war sie nicht mehr da. Sie hat sich wohl eingeredet, sie wäre nicht gut genug für mich. Wir lebten in zwei verschiedenen Welten, soll sie gesagt haben, und dass sie mir kein Klotz am Bein sein wolle. Ich denke, ihre Gefühle für mich reichten einfach nicht aus, um es mit mir zu versuchen. Sie hat mir das Herz gebrochen, Rafael.“

„In zwei verschiedenen Welten, aha. Und ihre Welt war welche?“

„Sie arbeitete als Zimmermädchen in dem Hotel, in dem ich wohnte, während ich die Bauarbeiten an meinem Projekt überwachte. Maria war die Liebe meines Lebens. Und jetzt, nach all den Jahren, bekomme ich plötzlich einen Brief von ihr, in dem sie mir mitteilt, dass ich eine Tochter habe. Eine Tochter, mein eigenes Fleisch und Blut!“

Ein Zimmermädchen also. Hatte David wirklich geglaubt, sein Leben so umkrempeln zu können, dass er mit dieser Frau glücklich geworden wäre? Obwohl, schlimmer als die schwedische Schreckschraube, die er kurz darauf geheiratet hatte, hätte ihm auch das Zimmermädchen nicht zusetzen können. Drei Jahre nach dem Gang zum Traualtar endete seine Ehe mit Ingrid in einem hässlichen Scheidungskrieg, bei dem die untreue Ehefrau nicht nur eine stattliche Summe Geld und drei Häuser abstaubte, sondern auch ein fettes Aktienpaket für ihren nichtsnutzigen Sohn Freddy.

Für diese besonders krasse Verirrung auf der Suche nach dem Glück zahlte David noch heute einen hohen Preis.

Der alte Herr wurde zusehends lebhafter, nachdem die Katze aus dem Sack war. „Ich habe alles rekonstruiert“, fuhr er aufgeregt fort. „Maria verschwand damals, ist aber später in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, und dort lebt jetzt meine Tochter. Sie arbeitet als Kinderfrau bei einer aus Großbritannien stammenden Familie in der Vorstadt.“

Dazu äußerte Rafael sich nicht weiter, sondern fragte nur skeptisch: „Hast du schon einen DNA-Test durchführen lassen?“

Sein Patenonkel reagierte gereizt. „Zeitlich passt alles zusammen, und ich werde das Ganze nicht zum Flop erklären, bevor ich sicher weiß, dass es einer ist.“

„Na schön. Du hast also Kontakt zu dieser Frau aufgenommen, nehme ich an. Und zu ihrer Tochter.“

Ein Schatten glitt über Davids Gesicht. „Nein, weder noch. Maria ist inzwischen verstorben. Selbstverständlich habe ich sofort Nachforschungen anstellen lassen und mir die nötigen Informationen besorgt, um jederzeit persönlich mit meiner Tochter in Kontakt treten zu können. Nun fehlt nur noch der letzte Schritt …“

„Ein Langstreckenflug nach Argentinien?“ Rafael musterte den alten Herrn besorgt. „Das solltest du mit deinem Arzt abklären. Nicht, dass dein Herz wieder aufmuckt.“

„Es hat mehr als ein bisschen aufgemuckt.“

„Nun sag schon, David – warum hast du mich herbestellt?“, hakte Rafael nach. „Wolltest du mich nur ins Vertrauen ziehen, oder worum geht es?“

David beugte sich vor und sah ihn eindringlich an. „Ich kann nicht nach Argentinien fliegen. Aber du kannst es, mein Junge, und du musst.“ So ernst hatte Rafael seinen Patenonkel noch nie erlebt. „Du wirst es ganz sicher nicht bereuen.“

Sofia Suarez trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während sie das schmiedeeiserne Tor im Auge behielt. Ein hoher Zaun schirmte die Bewohner dieses noblen Anwesens vor dem „Gesindel“ ab, das sich draußen auf den Straßen herumtrieb und möglicherweise auf die kühne Idee kam, hier um Almosen zu betteln.

In dieser vornehmen Enklave in einem Außenbezirk von Buenos Aires lebten die Reichen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Kaum jemand, der nicht zu ihren Kreisen gehörte, erhielt hier Zutritt.

Alle leidigen Aufgaben, die sie für unter ihrer Würde hielten, überließen sie getrost ihrem Personal, und genau deshalb stand Sofia jetzt hier. Immer wieder ungeduldig auf ihre Armbanduhr blickend, hielt sie Ausschau nach dem neuen Gärtner, der längst hätte eintreffen müssen.

James und Elizabeth Walters waren mit ihren beiden Kindern in den Skiurlaub gefahren.

„Keine Ahnung, wozu wir einen Gärtner brauchen, wenn doch einmal die Woche das Gartenteam kommt“, hatte James ihr gesagt, als er, ohne anzuklopfen, in ihr Zimmer geplatzt war. „Aber mein Boss hat mich gebeten, den Mann einzustellen, als Gefallen für einen Londoner Freund. Wie dem auch sei, Lizzy und ich werden verreist sein, also weisen Sie den Mann ein.“

„Natürlich. Aber hatten Sie mir nicht eigentlich freigegeben?“, hatte Sofia zaghaft eingewandt und im Stillen bis zehn gezählt. James und Elizabeth Walters hatten keine Hemmungen, sie auch in ihrer Freizeit zu beanspruchen, obwohl das klar gegen den Arbeitsvertrag verstieß, den sie vor einem Jahr mit ihnen abgeschlossen hatte.

Doch sie brauchte den Job. Die Bezahlung war hervorragend, und sie hatte die Kosten für ihren nicht gerade billigen Online-Buchführungskurs im Voraus begleichen müssen. Da sie außerdem ihrer Tante finanziell unter die Arme griff, war sie momentan so pleite, dass nur noch ein Lottogewinn sie retten konnte. Keine gute Ausgangsbasis also, um sich mit ihrem Arbeitgeber anzulegen.

„Wir sind Ihnen sehr entgegengekommen, als Sie Ihre Arbeit unterbrechen mussten, um Ihre Mutter im Krankenhaus zu besuchen“, hatte James Walters kühl entgegnet. „Ich denke, Sie haben keinen Grund zur Klage. Wir verreisen, und Sie werden fürstlich dafür entlohnt, dass Sie hier herumsitzen und Däumchen drehen. Wo also ist das Problem?“

Dann hatte er sie so unverhohlen von oben bis unten gemustert, dass es an sexuelle Belästigung grenzte, und geblafft: „Nach spätestens einem Monat sind wir den Kerl wieder los, glauben Sie mir. Anscheinend braucht er Geld für seinen Trip quer durch Südamerika. Ich frage mich nur, warum diese Typen nicht in der Lage sind, einer anständigen Arbeit nachzugehen wie andere Menschen auch.“

Dabei hatte er sie wieder so aufdringlich angestarrt, dass Sofia getan hatte, was sie immer tat, wenn ihr Arbeitgeber sie derart in Verlegenheit brachte – zu Boden blicken und warten, bis er das Interesse verlor und ging.

Was er auch tat, allerdings nicht, ohne sie vorher noch einmal daran zu erinnern, was sie während ihrer Abwesenheit alles zu erledigen hatte. Es war eine lange Liste, angefangen bei der Einweisung des Gärtners bis hin zum Polieren des Silberbestecks. Däumchen drehen? Das sollte wohl ein Witz sein.

Die Sonne, die tagsüber heiß geschienen hatte, stand schon tief am violett-roten Abendhimmel, als der neue Gärtner sich endlich über die Gegensprechanlage meldete.

„Sie kommen reichlich spät“, stellte Sofia unverblümt fest. Der Mann sprach Englisch, also tat sie es auch. Sie war viel herumgekommen und konnte sich inzwischen fließend in dieser Sprache verständigen. Das war im Hinblick auf ihre derzeitige Arbeitsstelle äußerst hilfreich, da die Walters sich weigerten, auch nur ein Wort Spanisch zu sprechen.

„Ich warte seit über zwei Stunden auf Sie“, sagte sie mit ärgerlichem Blick auf das Display, auf dem die Gestalt des Neuankömmlings nur schemenhaft zu erkennen war. Sie wollte ihn so schnell wie möglich abfertigen, denn vor ihr lag ein arbeitsreicher Abend mit einem straffen Lernprogramm in Sachen Buchführung.

„Mit wem spreche ich, bitte?“, erwiderte er.

„Ich bin Señorita Suarez und soll Sie einweisen.“

Das kurze Schweigen am anderen Ende der Leitung rief ein merkwürdiges Unbehagen in ihr hervor, das sich jedoch rasch in Ärger verwandelte. Der Mann ging ihr jetzt schon auf die Nerven.

„Wollen Sie mich nicht hereinlassen?“, fragte er.

„Zunächst muss ich Ihnen einige Sicherheitsfragen stellen.“

„Warum?“

„Wie bitte?“

„Warum, habe ich gefragt.“

„Weil …“, Sofia sah sich in der luxuriösen Behausung um, „… weil der Señor de la casa ein wenig eigen ist, was fremde Besucher angeht“, erklärte sie zuckersüß. „Wissen Sie, er hängt an seinen Besitztümern und hätte gern, dass sie bleiben, wo sie sind.“

„Der Señor …“, erwiderte Rafael in demselben ironischen Tonfall, „hat nichts zu befürchten. Ich bezweifle, dass sich irgendetwas in seinem Besitz befindet, was meine Begierde wecken könnte.“

Er hielt das Referenzschreiben in die Höhe, das David ihm vor ein paar Tagen ausgestellt hatte. Der alte Herr hatte nicht verbergen können, wie sehr ihn die Vorstellung amüsierte, dass sein hochangesehener und autoritätsgewohnter Patensohn den Gärtner spielen und Befehle entgegennehmen würde.

„Sehen Sie genau hin, dann werden Sie erkennen, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe. Mein Name ist Rafael, und ich soll mich hier um den Garten kümmern. Keine Angst, ich habe nicht vor, den Rasenmäher zu klauen.“

„Sind Sie Spanier?“

„Richtig getippt. Und nun öffnen Sie das Tor. Ich habe eine höllisch lange Reise hinter mir und keine Lust, mich hier stundenlang von Ihnen ausfragen zu lassen.“

Sofia konnte kaum glauben, was der Mann sich herausnahm. Fast wünschte sie, James Walters und seine spröde Ehefrau wären da, um zu erleben, wie ein arroganter kleiner Aushilfsgärtner den Aufstand probte.

Aber die beiden vergnügten sich beim Skifahren in den Bergen, während sie hier arbeiten durfte. Wie immer. Entnervt gab sie den Öffnungscode für das Tor ein und wartete, bis sie die Türglocke schrillen hörte, gefolgt vom donnernden Lärm des schweren gusseiseisernen Türklopfers. Der Fremde schien es wirklich äußerst eilig zu haben.

Sie eilte zur Vordertür und riss sie auf. Frische, nach Gras und Bäumen duftende Abendluft strömte herein, erfüllt vom Zirpen der Zikaden. Sofia aber stand da wie vom Donner gerührt, den Blick auf den großen dunkelhaarigen Mann gerichtet, der die Hand erhoben hatte, als wollte er gerade ein zweites Mal an die Tür hämmern.

Er war zum Umfallen attraktiv. Sein Anblick verwirrte sie dermaßen, dass sie ihn sekundenlang nur anstarren konnte. Dann besann sie sich, trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, wobei ihre Abwehrhaltung diesmal völlig andere Gründe hatte als bei ihrem übergriffigen Chef.

Diesmal war es ihr eigenes, heiß aufflammendes Interesse an dem Mann, das sie völlig aus der Bahn warf.

Sie hätte ihn immerzu anstarren können. Sein dichtes schwarzes Haar war einen Tick zu lang und lässig aus der Stirn gestrichen. Sein Gesicht so schön und ausdrucksstark, dass keine Kamera ihm jemals gerecht werden konnte. Augen, dunkel wie die Nacht, von dichten schwarzen Wimpern umrahmt, eine stolze Nase, ein sinnlicher Mund.

Alles an ihm strahlte einen Sex-Appeal aus, der Sofia Herzklopfen und ein Kribbeln im Bauch bescherte.

Was sie ungemein ärgerte, denn sie hätte es wirklich besser wissen müssen.

Seit ihrem dreizehnten Lebensjahr litt sie darunter, plötzlich ungewollt zum Objekt männlicher Begierde geworden zu sein. Immer wieder musste sie sich gegen unwillkommene Annäherungsversuche wehren. Besonders ein Mann, ein verheirateter Freund ihrer Mutter, hatte ihr im zarten Alter von fünfzehn Jahren drastisch vor Augen geführt, dass ihr Aussehen nicht etwa ein Vorteil war, sondern eher ein Fluch.

Seitdem war sie äußerst zurückhaltend Männern gegenüber. Natürlich hoffte sie, eines Tages „den Richtigen“ zu treffen, doch sollte er ihr nicht über den Weg laufen, wäre das auch kein Weltuntergang. Auf keinen Fall würde sie ihre Ansprüche herunterschrauben und sich mit weniger zufriedengeben, als ihr ihrer Meinung nach zustand.

Und sie würde ganz sicher nicht zulassen, dass man sie – wie ihre Mutter – nur auf ihr Aussehen reduzierte.

„Bitte, treten Sie ein“, sagte sie etwas brüsker als beabsichtigt und zuckte zusammen, als der Mann sie im Vorbeigehen streifte. Da war es wieder, dieses prickelnde Gefühl sexueller Anziehungskraft, das sich jeder Vernunft widersetzte.

Nach einem kurzen Blick in die große elegante Diele drehte der neue Gärtner sich um und fragte: „Wo sind die Walters? Wollen sie mir nicht Guten Tag sagen?“

Sofia schwankte zwischen Bewunderung für seine Dreistigkeit und Ärger über sein arrogantes Auftreten. „Ich glaube kaum, dass die Familie vorhat, ihren Skiurlaub zu unterbrechen, nur um einem Aushilfsgärtner den roten Teppich auszurollen.“ Zweifelnd musterte sie seinen ramponierten Rucksack. „Mehr haben Sie nicht dabei?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich reise gern mit leichtem Gepäck.“

„Kann ich Ihnen etwas zu essen oder zu trinken anbieten?“

„Arbeiten Sie hier als Haushälterin?“

Rafael wusste genau, in welcher Funktion sie bei den Walters angestellt war. Tatsächlich wusste er mehr über sie, als sie sich jemals hätte vorstellen können, denn er hatte sich vorab gründlich über sie informiert. Sein Patenonkel mochte in romantischen Fantasien von der schicksalhaften Wiedervereinigung mit seiner Tochter schwelgen, er hingegen war nicht so vertrauensselig.

Er war also bestens vorbereitet. Nur mit einem hatte er nicht gerechnet – damit, wie atemberaubend schön Sofia Suarez in natura war. Lange schwarze, lose zusammengebundene Locken umrahmten ein ausdrucksvolles Gesicht mit lebhaften grünen Augen und einem Teint wie Milchkaffee.

Allerdings wirkte sie keineswegs wie das sanftmütige Reh, das David sich zweifellos vorstellte. Das Leben war doch voller Überraschungen.

„Ich bin die Kinderfrau“, erklärte sie mit stolz erhobenem Kinn. Sofia schämte sich nicht für ihre Stellung, obwohl sie wusste, dass sehr viel mehr aus ihr hätte werden können. Doch ihre Herkunft und zu viele Umzüge hatten verhindert, dass sie die entsprechende Ausbildung erhielt.

Im Lauf der Jahre hatte sie den Traum von der großen Karriere nach und nach begraben müssen. Jemandem wie ihr mit einem Lebenslauf wie einem Flickenteppich standen nun mal keine Türen offen. Aber sie tat, was sie konnte, um das Versäumte nachzuholen. Und in der Zwischenzeit …

„Hat die Nanny auch einen Namen?“, unterbrach der Gärtner ihre Gedanken.

„Sofia. Sofia Suarez. Also, möchten Sie etwas trinken? Die Bar werde ich nicht für Sie plündern, aber Tee oder Kaffee können Sie haben – und auch ein Sandwich.“

„Kein Alkohol? Na, dann lieber ein Glas Wasser. Und gern ein Sandwich.“

Rafael folgte ihr in die Küche und schlenderte neugierig darin umher. Es war eine große, moderne Küche. Die Küche reicher Leute, die ein luxuriöses Leben führten.

„Bitte, fassen Sie nichts an“, bat Sofia ängstlich, als er eine Schublade aufzog.

Er musterte sie amüsiert. „Wenn Sie sich hier um alles kümmern sollen, müssen Sie doch wohl die Schubladen öffnen dürfen, oder?“

„Ja, schon, aber …“ Sie errötete.

„Aber Sie sind die Kinderfrau, und ich bin nur der Aushilfsgärtner, verstehe.“

„Sie sehen gar nicht aus wie ein Gärtner.“ Sie wandte sich ab und fuhr fort, mit flinken Fingern ein Schinken-Käse-Sandwich zu belegen.

Rafael, der sie dabei beobachtete, kam nicht umhin, ihre langen schlanken Gliedmaßen und ihre anmutige Haltung zu bewundern.

„Nimm sie gründlich unter die Lupe“, hatte David ihm aufgetragen. „Ich weiß, ich mache mir möglicherweise Illusionen, was sie betrifft, aber ich bin nicht dumm. Finde heraus, was für ein Mensch sie ist, aber bitte inkognito. Ich will nicht, dass die Aussicht auf das riesige Vermögen, das sie erben könnte, ihr Verhalten beeinflusst. Natürlich hoffe ich, dass sie ein nettes, kluges, reizendes Geschöpf ist. Wenn nicht … nun, damit befassen wir uns, wenn es so weit ist.“

Anschließend hatte er Rafael eröffnet, womit er ihn für seinen Einsatz zu belohnen gedachte.

„Flieg nach Buenos Aires, und sieh sie dir an“, hatte David ihn gebeten, „hinterher überschreibe ich dir die Aktienmehrheit an meiner Firma. Du kannst meine Stelle einnehmen und meinen Stiefsohn in die Schranken weisen. Wenn ich meine Tochter erst bei mir habe und du an ihrer Seite die Geschicke der Firma lenkst, muss ich mir keine Sorgen mehr machen. Du hast selbst gesagt, dass dein Unternehmen praktisch von selbst läuft. Also ist es Zeit für eine neue Herausforderung!“

Rafael hatte keinen Bedarf an den Firmenanteilen seines Patenonkels, wenngleich die Freizeitbranche eine sinnvolle Ergänzung zu seinem eigenen Unternehmensfeld darstellte. Sein Beweggrund, um seinem Onkel zu helfen, war die Tatsache, dass David immer für ihn da gewesen war. Während all der Jahre, in denen seine Eltern lieber in der Weltgeschichte umhergereist und ihren eigenen Interessen nachgegangen waren, hatte er ihm stets als väterlicher Freund und Mentor treu zur Seite gestanden.