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DIE NILBRAUT Wir schreiben das Jahr 643 nach Christus in Ägypten: Das Land hat sich in einen bunten Völkermarkt verwandelt, und es wogen Glaubenskriege zwischen den verschiedenen christlichen Strömungen wie auch zwischen den Christen und den Moslems. Zu allem Übel weigert sich der Nil zu steigen, Hungersnot und Seuchen bedrohen die Bevölkerung. Die schöne Paula, eine Griechin, deren Vater im Kampf gegen die Moslems verschollen ist, lebt bei ihren Verwandten in der Familie des Statthalters von Memphis. Orion, der Sohn des Hauses, ist einem reichen Mädchen aus dem Stadtadel versprochen. Doch er verliebt sich in Paula. Diese ist aber von dem umtriebigen jungen Mann zunächst wenig angetan, insbesondere als dieser einer früheren Geliebten in Konstantinopel ein wertvolles Geschenk macht, dessen rechtmäßiger Besitzer er nicht ist. Als Orion und Paula durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen in Gefangenschaft geraten, werden jedoch all diese Liebeständeleien in den Hintergrund gedrängt, denn nun steht ihr Leben auf dem Spiel. Der dreibändige historische Roman »Die Nilbraut« liest sich streckenweise wie ein buntes orientalisches Märchen. Es tauchen Gestalten auf, die aus den Erzählungen einer Scheherezade entsprungen zu sein scheinen: so der fanatische ägyptische Magier, welcher Paula um jeden Preis verderben will, und der Vizefeldherr des Kalifen, Obadah, der einem grimmigen Raubtier gleicht. Dem Historiker und Ägyptologen Georg Ebers gelingt die Verbindung von geschichtlich korrekter Darstellung und fiktiver Erzählung. Der historische Roman umfasst ca. 850 Seiten und liegt hier in einer dreibändigen und überarbeiteten Neuauflage vor. Dieses ist der erste von drei Bänden. Der Umfang des ersten Bandes entspricht ca. 250 Buchseiten. CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES Der dreibändige historische Roman »Die Nilbraut« bildet zugleich die Teile 20 bis 22 der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.
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BRUNNAKR ist ein Imprint des apebook Verlags.
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www.apebook.de
1. Auflage 2021
V 1.0
ISBN 978-3-96130-371-7
Buchgestaltung/Coverdesign: SKRIPTART
www.skriptart.de
Alle Rechte vorbehalten.
© BRUNNAKR/apebook 2021
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DIE NILBRAUT
Band I
Band II
Band III
Inhaltsverzeichnis
DIE NILBRAUT. Band 1: Der Raub
Frontispiz
Impressum
Vorbemerkung
Karte
ERSTER BAND
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Eine kleine Bitte
CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES
BRUNNAKR Edition
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L i n k s
Zu guter Letzt
Die nachfolgende Geschichte spielt im Alten Ägypten, zu einer Zeit, die so weit entfernt liegt von der unsrigen, dass wir Mühe haben, uns in die damalige Lebenswelt einzufinden - zumal die geschilderten Begebenheiten in einem uns fremden Kulturkreis stattfinden. Die dargestellten Gepflogenheiten in Kultur, Religion und Leben entsprechen jedoch exakt dem Kenntnisstand der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Der Autor der Bücher, Georg Ebers, zählt zu den bedeutendsten Ägyptologen der Welt. Somit werden die Leserinnen und Leser dieser Geschichte nicht nur in eine fremde Welt in längst vergangener Zeit entführt, sondern werden auch sehr viel lernen über das Leben im Alten Ägypten.
Die Sprache der Geschichte ist für heutige Leserinnen und Leser in einer zunächst ungewohnten Rechtschreibung verfasst. Dabei handelt es sich aber nicht um Fehler, sondern um eine antiquierte Schreibweise, die die altertümliche Stimmung des historischen Romans unterstützt. Die geneigte Leserin und der geneigte Leser werden schnell bemerken, dass nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung die gewählte Form nicht mehr den Lesefluss hemmt, sondern die eben besagte Wirkung entfaltet. Wer sich an dieser Schreibweise jedoch stört, dem sei von der Lektüre und dem Erwerb der Bücher von vornherein abgeraten.
Der dreibändige historische Roman »Die Nilbraut« entspricht den Teilen 20 bis 22 der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die einzelnen Romane sind in chronologischer Reihenfolge:
Uarda (3 Bände)
Die Königstochter (3 Bände)
Die Tempelschwestern (2 Bände)
Kleopatra (2 Bände)
Der Kaiser (3 Bände)
Homo sum (2 Bände)
Per Aspera (2 Bände)
Serapis (2 Bände)
Die Nilbraut (3 Bände)
Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.
KARTE
des
ALTEN ÄGYPTEN
DER RAUB
Die Hälfte eines Lustrums war vergangen, seitdem sich Aegypten der jungen, mit unerhörter Kraft und Schnelligkeit aufgewachsenen Macht der Araber unterworfen hatte. Leichten Kaufes war es einer wohl geführten kleinen Schar muslimischer Krieger in die Hände gefallen, und die schöne Provinz, welche noch vor kurzem eine Zier des byzantinischen Kaiserreiches und die treueste Pflegerin des Christentums gewesen, gehorchte jetzt dem Chalifen Omar und mußte es dulden, den Halbmond sich überall neben dem Kreuze erheben zu sehen.
Ein heißerer Sommer hatte das unglückliche Land nur selten gedrückt, und der Nil, dessen Wachstum man in der »Nacht des Tropfens« am 17. Juni wie immer mit festlichen Vorbereitungen erwartet, hatte bisher die Hoffnung der Aegypter betrogen und war, statt zu steigen, kleiner und kleiner geworden. – In dieser Zeit der Besorgnis – am 10. Juli des Jahres 643 – zog eine Karawane von Norden her in Memphis ein.
In der entvölkerten, verfallenden Pyramidenstadt, welche sich in Form eines mächtigen Schilfblattes nur in die Länge entwickelt hatte, da ihrem Wachstun. in die Breite durch den Nil und das libysche Gebirge Schranken gesetzt waren, zog schon diese kleine Karawane die Blicke der Vorübergehenden auf sich, während es die Memphiten in früheren Jahren kaum für der Mühe wert geachtet hatten, den Kopf aufzuheben, wenn unabsehbare, mit Handelsgütern befrachtete Wagenreihen, wenn stattliche Züge von Ochsenwagen, glänzende kaiserliche Reitermanipeln oder endlose Prozessionen die mehr als meilenlange Hauptstraße belebten.
Der Kaufherr, welcher aus einem Dromedar von ausgesucht edler Zucht der Karawane voranritt, war ein hagerer, in weiche Seide gekleideter Muslim. Ein breiter Turban bedeckte den kleinen Kopf dieses Mannes und warf einigen Schatten auf sein zartes, ältliches Gesicht.
Der Aegypter, welcher neben dem Kaufherrn als Führer auf einem flinken Eselein dahinritt, sah oft und gern in dies an sich nicht schöne Antlitz mit den eingefallenen Wangen, dem spärlichen Vollbart und der großen Adlernase; denn es glänzten aus demselben zwei helle Augen von anmutender Besonnenheit und herzlicher Güte. Aber dieser schmächtige alte Herr, dem Schmerz und Krankheit manche Furche in die wohlwollenden Züge gegraben, verstand auch zu befehlen und seinem Willen Geltung zu verschaffen, das sah man dem feinen, fest geschlossenen Munde an, und dem Eifer, womit die trotzigen, bärtigen, bis an die Zähne bewaffneten Kriegergestalten, welche ihm folgten, seinen Winken gehorchten.
Sein ägyptischer Begleiter, der Vorsteher der Hermeneuten oder Fremdenführerzunft, ein mürrischer, bräunlicher Memphit, zog, wenn er einmal sich den wilden Dromedarreitern unversehens näherte, den Rücken ein, als sei er eines Hiebes oder Stoßes gewärtig, während er dem Kaufherrn Haschim, dem Eigner der Karawane, furchtlos und mit der ausgiebigen Sprechlust seines Standes Rede und Antwort gab.
»Wie gut Du hier in Memphis Bescheid weißt!« sagte der Aegypter, nachdem der alte Herr seinem Erstaunen über die traurige Veränderung und den Rückgang der Stadt, Ausdruck gegeben.
»Vor dreißig Jahren,« entgegnete der Kaufmann, »hat mich mein Geschäft häufig hieher geführt. Wie viele Häuser stehen jetzt leer und fallen zusammen, in denen es damals nur für schweres Geld Unterkunft gab! Ueberall Trümmer! Wer hat diese schöne Kirche so jämmerlich verstümmelt? Von den Meinen, ich weiß es von dem Feldherrn Amr selbst, ist kein christliches Gotteshaus angetastet worden.«
»Es war ja die Hauptkirche der Melchiten, der Kaiserknechte,« rief der Führer, als liege schon darin die Erklärung für das Geschehene; der Kaufherr aber nahm das nicht an, sondern fragte: »Nun, und was liegt denn so Schlimmes in ihrer Lehre?«
»Was?« versetzte der Aegypter, und seine Augen begannen zornig zu funkeln. »Was? Sie zerstücken die göttliche Person des Heilands und legen ihr verschiedene Naturen bei. Und dazu! Alle Griechen hier zu Lande haben, bevor die Deinen dem Gräuel ein Ende machten, uns, die Herren des Landes, gestützt auf die kaiserliche Macht, wie Sklaven geknechtet. In ihre Kirchen trieben sie uns mit Gewalt, und was ägyptischen Blutes war, wie Rebellen und Aussätzige ward es behandelt. Verlacht und verketzert haben sie uns wegen unsers Glaubens an die eine göttliche Natur unsers Heilands.«
»Und darum,« fiel ihm der Kaufherr ins Wort, »habt ihr, sobald wir die Griechen vertrieben, unmilder gegen sie und ihre Gotteshäuser gehandelt als wir, die ihr ›Ungläubige‹ scheltet, gegen euch.«
»Milde gegen sie?« entgegnete der Aegypter höhnisch und schaute mit einem bösen Blick auf das zerstörte Bauwerk. – »Sie haben geerntet, was sie gesäet, und wer jetzt in Aegypten – gelobt sei der Heiland! – nicht an euren einigen Gott glaubt, der bekennt sich zu der einen Natur unsers Herrn Jesus Christus. Die Melchitenrotte, ihr habt sie vertrieben, und an uns ist es dann gewesen, Hand an die Häuser ihres erbärmlichen Heilands zu legen, den sie aus der Synode zu Chalcedon – verdammt soll sie sein! – seiner göttlichen Würde entkleidet.«
»Aber die Melchiten sind doch immer eure Glaubensgenossen, sind Christen,« sagte der Kaufherr.
»Christen?« wiederholte der Führer und zuckte verächtlich die Achseln. »Mögen sie sich selbst dafür halten! Was mich und mit mir groß und klein in diesem Lande angeht, sind wir der Meinung, daß sie mit nichten berechtigt sind, sich unsre Glaubensgenossen, sich Christen zu nennen. Verflucht sind sie alle und sollen sie sein samt ihren hundert, nein tausend teuflischen Ketzereien, die unsern Gott und Erlöser zu einem Dinge machen möchten wie das Götterbild dort an dem steinernen Pfosten. Oben ist's eine Kuh, unten ein Mensch, und welcher verständige Mann, frag' ich, kann zu solchem Zwitterbalg beten? Wir Jakobiten, Monophysiten oder wie man uns sonst nennt, geben von der göttlichen Natur unsers Herrn und Heilands kein Titelchen preis, und soll es nun einmal mit dem alten Glauben vorbei sein, so will ich ein Muslim werden und mich zu eurem großen einigen Gott bekehren; denn bevor ich mich zu der Ketzerei der Melchiten bekenne, lieber lasse ich mich mit Weib und Kind in Stücke zerhacken. Wer weiß, wie's noch kommt! Es bringt ja auch manchen Vorteil, der eure zu werden; denn ihr habt die Macht, und ihr mögt sie behalten! Von Fremden werden wir nun einmal beherrscht, und wer zahlte nicht lieber die kleinere Steuer an den weisen und gesunden Chalifen in Medina als die größere an die melchitische, bresthafte Kaiserbrut in Konstantinopel? Der Mukaukas Georg ist gewiß kein schlechter Mann; aber wie er den Widerstand gegen euch so schnell aufgab, ist er der gleichen Meinung gewesen. Als rechtliche, fromme Leute, unsre Nachbarn, vielleicht sogar unsre Stammverwandten, zieht er euch, ich weiß es von meinem Bruder, den byzantinischen Ketzern, Menschenschindern und Bluthunden vor; und dabei ist der Mukaukas ein so guter Christ wie nur einer.«
Der Araber hatte dem Memphiten, den sein Führeramt zwang, sich selbst zu unterbrechen, aufmerksam und bisweilen mit seinem Lächeln zugehört. Jetzt ließ der Aegypter die Karawane in eine Gasse einbiegen, welche zu der dem Strome gleichlaufenden Straße führte, in der sich einige von Gärten umgebene Häuser stattlich erhoben.
Sobald Mensch und Tier auf dem bessern Pflaster weiter zogen, sagte der Kaufherr: »Ich habe den Vater des Mannes, den Du da nanntest, recht wohl gekannt. Er war ein reicher und dabei wohlgesinnter Herr, und auch von seinem Sohne hört' ich nur Gutes. Darf er immer noch den Titel ›Statthalter‹ oder – wie sagtest Du gleich? – eines Mukaukas führen?«
»Gewiß, Meister!« entgegnete der Hermeneut. »Es gibt in Aegypten kein älteres Geschlecht als das seine, und wenn der alte Menas schon reich war, so ist es der Mukaukas Georg noch mehr, durch Erbschaft und das Heiratsgut seiner Gattin. Einen verständigeren, gerechteren Statthalter können wir uns nicht wünschen! Auch den Unterbeamten sieht er auf die Finger, aber so schnell wie sonst werden die Geschäfte doch nicht mehr erledigt; denn wenn er auch kaum älter ist als ich, und ich stehe am Ende der Fünfzig, so kommt er doch aus dem Kranksein nicht mehr heraus, und schon seit Monaten hat ihn niemand mehr ausfahren sehen; selbst wenn euer Statthalter ihn sehen will, kommt er von drüben herüber. Ein Jammer ist's um den Mann, und wer hat ihm den stattlichen Leib zu Grunde gerichtet? Die Melchitenhunde sind es gewesen! Frag' nur am Nil, so lang er ist, nach dem Urheber eines Unglücks, und Du wirst immer dieselbe Antwort bekommen. Wo der Melchit, der Grieche hintrat, da war's aus mit dem Graswuchs!«
»Aber dem Mukaukas, dem höchsten Beamten des Kaisers . . .« hob der Araber an; doch der andere unterbrach ihn und rief:
»Er, denkst Du, sei sicher vor ihnen gewesen? An seine eigene Person haben sie freilich nicht getastet; aber es ist noch schlimmer gekommen; denn bei einem Aufstand der Melchiten gegen die Unsren – in Alexandria war es, und der verstorbene griechische Patriarch Cyrus hatte die Hand mit im Spiele – da sind ihm zwei Söhne, zwei schöne, blühende Männer, wie tolle Hunde erschlagen worden, und das hat ihm den Rücken gebrochen.«
»Armer Mann!« seufzte der Araber. »Und ist ihm kein anderes Kind verblieben?«
»Doch, Herr, doch! Ein Sohn und des ältesten Witwe. Die ist freilich nach dem Tod ihres Gatten ins Kloster gegangen, aber ihr Kind, die kleine Maria, zehn Jahre wird sie alt sein, hat sie bei den Großeltern gelassen.«
»Das ist schön,« rief der Kaufherr, »das wird Sonnenschein in das Haus gebracht haben.«
»Gewiß, Herr! Und es fehlte da auch sonst – eben jetzt noch – gewiß nicht an Freude. Der einzige überlebende Sohn, Orion heißt er, ist vorgestern aus Konstantinopel heimgekehrt, wo er lange gewesen, und das hat ein Leben gegeben! Die halbe Stadt war wie närrisch. Tausende sind ihm entgegengezogen, als wär' es der Heiland; Ehrenpforten haben sie ihm gebaut, und selbst die Meinen – von Zurückhalten war da keine Rede. Alle wollten den Sohn und Erben des großen Mukaukas sehen, und die Weiber natürlich allen voran!«
»Das kommt so heraus,« sagte der Araber, »als sei der Heimgekehrte solcher Ehre nicht würdig.«
»Wie man's ansieht,« versetzte der Aegypter und zuckte die Achseln. »Er ist einmal der einzige Sohn des ersten Mannes im Lande.«
»Verspricht aber nicht, dem Alten ähnlich zu werden?«
»Doch, doch!« rief der andere. »Mein Bruder, ein geistlicher Herr, der Vorsteher unsrer großen Schule, war sein Lehrer, und ein gleicher Kopf wie Orion, sagt er, sei ihm nicht wieder begegnet. Alles flog ihm nur so an, und dabei ist er fleißig gewesen wie armer Leute Kind. Ruhm und Ehre, meint Marcus, hätten wir, die Eltern und seine Vaterstadt Memphis von ihm zu erwarten; aber ich, ich seh' auch die Schatten, und ich sage Dir, die Weiber verdrehen ihm den Kopf und richten ihn endlich zu Grunde. – Schön ist er, stattlicher noch als der Alte in seinen Jahren, und das macht er sich zu nutz, und wo ihm etwas Anmutiges begegnet – und es stellt sich ihm überall in den Weg –«
»Da greift der junge Taugenichts zu,« lachte der Muslim. »Wenn es weiter nichts ist, was Dich ängstigt, so freut mich's für ihn. Er ist jung, und dergleichen gibt sich.«
»Nein, Herr; auch mein Bruder, – er ist jetzt in Alexandria und immer noch blind und närrisch eingenommen für den früheren Schüler – auch er sieht darin eine gefährliche Klippe. Wenn das sich nicht ändert, so wird er weiter und weiter abweichen von den Geboten des Herrn und Schaden nehmen an seiner Seele, und die Gefahren umstehen ihn überall wie brüllende Löwen. Die edle Gabe der Schönheit und des gewinnenden Wesens, die führt ihn noch ins Verderben; und ich wünsch' es nicht, aber mir ahnt es . . .«
»Du siehst schwarz und urteilst hart,« erwiderte der Alte. »Die Jugend . . .«
»Auch die Jugend,« entgegnete der Führer, »die christliche wenigstens, soll sich selbst beherrschen, und wenn einer, so bin ich geneigt, dem schönen Burschen das Beste zu gönnen, und daß ich's nur gestehe: wenn er mich grüßt, so ist mir's gleich, als wär' mir etwas Gutes begegnet, und so geht es noch tausend anderen Männern in Memphis, und den Weibern erst recht; doch trotz alledem hat schon manche viele bittere Thränen um ihn vergossen. Aber, bei allen Heiligen, wenn man vom Wolf spricht, gleich . . . Sieh nur, da ist er! . . . Halt, haltet ein wenig, ihr Leute! Es lohnt sich, Herr, einen Augenblick zu verziehen!«
»Das stattliche Viergespann dort an der hohen Gartenpforte ist seins?«
»Es sind die pannonischen Renner, die er mitgebracht hat, schnell wie der Blitz und dabei . . . Aber dort . . . Sieh! Ach, nun treten sie hinter den Gartenzaun zurück; aber Du, Du mußt sie doch von Deinem hohen Dromedar aus sehen können. Das kleine Fräulein da bei ihm, das ist die Tochter der Witwe Susanne, der dieser Garten und der schöne Palast hinter den Bäumen gehört.«
»Ein herrlich Besitztum!« rief der Araber.
»Das will ich meinen,« entgegnete der Memphit; »der Garten reicht bis an den Nil, und wie er gepflegt ist!«
»Hat hier nicht früher der Kornhändler Philammon gewohnt?« fragte der Kaufherr, als stiegen alte Erinnerungen in ihm auf.
»Freilich! Er war Susannens Gemahl und muß ein Fünfziger gewesen sein, als er um sie freite. Die Kleine ist ihre einzige Tochter, die reichste Erbin im ganzen Gau, aber trotz ihrer sechzehn Jahre nicht recht ausgewachsen, eines alten Vaters Kind, weißt Du, und doch hübsch und lustig, eine Lachtaube in Mädchengestalt, und so schnell und beweglich! Ihre eigenen Leute haben sie das ›Bachstelzchen‹ getauft.«
»Gut, gut und treffend,« versetzte der Kaufherr vergnügt. »Klein ist sie, mehr Kind als Jungfrau, aber mir gefällt das zierliche, muntre Geschöpf. Der Sohn des Mukaukas – wie hieß er?«
»Orion, Herr,« entgegnete der andere.
»Alle Wetter,« schmunzelte der Alte, »Du hast nicht geschmeichelt, Mann! Einem Jüngling wie diesem ›Orion‹ begegnet man nicht alle Tage! Welcher Wuchs! Wie die braunen Locken ihm stehen! Und auch das trifft zu: diese Art verzieht zuerst die eigene Mutter, und die anderen Frauen folgen dann ihrem Beispiel. Er hat auch ein offenes, kluges Gesicht, hinter dem etwas steckt. Hätte er nur den purpurnen Rock und den goldenen Krimskrams in Konstantinopel gelassen! Dergleichen paßt nicht mehr in diese traurige, verfallende Stadt.«
Während der letzten Worte trieb der Memphit sein Eselein wieder zum Gang an, der Araber hielt ihn indessen zurück; denn ihn fesselte, was sich hinter der Gartenmauer zutrug.
Er sah dort, wie der schöne Orion ein weißes Hündchen, einen Seidenspitz von besonderer Feinheit, der augenscheinlich ihm gehörte, dem kleinen Fräulein auf den Arm gab, sah, wie sie es küßte, und ihm einen langen Grashalm um den Hals schlang, als wollte sie ihm Maß damit nehmen. Dann wurde der Alte gewahr, wie sie beide mutwillig lachten, wie sie einander in die Augen blickten und endlich Abschied nahmen. Dabei hob sie sich auf den Zehen zu einem seltenen Strauche empor, an dessen Spitze zwei köstliche purpurne Glocken blühten, pflückte sie rasch, reichte sie ihm errötend, und wies die Hand, womit er sie beim Aufstreben zu den Blumen unterstützt hatte, mit einem fröhlichen Schlage von ihrem Arme zurück, und die sonnigste Glücksempfindung leuchtete dem Jüngling aus ihrem frischen Gesichtchen entgegen, wie er die Stelle, welche ihre Finger getroffen hatte, küßte und dann auch die Blumen mit den Lippen berührte.
Der alte Herr schaute dem allen so teilnahmvoll und heiter zu, als erwecke es die lieblichsten Erinnerungen in seinem Gemüte, und seine guten Augen lachten, als Orion, nicht weniger schalkhaft und fröhlich als sie, ihr einige Worte ins Ohr raunte, und sie den langen Grashalm aus dem Gürtel zog, ihm schnell und als gälte es, ihn zu strafen, damit über das Gesicht fuhr und darauf flüchtig wie ein Reh über Rasen und Beete, ohne seiner wiederholten Rufe: »Katharina, allerliebste, große Jungfrau Katharina!« zu achten, dem Palast entgegen floh.
Das war ein reizendes kleines Abenteuer gewesen, und der alte Haschim hielt es in seiner Seele fest und freute sich immer noch daran, als er mit den Seinen schon wieder ein ziemlich Stück Weges zurückgelegt hatte. Er war Orion, dem Sohn des Mukaukas Georg, dankbar für dies liebliche Schauspiel, und als er das Viergespann desselben in langsamem Trabe sich der Karawane nähern hörte, wandte er sich nach ihm um und behielt es im Auge.
Aber nachdem die vier Pannonier, der mit mancherlei in Silber getriebenen Figuren bedeckte Wagen und sein Lenker, die ein Ganzes von seltener Schönheit und bestem Geschmack bildeten, langsam an ihm vorbei gekommen waren, um dann windschnell auf der nun freien Straße vorwärts zu sausen und in dichten Staubwolken zu verschwinden, hatte des Kaufherrn Antlitz den heitern Ausdruck verloren, und es lag etwas tief Wehmütiges in seiner Stimme, als er einem der jungen Kameltreiber befahl, die Blumen, welche hinter ihnen im Staube lagen, vom Wege aufzulesen und ihm zu bringen.
Er war Zeuge gewesen, wie der schöne junge Mann mit einem Blick und einer Bewegung, als zürne er sich selbst, die freundliche Gabe auf den heißen Staub der Straße geschleudert.
»Dein Bruder hat Recht,« rief nun der Alte dem Memphiten zu. »Für diesen jungen Mann sind die Frauen eine gefährliche Klippe, und er für sie, wie ich fürchte. Die arme Kleine da drüben!«
»Das Bachstelzchen meinst Du?« fragte der Führer. »O, mit der könnt' es doch leicht etwas Ernstliches werden! Die lieben Mütter machen das Ding schon fertig. Sie sitzen beide im Golde, und wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Gottlob, die Sonne steht schon über den Pyramiden! Laß Deine Leute in der großen Herberge dort einkehren. Der Wirt ist ein redlicher Mann, und es fehlt bei ihm auch nicht an Schatten!«
»Was die Tiere und Knechte angeht,« versetzte der Kaufherr, »so mögen sie hier rasten. Ich, der Karawanenführer und einige Leute wollen uns etwas stärken, und dann führst Du uns zu dem Statthalter; ich habe mit ihm zu reden. Es ist nicht mehr früh . . .«
»Unbesorgt!« entgegnete der Aegypter. »Der Mukaukas empfängt an so glühenden Tagen am liebsten nach Sonnenuntergang. Wenn Du mit ihm zu thun hast, bist Du mit mir an den Rechten gekommen. Laß einige Goldstücke springen, und ich schaffe Dir noch heute durch den Hausmeister Sebek Gehör – er ist mein Vetter. Während ihr hier rastet, reite ich in die Statthalterei und bring' Dir dann Nachricht.«
Die Herberge, in welche der Kaufmann Haschim mit den Seinen einzog, lag, rings von Palmen umgeben, an einer erhöhten Stelle des Weges. Vor der Zerstörung der heidnischen Altertümer im Nilthal war sie ein Tempel Imhoteps, des ägyptischen Aeskulap, des freundlichen Gottes der Heilkunde, gewesen, welcher auch in der Totenstadt seine besondere Verehrungsstätte besessen. Diese war halb zerstört, halb vom Wüstensande begraben worden, während ein unternehmender Wirt den hübschen Imhoteptempel in der Stadt samt dem dazu gehörenden heiligen Hain für billiges Geld angekauft hatte. Seitdem war er von einer Hand in die andere gegangen, an die massiv gebauten Tempelräume hatte sich ein großes hölzernes Haus für die Aufnahme von Reisenden geschlossen, und in dem Palmenhain, welcher bis zu dem schlecht erhaltenen Uferdamm reichte, erhoben sich Ställe und sah man eingezäunte Plätze für angetriebene Herden. So glich das Ganze einem Viehmarkt, und in der That kamen die Metzger und Roßkämme der Stadt gern hieher, um ihren Bedarf zu befriedigen. Dagegen zog der Palmenhain, einer der wenigen, die in der Nähe der Stadt stehen geblieben waren, die Bürger von Memphis an, um »Lüftchen zu riechen« und sich in seinem Schatten eine Güte zu thun. Hart am Strome hatte der Wirt Tische und Bänke aufstellen lassen, und in dem kleinen Hafen auf seinem Grundstück gab es Boote zu mieten. Auch wer zu seinem Vergnügen von der Stadt aus Wasserfahrten machte, der legte hier gern an und nahm unter den Palmen des Nesptah eine Erfrischung.
Die beiden Häuserreihen, welche diesen Sammelplatz für vernünftige und unvernünftige Wesen früher von der Straße getrennt und sich nach dem Nil hin neben ihm erhoben hatten, waren längst eingestürzt und von den Wirten der Erde gleich gemacht worden. Jetzt sah man unter Leitung von arabischen Vögten einige hundert Arbeiter beschäftigt, eine gewaltige Ruine aus der Zeit der ptolemäischen Könige, die kaum zweihundert Schritte von dem Palmenhain entfernt lag, abzutragen und die großen, schön behauenen Kalk- und Marmorquadern, sowie die zahlreichen hohen Säulen, welche das Dach des Zeustempels von Memphis getragen hatten, trotz der brennenden Hitze des Nachmittags aus Ochsenkarren zu laden und sie dem Damme und von dort aus auf flachen Kähnen dem östlichen Nilufer zuzuführen.
Dort errichtete Amr, der Feldherr und Stellvertreter des Chalifen, seine neue Residenz. Die Tempel der alten Götter wurden dabei als Steinbrüche benützt, und es fanden sich in ihnen nicht nur sorgsam behauene Werkstücke vom festesten Gestein, sondern auch griechische Säulen jeder Ordnung in Menge, die man jenseits des Stromes nur wieder auszustellen hatte; denn die Araber verschmähten kein Material, ja sie verwandten sorglos beim Bau ihrer Gotteshäuser Quadern und Säulen, auch wenn sie aus heidnischen Tempeln oder christlichen Kirchen kamen.
In dem Herbergentempel des Imhotep waren Wände und Decken ursprünglich über und über mit Götterbildern und hieroglyphischen Inschriften bedeckt gewesen; aber der Rauch des Herdfeuers hatte sie längst geschwärzt, glaubenseifrige Hände waren nicht müde geworden, sie zu verstümmeln, und über manche hatte man Kalk geworfen und ihn mit christlichen Symbolen oder sehr weltlichen Kritzeleien in griechischer oder der Volksschrift der Aegypter bedeckt.
In der früheren großen Tempelhalle nahm der Araber mit den Seinen die Mahlzeit ein, und alle enthielten sich dabei des Weines, mit Ausnahme des Karawanenführers, der kein Muslim war, sondern zu der persischen Sekte der Masdakiten gehörte.
Nachdem der alte Herr sich an einem besonderen Tischchen gesättigt, rief er jenen an und befahl ihm, den Ballen mit dem Teppich sicher, aber leicht ablösbar auf die Sänfte zwischen den beiden großen Lastkamelen zu legen.
»Ist schon geschehen,« versetzte der Perser, ein Prachtmensch, groß und breit wie eine Eiche, und mit einem Kopfe, den das blonde Haupthaar wie eine Löwenmähne umwallte, indem er sich den mächtigen Schnurrbart wischte.
»Desto besser,« entgegnete Haschim. »Komm mit mir ins Freie!«
Damit ging er dem Masdakiten in den Palmenhain voran.
Das Tagesgestirn war hinter den Pyramiden, der Totenstadt und der libyschen Bergkette zur Rüste gegangen, und sein Widerschein bemalte nun den östlichen Himmel und das nackte Kalkgebirge von Babylon jenseits des Stromes mit Farben von unbeschreiblich wechselvoller Schönheit. Es war, als hätten alle Rosenarten, die der erfahrenste Gärtner in Arsinoë oder Naukratis züchtete, von der goldgelben an bis zu der purpurnen und der mit tiefem violettlichem Schwarzrot gesättigten, die Farben hergegeben, um die Flächen, die Vorsprünge und Schluchten des Gebirges gedankenschnell mit zauberhaften Tinten zu übergießen.
Dem alten Manne schwoll die Brust bei diesen. Anblick, und indem er tief aufatmete, legte er die zarte Hand auf den Riesenarm des Persers und sagte: »Euer Meister Masdak lehrt, es sei Gottes Wille, daß der eine nicht mehr und nicht weniger sein eigen nenne als der andere und daß es weder Arme noch Reiche gebe auf Erden; denn jeder Besitz gehöre allen gemeinsam. Nun schau einmal mit mir hieher! Wer dies nicht gesehen, hat gar nichts gesehen; es gibt nichts Schöneres hienieden, und wem gehört es? Dem armen, einfältigen Salech dort, den wir aus Gnade halb nackt den Kamelen nachtraben lassen, ist sie so gut zu eigen wie Dir und mir und dem Chalifen. Seinen großen Werken gegenüber hat Gott uns alle so gestellt, wie es euer Meister begehrt. Wie viel Schönes ist doch im allgemeinen Besitz unseres Geschlechts! Seien wir dankbar dafür, Rustem; denn wahrlich, es ist nicht wenig. – Das Eigentum, welches der Mensch erwirbt oder verliert, damit ist es freilich etwas ganz anderes. Auf der gleichen Rennbahn stehen wir alle, und was ihr begehrt, das fordert nur, dem Schnelleren Blei an die Füße hängen, damit keiner dem andern zuvorkommt, das würde . . . Aber weiden wir jetzt lieber die Augen an der wundervollen Schönheit da drüben! Sieh nur, was vorhin wie diese purpurfarbene Glockenblume erschien, das wird jetzt zum Rubin, was wie Veilchen schimmerte, zum dunklen Amethyst. Der goldene Rand dort an den Wolken, der faßt die Juwelen zusammen, und das alles ist mein, ist Dein, ist unser, so lange sich Auge und Herz daran ergötzt und erhebt.«
Da lachte der Masdakit mit einem quellfrischen, wohltönenden Lachen laut auf und rief: »Ja, Meister, wer Deine Augen hätte! Es sieht freilich bunt genug aus dort am Himmel und an den Bergen, und so rote Farben hat's daheim selten; doch was nützt uns der Zauber? Du siehst Rubinen und Amethyste da oben, aber ich? – Die Juwelen in Deinem Teppich, die bedeuten was anderes als das lustige Gefunkel! Nichts für ungut, Meister, aber für den Ballen dort gäb' ich alle Sonnenuntergänge auf Erden, und es sollt' mich nicht reuen!« Dabei lachte er wieder hell auf und fuhr fort: »Doch Du, Väterchen, Du würdest Dich hüten, den Handel zu schließen! – Was uns Masdakiten betrifft, so ist die Zeit für uns noch nicht gekommen!«
»Und wenn sie da wäre, und Du bekämst den Teppich?«
»Dann verkaufte ich ihn und legte den Erlös zu meinem Ersparten und ginge nach Hause und kaufte mir Land, und nähm' mir ein hübsches Weib und züchtete Kamele und Rosse.«
»Aber übermorgen kämen die Armen, die nichts zurückgelegt und kein gutes Geschäft mit dem Abendrote gemacht haben, und jeder verlangte ein Stück Deines Landes, ein Kamel und ein Fohlen, Du bekämest nie wieder einen herrlichen Sonnenuntergang zu sehen, und Dein hübsches Weibchen würde mit Dir in die Welt ziehen, um Dir zu helfen, mit anderen zu teilen. Lassen wir's nur beim alten, mein Rustem, und der Höchste bewahre Dir Dein braves Herz, Du närrischer Querkopf.«
Da beugte sich der Riese auf den Arm seines Herrn, und während er ihn dankbar küßte, kehrte der Fremdenführer mit langem Gesichte zurück; denn er hatte zu viel versprochen. Der Mukaukas Georg war – ein ganz unerhörtes Ereignis – gerade als er um Gehör für den Araber bitten wollte, in die Gondel getragen worden, um mit seinem Sohne und den Frauen des Hauses eine Wasserfahrt zu unternehmen. – Die Heimkehr Orions, hatte der Hausmeister gesagt, habe den alten Herrn wie verjüngt. Haschim müsse nun bis morgen warten, und er, der Führer, rate ihm, in der Stadt, in der Herberge des Sostratus, wo es an nichts fehle, zu übernachten.
Aber der Kaufherr zog es vor, hier zu bleiben. Der Aufschub bekümmerte ihn wenig, zumal er ohnehin einen ägyptischen Arzt wegen eines alten Leidens um Rat fragen wollte, und einen tüchtigeren und gelehrteren als den berühmten Philippus, versicherte der Hermeneut, könne er im ganzen Lande nicht finden. Hier draußen sei es ja schön, und von den Bänken am Ufer aus lasse sich der Komet beobachten, der sich seit einigen Tagen zeige und gewiß schlimme Zeiten verkünde. Die ganze Stadt sei wie gelähmt von Besorgnis; das zeige sich recht deutlich hier in der Wirtschaft des Nesptah; denn sonst füllten sich, wenn die abendliche Kühlung eintrete, die Tische und Bänke unter den Palmen mit Wasserfahrern und Spaziergängern, aber jetzt, wer getraue sich in diesen Angsttagen an Vergnügen zu denken?
Damit bestieg er wiederum den Esel, um den Arzt zu rufen, der alte Haschim aber begab sich am Arm des Masdakiten zu den Bänken unter den Palmen und schaute von dort aus gedankenvoll zum Sternenhimmel empor, während sein junger Gefährte von der Heimat träumte und sich dort auch ohne den kostbaren Teppich und nur für sein Erspartes Weideland kaufen, ein Haus bauen und ein hübsches Weibchen darin walten sah. Ob es blond oder braun ausfallen würde? Blond wär' ihm lieber gewesen.
Aber hier brach sein Lustschloß zusammen; denn es näherte sich etwas auf dem Nil, das seine Aufmerksamkeit anzog und ihn veranlaßte, auch seinen Herrn darauf hinzuweisen.