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Lernen Sie die düstere und unheimliche Welt von H.P. Lovecrafts "The Rats in the Walls" kennen. In dieser fesselnden Gruselgeschichte folgen Sie dem Protagonisten, der den verlassenen Stammsitz seiner Familie in England erwirbt und nach Abschluss der Renovierungsarbeiten auf eine Serie schrecklicher Mysterien stößt. Mit jedem Schritt, den er in dem verwunschenen Gebäude unternimmt, entfaltet sich eine erschreckende Geschichte von Wahnsinn und übernatürlichen Mächten. Die geheimnisvollen Geräusche aus den Wänden und die unheilvolle Vergangenheit des Anwesens ziehen den Leser in einen Strudel aus Furcht und Neugier. Lassen Sie sich von Lovecrafts meisterhaftem Erzähltalent mitreißen und erleben Sie, wie die Grenzen zwischen Realität und Albtraum verschwimmen.
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Seitenzahl: 43
Die Ratten in den Mauern
The Rats in the Walls
von H. P. Lovecraft (1923)
Übersetzung: Stefan Gresse (2024)
Am 16. Juli 1923 zog ich, nachdem der letzte Handwerker seine Arbeit beendet hatte, in das Priorat Exham ein. Die Restaurierung war eine gewaltige Aufgabe gewesen, denn von dem verlassenen Gebäude war nur noch eine Ruine übrig geblieben; doch da es der Sitz meiner Vorfahren gewesen war, ließ ich mich von den horrenden Kosten nicht abschrecken.
Der Ort war seit der Herrschaft Jakobs des Ersten nicht mehr bewohnt gewesen, als eine Tragödie von höchst abscheulicher, wenn auch weitgehend ungeklärter Natur den Hausherrn, fünf seiner Kinder und mehrere Bedienstete dahinraffte und den dritten Sohn, meinen Stammvater und einzigen Überlebenden der verhassten Familie, unter einer Wolke von Verdächtigungen und Anschuldigungen vertrieb. Da der einzige Erbe als Mörder denunziert worden war, fiel der Besitz zurück an die Krone. Auch weil der Angeklagte keinen Versuch mehr unternahm, sich zu entlasten, um sein Eigentum wiederzuerlangen. Die grässlichen Ereignisse hatten Walter de la Poer, den elften Baron von Exham, bis ins Mark erschüttert, und daher äußerte er nur den verzweifelten Wunsch, das alte Gebäude aus seinem Angesicht und seiner Erinnerung zu verbannen. Er floh nach Virginia und gründete dort die Familie, die im nächsten Jahrhundert unter dem Namen Delapore bekannt wurde.
Das Priorat von Exham blieb unbewohnt, obwohl es später zum Besitz der Familie Norrys gehörte und wegen seiner besonders vielschichtigen Architektur häufig untersucht wurde; eine Architektur mit gotischen Türmen, die auf einem sächsischen oder romanischen Unterbau ruhten, dessen Fundament wiederum aus einer noch älteren Epochen oder weit zurückliegenden Zeitaltern stammte – römisch, vielleicht sogar druidisch oder für die Gegend nicht untypisch, kymrisch, falls die Legenden stimmen. Dieses Fundament zeichnete sich durch die Besonderheit aus, dass es auf einer Seite mit dem massiven Kalkstein des Abhangs verschmolzen war, an dessen Rand das Priorat ein trostloses Tal drei Meilen westlich des Dorfes Anchester überblickte. Architekten und Altertumsforscher sind äußerst erpicht darauf, dieses seltsame Relikt vergangener Jahrhunderte zu untersuchen, während die Landbevölkerung das Bauwerk stets verabscheute. Die Bauern hassten es schon seit Hunderten von Jahren, bereits zu der Zeit, als meine Vorfahren noch dort lebten, und sie hassen es auch heute noch, wo das Moos und der Schimmel des Verfalls es überzogen. Ich war kaum einen Tag in Anchester und mir war bereits, dass ich einer verfluchten Familie entstammte. Diese Woche haben Arbeiter das Priorat Exham gesprengt, und sie sind noch immer damit beschäftigt, die Überreste seiner Fundamente zu beseitigen.
Die reinen Zahlen und Fakten meiner Abstammung waren mir immer bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass mein erster amerikanischer Vorfahre unter seltsamen Begleitumständen in die Kolonien gekommen war. Über Details hatte ich jedoch aufgrund der von den Delapores stets gepflegten Politik der Zurückhaltung nie etwas erfahren. Im Gegensatz zu unseren Nachbarn, den Plantagenbesitzern, rühmten wir uns nur selten die Nachfahren von Kreuzfahrern oder anderen Helden des Mittelalters oder der Renaissance zu sein; es gab auch keine schriftlichen Überlieferungen, außer vielleicht dem, was in dem versiegelten Briefumschlag stand, den jeder Gutsherr vor dem Bürgerkrieg seinem ältesten Sohn zur posthumen Öffnung überließ. Wir rühmten uns eher dessen, was unsere Familien seit der Auswanderung erreicht hatten; dem Ruhm einer stolzen und ehrenhaften, wenn auch etwas zurückhaltenden und gesellschaftlich isolierten Familie aus Virginia.
Während des Krieges wurde unser Besitz zerstört und unsere gesamte Existenz erfuhr durch den Brand von Carfax, unseres Heimatsitzes an den Ufern des James River, eine dramatische Veränderung. Mein greiser Großvater kam bei dieser Brandstiftung ums Leben, und mit ihm der Briefumschlag, der uns alle mit der Vergangenheit verband. Ich kann mich noch heute an das Feuer erinnern, genauso wie ich es als Siebenjähriger gesehen hatte, mit den schreienden Soldaten der Föderation, den kreischenden Frauen und den heulenden und betenden Schwarzen. Mein Vater war in der Armee, um Richmond zu verteidigen, und nach einigem formellen Hin und Her wurden meine Mutter und ich zu ihm durch die Verteidigungslinien gelassen. Als der Krieg zu Ende war, zogen wir alle nach Norden, woher meine Mutter stammte, und ich wuchs als sturer Yankee zu einem Mann heran, erreichte ein mittleres Alter und wurde schließlich reich. Weder meinem Vater noch mir war bewusst, über welches Erbe die Familie verfügte, und als ich in das Geschäftsleben von Massachusetts eintauchte, verlor ich jegliches Interesse an diesen Geheimnissen, die offensichtlich sehr weit in der Familienhistorie zurücklagen. Hätte ich die Natur dieser Mysterien erahnt, wie gerne hätte ich das Priorat Exham dem Moos, den Fledermäusen und den Spinnweben überlassen!