Die Nichten der Frau Oberst - Guy de Maupassant - E-Book

Die Nichten der Frau Oberst E-Book

Guy de Maupassant

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Beschreibung

"Die Nichten der Frau Oberst" (Les cousines de la colonelle) ist seit Jahrzehnten nicht im Handel erschienen. Die Moralauffassungen vergangener Zeiten gestattete es nicht. Madame Briquart will ihre beiden jungen, hübschen Nichten verheiraten. Schnell wird ihr Salon zu einem Treffpunkt der Junggesellen von ganz Paris. Der (vermutete) Autor Guy de Maupassant schilderte die amourösen Abenteuer der bürgerlichen, französischen Mitte in einer bis dahin ungekannten Deutlichkeit, aber auch in einer schriftstellirischen Qualität, wie nur er es konnte. Null Papier Verlag

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Guy de Maupassant

Die Nichten der Frau Oberst

Guy de Maupassant

Die Nichten der Frau Oberst

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954186-85-3

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Au­tor

Ers­ter Teil

I. Ka­pi­tel.

II. Ka­pi­tel.

III. Ka­pi­tel.

IV. Ka­pi­tel.

V. Ka­pi­tel.

VI. Ka­pi­tel.

VII. Ka­pi­tel.

VIII. Ka­pi­tel.

IX. Ka­pi­tel.

X. Ka­pi­tel.

XI. Ka­pi­tel.

Zwei­ter Teil

I. Ka­pi­tel.

II. Ka­pi­tel.

III. Ka­pi­tel.

IV. Ka­pi­tel.

V. Ka­pi­tel.

VI. Ka­pi­tel.

VII. Ka­pi­tel.

VIII. Ka­pi­tel.

IX. Ka­pi­tel.

X. Ka­pi­tel.

XI. Ka­pi­tel.

XII. Ka­pi­tel.

XIII. Ka­pi­tel.

XIV. Ka­pi­tel.

XV. Ka­pi­tel.

XVI. Ka­pi­tel.

XVII. Ka­pi­tel.

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Ju­li­et­te

Ca­sa­no­va – Ge­schich­te mei­nes Le­bens

Ge­fähr­li­che Lieb­schaf­ten

Traum­no­vel­le

Die Me­moi­ren ei­ner rus­si­schen Tän­ze­rin

und wei­te­re …

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Die Nich­ten der Frau Oberst

Ein Klas­si­ker der ero­ti­schen Li­te­ra­tur. Mit Akt­auf­nah­men aus der Bel­le Épo­que.

»Die Nich­ten der Frau Oberst« (Les cou­si­nes de la co­lo­nel­le) ist seit Jahr­zehn­ten nicht im Han­del er­schie­nen. Die Moralauf­fas­sun­gen ver­gan­ge­ner Zei­ten ge­stat­te­te es nicht.

Ma­da­me Bri­quart will ihre bei­den jun­gen, hüb­schen Nich­ten ver­hei­ra­ten. Schnell wird ihr Sa­lon zu ei­nem Treff­punkt der Jung­ge­sel­len von ganz Pa­ris.

Der (ver­mu­te­te) Au­tor Guy de Mau­passant schil­der­te die amou­rö­sen Aben­teu­er der bür­ger­li­chen, fran­zö­si­schen Mit­te in ei­ner bis da­hin un­ge­kann­ten Deut­lich­keit, aber auch in ei­ner schrift­stel­li­ri­schen Qua­li­tät, wie nur er es konn­te.

Der Bu­sen des jun­gen Mäd­chens, den ihr leich­tes Mie­der schlecht ver­tei­dig­te, hüpf­te an sei­ner Brust. Er fühl­te, wie die­ses jun­ge Fleisch in­stink­tiv vor Lie­be und Be­gehr­lich­keit zit­ter­te und beb­te; er ver­lor den Kopf, tauch­te sei­ne fie­bern­den Hän­de in die halb ge­lös­ten Haa­re sei­ner Ge­fähr­tin, at­me­te den fei­nen Duft, der sich dar­aus er­hob und ließ eine ma­gne­ti­sche Hand über ihre bren­nen­den Arme glei­ten.

Autor

Mau­passant wur­de am 05. Au­gust 1850 im Schloss Mi­ro­mes­nil, in der Nor­man­die im Nor­den Frank­reichs ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren aus ad­li­gem, nor­man­ni­schen Ge­schlecht. Sei­ne frü­he Ju­gend ver­lief glück­lich. Sei­ne ers­ten Schwie­rig­kei­ten im Le­ben be­kam er, als er wäh­rend sei­ner In­ter­nats­zeit ein Spott­ge­dicht auf einen Er­zie­her ver­fass­te und des­we­gen die Schu­le ver­las­sen muss­te.

Meh­re­re Jah­re ver­brach­te er als Be­am­ter im Pa­ri­ser Ma­ri­ne­mi­nis­te­ri­um. Wäh­rend die­ser Zeit ent­stan­den sei­ne ers­ten schrift­stel­le­ri­schen Ar­bei­ten, zu der ihn sein Freund Flau­bert er­mun­tert hat­te. Schon in sei­ner ers­ten Er­zäh­lung von 1880 »Bou­le de suif« (Fett­klöß­chen) er­kennt man den Meis­ter der No­vel­le. In mehr als 260 Ar­bei­ten be­währ­te sich die­se ein­ma­li­ge Kunst, die er in un­er­müd­li­cher Ar­beit bis zu sei­nem frü­hen Tode vor­an­trieb (7. Juli 1893).

Mau­passant lieb­te die künst­le­ri­sche Ana­ly­se des Bana­len. Sei­ne Hel­den ent­stam­men al­len so­zia­len Schich­ten: Fi­scher und Bau­ern der Nor­man­die, Pro­vinz­bür­ger­tum, Pa­ri­ser Be­am­ten­welt, Halb­welt und nie­de­re Ari­sto­kra­tie. Und in al­lem er­kennt er das im­mer glei­che Bild mensch­li­cher Durch­schnitt­lich­keit: or­di­näre Ero­tik, Hab­sucht, Grau­sam­keit, in Bana­li­tät er­sti­cken­de Il­lu­si­on und vor al­lem Lan­ge­wei­le.

Gera­de hier er­weist sich das Be­son­de­re sei­ner Er­zähl­kunst, in­dem er das Ge­wöhn­li­che auf un­ge­wöhn­li­che Art poin­tiert. Über­zeugt von der mensch­li­chen Dumm­heit, Trieb­haf­tig­keit und Ein­sam­keit, trifft er sei­ne Ur­tei­le in ei­nem knap­pen, schar­fen Er­zähl­stil. Sei­ne Stof­fe durch­zieht eine ei­gen­tüm­li­che Poe­sie der Sinn­lich­keit, aber auch der Schwer­mut. Mau­passants Werk stellt bis heu­te den nicht über­bo­te­nen Hö­he­punkt der ge­sam­ten fran­zö­si­schen No­vel­len­kunst dar.

Erster Teil

I. Kapitel.

Ei­ner der fei­nen und ei­si­gen Re­gen­schau­er, wie sie der De­zem­ber oft im Rück­halt hat, fiel dicht auf die Stadt.

In der Rue d’As­sas gab es we­nig Passan­ten. Man hör­te bis in die Häu­ser hin­ein das Plät­schern des Was­sers, das in die Rinn­stei­ne flu­te­te, und der Wind er­schüt­ter­te die­se At­mo­sphä­re von Trüb­sal durch sei­ne grol­len­de und kla­gen­de Stim­me.

Im klei­nen Sa­lon der Ma­da­me Bri­quart wa­ren vier Per­so­nen ver­ei­nigt: zu­nächst sie selbst, die re­spek­ta­ble Wit­we ei­nes Obers­ten je­ner schö­nen Küras­sie­re, die nun schon zur Le­gen­de ge­wor­den sind. Die Dame trug ihre sech­zig Jah­re eben­so rüs­tig, wie sie -- ei­nem on dit1 zu­fol­ge -- zeit ih­rer Ehe die Ho­sen an­ge­habt hat­te; denn der Oberst ver­stand es nicht, sich wo an­ders tap­fer zu hal­ten als an der Spit­ze sei­nes Re­gi­men­tes. Da­mit soll nicht ge­sagt sein, dass Ma­da­me Bri­quart wie ein Mann­weib aus­sah. Weit ent­fernt da­von, war sie viel­mehr ein zar­tes We­sen von sanf­tem und mil­dem Aus­druck, ge­hör­te aber zu je­nen Frau­en, in de­ren Aug­ap­fel man einen ru­hi­gen und un­er­schüt­ter­li­chen Wil­len liest.

In dem ih­ri­gen fand man auch die Bei­mi­schung der Duld­sam­keit, die den über­le­ge­nen In­tel­li­gen­zen die Le­bens­er­fah­rung ver­leiht.

Ne­ben ihr blät­ter­te Ju­lia, ihre jun­ge Nich­te, in ei­nem Al­bum, und Flo­ren­ti­ne, de­ren Schwes­ter, ar­bei­te­te an ei­ner Sti­cke­rei. Wäh­rend sie einen Ro­man von Oc­ta­ve Feuil­let an­hör­ten, den ih­nen ein Herr von etwa fünf­zig Jah­ren, Vet­ter Ge­or­ges, wie er ge­nannt wur­de, vor­las, folg­ten die drei Da­men dem Lau­fe ih­rer Ge­dan­ken, die an die­sem Abend ein we­nig me­lan­cho­lisch ge­färbt wa­ren.

Ein stär­ke­rer Wind­stoß ließ das Haus bei­na­he er­zit­tern.

Ma­da­me Bri­quart duck­te sich, woh­lig schau­ernd, in ih­rem Fau­teuil und gab sich ei­nem Aus­bruch des egois­ti­schen Sen­sua­lis­mus hin, der das Wohl­be­fin­den de­sto an­ge­neh­mer ge­nießt, wenn es durch einen leb­haf­ten äu­ße­ren Ge­gen­satz her­vor­ge­ho­ben wird.

Das glei­che Ge­fühl wur­de auch von den Gäs­ten ih­res Sa­lons emp­fun­den, die es je nach ih­rem in­di­vi­du­el­len Cha­rak­ter in be­son­de­rer Fär­bung zum Aus­druck brach­ten.

Ju­lia hob den Kopf und mur­mel­te: »Was für ein schreck­li­ches Wet­ter!«

Flo­ren­ti­ne senk­te den ih­ren auf ihre Ar­beit wie eine Li­lie, die ih­ren duf­ti­gen Kelch der Ge­walt des Win­des beugt.

Ge­or­ges un­ter­brach sei­ne Lek­tü­re, zu­nächst um Flo­ren­ti­ne mit grö­ße­rer Auf­merk­sam­keit zu be­trach­ten, so­dann, um mit be­frie­dig­tem La­chen aus­zu­ru­fen: »Wahr­haf­tig, Tan­te, in Ihrem Sa­lon ist jetzt bes­ser sein als zum Bei­spiel am Ron­deau in den Champs-Elysées!«

»Wohl wahr«, ent­geg­ne­te die alte Dame; »ich glau­be auch, dass un­se­re Freun­de uns heu­te Abend im Sti­che las­sen und wir den Tee in sehr klei­ner Ge­sell­schaft ein­neh­men wer­den.«

»Man müss­te auch -- ge­bet Ihr’s zu? -- ein we­nig geis­tes­krank oder ver­liebt sein, was, wie man sagt, ein­an­der sehr ähn­lich ist, um heu­te nach der Rue d’As­sas zu kom­men.«

»Ach! Ver­lieb­te!« sag­te Ju­lia, »die kom­men nicht hier­her!«

»Wirk­lich?« er­wi­der­te Ge­or­ges Vau­drez mit leich­ter Iro­nie. »Bist du des­sen ganz si­cher?«

»Ganz si­cher. Du kannst, Vet­ter Ge­or­ges, ohne Angst, un­ter­bro­chen zu wer­den, die Odys­see die­ser Dame fort­set­zen, die mir von der Ma­nie, sich zu op­fern, er­grif­fen scheint.«

Als sie die­se Wor­te ge­spro­chen hat­te, wur­de das Rol­len ei­nes Wa­gens, be­spannt mit zwei Pfer­den, de­ren re­gel­mä­ßi­ger Gang auf Ras­se schlie­ßen ließ, hör­bar und ver­stumm­te plötz­lich vor dem Tore.

Die Ein­gangs­glo­cke klang an.

»Gilt die­ser un­er­schro­cke­ne Be­such uns?« frag­te Ma­da­me Bri­quart.

Be­vor man Zeit hat­te, zu ant­wor­ten, öff­ne­te sich die Tür des Sa­lons, und der alte Die­ner der Frau Oberst mel­de­te den Vi­com­te Sa­ski, des­sen Na­men die leich­ten Fal­ten an den Schlä­fen des Vet­ters Ge­or­ges tiefer furchte, wäh­rend zwei­fel­los der Ein­fluss des Wet­ters auf den Wan­gen Ju­li­as eine ro­si­ge Wol­ke her­vor­rief..

»Wie lie­bens­wür­dig von Ih­nen, dass Sie dem Un­wet­ter ge­trotzt ha­ben, um uns zu be­su­chen!« sag­te huld­voll Ma­da­me Bri­quart zu dem neu­en An­kömm­ling und streck­te ihm ihre wei­ße, run­ze­li­ge Hand ent­ge­gen, über die der jun­ge Mann nach ei­nem in Frank­reich zwar über­leb­ten, aber in Russ­land und Po­len noch char­man­ten Brau­che sich neig­te und einen re­spekt­vol­len Kuss dar­auf drück­te.

»Eine Spa­zier­fahrt nach Kamtschat­ka wür­de mir ein Ver­gnü­gen sein, wenn ich Ih­nen dort be­geg­nen könn­te«, ent­geg­ne­te ga­lant der Vi­com­te, des­sen Lip­pen zwar zu der Dame des Hau­ses re­de­ten, des­sen Bli­cke aber über de­ren Kopf hin­weg zur brau­nen Ju­lia noch viel mehr spra­chen.

»Sie sind ein Schmeich­ler, den man nicht hart schel­ten darf nach der hel­den­haf­ten Tat, dem Un­wet­ter bis ans Ende der al­ten Vor­stadt zu trot­zen ohne an­de­ren An­zie­hungs­punkt als den, eine Tas­se Tee bei Ein­sied­lern zu neh­men.«

Das Ge­spräch setz­te sich noch eine kur­ze Wei­le in die­ser Art fort, dann nä­her­te sich der jun­ge Mann un­auf­fäl­lig Ju­li­en, mit der er eine halb­lau­te Un­ter­hal­tung be­gann.

Seit­dem er in den Sa­lon ein­ge­tre­ten war, war es wie ein Frost auf sei­ne Gast­ge­ber ge­fal­len. Ge­or­ges sprach über­haupt nichts mehr; Flo­ren­ti­ne hat­te ihre Sti­cke­rei ver­las­sen und blät­ter­te ih­rer­seits schwei­gend in dem Bu­che, das Ge­or­ges auf den Tisch ge­legt hat­te.

Ma­da­me Bri­quart warf einen mit ei­ner leich­ten Bos­haf­tig­keit ver­setz­ten Blick auf ihre Um­ge­bung und er­hob sich, was nie­mand be­merk­te, weil Ju­lia ein sehr ein­ge­hen­des In­ter­es­se an der Un­ter­hal­tung mit Herrn Sa­ski nahm und Flo­ren­ti­ne von Ge­or­ges, der ihr mit dem Fin­ger blei­stift­un­ter­stri­che­ne Stel­len im »Ta­ge­buch ei­ner Frau« zeig­te, mit Be­schlag be­legt war.

Es schlug elf Uhr; Ka­ro­li­ne, das Stu­ben­mäd­chen, brach­te den Tee, den die jun­gen Mäd­chen her­um­reich­ten, und es schlug Mit­ter­nacht, als der Haus­be­sor­ger kon­sta­tier­te, dass der letz­te Be­su­cher sei­ner ru­hi­gen Mie­ter sich ent­fernt hat­te und dass er sich nun in al­ler Ruhe dem hol­den Schla­fe hin­ge­ben könn­te.

Ei­ni­ge Wo­chen wa­ren ver­gan­gen; sie reih­ten sich wie Per­len an den Le­bens­fa­den je­der der Be­woh­ne­rin­nen des klei­nen Haus­hal­tes, den wir eben skiz­ziert ha­ben, brach­ten aber kei­ne Än­de­rung in ihre Exis­tenz.

Den­noch lag eine Kri­se in der Luft: die Kri­se, die über das gan­ze Le­ben der Frau­en ent­schei­det, kün­dig­te sich für die bei­den jun­gen Mäd­chen an.

Ju­lia und Flo­ren­ti­ne wa­ren die Töch­ter ei­nes rich­ti­gen Vet­ters der Obers­tin, die für die­sen Freund von Kind­heit an eine je­ner schwer zu cha­rak­te­ri­sie­ren­den Nei­gun­gen hat­te, die nicht Freund­schaft und nicht Lie­be sind.

Für alle Fäl­le aber ver­ei­ni­gen sie die da­von Er­grif­fe­nen mit ei­nem Ban­de, das von nichts zer­ris­sen wird.

Von nichts? ... Ja, vom. Tode!

Der Tod nahm den ar­men Rek­tor nach zwei­jäh­ri­ger Wit­wer­schaft hin­weg, ohne ihm Zeit zu las­sen, et­was an­de­res zu tun, als sei­ne bei­den Töch­ter­chen der Ma­da­me Bri­quart zu schi­cken und ihr zu schrei­ben:

»Ich st­er­be: Nimm Du sie auf.«

Sie hat­te sie auf­ge­nom­men, sie er­zo­gen nach ih­rer Art und sich da­bei mit­un­ter ge­fragt, wel­che Zu­kunft wohl die bei­den lieb­li­chen Ge­schöp­fe er­war­te, die sie lieb­te, als ge­hör­ten sie ihr an durch die engs­ten Ban­de, die der Mut­ter­schaft.

»Jung, hübsch, ohne Ver­mö­gen«, sag­te sie sich, »was für Ge­fah­ren! Wie­viel Klip­pen und Lei­den mö­gen sie wohl er­war­ten!«

Heu­te Mit­tag hat­te die Obers­tin ihre Ko­te­let­te kaum an­ge­rührt, und die hal­be Fla­sche Rot­wein, den sie, ge­wis­ser­ma­ßen als hy­gie­ni­sche Maß­nah­me, zu je­der Mahl­zeit zu trin­ken pfleg­te, war fast ganz voll ge­blie­ben.

Als der Kaf­fee ser­viert war und Ka­ro­li­ne das Spei­se­zim­mer ver­las­sen hat­te, rich­te­te Ma­da­me Bri­quart die Bli­cke auf Flo­ren­ti­ne und sag­te recht plötz­lich:

»Töch­ter­chen, hast du viel­leicht eine Ab­nei­gung da­ge­gen, Frau zu wer­den?«

Das jun­ge Mäd­chen er­hob er­rö­tend ihre Au­gen und er­wi­der­te lä­chelnd:

»Oh nein, Tant­chen. Aber das hängt doch da­von ab, mit wem ich mein Le­ben ver­brin­gen soll.«

»Ganz recht: mit ei­nem, der dich an­be­tet.«

»Der sie an­be­tet? Es gibt also et­was Neu­es, Tan­te?« frag­te Ju­lia la­chend, und zu ih­rer Schwes­ter ge­wen­det, mein­te sie: »Lie­be, mach’ dich auf et­was Fürch­ter­li­ches ge­fasst! Ein An­trag ist ein­ge­langt. Tan­te, lass uns nicht ster­ben vor Un­ge­duld!«

»Gott be­hü­te mich da­vor, mei­ne lie­ben Kin­der! Ich will euch auch ohne Um­schwei­fe er­zäh­len, dass ges­tern Vet­ter Ge­or­ges mit mir eine lan­ge Un­ter­re­dung hat­te, in der er mir sein Herz ent­deck­te, das für Flo­ren­ti­ne von den glü­hends­ten Ge­füh­len be­seelt ist, und mich um ihre Hand bat. Die­se Bit­te konn­te ich na­tür­lich nur mit dem Ver­spre­chen be­ant­wor­ten, sie ge­treu­lich wei­ter­zu­lei­ten. Nun steht es bei dir, die Ent­schei­dung zu tref­fen. Ge­or­ges war der Nef­fe mei­nes Man­nes; ich ken­ne ihn seit fünf­und­vier­zig Jah­ren, er hat ein hüb­sches Ver­mö­gen, ist per­sön­lich nicht übel, hin­läng­lich in­tel­li­gent, um sein Schiff­chen zu steu­ern, und in je­der Le­bens­la­ge vollen­de­ter Gent­le­man. Du bist jung, hübsch, aber zur­zeit nicht reich und wirst es in Hin­kunft noch we­ni­ger sein. Ich habe mein klei­nes Erb­teil ge­gen eine Lei­b­ren­te ver­kauft, um uns ein an­ge­neh­mes Le­ben zu si­chern, mei­ne Pen­si­on er­lischt mit mei­nem Tode, und die Stun­de schlägt, ernst­haft an die Zu­kunft zu den­ken. Was denkst du über Ge­or­ge­s’ Per­son?«

Flo­ren­ti­ne war ein we­nig bleich ge­wor­den.

Mit zwan­zig Jah­ren hat man an­de­re Träu­me als sol­che, die von ei­nem fünf­und­fünf­zig­jäh­ri­gen Man­ne aus­ge­hen.

Sie hat­te Herrn Vau­drez, den sie seit ih­rer Kind­heit wie einen Ver­wand­ten be­trach­te­te, ob­gleich er ein Frem­der war, sehr ger­ne; nie­mals aber hat­te ihr Herz in sei­ner Ge­gen­wart un­re­gel­mä­ßi­ger ge­schla­gen, und trotz sei­ner sehr aus­ge­spro­che­nen Auf­merk­sam­kei­ten war ihr der Ge­dan­ke, sei­ne Le­bens­ge­fähr­tin zu wer­den, nie­mals durch den Sinn ge­gan­gen.

Sie war ein sanf­tes jun­ges Mäd­chen, un­schul­dig und so­gar gänz­lich un­wis­send in al­lem, was sich un­ter dem Wort Lie­be ver­birgt.

Wohl hat­te sie in ih­rer Lek­tü­re mit hal­b­em Blick hel­le­re Aus­sich­ten ge­se­hen als die, wel­che sich vor ihr ab­zeich­ne­ten; sie emp­fand aber we­der Be­ängs­ti­gung noch Wi­der­stre­ben bei dem Ge­dan­ken, ihre zar­te und zier­li­che Hand in die des Ge­or­ges Vau­drez zu le­gen.

»Mein Gott, Tan­te«, sag­te sie nach ei­nem Au­gen­blick des Schwei­gens, »du kennst das Le­ben bes­ser als ich; rich­te das mei­ne so ein, wie du es für vor­teil­haft hältst!«

»Das heißt: Ich bin nicht toll in Ge­or­ges ver­liebt, aber er ge­fällt mir hin­läng­lich, dass ich, un­ge­ach­tet sei­ner fünf­und­fünf­zig Jah­re, die an­ge­neh­me Po­si­ti­on, die er mir bie­tet, an­neh­men kann.«

»Ich weiß nicht, ob das ganz ge­nau das Rich­ti­ge ist -- oder bes­ser: ich wer­de glück­lich sein, mich die­sem Herrn Vau­drez an­ge­nehm zu er­wei­sen.«

»Oho! Se­het die ein­mal an! Die ist gut!« rief Ju­lia. »Ei­nen hei­ra­ten, nur um ihm ein Ver­gnü­gen zu ma­chen! So was hat die Welt noch nicht ge­se­hen. Man kennt Hei­ra­ten aus Nei­gung und Hei­ra­ten aus Ver­nunft; aber die Hei­rat aus Ge­fäl­lig­keit ist noch nicht da­ge­we­sen. Mei­ne Hochach­tung, Schwes­ter­chen! Nur dei­nem Bei­spiel wer­de ich nicht fol­gen.«

»Du könn­test es spä­ter ein­mal be­dau­ern«, sag­te die Tan­te. »Glück­li­cher­wei­se han­delt es sich aber nicht um dich, son­dern um Flo­ren­ti­ne, und ich wer­de un­ver­züg­lich die­sen wa­cke­ren Ge­or­ges in den drit­ten Him­mel er­he­ben, in­dem ich ihm mit­tei­le, dass sie ihn er­mäch­tigt, ihr den Hof zu ma­chen.«

Ma­da­me Bri­quart er­hob sich und ver­ließ das Spei­se­zim­mer. Die jun­gen Mäd­chen ta­ten des­glei­chen und zo­gen sich jede auf ihr Zim­mer zu­rück, um über die Er­eig­nis­se des Ta­ges nach­zu­den­ken.

Eine Hoch­zeit im Hau­se, das ist schon eine große Af­fä­re.

Die An­kün­di­gung und der Aus­blick auf sie ver­wirr­te we­ni­ger Flo­ren­ti­ne als ihre Schwes­ter. Nicht etwa, dass sie jene be­nei­det hät­te, da­für lieb­te sie sie zu sehr. Sie hat­te eine hohe Den­kungs­art und ein gu­tes Herz und war über­dies der Schwes­ter auf­rich­tig zu­ge­tan. Aber die Wor­te, die Ma­da­me Bri­quart ge­spro­chen hat­te, in­dem sie ein we­nig den Schlei­er von ih­rer Lage zog, die bis­her kei­ner ih­rer Ge­dan­ken auch nur ge­streift hat­te, er­reg­ten in ihr nun eine gan­ze Welt von Beun­ru­hi­gun­gen.

»Ohne Ver­mö­gen!« sag­te sie sich, »das heißt, dazu ver­ur­teilt sein, ent­we­der eine alte Jung­fer zu blei­ben oder die Gat­tin, sei es ei­nes lie­bes­tol­len Grei­ses, sei es ei­nes Nar­ren zu wer­den. Wer denn sonst in un­se­rem schö­nen Lan­de Frank­reich hei­ra­tet ein Mäd­chen ohne Mit­gift?

Das ist hei­ter!

Aber trotz­dem: Nie­mals wer­de ich mich dazu re­si­gnie­ren.

Al­les in der Na­tur wie­der­holt bis zum Über­druss das Wort Lie­be. Es steht in al­len Bü­chern, von den Klas­si­kern bis zu den Ro­man­ti­kern. Al­les in mir schreit nach et­was Un­be­kann­tem, nach ei­ner Hin­ga­be mei­nes We­sens, die si­cher­lich jene Lie­be ist. Und ich soll­te dar­auf ver­zich­ten, ihre Glu­ten ken­nen zu ler­nen? Da­für ein ru­hi­ges und lang­wei­li­ges Da­sein ein­tau­schen, klei­ne Sor­gen und re­gel­mä­ßi­ge Ver­gnü­gun­gen, die schon im vor­aus be­kannt und im vor­aus lang­wei­lig ge­wor­den sind? Nie­mals! Nie­mals!«

Auf die­se Ver­si­che­rung, die in ih­rem Kopf wie die Fan­fa­re ei­nes Hor­nes wi­der­hall­te, er­wi­der­te eine tie­fe Stim­me:

»Und was wei­ter? Was wirst du tun, wenn du kei­nen jun­gen, schö­nen, rei­chen Gat­ten fin­dest, der dich ver­göt­tert?«

Das Schwei­gen al­lein ant­wor­te­te auf die­sen grol­len­den Ak­kord.

Flo­ren­ti­ne emp­fand nicht die­se Beun­ru­hi­gun­gen. Sie fass­te sich bald und sah vor ih­ren Bli­cken sich die gan­ze Exis­tenz ei­ner Schloss­da­me auf­rol­len, was ihr sehr an­nehm­bar er­schi­en.

Ge­or­ges be­wohn­te fast das gan­ze Jahr ein sehr hüb­sches Schloss in der Nähe von Pa­ris; sie kann­te es, da sie oft die Fe­ri­en­zeit dort ver­bracht hat­te.

Dort stell­te sie sich im großen Saa­le thro­nend vor, in­dem sie ihre Gäs­te will­kom­men hieß.

Die Vor­mit­tage er­schie­nen ihr ganz in Son­ne ge­ba­det, durch­duf­tet von dem Ge­ruch der Fel­der, den sie in vol­len Zü­gen ein­at­me­te, wäh­rend sie den zahl­rei­chen Be­schäf­ti­gun­gen ob­lag, die je­der Tag auf dem Lan­de mit sich bringt, und ih­ren Dienst­leu­ten Be­feh­le er­teil­te.

Der Mit­tag traf sie um­ge­ben von ih­rer Fa­mi­lie, dem Mit­ta­ges­sen prä­si­die­rend im Krei­se der Kin­der, die sich, Mama ru­fend, um sie schar­ten, und über die­ses lieb­li­che Bild neig­te sich ein wei­ßer Kopf, des­sen Bli­cke aber von Lie­be er­füllt wa­ren: Ge­or­ges.

Die­se Zu­kunfts­vi­si­on präg­te sich ih­rem Geis­te so tief ein, fass­te in ih­rem Her­zen so fest Wur­zel, dass sie des Abends mit glück­li­cher Er­grif­fen­heit ihre Hand in die Mon­sieur Vau­dre­z’ leg­te und das von ihm so in­nig er­sehn­te Ja­wort sprach.

Ohne ir­gend et­was über­ei­len zu wol­len, war Ma­da­me Bri­quart der An­sicht, dass der Voll­zug der Ehe­schlie­ßung nicht zu weit hin­aus­ge­scho­ben wer­den sol­le. Ihr Nef­fe wi­der­sprach ihr hier­in ganz und gar nicht.

So gab es denn wäh­rend sechs Wo­chen ein un­auf­hör­li­ches Kom­men und Ge­hen von Schnei­de­rin­nen und Mo­dis­tin­nen. Ma­da­me Bri­quart be­schaff­te al­les mit größ­ter Frei­ge­big­keit.

»Ich gebe dir nichts als dei­ne Aus­stat­tung«, hat­te sie ih­rer jun­gen Nich­te ge­sagt, »so will ich dir we­nigs­tens eine hüb­sche ge­ben.«

Die gute Dame hat­te mit äu­ßers­ter Sorg­falt ko­ket­te Haus­klei­der, fei­ne Ba­tist­wä­sche mit Sei­den­bänd­chen und all die an­de­ren Klei­nig­kei­ten aus­ge­wählt, die alle zu­sam­men ein Gan­zes bil­den, das den hüb­schen Rah­men der Lie­bes­näch­te dar­stel­len soll.

»Aber Tan­te«, sag­te Flo­ren­ti­ne zu­wei­len, »warum so­viel Raf­fi­ne­ment auf Din­ge ver­wen­den, die nie­mand sieht?«

Die alte Dame lä­chel­te und sprach: »Lass mir doch das klei­ne Ver­gnü­gen!«

Ma­da­me Bri­quart kann­te das mensch­li­che Herz, wuss­te, dass es von Un­lo­gik er­füllt ist, und war sich nicht im un­kla­ren dar­über, dass ihr Nef­fe, der sein Recht als Jung­ge­sel­le reich­lich ge­nos­sen hat­te, kein großer Sün­der vor dem Herrn mehr war.

Er hat­te die Mu­ße­stun­den sei­ner Ju­gend, und so­gar die spä­te­ren, in ei­ner mehr ge­nuss­fro­hen als durch­geis­tig­ten Um­ge­bung ver­bracht, wo ein über­trie­be­nes Wohl­le­ben an Stel­le see­li­scher. Er­re­gun­gen tritt, die bei den rich­ti­gen Ve­nuspries­tern feh­len oder sel­ten sind. Ma­da­me Bri­quart woll­te nicht, dass die Ge­dan­ken des Gat­ten durch Ver­glei­che ver­stimmt wür­den; sie er­in­ner­te sich ei­nes Paa­res, des­sen Le­bens­weg mit den hol­des­ten Lie­bes­blu­men be­streut zu sein, schi­en und das vier­zehn Tage nach der Ve­rei­ni­gung die un­glück­lichs­te Ehe war, weil die jun­ge Frau, miss­lei­tet von ih­rer mehr spar­sa­men als klu­gen Mut­ter, am Hoch­zeits­abend ein Paar St­rümp­fe aus so­li­der, un­ge­bleich­ter Baum­wol­le und eine Nacht­ja­cke aus der glei­chen Schu­le her­vor­ge­kehrt hat­te.

Da­rum spar­te sie we­der Sorg­falt noch Mühe.

End­lich brach der große Tag an.

Lieb­lich-schön un­ter dem Kran­ze aus Oran­gen­blü­ten, gehüllt in die wei­ße Wol­ke des Braut­schlei­ers, ge­lob­te Flo­ren­ti­ne ih­rem Gat­ten auf­rich­tig Lie­be und Treue. Sie war ein we­nig er­regt, aber nicht er­schreckt, als sie, nach ei­nem klei­nen Hoch­zeits­mahl im Freun­des­krei­se, in den Wa­gen stieg, der das Paar nach dem Schlos­se ent­führ­te, wo Ge­or­ges, im Ein­ver­ständ­nis mit Ma­da­me Bri­quart, die ers­ten Stun­den ehe­li­cher Ver­trau­lich­keit zu ver­brin­gen be­schlos­sen hat­te.

Auch er lieb­te nicht die­se Mode un­se­rer Tage, die zar­tes­ten Ein­drücke des Le­bens nach al­len vier Win­drich­tun­gen zu ver­streu­en und für das ers­te Lie­bes­er­blü­hen der jun­gen Frau die ba­na­len Wän­de ei­nes Ho­tel­zim­mers zu Zeu­gen zu neh­men.

Er zog das Echo der Woh­nung vor, in der ihr Le­ben hin­flie­ßen soll­te, in der ihre Kin­der zur Welt kom­men -- wenn es Gott ge­fiel, ih­nen sol­che zu schen­ken --, in der auch in schlech­ten Zei­ten, de­ren es für je­der­mann gibt, die gu­ten Erin­ne­run­gen den Teil, der sich schwach wer­den fühl­te, kräf­ti­gen konn­ten.

Gerücht  <<<

II. Kapitel.

Der Wa­gen fuhr rasch da­hin, und bald wa­ren die Be­fes­ti­gungs­wer­ke von Pa­ris im Ne­bel ver­schwun­den.

Ge­or­ges hat­te eine Rand sei­ner Frau in die sei­ne ge­nom­men und hielt sie eng um­schlos­sen; von Zeit zu Zeit beug­te sich sein Kopf auf die jun­ge Stir­ne, die sich ihm bot und drück­te dar­auf einen Kuss, der ohne Er­rö­ten oder Ver­le­gen­heit hin­ge­nom­men wur­de.

All das war sehr keusch, ja noch viel mehr als das. Um bei der Wahr­heit zu blei­ben, muss ein­ge­räumt wer­den, dass der jun­ge Gat­te nicht sehr er­baut da­von war.

Mon­sieur Vau­drez ge­hör­te nicht zu den Sen­ti­men­ta­len. Vor al­lem sinn­lich, hat­te er, in­dem er Flo­ren­ti­ne hei­ra­te­te, haupt­säch­lich die Au­fer­ste­hung ei­nes Ge­fühls an­ge­strebt, das sich zu ver­schaf­fen ihm von Tag zu Tag schwie­ri­ger wur­de.

Als aus­ge­dien­ter Fein­schme­cker woll­te er die Freu­den, die in Zu­kunft die sei­nen sein soll­ten, schon im Vor­ge­schmack ganz aus­kos­ten.

Für ein Paar gute. Pfer­de ist’s nicht zu weit von Pa­ris nach Mont­mo­ren­cy; in der Um­ge­bung die­ses Or­tes lag Les Ch­ar­met­tes, das Schloss des Herrn Vau­drez.

Bald war man an­ge­langt.

Der jun­ge Ehe­mann hat­te um sein neu­an­ge­trau­tes Weib eine Lee­re an­ge­ord­net; sie be­geg­ne­te auf ih­rem Gang nur ei­nem dis­kre­ten und um­sich­ti­gen Stu­ben­mäd­chen mit ei­nem ab­ge­feim­ten Ge­sicht, des­sen Züge eine ta­del­lo­se Ernst­haf­tig­keit zur Schau tru­gen, des­sen Au­gen aber viel mehr spra­chen.

Das für Flo­ren­ti­ne be­stimm­te Zim­mer war re­no­viert wor­den, und die zier­lichs­te Ein­rich­tung war dort ver­ei­nigt.

»Wie lieb du bist!« sag­te die jun­ge Frau mit Über­zeu­gung, als sie nach ei­nem sehr er­le­se­nen Mahl sich auf ih­rem Zim­mer be­fand und dem Herrn, der seit ein paar Stun­den ihr Gat­te war, eine Tas­se Tee bot.

»Ich? Nein, du bist’s, mei­ne an­ge­be­te­te Liebs­te, du, die du mir die Sor­ge für dein Le­ben an­ver­traut hast. Ja, du! Ich hab’ es auch sehr ei­lig, von mei­ner ge­lieb­ten Frau Be­sitz zu er­grei­fen.«

»Wie meinst du das? Bist du nicht schon jetzt mein Herr und Meis­ter?«

»Nicht voll­stän­dig, Ge­lieb­te. Ich habe das Recht er­wor­ben, es zu wer­den. Das ist al­les.«

»Nicht mög­lich!« sag­te Ge­or­ges Vau­drez zu sich selbst. »Soll­te das lie­be Kind ganz und gar un­wis­send sein? ... Soll­te Ma­da­me Bri­quart die aus­ge­zeich­ne­te Ge­le­gen­heit, ihre Ein­bil­dung mit Din­gen, die schon lan­ge für sie ver­bo­te­ne Früch­te ge­wor­den sind, zu be­schäf­ti­gen, ver­säumt ha­ben? Das ist ja un­mög­lich! Im­mer­hin Vor­sicht!«

»Also du glaubst, Herz­chen, dass das, was sich heut mor­gen am Stan­des­amt und in der Kir­che zu­ge­tra­gen hat, die letz­ten Freu­den der Lie­be aus­macht?«

Die jun­ge Frau er­rö­te­te und senk­te den Kopf.

»Ich weiß nicht«, flüs­ter­te sie.

»Sie ist zum An­bei­ßen!« sag­te sich Ge­or­ges! »Welch un­ge­heu­res Glück, die­se Un­schuld zu ent­blät­tern!«

»Wahr­haf­tig nicht?« be­gann er wie­der. »Dann also will ich dich’s leh­ren. Wa­rum machst du dir’s aber nicht be­quem; die­ses Kor­sett muss dich doch ge­nie­ren! Be­darfst du des Stu­ben­mäd­chens, um es ab­zu­le­gen?«

»Nein, nein!«

»Dann las­sen wir sie also schla­fen ge­hen und er­le­di­gen wir un­se­re klei­nen Ge­schäf­te ganz al­lein!«

Ma­ri­et­te wur­de ver­ab­schie­det und Ge­or­ges schob den Rie­gel vor die Zim­mer­tür.

Flo­ren­ti­ne war schon in ihre An­klei­de­kam­mer ein­ge­tre­ten und pflicht­schul­digst dar­an, den er­hal­te­nen Rat zu be­fol­gen.

Hin­ter ei­nem Vor­hang ver­steckt, sah ihr Ge­or­ges zu, und all sein Blut er­hitz­te sich bei dem An­blick die­ser Arme und die­ser Schul­tern, die des Schlei­ers, der sie be­deckt hat­te, ent­klei­det, sich in ih­rer ju­gend­li­chen Pracht zeig­ten.

Als Flo­ren­ti­ne nichts mehr an hat­te als das Hemd, tauch­te er plötz­lich aus sei­nem Schlupf­win­kel auf und nahm sie in sei­ne Arme.

»Ach, wie du mich er­schreckt hast!« rief das jun­ge Mäd­chen ganz ver­wirrt und über und über er­rö­tend.

Sie hat­te wohl vor ih­rem in­ne­ren Forum ge­ahnt, dass das Le­ben der Frau ir­gend ein Ge­heim­nis ver­ber­ge; sie wuss­te aber nicht, worin die­ses Un­be­kann­te be­stand, das ihre Tan­te ei­ner­seits und ihr Beicht­va­ter an­der­seits ihr hin­ge­stellt hat­ten als künf­ti­ge Pf­licht, für de­ren Er­fül­lung ihr bei­de die größ­te Un­ter­wer­fung un­ter die Wün­sche ih­res Gat­ten ge­pre­digt hat­ten.

Ge­or­ges war sehr bleich. Er nahm sie in sei­ne Arme und be­deck­te mit Küs­sen ihre Lip­pen, ihre Schul­tern, ih­ren Bu­sen, den sie sei­nen Bli­cken zu ent­zie­hen sich ver­geb­lich müh­te. Plötz­lich glit­ten sei­ne bren­nen­den Fin­ger den Kör­per der jun­gen Frau ent­lang. Mit vol­len Hän­den er­griff er die gra­zi­ösen Er­he­bun­gen, die den Ab­fall der Len­den be­schlie­ßen, und krümm­te sich vor Lust, wäh­rend er sei­nen tro­ckenen, glü­hen­den Mund auf ihre ro­ten Lip­pen drück­te.

Dann setz­te er sei­nen Spa­zier­gang fort, und es ge­lang ihm, trotz der An­stren­gun­gen der jun­gen Frau, den Be­sitz ih­rer selbst zu­rück­zu­ge­win­nen, ihre Schen­kel und Knie zu be­tas­ten. Zwei Strumpf­bän­der aus wei­ßer Sei­de hiel­ten das fei­ne Sei­den­ge­flecht, das ihre zier­li­chen Bei­ne be­deck­te. Er mach­te sie los und ließ auf den Tep­pich das dün­ne Ge­we­be glei­ten, das noch den un­te­ren Teil von Flo­ren­ti­nes zar­tem Kör­per ver­hüllt hat­te. Gleich ei­nem er­schreck­ten Vö­gel­chen stieß sie lei­se Schre­ckens­ru­fe aus und ent­floh bis ans Ende des Zim­mers.

Ge­or­ges be­trach­te­te sie mit Be­wun­de­rung. Sei­ne Au­gen leuch­te­ten in al­len Flam­men der Be­gehr­lich­keit, die auf ih­rem höchs­ten Punk­te an­ge­langt ist.

»Flo­ren­ti­ne, mein Lieb­ling«, sag­te er, »hast du denn Angst vor mir, weil du so vor mir flüch­test? Bin ich nicht dein Gat­te? Wa­rum wei­gerst du mir’s, mei­ne Frau zu sein?«

»Noch et­was? Ich ver­steh’ dich ja gar nicht!«

»Dann komm her, ich will dir er­klä­ren, worin der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem jun­gen Mäd­chen und ei­ner Frau be­steht.«

»Ich trau’ mich nicht, so ...« er­wi­der­te die jun­ge Gat­tin, in­dem sie einen ver­zwei­fel­ten Blick auf ihre leich­te Klei­dung warf.

»Kind, wo­von machst du Auf­he­bens? Von dei­ner sum­ma­ri­schen Toi­let­te? Ist sie nicht die rei­zends­te von der Welt, da sie den Lie­bes­fes­ten vor­be­hal­ten ist? War­t’, ich will dir Mut ma­chen und gleich­falls al­les, was das Feu­er un­se­rer zärt­li­chen Hin­ga­be be­hin­dern kann, weit von mir wer­fen.«

Ge­or­ges ver­band das Wort mit der Tat; rasch ent­le­dig­te er sich sei­ner männ­li­chen Klei­dungs­stücke und fand sich in glei­chem Ko­stüm wie sei­ne Frau bei ihr ein.

»Komm«, flüs­ter­te er, und zog sie mit ko­sen­der Umar­mung auf ein Ru­he­bett, »da­her, ganz nah’ zu mir ... Ja, so ist’s recht! Nun will ich dir ver­ständ­lich ma­chen, was mei­ne Lie­be von der dei­nen ver­langt; du liebst mich doch, du wirst mich doch lie­ben, mei­ne an­ge­be­te­te klei­ne Frau? In der Hei­li­gen Schrift, du hast’s oft ge­le­sen, steht ge­schrie­ben, dass Mann und Weib nur ein Fleisch und Blut sind, wenn sie durch die Ehe ver­bun­den sind.«

»Ja.«

»Nun siehst du: Was muss man tun, um dazu zu ge­lan­gen? Du musst dei­nen Gat­ten Be­sitz er­grei­fen las­sen von den Schät­zen, die dein Schoß um­schließt, nicht die­ser ent­zücken­de Hü­gel, den ich lieb­ko­se, son­dern viel tiefer drin­nen, im Grun­de dei­nes We­sens, des­sen Ein­gang dort ist, wo­hin ich die Hand lege, wo­hin ich den Fin­ger ste­cke.«

Ge­or­ges hat­te die jun­ge No­vi­ze mit sei­nem lin­ken Arm um­fasst, er hielt sie halb zu­rück­ge­legt nahe bei wäh­rend sei­ne Rech­te sich Er­klä­run­gen und pa­cken­den De­mons­tra­tio­nen hin­gab, de­ren Ein­druck die Ner­ven Flo­ren­tins zu emp­fin­den be­gan­nen.

»Da­mit du ganz mein wirst, Schatz, ist’s nö­tig, dass ich in dich ein­drin­ge.«

»Aber wie?«

»Du bist also so un­wis­send, dass du nicht weißt, wie die männ­li­che Kör­per­bil­dung von der weib­li­chen ab­weicht?«

»Ja.«

»Nun greif’ da her und sieh!«

Ge­or­ges ent­hüll­te das Bohr­werk­zeug, das Gott sei­nen männ­li­chen Krea­tu­ren zu ge­brau­chen gab, auf dass sie ihre Herr­schaft aus­üben. Er­schreckt muss­te die jun­ge Frau ihre nied­li­chen Fin­ger­chen über das re­bel­li­sche Fleisch ih­res Gat­ten füh­ren.

»Du bist das Ziel die­ses ar­ti­gen Pfei­les; er soll sieg­reich in dich ein­drin­gen, um dei­nen Schoß zu be­fruch­ten und ihn al­len Genüs­sen der Lie­be zu er­schlie­ßen.

Nun weißt du’s. Willst du also mei­ne Frau sein? Willst du das Ver­spre­chen er­fül­len, das du mir heu­te mor­gen gabst?«

»Ja«, mur­mel­te eine kaum hör­ba­re Stim­me.

»Du musst Cou­ra­ge ha­ben, denn, siehst du, der ers­te Lie­bes­kampf ist eine Schlacht. Das Tor des Pa­ra­die­ses ist ver­sperrt, und ich muss den Ein­tritt er­zwin­gen.«

Ge­or­ges hör­te Ihre Ant­wort nicht mehr; er nahm Flo­ren­ti­ne in sei­ne Arme, zog sie in sein Zim­mer und hob sie auf das große Bett, das ih­rer war­te­te, um Zeu­ge ih­res Glückes zu sein.

Hier­auf warf er sich mit sieg­rei­chem Un­ge­stüm erst ne­ben sie und streck­te sei­ne zot­ti­gen Bei­ne längs ih­res glat­ten, wei­chen Lei­bes, um sich an des­sen Berüh­rung zu be­rau­schen. End­lich stieg er über sie, und wäh­rend er mit seh­ni­gen Hän­den die Schen­kel, die sich aus man­geln­der Er­fah­rung oder aus Furcht ge­gen­ein­an­der press­ten, aus­ein­an­der dräng­te, sprach er zu sich selbst:

»Die Sie­ge­s­stun­de schlägt.«

Herr Vau­drez war noch im bes­ten Al­ter und konn­te in ei­nem leich­ten Schar­müt­zel noch glän­zend sei­nen Mann stel­len; hier aber han­del­te es sich um große Ma­nö­ver, für die es vor al­lem dar­auf an­kommt, ganz sat­tel­fest zu sein: mit Schre­cken muss­te er’s kon­sta­tie­ren.

Der Kampf, die Er­klä­run­gen, hat­ten eine ge­wis­se Zeit in An­spruch ge­nom­men, und der er­obern­de Zu­stand des jun­gen Gat­ten ver­än­der­te sich in be­un­ru­hi­gen­der Wei­se. Die Ner­ven­ab­span­nung nahm über­hand; es soll­te ihm un­mög­lich wer­den, von der Fes­tung, die sich ihm auf Gna­de und Un­gna­de er­gab, Be­sitz zu er­grei­fen.

»Ich Narr!« dach­te er, »warum habe ich auch die stär­ken­den Trop­fen aus­ge­schla­gen, die mir Al­bert an­bot.

›Du tust nicht recht dar­an‹, sag­te mir die­ser wa­cke­re Freund.

Zum Teu­fel, ja! Ich tat nicht recht dar­an; ein Glück, dass mei­ne Frau un­schul­dig ist wie ein neu­ge­bo­re­nes Kind; ich wer­de ihr einen Er­satz ge­ben.«

Er setz­te die Be­we­gung vor dem Hei­lig­tum fort und fühl­te plötz­lich, wie das klei­ne, ent­zücken­de Knösp­chen, des­sen Er­ha­ben­heit sein un­zu­ver­läs­si­ger Freund strei­chel­te, sich er­hob und ge­schwellt wur­de. Er­stick­te Seuf­zer ent­flo­hen Flo­ren­tins Lip­pen, und sie wand sich wie eine Schlan­ge. Ge­or­ges war kein Neu­ling; er über­blick­te die Sach­la­ge; sie war zu­gleich schreck­lich und rei­zend. Mit fes­ter Hand er­griff er den Ver­bre­cher und zwang ihn zu ei­nem wohl­über­leg­ten Hin und Her, das als­bald den Par­oxys­mus des Lie­bes­kramp­fes her­bei­führ­te.

Die jun­ge Frau stieß einen. Schrei ans.

Sie war noch Jung­frau und doch schon eine Wis­sen­de, denn sie hat­te eben die ers­ten Ge­füh­le der Lie­be ge­kos­tet.

Ge­or­ges är­ger­te sich. Er wuss­te sich ge­schla­gen. Trau­rig sah er sei­ne Frau an, die auf dem Bet­te halb ohn­mäch­tig lag, ihre Hal­tung war voll Hin­ge­bung für ihn. Phi­lo­so­phisch leg­te er sich ne­ben sie, um zu war­ten, bis es Cu­pi­do ge­fie­le, ihm bei­zu­ste­hen und ... schlief bis zum Mor­gen.

Was Flo­ren­ti­ne be­traf, so ruh­te sie, selbst er­mat­tet von je­nen ers­ten Zu­ckun­gen, fried­lich aus, er­wach­te mit strah­len­dem Ge­sicht und er­kühn­te sich so­gar, einen Kuss auf die Lip­pen ih­res Gat­ten zu drücken.

Die Ehe er­schi­en ihr kei­ne so üble Sa­che mehr, und sie be­wahr­te von ih­rer Braut­nacht nur eine sehr süße Erin­ne­rung.

Ge­or­ges fühl­te sich von sei­nem ver­geb­li­chen nächt­li­chen An­griff noch nicht hin­läng­lich wie­der her­ge­stellt, um eine neue Schlacht an­zu­neh­men. So zog er vor, List zu ge­brau­chen, und er­wi­der­te die Lieb­ko­sun­gen Flo­ren­tins, die sich wie ein Kätz­chen an ihn schmieg­te, mit ei­ner Wie­der­ho­lung des klei­nen nächt­li­chen Spie­les. Sein Fin­ger ver­lor sich in dem blon­den Vlies der gol­di­gen Scham der jun­gen Frau, ver­weil­te am Schlüs­sel der Se­lig­keit und ließ ihn in sei­nem Schloss von ro­tem Sam­met schwin­gen, dann drang er, nicht ohne ein we­nig An­stren­gung, in der Rich­tung nach dem Hei­lig­tums vor und gab sich Re­chen­schaft über die Schwie­rig­kei­ten, die ihn für den Au­gen­blick der Ent­schei­dungs­schlacht er­war­te­ten, in der er, bei Stra­fe der Lä­cher­lich­keit, sie­gen oder ster­ben muss­te.

Nicht mehr ganz un­er­fah­ren, gab sich Flo­ren­ti­ne dies­mal völ­lig sei­nen Be­mü­hun­gen hin und wur­de be­lohnt durch einen Lie­bes­er­guss, der viel stär­ker und län­ger an­hielt und viel ge­nuss­rei­cher war, als der der letz­ten Nacht.

»Mor­gen«, sag­te sich Ge­or­ges, »wer­de ich mei­ne Trop­fen ha­ben. Dann wol­len wir’s schon fer­tig brin­gen!

Al­bert, die­ses Tier, wird sich über mich lus­tig ma­chen; das steht fest. Aber mei­net­we­gen! Die Haupt­sa­che ist, nicht auf dem Wege schwach zu wer­den.«

Al­bert war nicht in Pa­ris. Erst am fol­gen­den Tage soll­te er dort­hin zu­rück­kom­men..

Es wur­de be­schlos­sen, dass Jean Ma­da­me Bri­quart und Ju­lia zu ei­nem ver­spro­che­nen Be­such ab­ho­len und bei die­ser Ge­le­gen­heit die von Freund Al­bert er­be­te­ne Sen­dung mit­brin­gen soll­te.

III. Kapitel.

Ge­gen zwei Uhr kam Ge­or­ge­s’ Wa­gen zu­rück und brach­te Ma­da­me Bri­quart und Ju­lia.

Die Zeit war ih­nen sehr lang er­schie­nen.

Im Geis­te der bei­den Frau­en war eine gan­ze Welt von Neu­gier­de er­weckt: die Tan­te er­in­ner­te sich, Ju­lia er­riet.

Eine wie die an­de­re brann­ten sie dar­auf, zu er­fah­ren, wie Flo­ren­ti­ne die Kri­se über­stan­den hat­te. Die alte Tan­te kann­te sehr wohl de­ren mög­li­che tra­gi­sche Wen­dung, Ju­lia hin­ge­gen stell­te sich sie gräss­lich vor ohne den En­thu­si­as­mus, der in An­be­tracht von Ge­or­ge­s’ Al­ter bei dem Fes­te un­mög­lich sich hat­te ein­stel­len kön­nen.

Sie wa­ren ein we­nig ent­täuscht, als sie das Be­ha­gen be­merk­ten, mit dem die jun­ge Frau sie emp­fing. Sie war ro­sig und lä­chelnd, nur ein et­was leb­haf­te­res Rot ver­brei­te­te sich über ihre Züge, als sie das prü­fen­de Auge der Tan­te auf sich ru­hen fühl­te. Ge­or­ges sah aus wie im­mer, und der blaue Lie­bes­zir­kel ließ sei­ne für ge­wöhn­lich schon et­was tief­lie­gen­den Au­gen nicht hoh­ler er­schei­nen.

Die Fest­stel­lung die­ser Ein­zel­heit ver­senk­te Ma­da­me Bri­quart in tie­fe Re­fle­xio­nen.

»Schau, schau!« sag­te sie sich. »Soll­te er noch rüs­ti­ger sein, als ich ge­dacht hat­te?«

Vet­ter Ge­or­ges war sehr an­ge­le­gent­lich um die Da­men be­müht und schi­en dar­auf hin­zu­ar­bei­ten, dass sei­ne Frau nicht un­ter vier Au­gen mit sei­ner Schwä­ge­rin blieb. Aber es steht ir­gend­wo ge­schrie­ben: »Wei­ber­wil­le ist Got­tes und des Teu­fels Wil­le.« Da gab es nun drei Wei­ber. Was soll­te Ge­or­ges be­gin­nen? Es war un­ver­meid­lich. Er sah sich mit Ge­walt dazu ge­zwun­gen, über sich er­ge­hen zu las­sen, was er zu ver­mei­den ge­wünscht hat­te, um der Lä­cher­lich­keit zu ent­ge­hen. Er muss­te sich ent­fer­nen, um der Die­ner­schaft sei­ne Wei­sun­gen be­züg­lich der Un­ter­brin­gung der Gäs­te zu ge­ben; denn Flo­ren­tins Uner­fah­ren­heit im Haus­halt ließ nicht zu, dass sie sich da­mit be­fass­te.

Ma­da­me Bri­quart mach­te sich’s zu­nut­ze, in­dem sie die Nich­te in ihr Zim­mer zog. Wäh­rend Ju­lia die tau­send Ein­zel­hei­ten von Flo­ren­tins Aus­stat­tung be­trach­te­te, die in den Glas­schrän­ken des An­klei­de­zim­mers ver­teilt wa­ren, ließ die Tan­te die­se ne­ben sich auf ei­ner Chai­se­longue nie­der­sit­zen.

»Nun, mei­ne arme Klei­ne«, sag­te sie, in­dem sie ihr herz­lich bei­de Hän­de drück­te, »wie fühlst du dich in der Ehe?«

»Sehr wohl, Tan­te; Ge­or­ges ist voll Auf­merk­sam­keit und Zärt­lich­keit für mich.«

»Er? Ja, das glaub’ ich gern! Aber du, du, Lieb­ling?«

»Ich? Ich füh­le mich ganz glück­lich, und ich sehe nicht ein, warum dies Glück nicht dau­ernd sein soll­te?«

»Ich auch nicht. Aber sag’ mir: War er bru­tal ge­gen dich? Es gibt Au­gen­bli­cke, weißt du, in de­nen der bes­te Mann auf­hört, zart­füh­lend zu sein.«

»Er und bru­tal?! Ge­wiss nicht, er ist, wie­der­hol’ ich dir, voll Sorg­falt und Auf­merk­sam­keit.«

»Nun schön! Ich sehe, dass al­les gut ver­lau­fen ist, und dass du nicht viel ge­lit­ten hast. Ge­or­ges hat wohl sei­nen Arzt ge­fragt« -- Ma­da­me Bri­quart war schon dar­an, zu sa­gen »sei­ne Er­fah­rung«, aber sie dach­te, dass es bes­ser wäre, die so­li­den Schul­tern des Dok­tors her­an­zu­zie­hen --, »er wird ihm eine Sal­be ge­ge­ben ha­ben, ein schmerz­stil­len­des Was­ser ...«

»Wozu das, Tan­te?«

Plötz­lich blick­te Ma­da­me Bri­quart ihre Nich­te mit Er­stau­nen an.

»Aber, mei­ne gute Klei­ne, um dir die Schmer­zen zu er­spa­ren, die für die Frau im­mer die ers­te Lie­bes­schlacht be­glei­ten. Der Schöp­fer hat je­den Sieg zum Preis ei­nes Kamp­fes ge­setzt, und Blut muss flie­ßen, so­wohl für das ers­te Ge­fühl der Lie­be, wie für das der Mut­ter­wer­dung.«

Ma­da­me Bri­quart hat­te eine nicht ge­rin­ge Vor­lie­be für Vor­trä­ge; sie wäre viel­leicht noch lan­ge in die­sem Ton fort­ge­fah­ren, wenn ihre Nich­te sie nicht mit den Wor­ten un­ter­bro­chen hät­te:

»Aber Tan­te, ich ver­ste­he nichts von all dem, das du mir da er­zählst. Da wir Frau­en un­ter uns sind« -- die Neu­ver­mähl­te sprach dies »Frau­en un­ter uns« mit ei­nem Erns­te aus, der die alte Dame lä­cheln mach­te --, »kann ich dir wohl sa­gen, dass ich in mir ein kör­per­li­ches Ge­fühl hat­te, das mich ent­zück­te, und dass all dies das ers­te wie das zwei­te Mal ohne Kampf oder Blut­ver­gie­ßen ab­ge­gan­gen ist.«

»Ah bah! Aber dann ...«

Ein fürch­ter­li­cher Ge­dan­ke fuhr Ma­da­me Bri­quart durch den Sinn, aber sie wies ihn als un­sin­nig zu­rück. Nein! Die­ses jun­ge Mäd­chen hat­te sie seit sei­ner Kind­heit nicht ver­las­sen, und die Nai­vi­tät, mit der es sei­ne Ein­drücke schil­der­te, ver­bürg­te die un­be­rühr­te Rein­heit.

In­tui­tiv über­blick­te sie die Sach­la­ge und sag­te sich: »Teu­fel! Soll­te mein teu­rer Nef­fe we­ni­ger rüs­tig sein, als ich ge­dacht hat­te?«

»Also, Lieb­ling, hat dein Mann von sei­nen Gat­ten­rech­ten noch nicht Ge­brauch ge­macht, weil er dich nicht ver­schüch­tern woll­te. So wird’s sein!«

»Aber ja, aber ja!«

»Dann ver­steh’ ich nichts mehr. Du spielst die Un­wis­sen­de, du bö­ses Kind, und bist doch ver­hei­ra­tet und sagst, dass mein Nef­fe sein Recht als Gat­te ge­braucht hat.«

»O ja! Schon von der ers­ten Nacht un­se­rer Ehe an. Vier Tage spä­ter muss­ten wir so­gar den Dok­tor kom­men las­sen, weil Ge­or­ges mich zu rasch von der Jung­frau zum Wei­be ge­macht hat­te. Ja, bin ich denn noch im­mer nicht Frau, lie­be Tan­te?«

»Ich glau­be nicht, Lieb­ling. Du bist, wenn ich recht ver­mu­te, viel eher noch Jung­frau zu nen­nen.«

Die Tan­te zog die jun­ge Frau zu sich, hielt sie halb zu­rück­ge­legt auf ih­ren Kni­en, ließ ihre Hand un­ter Flo­ren­tins Rö­cke glei­ten und be­rühr­te mit leich­tem Fin­ger den Kitz­ler, der sein klei­nes, ro­tes Köpf­chen auf­reck­te. Dann ver­senk­te sie sich mit zärt­li­cher Vor­sicht zwi­schen die Schamlip­pen und ver­such­te, in die Schei­de vor­zu­drin­gen; aber eine star­re Bar­riè­re wi­der­stand ih­ren Be­mü­hun­gen.

»Du tust mir weh, Tan­te«, sag­te Flo­ren­ti­ne.

»Da siehst du, dass man lei­den muss, um Frau zu wer­den; denn du wirst es nicht eher sein, als bis Ge­or­ges durch hef­ti­ge und wie­der­hol­te Stö­ße des männ­li­ches Glie­des, das er ohne Zwei­fel be­sitzt, dies Häut­chen durch­sto­ßen ha­ben wird, das man Jung­fern­häut­chen nennt. Her­nach wird er, un­ter Won­nen, die du noch nicht kennst, in dein tiefs­tes In­ne­re sich ein­gra­ben und dich mit dem hei­ßen Lie­bes­s­trom über­flu­ten, den er in sich trägt und der dei­nen jung­fräu­li­chen Schoß be­fruch­ten wird.

Aber Blut muss flie­ßen, und durch ei­ni­ge Au­gen­bli­cke ei­nes flüch­ti­gen Schmer­zes musst du die Freu­den der Lie­be und die der Mut­ter­schaft er­kau­fen. Ge­or­ges wird dich bis­her ha­ben scho­nen wol­len.«

»Trotz­dem, Tan­te, emp­fand ich ...«

»Das, was du jetzt gleich wie­der emp­fin­den wirst.«

Die alte Dame ließ ih­ren Fin­ger be­weg­lich über die Ge­schlechts­tei­le der jun­gen Frau spie­len und rief aufs neue den ent­zücken­den Reiz her­vor, den Flo­ren­ti­ne für das Glück des Be­ses­sen­wer­dens ge­hal­ten hat­te.

»Ach! Mein Gott! Das ist ja ge­ra­de so gut wie bei Ge­or­ges!« mur­mel­te sie. »Also dann kann ... kann ... eine Frau eine Freun­din auch glück­lich ma­chen?«

Die Tan­te un­ter­drück­te auf ih­ren Lip­pen ein rät­sel­haf­tes Lä­cheln und wies dis­kret nach der Tür des An­klei­de­zim­mers, in wel­chem man nicht mehr das Kom­men und Ge­hen Ju­li­as, die in den Schrän­ken ge­stö­bert hat­te, ver­nahm.

Leb­haft wand­te sich Flo­ren­ti­ne um, gab ih­rer Tan­te einen lan­gen Kuss und rief ihre Schwes­ter, die so­fort er­schi­en, die Wan­gen sehr ge­rötet und mit ani­mier­tem Blick.

»Nun, Schwes­ter­lein«, frag­te sie Flo­ren­ti­ne, »fin­dest du mein Lei­nen­zeug hübsch? Macht dir’s kei­ne Lust, auch zu hei­ra­ten?«

»Mich zu ver­hei­ra­ten? Das hängt da­von ab, mit wem; aber ge­liebt zu wer­den und zu lie­ben -- die Lust dazu ge­steh’ ich ein.«

»Die Rei­he wird schon an dich kom­men«, sprach Ma­da­me Bri­quart. »Und wer weiß? Ich ken­ne einen ge­wis­sen Vi­com­te, der mir ganz da­nach aus­sieht, als däch­te er wie du.«

Ju­lia er­rö­te­te dies­mal noch viel tiefer; aber man hör­te Ge­or­ge­s’ Stim­me, der an die Tür sei­ner Frau klopf­te und frag­te, ob er ein­tre­ten dür­fe.

»Nein, nein!« er­hielt er zur Ant­wort, »wir kom­men gleich!«

Ge­or­ges strahl­te vor Freu­de. Al­bert war in Pa­ris, der Kut­scher hat­te die kost­ba­ren Trop­fen mit­ge­bracht. Ge­or­ges nahm sie nach Vor­schrift und schluck­te sie eben­so hin­un­ter wie den klei­nen, geist­rei­chen, aber sehr spöt­ti­schen Brief, mit dem Al­bert sei­ne Sen­dung zu be­glei­ten sich be­mü­ßigt ge­glaubt hat­te.

Man speis­te sehr fröh­lich. Ma­da­me Bri­quart konn­te sich ei­ni­ge bos­haf­te An­spie­lun­gen, de­ren Spit­ze sich ge­gen Ge­or­ges kehr­te, nicht ver­sa­gen. Er tat, als ver­stün­de er sie nicht, sprach aber zu sich sel­ber:

»Alte. Hexe!«

Im all­ge­mei­nen hat­te er für sei­ne Tan­te mehr Zu­nei­gung als Ehr­furcht.

»Was kann sie nur mei­ner Frau ge­sagt ha­ben? Mei­ner Frau! Nur Ge­duld, heut Abend wer­den wir ja se­hen. Ich weiß nicht, ist das die Wir­kung des treff­li­chen Cham­ber­tin, den wir trin­ken, oder fan­gen wirk­lich die Trop­fen schon zu wir­ken an? Ich füh­le so ein viel­sa­gen­des Zu­cken, so­gar wenn ich die ver­ehr­li­chen und ver­ehr­ten Züge der Ma­da­me Bri­quart be­trach­te.«

Die Da­men er­wie­sen dem Cham­pa­gner reich­lich Ehre. Herr Vau­drez wei­ger­te sich ent­schie­den, auch nur ein ein­zi­ges Glas da­von zu neh­men, und die Tan­te dach­te:

»Sa­gen wir ihm noch nichts. Es ist au­gen­schein­lich, dass er sich über die Lage Re­chen­schaft gibt und sich für die Schlacht vor­be­rei­tet.«

Es war be­schlos­sen wor­den, dass die bei­den Gäs­te ei­ni­ge Tage auf Les Ch­ar­met­tes ver­brin­gen soll­ten. Zu frü­her Abend­stun­de schütz­te die Tan­te ein we­nig Er­mü­dung vor, zog sich auf ihr Zim­mer zu­rück und bat Ju­lia, ihr vor­zu­le­sen, wo­für Ge­or­ges ihr un­end­lich dank­bar war.

»Mein klei­ner Lieb­ling«, sag­te er zu sei­ner Frau, »willst du, dass wir dem Bei­spiel der Tan­te fol­gen und ins Schlaf­zim­mer hin­auf­ge­hen? Ich bin et­was müde.«

»Sehr ger­ne.«

»Also gut. Geh’ du vor­aus, und, wenn du das Stu­ben­mäd­chen ver­ab­schie­det hast, dann wird’ ich zu dir kom­men.«

Ge­or­ges be­gab sich auf sein Zim­mer, ent­klei­de­te sich, setz­te sich in sei­ne Wan­ne; rich­te­te auf sein Rück­grat, dann auf sei­nen gan­zen Kör­per einen Strahl eis­kal­ten Was­sers und ver­län­ger­te die Dou­che auf dem Glie­de, das zum Kamp­fe be­stimmt war. Her­nach frot­tier­te er sich sorg­fäl­tig und be­feuch­te­te Rücken, Len­den, Arme, Ach­sel­höh­len mit ei­nem Schwamm, der in ein Fluid ge­taucht war, des­sen Wir­kung nach dem kal­ten Was­ser eine an­re­gen­de sein muss­te. Da­rauf zog er den Hau­s­an­zug an, goss eine Tas­se Tee mit Va­nil­le hin­ab, in de­ren Duft sich der Ge­ruch des Aphro­di­sia­kums misch­te, das man ihm ge­bracht hat­te. Dann flog er, voll Kühn­heit, nach dem Zim­mer sei­ner Frau, das von dem sei­nen nur durch ihr An­klei­de­zim­mer ge­trennt war.

Flo­ren­ti­ne, die in ih­rem großen Him­mel­bett saß, war hin­rei­ßend hübsch in­mit­ten der Flut von Spit­zen und duf­ti­gem Ba­tist, die sie um­gab. Sie er­war­te­te ihn, auf ihre Kis­sen ge­stützt, ein we­nig be­un­ru­higt vor der zwei­ten Braut­nacht, die ihr, wie sie in­stink­tiv fühl­te, die große Er­leuch­tung brin­gen soll­te.

Dies­mal be­ging Ge­or­ges nicht die Un­vor­sich­tig­keit, sich bei der reiz­vol­len Ein­lei­tung auf­zu­hal­ten. Wäh­rend er das An­klei­de­zim­mer durch­maß, hat­te er sich der Dose mit Cold­cream1